Entscheidungsdatum
09.04.2020Norm
StVO 1960 §23 Abs3Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Herzog über die Beschwerde des Ing. A M, A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F vom 17.03.2020 betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
1. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe am 23.07.2019, 14:45 Uhr, in F, Pstraße, den PKW mit dem Kennzeichen XXX vor einer Grundstückseinfahrt gehalten und sei nicht im Fahrzeug verblieben. Die Bezirkshauptmannschaft erblickte darin eine Übertretung des § 23 Abs 3 StVO. Es wurde eine Geldstrafe von 60 Euro verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag 3 Stunden festgesetzt.
2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt er im Wesentlichen vor, dass die Übertretungsbeschreibung des Beamten nicht den Tatsachen entspreche. Er sei in das Grundstück GP YYY auf der behördlich genehmigten Zufahrt gefahren um zu parken, und habe direkt auf dem Grundstück geparkt. Die Feststellung des Beamten sei falsch. Erstens sei der Ort des Geschehens nicht Pstraße, da es diesen Ort im Katasterplan F gar nicht gebe. Zweitens habe er nicht vor der Einfahrt geparkt, sondern auf dem Grundstück (Bilder siehe Beilage). Das Parken auf einem Privatgrundstück falle seinem Wissen nach nicht in die Zuständigkeit der Stadtpolizei. Er betrachte diesen Vorfall bzw die Strafverfügung somit als hinfällig.
3. Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Beschuldigte stellte am 23.07.2019 den PKW mit dem Kennzeichen XXX im vorderen Bereich der Zufahrt des Grundstückes Nr ZZZ KG A - ein Grundstück mit See im Eigentum der Agrargemeinschaft Altgemeinde A - ab. Um 14:45 Uhr (Zeitpunkt der Polizeikontrolle) befand sich der Beschuldigte nicht im abgestellten Fahrzeug.
Die Grundstückszufahrt ist asphaltiert und weist im Einfahrtsbereich eine Breite von 9 bis 10 m auf. Das Fahrzeug des Beschuldigten war in Längsrichtung der Zufahrt abgestellt, wobei nur etwa ein Drittel der Fahrzeugbreite auf die asphaltierte Fläche reichte. Der restliche Teil des Fahrzeuges stand außerhalb der asphaltierten Fläche.
4. Dieser Sachverhalt wird auf Grund des Strafaktes, insbesondere der Polizeianzeige vom 03.12.2019 und des von der Polizei aufgenommenen Lichtbildes, sowie auf Grund der Einsichtnahme in die digitalen Karten des Vorarlberg Atlas Pro und in das Grundbuch als erwiesen angenommen. Die Breite der Zufahrt im Einfahrtsbereich wurde durch Messung in den digitalen Karten des Vorarlberg Atlas Pro ermittelt.
5. Zunächst ist dem Einwand des Beschuldigten, wonach das Parken auf einem Privatgrundstück nicht in die Zuständigkeit der Polizei falle, Folgendes entgegenzuhalten:
Die StVO gilt gemäß ihrem § 1 Abs 1 für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Straße dann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund kommt es dabei nicht an.
Die Videoaufnahmen des Straßenraumes im Bereich der L XX, die an der gegenständlichen Grundstückszufahrt vorbeiführt, im digitalen Straßenprogramm RMSdata zeigen, dass die Zufahrt nicht abgeschrankt ist, nicht als Privatstraße gekennzeichnet ist und auf ihr keine Tafeln aufgestellt sind, die auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisen. Die Zufahrt ist daher als Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs 1 StVO einzustufen. Der Umstand, dass die Zufahrt im Privateigentum steht, ändert daran nichts.
Somit besteht kein Zweifel daran, dass sich die Befugnisse der Organe der Straßenaufsicht auf diese Grundstückszufahrt erstrecken und die Beamten der Stadtpolizei daher dort einschreiten konnten.
6. Im angefochtenen Straferkenntnis wird dem Beschuldigten ein Verstoß gegen § 23 Abs 3 StVO angelastet.
Gemäß § 23 Abs 3 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, wenn er vor einer Haus- oder Grundstückseinfahrt hält, im Fahrzeug zu verbleiben und beim Herannahen eines Fahrzeuges, dessen Lenker die Haus- oder Grundstückseinfahrt benützen will, die Aus- oder Einfahrt unverzüglich freizumachen.
Gemäß § 24 Abs 3 lit b StVO ist das Parken vor Haus- und Grundstückseinfahrten verboten.
Mit der Regelung in § 23 Abs 3 StVO „soll die ungehinderte Aus- und Einfahrt bei Haus- und Grundstückseinfahrten (Garagen) gewährleistet werden“ (vgl S. 2 des Berichtes des Verkehrsausschusses, 294 BlgNr 14. GP, zur 6. StVO-Novelle, BGBl Nr 412/1976).
Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass Regelungszweck des § 24 Abs 3 lit b StVO die Vermeidung von Behinderungen der Ein- oder Ausfahrt in bzw aus Häusern und Grundstücken ist und ein als Verwaltungsübertretung zu ahndender Verstoß gegen § 24 Abs 3 lit b StVO daher nur dann vorliegt, wenn - nach den äußeren Merkmalen - im Einzelfall eine solche Behinderung eingetreten ist oder zu erwarten war (vgl zB VwGH 04.06.1987, 87/02/0009). Diese Judikatur kann nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes vor dem Hintergrund der oben zitierten Erwägungen des Gesetzgebers auch auf § 23 Abs 3 StVO übertragen werden, zumal der Verwaltungsgerichtshof für die Auslegung des Begriffes der Hauseinfahrt oder Grundstückseinfahrt iSd § 23 Abs 3 StVO ebenfalls auf die Judikatur zu § 24 Abs 3 lit b StVO zurückgreift (siehe VwGH 25.11.1997, 97/02/0488).
Im vorliegenden Fall ist durch das vom Beschuldigten abgestellte Fahrzeug weder eine Behinderung der Ein- oder Ausfahrt in bzw aus dem Grundstück eingetreten noch war eine solche zu erwarten. Wegen der großen Breite der Grundstückseinfahrt, welche 9 bis 10 m beträgt, konnte - gerade auch bei Mitberücksichtigung des der Einfahrt vorgelagerten Geh- und Radweges - das ganz am Rande mit nur etwa einem Drittel der Fahrzeugbreite auf der Zufahrt stehende Fahrzeug keine solche Behinderung darstellen. Dies selbst dann nicht, wenn ein größeres Fahrzeug mit Anhänger (größerer Platzbedarf für das Abbiegemanöver) ein- oder ausgefahren wäre. Schon aus diesem Grund liegt ein Verstoß gegen § 23 Abs 3 StVO nicht vor.
Somit war der Beschwerde aus dem Grunde des § 45 Abs 1 Z 1 VStG Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob überhaupt angenommen werden kann, dass der Beschuldigte im Sinne des § 23 Abs 3 StVO „vor“ einer Grundstückseinfahrt gehalten hat. Dies ist fraglich, weil das Fahrzeug bereits in der Zufahrt, dort allerdings noch im Bereich der Ein- bzw Ausfahrt gestanden ist.
7. Lediglich der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass im Grundbuch die Adresse des GST-NR ZZZ KG A mit „Pstraße“ angegeben ist, sodass im Straferkenntnis der Tatort nicht falsch bezeichnet ist.
8. Gemäß § 25a Abs 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten nach Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde. Im vorliegenden Fall durfte gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe von bis zu 726 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden. Auch wurde im Straferkenntnis nur eine Geldstrafe von 60 Euro ausgesprochen. Eine Revision wegen Verletzung in Rechten gemäß Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist daher nicht zulässig.
Schlagworte
Halten vor Hauseinfahrt Grundstückseinfahrt, Behinderung erforderlichEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2020:LVwG.1.116.2020.R5Zuletzt aktualisiert am
21.04.2020