TE OGH 2020/1/21 10Ob89/19i

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2020
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Unterhaltssache des Antragstellers F*****, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin S*****, wegen Unterhaltsherabsetzung, über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 20. November 2019, GZ 16 R 300/19k-164, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist der Vater der mittlerweile volljährigen Antragsgegnerin.

Der Vater ist seit 1. 9. 2016 bis auf weiteres zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 915 EUR an die Tochter verpflichtet (ON 75).

Der Vater beantragte am 27. 3. 2019 die Herabsetzung dieser Unterhaltsverpflichtung dahin, dass der notwendige Unterhalt der Tochter rückwirkend ab 1. 8. 2018 mit monatlich 425 EUR, ab 1. 8. 2019 mit monatlich 323 EUR und ab 1. 8. 2020 mit monatlich 116 EUR bestimmt werde (ON 137).

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Beschluss vom 8. 8. 2019 ab (ON 152).

Das Rekursgericht gab dem vom Vater gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs nicht Folge. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei (Beschluss des Rekursgerichts vom 10. 10. 2019, ON 159).

Gegen diese Entscheidung erhob der Vater einen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof verbunden mit dem Antrag, der Oberste Gerichtshof möge diesen Revisionsrekurs zulassen (ON 161).

Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss (ON 164) den Antrag des Vaters, den Zulassungsausspruch abzuändern und den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen, samt dem Revisionsrekurs zurück. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige nicht 30.000 EUR, sodass das Rekursgericht ungeachtet der unrichtigen Bezeichnung des angerufenen Gerichts zur Entscheidung über den Abänderungsantrag gemäß § 63 Abs 1 AußStrG zuständig sei. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG liege jedoch nicht vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Vaters, mit dem dieser inhaltlich geltend macht, dass kein Fall des § 63 Abs 1 AußStrG vorliege, weil der Streitwert, ausgehend von der Unterhaltsverpflichtung des Vaters in Höhe von 915 EUR monatlich 30.000 EUR übersteige. Der Umstand, dass der Vater seinen Antrag als „Unterhaltsherabsetzungsantrag“ bezeichnet habe, schade nicht, weil es inhaltlich um die fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit der Tochter gehe.

Der Rekurs ist zulässig. Hat das Gericht zweiter Instanz ein an den Obersten Gerichtshof gerichtetes Rechtsmittel zurückgewiesen, so ist dieser Beschluss auch dann anfechtbar, wenn eine von einem absoluten Rechtsmittelausschluss erfasste Materie betroffen ist, wie hier die Zurückweisung einer Zulassungsvorstellung samt Revisionsrekurs (2 Ob 153/15m; RS0124563). Der Rechtsmittelausschluss des § 63 Abs 4 AußStrG gilt nur für die inhaltliche Beurteilung der Zulassungsfrage, nicht aber dafür, ob überhaupt ein Fall des § 63 AußStrG vorliegt, wie dies hier vom Vater geltend gemacht wird (RS0112034 [T7, T8]; RS0115271 [T2, T6]). Der Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts ist gemäß § 45 AußStrG mit Rekurs ohne die Einschränkungen des § 62 AußStrG mit Rekurs anfechtbar (3 Ob 34/09k; 7 Ob 2/19k).

Da das Rekursgericht nicht im Sinn des § 68 Abs 1 AußStrG „über die Sache“, sondern lediglich über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses entschieden hat, ist das Rekursverfahren einseitig (RS0120614; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 48 AußStrG Rz 14 und 19 mwH).

Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Eines Bewertungsausspruchs durch das Rekursgericht bedurfte es nicht, weil der Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur ist und ausschließlich in einem Geldbetrag besteht (RS0042366 [T10]).

2. Die Ermittlung des Werts des vom Rekursgericht behandelten Entscheidungsgegenstands richtet sich nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften der JN; er bestimmt sich beim Unterhalt nach § 58 Abs 1 JN mit dem 36-fachen des monatlichen Unterhalts. Wird eine Erhöhung oder Herabsetzung eines Unterhaltsbetrags begehrt, so bildet den Streitwert nicht der Gesamtbetrag, sondern nur der dreifache Jahresbetrag der begehrten Erhöhung oder Herabsetzung (RS0046543). Daran ändert der vom Rekurswerber geltend gemachte Umstand, es sei inhaltlich um die fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit der Tochter gegangen, nichts.

3. Für die Bewertung ist nur auf den laufenden Unterhalt abzustellen; bereits fällig gewordene Beträge sind nicht gesondert zu berücksichtigen (RS0114353 [T1]). Zusätzlich begehrte, bereits fällige Ansprüche können allerdings dann zu einer Erhöhung der Bewertung nach dem dreifachen Jahresbetrag im Sinn des § 58 JN führen, wenn der Durchschnitt dreier Jahre bereits fälligen Unterhalts höher ist als das Dreifache der Jahresleistung des laufenden Unterhalts (RS0046543 [T3]). Auszugehen ist dabei von den höchsten Differenzen (RS0046543 [T5]). Diese Grundsätze lassen sich auch auf den vorliegenden Fall anwenden, in dem es – teilweise – um die nachträgliche Herabsetzung bereits fälliger Ansprüche geht. Daraus ist allerdings für den Vater nichts zu gewinnen:

4.1 Bereits fällige Beträge seit 1. 8. 2018, deren Herabsetzung der Vater im Nachhinein beantragt hat, sind im vorliegenden Fall für die Bewertung nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht drei Jahre zurückreichen, sodass der Durchschnitt über diesen Zeitraum nicht mit dem laufenden Unterhalt verglichen werden kann.

4.2 Ausgehend vom Herabsetzungsbegehren des Vaters betreffend den laufenden Unterhalt für das Jahr 2019 ergibt sich ein monatlicher Differenzbetrag von 592 EUR (915 – 323), der 36-fache Betrag errechnet sich mit 21.312 EUR, liegt daher unter 30.000 EUR.

4.3 Auch wenn man von den höchsten Differenzen ausgeht, führte dies zu keinem anderen Ergebnis: Die erst ab 1. 8. 2020 begehrte Herabsetzung des Unterhalts auf 116 EUR führt rechnerisch zu einer Differenz von 799 EUR (915 - 116), der 36-fache Betrag errechnet sich mit 28.764 EUR.

5. Daraus folgt, dass das Rekursgericht zutreffend vom Vorliegen eines Falls des § 63 Abs 1 AußStrG ausging und der Rechtsmittelausschluss des § 63 Abs 4 AußStrG zur Anwendung gelangt, weil das Rekursgericht der Zurückweisung der Zulassungsvorstellung und des Revisionsrekurses ausschließlich die inhaltliche Beurteilung der Zulassungsfrage zugrunde legte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG.

Textnummer

E127771

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0100OB00089.19I.0121.000

Im RIS seit

22.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten