Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Richter Mag. Robert Atria als Einzelrichter (§ 8a JN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei L***** P*****, *****, vertreten durch die Dr. Reinitzer Rechtsanwalts KG in Wien, wider die beklagte Partei Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS), Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, wegen Rehabilitationsgeld, über den Rekurs des Sachverständigen Dr. A***** S*****, *****, gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 6.12.2019, GZ 38 Cgs 66/19b - 23, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die Bezeichnung der Beklagten war gemäß § 47 Abs 1 und 2 SVSG von Amts wegen auf „Sozialversicherung der Selbständigen“ zu berichtigen.
Über Auftrag des Erstgerichts erstattete der Sachverständige Dr. A***** S***** am 13.7.2019 ein Gutachten aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie über die Erwerbsfähigkeit der Klägerin, das er am 22.8.2019 elektronisch einbrachte. Der Sachverständige verzeichnete dafür – sowie für die später auch tatsächliche stattgefundene Verhandlungsteilnahme – Gebühren in der Höhe von gesamt EUR 735,-- inkl USt. In der ursprünglichen Gebührennote verzeichnete er an Schreibgebühren gemäß § 31 GebAG EUR 40,-- für die Erstellung der Urschrift (20 Seiten á EUR 2,--) sowie je EUR 12,-- für zwei Kopien des Gutachtens (20 Seiten á EUR 0,6; „GA eigene Kopien“, „Handakt, Kopien, Scans, Fotos“), jedoch keine Gebühr für die elektronische Einbringung (ON 19, AS 79).
In ihrer Äußerung vom 19.9.2019 stimmte die Beklagte einer Gebührenbestimmung in der Höhe von EUR 720,-- (abgerundet) zu. Sie wendete sich gegen die Honorierung der Durchschriften, es könne jedoch für die elektronische Einbringung eine Gebühr von EUR 12,-- verzeichnet werden (ON 14).
Dagegen nahm der Sachverständige in seinem „Bericht“ vom 8.10.2019 umfangreich Stellung, wobei er seine Gebührennote insofern korrigierte, als er die Gebührenposition „Handakt, Kopien, Scans, Fotos“ in der Höhe von EUR 12,-- strich und dafür eine Gebühr für die elektronische Einbringung in der Höhe von EUR 12,-- hinzufügte (ON 18, AS 139).
In der mündlichen Verhandlung vom 5.11.2019 ergänzte er, dass der Sachverständige nach Einbringen des Gutachtens keine Möglichkeit mehr habe, das Gutachten zu sehen und sich auf die Verhandlung vorzubereiten. Die Gebühren für die Urschrift seien rein für das Schreiben gedacht, nicht aber für das Anfertigen einer Kopie oder das Aufbewahren auf dem Server (Protokoll ON 21).
Mit dem nun angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen mit EUR 720,-- bestimmt, darin die verzeichneten Gebühren für die Erstellung der Urschrift in der Höhe von EUR 40,-- und die elektronische Einbringung in der Höhe von EUR 12,--, nicht aber die verzeichnete Gebühr für die Erstellung einer Kopie des Gutachtens in der Höhe von EUR 12,--. Da sowohl die Erstellung des Gutachtens als auch die elektronische Übermittlung desselben nach dem 30.6.2019 erfolgt sei, sei das GebAG idF BGBl I Nr. 44/2019 anzuwenden. Die Erstellung der Urschrift sei gemäß § 31 Abs 1 Z 3 GebAG wie verzeichnet mit EUR 40,-- netto zu honorieren (EUR 2,-- pro Seite der Urschrift). Die elektronische Übermittlung des Gutachtens samt Gebührennote und allfälligen Beilagen sei nach § 31 Abs 1a GebAG idF BGBl I Nr. 44/2019 mit EUR 12,-- netto zu honorieren. Dagegen habe sich auch die Beklagte nicht ausgesprochen. Infolge der Übermittlung des Gutachtens im DES sei die Herstellung einer Ausfertigung für das Gericht nicht mehr notwendig. Hinsichtlich der Honorierung von Ausfertigungen für den Gutachter selbst herrsche eine uneinheitliche Rechtsprechung, so habe das Oberlandesgericht Graz zu 6 Rs 77/15p ausgeführt, dass dem Sachverständigen auch Schreibgebühren für eine Durchschrift des Gutachtens zustünden. Im Gegensatz dazu habe das Oberlandesgericht Linz zu 12 Rs 31/17s den Anspruch auf Schreibgebühren für weitere Ausfertigungen des Gutachtens für den Handakt des Sachverständigen bei einer elektronischer Gutachtensübermittlung verneint, da den Zwecken der Archivierung in diesem Fall die (ausgedruckte) Urschrift diene. Auch in den erläuternden Bemerkungen zu § 31 Abs 1 Z 3 GebAG werde unter Bezugnahme auf dieses Judikat des Oberlandesgerichts Linz ausgeführt, dass die Sachverständigen für die Zwecke der Archivierung die Urschrift verwenden können, für die sie Anspruch auf eine Gebühr nach § 31 Abs 1 Z 3 GebAG haben, sodass im Fall der ERV-Nutzung regelmäßig kein gebührenrechtlich relevanter Bedarf nach Anfertigung einer Ausfertigung bestehen werde. Im Ergebnis sei der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Linz zu 12 Rs 31/17s zu folgen, der die Novelle zum GebAG BGBl I Nr. 44/2019 Rechnung getragen habe. Die Kopie des Gutachtens zum eigenen Gebrauch sei daher nicht zu honorieren.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Sachverständigen mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Honorierung der verzeichneten Gebühr für die Kopie des Gutachtens abzuändern.
Die Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Die frühere Rechtsprechung – vor der verpflichtenden Teilnahme der Sachverständigen am elektronischen Rechtsverkehr (ERV) – gestand dem Sachverständigen bei der Gebührenbestimmung die Herstellung einer Durchschrift/Kopie des Gutachtens für den eigenen Handakt bzw zum Vortrag und zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung zu (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG – GebAG4 § 31 GebAG E 83 und Anm 2).
2. Bereits seit 1.10.2010 bestand für alle Sachverständigen die Möglichkeit zur elektronischen Übermittlung von Gutachten an die Justiz (ursprünglich bezeichnet als Dokumenteneinbringungsservice – DES). Seit 1.7.2019 ist für die Sachverständigen die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr grundsätzlich verpflichtend (§ 89c Abs 5a GOG; BGBl I Nr. 44/2019). Gutachten sind über Übermittlungsstellen im Sinne des ERV oder über die Website „www.des.justiz.gv.at“ elektronisch einzubringen (§ 1 Abs 1b ERV 2006).
Mit derselben Novelle wurde in § 31 GebAG (Sonstige Kosten) folgende Bestimmung eingefügt:
„(1a) Übermittelt der Sachverständige sein Gutachten samt allfälligen Beilagen sowie seinen Gebührenantrag im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs (§ 89a GOG), so gebührt ihm dafür ein Betrag von insgesamt 12 Euro. Werden vom Sachverständigen im Rahmen der Erfüllung des Gutachtensauftrags darüber hinaus notwendigerweise weitere Unterlagen im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs an das Gericht übersandt, so hat der Sachverständige dafür jeweils Anspruch auf eine Gebühr von insgesamt 2,10 Euro; dies gilt nicht für weitere Übersendungen im Zusammenhang mit dem Gebührenbestimmungsantrag.“
Die Gesetzesmaterialien dazu betonen, dass für die Sachverständigen „die Nutzung des ERV gleichzeitig aber auch mit einem gewissen manipulativen Mehraufwand verbunden [ist]. Dem soll mit dem in § 31 GebAG neu vorgeschlagenen Gebührentatbestand Rechnung getragen werden. Was die Frage der „Schreibgebühr“ im Fall der künftig grundsätzlich verpflichtenden Übermittlung des Gutachtens/der Übersetzung im Weg des ERV angeht, so wird eine solche den Sachverständigen/Dolmetscherinnen und Dolmetschern für die Urschrift auch weiterhin zustehen. Entfallen wird jedoch die Schreibgebühr für die bislang erforderlichen, aufgrund der elektronischen Übermittlung künftig nicht mehr nötigen Ausfertigungen des Gutachtens bzw der Übersetzung. Da die Sachverständigen/Dolmetscherinnen und Dolmetscher für die Zwecke der Archivierung die Urschrift verwenden können (für die sie Anspruch auf eine Gebühr nach § 31 Abs 1 Z 3 GebAG haben), wird im Fall der ERV-Nutzung auch in ihrem Bereich regelmäßig kein gebührenrechtlich relevanter Bedarf nach Anfertigung einer Ausfertigung bestehen (vgl RIS-Justiz RL0000180)“ (RV 561 BlgNR XXVI.GP, 3; Hervorhebungen durch das Rekursgericht).
Diese Bestimmung ist auf Übermittlungen anzuwenden, die nach dem 30.6.2019 erfolgen (§ 69a Abs 2 GebAG).
Im hier maßgeblichen Zusammenhang unverändert blieben die Bestimmungen des § 31 Abs 1 Z 1 GebAG über die zu vergebührenden Materialkosten für die Anfertigung von Kopien sowie des § 31 Abs 1 Z 3 GebAG über die zu vergebührenden Kosten für die Urschrift und Ausfertigungen des Gutachtens.
3. Der Rekurs überzeugt nicht, soweit er vorbringt, eine „Kopie“ des Gutachtens sei schon deswegen notwendig, da das in Urschrift in einem Textdokument erstellte und gespeicherte Gutachten für die Eingabe in das DES (Dokumenteneinbringungsservice) in ein veränderungssicheres PDF-Dateiformat umgewandelt und erneut abgespeichert werden müsse. Bereits dies sei als ein zu vergebührender Kopiervorgang zu betrachten.
Die beschriebene Umformatierung ist eindeutig Teil des „manipulativen Mehraufwands“ des Sachverständigen, der mit der zusätzlichen Gebühr nach § 31 Abs 1a GebAG abgegolten wird.
Darüberhinaus scheint das Internetportal „www.des.justiz.gv.at“ auch die Eingabe eines Textdokuments zu ermöglichen, welches dann automatisch in ein PDF-Format umgewandelt wird.
4. Entgegen dem Rekursvorbringen ist auch die Herstellung einer Gutachtenskopie für den Sachverständigen zur Vorbereitung auf die Verhandlung nicht mehr notwendig.
Mit der Schreibgebühr für die Urschrift des Gutachtens nach § 31 Abs 1 Z 3 GebAG ist der gesamte Aufwand für Schreibkräfte, Schreibmittel und Geräte abgegolten und stehen keine weiteren Materialkosten (zB für das Heften oder Binden) zu (Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 31 GebAG E 62 und 63). Diese Urschrift verbleibt jedoch nunmehr beim Sachverständigen und steht diesem sowohl für den Vortrag und die Erörterung des Gutachtens in der Verhandlung, also auch für eine papiermäßige Archivierung zur Verfügung. Die Herstellung einer weiteren Kopie des Gutachtens ist daher nicht erforderlich (so auch schon zur neuen Rechtslage LG Linz 7 Cgs 102/19d).
5. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO jedenfalls unzulässig.
Textnummer
EW0001022European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2020:0100RS00013.20K.0404.000Im RIS seit
23.04.2020Zuletzt aktualisiert am
23.04.2020