Entscheidungsdatum
09.04.2020Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §6Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Gstir aus Anlass des Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 09.11.2017 über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Z, Adresse 1, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 11.08.2017, Zl *****, mit dem ein Erschließungsbeitrag nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 vorgeschrieben wurde,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, und der bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 11.08.2017, Zl *****, behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Entscheidungswesentlicher Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 06.11.1974, Zl *****, wurde der Errichtung eines Wohnhauses auf dem damaligen Gst **1 KG Z
die Baubewilligung erteilt.
Durch Grundstücksänderungen im gegenständlichen Bereich befindet sich dieses Gebäude auf dem nunmehrigen Gst **2 KG Z.
Weiters wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 06.03.2013, Zl *****, für den beantragten Abbruch des landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäudes und Neubau eines Anbindestalles samt Bergehalle und Düngerstätte auf Gst **2 KG Z die baurechtliche Bewilligung erteilt sowie zudem eine Änderung dieses Bauvorhabens mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 25.07.2013,
Zl *****, baurechtlich bewilligt.
Für dieses Bauvorhaben wurde AA von der Abgabenbehörde mit Bescheid vom 16.05.2013, Zl *****, sowie mit Bescheid vom 25.07.2013, Zl *****, ein Erschließungsbeitrag nach dem damaligen Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 in der Höhe von insgesamt Euro 5.772,52 vorgeschrieben.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 15.12.2016, Zl *****, wurde dann bei einem weiteren ebenfalls auf Gst **2 KG Z bestehenden Gebäude der beantragte Abbruch des Stallbereiches sowie Neubau zur Erweiterung des Wohnbereiches die baurechtliche Bewilligung erteilt.
In dem dieser Baubewilligung zu Grunde liegenden Bauansuchen ist ua auch angegeben, dass Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Baugrundstückes der nunmehrige Beschwerdeführer und weiters auch BB sind.
Im Weiteren wurde dann dafür AA (in der Folge: Beschwerdeführer) mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 11.08.2017, Zl *****, ein Erschließungsbeitrag in der Höhe von insgesamt Euro 6.080,90, vorgeschrieben (Bauplatzanteil: 768,50 x 3,27 x 150 % = € 3.769,49; Baumassenanteil 1.009,79 x 3,27 x 70 % = € 2.311,41).
Dazu warum nur der nunmehrige Beschwerdeführer zur Leistung dieser Abgabe herangezogen wurde, finden sich in der bekämpften Entscheidung keine Ausführungen.
Gegen diese Vorschreibung des Erschließungsbeitrages brachte der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht die Beschwerde vom 11.09.2017 ein und führte darin insbesondere Folgendes zusammengefasst aus:
Er sei nur Hälfteeigentümer der gegenständlichen Liegenschaft, sodass die halbe Vorschreibung schon allein aus diesem Grund rechtswidrig sei.
Weiters wurde vorgebracht, dass aufgrund des Baubestandes und der bisherigen Vorschreibungen die Voraussetzungen nach § 11 Abs 2 TVAG vorliegen würden, aber gegenständlich die Kubatur des Gebäudes deutlich verringert worden sei, sodass die Voraussetzung Neubau/Baumassenvergrößerung iSd § 11 Abs 2 TVAG nicht vorliege. Zudem wurde zur Berechnung des Erschließungsbeitrages ein Begründungsmangel geltend gemacht und sei diese daher für ihn nicht überprüfbar.
Weiters wurde vorgebracht, dass mit Bescheid vom 16.05.2013, Zl *****, ein zu hoher Erschließungsbeitrag vorgeschrieben worden sei, da beim Baumassenanteil nicht berücksichtigt worden sei, dass es sich um ein landwirtschaftlich genutztes Gebäude gehandelt habe und sei zudem eine Höhe von über 3,5 Meter gerechnet worden. Auch der Bauplatzanteil sei damals zu hoch berechnet worden. Da entrichtete Beiträge anzurechnen seien, seien jedenfalls auch die damals zu viel vorgeschriebenen Beiträge nun zu berücksichtigen bzw allenfalls zurückzuzahlen.
Es wurde daher abschließend beantragt den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und in der Sache zu entscheiden, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen
Weiters wurde der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO gestellt und dazu insbesondere ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Aussetzung der Einhebung vorliegen würden, da die Beschwerde keinesfalls wenig erfolgversprechend sei und auch nicht zu befürchten sei, dass er die Einbringlichkeit der Abgabe gefährde.
Mit Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 09.11.2017, *****, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, dem Antrag auf Aussetzung der Einhebung wurde stattgegeben. Auf das Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer nur Hälfteeigentümer der entsprechenden Liegenschaft sei, sodass die halbe Vorschreibung schon allein aus diesem Grund rechtswidrig sei, wurde von der belangten Behörde nicht eingegangen.
Gegen diese Beschwerdevorentscheidung brachte der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht den Vorlageantrag vom 27.11.2017 ein und führte darin ua insbesondere auch aus, dass die belangte Behörde auf sein Beschwerdevorbringen, dass er nur Hälfteeigentümer der entsprechenden Liegenschaft sei, überhaupt nicht eingegangen worden sei.
II. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde übermittelten Bau- und Abgabenakten.
Daraus ergibt sich, dass der für die gegenständliche Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aufgrund den vorgelegenten Akten feststeht.
Wie vorstehend und im Folgenden im Detail dargetan, steht das verfahrensgegenständliche Baugrundstück, Gst **2 KG Z, sowie auch das der gegenständlich bekämpften Vorschreibung zu Grunde liegende Gebäude auf diesem Grundstück im gemeinsamen Eigentum des nunmehrigen Beschwerdeführers und des BB (jeweils Hälfeeigentümer).
Von der belangten Behörde wurde der gegenständlich bekämpfte Erschließungsbeitrag nur gegenüber dem Beschwerdeführer vorgeschrieben.
III. Rechtslage:
Gegenständlich sind insbesondere folgende Rechtsvorschriften entscheidungsrelevant:
Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 – TVAG 2011, LGBl Nr 58/2011 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl Nr 130/2013:
„§ 8Abgabenschuldner(1) Abgabenschuldner ist der Eigentümer des Bauplatzes, auf dem der Neubau errichtet wird oder das Gebäude, dessen Baumasse vergrößert wird, besteht.
(2) Abweichend von Abs. 1 ist bei Neubauten oder Gebäuden auf fremdem Grund der Eigentümer des Neubaus bzw. des Gebäudes, im Fall eines Baurechtes der Bauberechtigte, Abgabenschuldner.“
Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl Nr 194/1961 in der Fassung BGBl I Nr 23/2019:
„§ 6
(1) Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, sind Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB.).
(2) Personen, die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind, sind ebenfalls Gesamtschuldner; dies gilt insbesondere auch für die Gesellschafter (Mitglieder) einer nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (Personengemeinschaft) hinsichtlich jener Abgaben, für die diese Personenvereinigung (Personengemeinschaft) als solche abgabepflichtig ist.
§ 20
Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.“
§ 93
(1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.
(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
(3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten
a) eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;
(…)“
IV. Erwägungen:
1. Zur anzuwendenden Rechtlage ist zunächst grundsätzlich auszuführen, dass für die Vorschreibung einer Abgabe die zum Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches gegebene Sach- und Rechtslage maßgeblich ist (vgl VwGH 10.08.2010, 2009/17/0264; ua).
Gemäß § 12 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 – TVAG 2011,
LGBl Nr 58/2011 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl Nr 130/2013 ist der Abgabenanspruch hinsichtlich des Erschließungsbeitrages bei bewilligungspflichtigen Bauvorhaben mit dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung entstanden und war dieser nach Baubeginn vorzuschreiben.
Entsprechend dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften hat daher auch das Landesverwaltungsgericht die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes seiner Entscheidung zu Grunde zu legen (vgl VwGH 31.08.2016,
Ro 2014/17/0103; ua).
Gegenständlich kommt daher nicht die geltende Rechtslage (Tiroler Verkehrsaufschließungs- und Ausgleichsabgabengesetz – TVAG, idF LGBl Nr 138/2019), sondern das Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 – TVAG 2011, LGBl Nr 58/2011 in der Fassung
LGBl Nr 130/2013 zur Anwendung.
2. Soweit vom Beschwerdeführer geltend gemacht wird, dass er nur Hälfteeigentümer der gegenständlichen Liegenschaft sei, sodass die Hälfte der Vorschreibung schon allein aus diesem Grund rechtswidrig sei, ist dazu Folgendes auszuführen:
Nach § 8 Abs 1 TVAG 2011 ist Abgabenschuldner bezüglich eines Erschließungsbeitrages der Eigentümer des Bauplatzes, auf dem der Neubau errichtet wird oder das Gebäude, dessen Baumasse vergrößert wird, bereits besteht.
Abweichend davon ist gemäß § 8 Abs 2 TVAG 2011 bei Neubauten oder Gebäuden auf fremdem Grund der Eigentümer des Neubaus bzw des Gebäudes, im Fall eines Baurechtes der Bauberechtigte, Abgabenschuldner und nicht der Grundeigentümer.
Eines der Grundprinzipien des österreichischen Sachenrechtes besteht in dem aus dem römischen Recht stammende Grundsatz "superficies solo cedit" (vgl OGH 27.04.2001, 7Ob222/00y uva).
Grundsätzlich fällt daher ein auf einem Grundstück errichtetes Bauwerk nach diesem Grundsatz als Zugehör gemäß § 297 ABGB in das Eigentum des Grundeigentümers bzw der Grundeigentümer.
Demnach ist ein auf einem Grundstück errichtetes Bauwerk grundsätzlich unselbständiger und daher sonderrechtsunfähiger Bestandteil der Liegenschaft und wäre daher in diesem Fall der Eigentümer des Grundstückes auch der Eigentümer des darauf errichteten Gebäudes. Dieser Grundsatz kommt im geltenden Recht in den §§ 294 und 297 ABGB klar zum Ausdruck.
Sowohl aus dem übermittelten Bau- als auch Abgabenakt sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich kein Hinweis, dass gegenständlich eine Ausnahme des Grundsatzes "superficies solo cedit" gegen wäre.
3. Das verfahrensgegenständliche Baugrundstück Gst **2 KG Z steht im gemeinsamen Eigentum des nunmehrigen Beschwerdeführers und BB (jeweils Hälfeeigentümer).
Daraus ergibt sich sohin, dass BB und der nunmehrigen Beschwerdeführer gemeinsam sowohl Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Baugrundstückes (Gst **2 KG Z) als auch des darauf befindlichen verfahrensgegenständlichen Gebäudes sind.
Damit sind diesbezüglich eines allfälligen Erschließungsbeitrages auch grundsätzlich beide Abgabenschuldner.
4. Gemäß § 6 BAO sind Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB).
Wie der VwGH bereits ausdrücklich festgestellt hat, gilt dies auch für einen Erschließungsbeitrag nach dem TVAG (vgl VwGH 23.06.2003, 2002/17/0241; ua).
Daran ändert sich auch nichts, dass der nunmehrige Beschwerdeführer Bauwerber des, der gegenständlichen bekämpften Vorschreibung des Erschließungsbeitrages zu Grunde liegenden, Bauvorhabens ist.
Aus dem übermittelten Akt ergibt sich auch kein Hinweis, dass der weitere Hälfeeigentümer BB im weiteren Verfahren auf dessen Antrag gemäß § 237 BAO aus der Gesamtschuld entlassen wurde.
5. Im Falle eines Gesamtschuldverhältnisses, bei dem – wie auch gegenständlich gegeben - zwei Schuldner ein und dieselbe Leistung schulden, liegt die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern im Auswahlermessen der Abgabenbehörde (vgl VwGH 17.11.1993, 93/17/0084; uva).
Es liegt daher im Ermessen der Behörde, ob sie die Abgabenfestsetzung und Vorschreibung nur an einen der Gesamtschuldner, und an welchen konkreten Gesamtschuldner richten will, oder an mehrere Gesamtschuldner oder überhaupt an alle Gesamtschuldner (vgl
VwGH 17.10.2002, 2000/17/0099; ua).
Weiters steht es im Ermessen der Behörde, ob die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners lediglich nur mit einem Teil des Abgabenanspruchs oder aber dem gesamten offenen Betrag erfolgt (Ritz, BAO6, § 6, Rz 7, sowie der dort zahlreich angeführten Judikatur).
Anders als nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, wonach die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern im Belieben des Gläubigers liegt, liegt es im Abgabenrecht sohin im Ermessen der Behörde, ob sie das Leistungsgebot nur an einen, an mehrere oder an alle Gesamtschuldner richten will (VwGH 17.10.2002, 2000/17/0009; VwGH 30.01.2007, 2004/17/0096).
Würde man annehmen, dass dem Abgabengläubiger Belieben eingeräumt wäre, so unterstellte man dem § 6 Abs 1 BAO einen verfassungswidrigen, weil mit dem sich aus Art 18 B-VG ableitbaren Bestimmtheitsgebot unvereinbaren, Inhalt (vgl Ritz, BAO5, § 6, Rz 6).
Zusammengefasst ergibt sich sohin, dass die Entscheidung der Behörde über die Geltendmachung einer Abgabenschuld bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses eine Ermessensentscheidung darstellt (vgl VwGH 28.11.2011, 2008/13/0180; VwGH 23.05.2012, 2008/17/0115).
6. Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (sog. Ermessensentscheidungen), müssen sich gemäß § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht.
Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (VwGH 26.06.2003, 2002/16/0301).
Bei der Auslegung des § 20 BAO ist dabei dem Gesetzesbegriff „Billigkeit“ die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei sowie dem Begriff „Zweckmäßigkeit“ das öffentliche Interesse insbesondere an der Einbringung der Abgaben beizumessen.
Bei der Ermessensübung sind das Wesen und der Zweck von Gesamtschuldverhältnissen zu beachten. Auch wenn durch vertragliche Vereinbarungen zwischen Gesamtschuldnern die Abgabenpflicht eines Gesamtschuldners nicht ausschließbar ist, wäre doch ein allenfalls gegebenes Innenverhältnis für die Ermessensübung von Bedeutung (vgl Ritz, BAO6,
§ 6, Rz 8 ff).
7. Wie der VwGH in ständiger Judikatur ausführt, sind Ermessensentscheidungen von der Abgabenbehörde jedenfalls zwingend entsprechend zu begründen.
Wird bei einem Gesamtschuldverhältnis nur einer von mehreren Gesamtschuldnern von der Abgabenbehörde in Anspruch genommen, so wie auch gegenständlich erfolgt, so wäre eine diesbezüglich erfolgte Ermessensentscheidung von der Abgabenbehörde entsprechend zu begründen (vgl VwGH 24.10.2012, 2011/17/0245).
Dabei hat eine solche zwingend gebotene Begründung die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (VwGH 21.02.2007, 2002/17/0355; Ritz, BAO6, § 20, Rz 13 und § 21 BAO).
8. Im gegenständlich bekämpften Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 11.08.2017, Zl *****, wird nicht begründend ausgeführt, warum der Erschließungsbeitrag nur gegenüber dem nunmehrigen Beschwerdeführer vorgeschrieben wurde.
Obwohl der Beschwerdeführer bereits in der Beschwerde vorgebracht hat, dass er nur Hälfteeigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft ist und seiner Ansicht nach daher die Hälfte der Vorschreibung schon allein aus diesem Grund rechtswidrig sei, wurde von der belangten Behörde auch in der Beschwerdevorentscheidung darauf nicht eingegangen weshalb die Abgabe lediglich dem Beschwerdeführer und nicht auch dem weiteren Miteigentümer gegenüber vorgeschrieben wurde.
Obwohl vom nunmehrigen Beschwerdeführer zudem im Vorlageantrag ausgeführt wird, dass die belangte Behörde auf sein Beschwerdevorbringen, dass er nur Hälfteeigentümer der entsprechenden Liegenschaft sei, überhaupt nicht eingegangen worden sei, finden sich dazu auch im Vorlagebericht der belangten Behörde vom 19.01.2018 keinerlei Ausführungen.
9. In gebotener Gesamtbetrachtung ergibt sich sohin in Bezug auf die Heranziehung ausschließlich des gegenständlichen Beschwerdeführers zur gesamten Leistung eines Erschließungsbeitrages für das mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 15.12.2016, Zl *****, bewilligte Bauvorhaben zusammengefasst, dass seitens der belangten Behörde trotz bestehendem Gesamtschuldverhältnis wohl gar keine Ermessenentscheidung erfolgt ist, wodurch sie den bekämpften Bescheid (wie auch die Beschwerdevorentscheidung) bereits damit mit Rechtswidrigkeit belastet hat.
Es war daher bereits aus diesem Grund der angefochtene Bescheid aufzuheben und war sohin auch auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers in dieser Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts nicht mehr einzugehen.
Ergänzend ist noch anzumerken, dass im Falle einer Ermessensentscheidung, diese – wie vorstehend im Detail ausgeführt – sich in den Grenzen zu halten hätte, die das Gesetz dem Ermessen zieht, und zudem zwingend entsprechend zu begründen wäre.
10. Weiters ist in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungsbefugnis im Rechtsmittelverfahren – wie der VwGH in ständiger Judikatur ausführt - auf die „Sache“, die den Inhalt des Spruches des bekämpften Bescheides gebildet hat, beschränkt ist.
Es ist daher grundsätzlich ein Wechsel des Bescheidadressaten im Verlauf des behördlichen Abgabenverfahrens (zB mit Beschwerdevorentscheidung) ebenso unzulässig ist, wie ein Wechseln oder allfällige Einbeziehung eines weiteren Gesamtschuldners erst im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens (vgl VwGH 17.11.1988, 87/16/0147; VwGH 30.07.1992, 90/17/0333; ua).
11. Soweit über den Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung der Einhebung gemäß
§ 212a BAO in der Beschwerdevorentscheidung vom 09.11.2017 entschieden wurde, wird dazu lediglich der Vollständigkeit halber noch Folgendes angemerkt:
Ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO stellt kein Rechtsmittel gegen einen Bescheid dar, sondern handelt es sich dabei um einen gesonderten Antrag, über den die Abgabenbehörde nicht im Rechtsmittelverfahren mit Beschwerdevorentscheidung, sondern mit „erstmaligem“ Bescheid zu entscheiden hat (vgl LVwG Tirol vom 19.11.2019, LVwG-2016/36/1495-2; LVwG Niederösterreich, LVwG-AV-115/001-2017; uva).
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Dazu wird insbesondere auf die in dieser Entscheidung angeführte höchstgerichtliche Rechtsprechung verwiesen.
Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Belehrung und Hinweise
Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.
Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.
Die für eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder eine Revision zu entrichtende Eingabegebühr beträgt Euro 240,00.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis
Die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer ordentlichen bzw außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist - sofern die ordnungsgemäße Zustellung dieser Entscheidung bis zum 30. April 2020 erfolgt - gemäß § 1 Abs 1 in Verbindung mit § 6 Abs 2 Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz (COVID-19-VwBG), BGBl I Nr 16/2020 idF BGBl I Nr 24/2020, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnt mit 1. Mai 2020 neu zu laufen.
Der Bundeskanzler ist allerdings ermächtigt, durch Verordnung die angeordnete allgemeine Unterbrechung von Fristen zu verlängern oder zu verkürzen, soweit dies zur Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Gstir
(Richterin)
Schlagworte
GesamtschuldverhältnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2018.36.0167.1Zuletzt aktualisiert am
20.04.2020