TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/19 W264 2177173-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.2019
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Entscheidungsdatum

19.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W264 2177173-1/18E

W264 2122105-2/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, (BF1) vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ralf Heinrich HÖFLER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Tirol vom 17.10.2017, 15-1053119009/150244115, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ralf Heinrich HÖFLER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Tirol vom 17.10.2017,

15-1049621210/150021779, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Zur leichteren Nachvollziehbarkeit wird festgehalten, dass die Abkürzungen BF1 und BF2 im Folgenden - zur leichteren Lesbarkeit dieser Entscheidung - beibehalten werden.

1. Die BF1 und der BF2, afghanische Staatsangehörige, reisten unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten im Jahre 2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (BF1 am 8.3.2015 in einer PI der LPD Oberösterreich; BF2 am 8.1.2015 in einer PI der LPD Oberösterreich).

2. Am 10.3.2015 wurde die BF1 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu dem Fluchtgrund erstmals befragt. Am 9.1.2015 wurde der BF2 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zum Fluchtgrund erstmals befragt.

Die BF1 verwies hinsichtlich Fluchtgrund auf ihren Mann (sehr reich und daher in Afghanistan verfolgt; seine Brüder auch getötet worden) und gab an, sie habe sonst kein Problem gehabt, aber "unser Leben war in Gefahr. Ich konnte mich nicht mehr frei bewegen. Andere Fluchtgründe habe ich nicht".

Der BF2 begründete die Flucht in der Erstbefragung mit der Sicherheitslage und der Entführung samt Lösegeldforderung für seinen Bruder und gab an, er selbst sei bedroht worden, man habe auch ihn entführen wollen. Er habe sich ständig bedroht gefühlt und daher entschlossen, das Land zu verlassen. Andere Fluchtgründe habe er nicht.

3. Am 12.7.2017 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" oder "belangte Behörde") jeweils die niederschriftliche Einvernahme des BF2 und der BF1 statt.

Die BF1 verwies auf die Fluchtgründe ihres Mannes BF2 und gab an, keine anderen als die des BF2 zu haben. Sie gab an, in der Nacht des Überfalls - wie auch ihre Tochter - sexuell berührt worden zu sein, dies habe sie dem BF2 nicht erzählt. Eine Vergewaltigung habe es nicht gegeben. Sie bezeichnete sich als wohlhabend und daher bedroht, sie selbst sei einfache Hausfrau gewesen.

Der BF2 gab an, in Herat ein Elternhaus zu haben, zusätzlich auch Grundstücke und Felder um Herat, welche der Schwager verwalte. Schon vorher hatten sie miteinander dort gearbeitet, so der BF2. Im Falle der Rückkehr könnte er wieder an seiner Wohnadresse bzw bei Verwandten wohnen - es sei möglich, aber lebensgefährlich, so der BF2. Die letzten 20 Jahre habe er sich aufgrund der Sicherheitslage hauptsächlich in Herat aufgehalten.

Befragt zum Überfall gab er an, Leute hätten gewaltsam die Eingangstüre geöffnet. Seine Frau habe gesagt, die wären seinetwegen da und er solle fliehen, was er getan habe. Er habe sich zu seiner Schwester begeben und dort die Nacht verbracht und am kommenden Morgen erfahren, dass sein Bruder mitgenommen worden sei. Er habe versucht, das geforderte Lösegeld von 20.000,-- USD zu erlangen nach drei Tagen "sind diese Männer wieder aufgetaucht, sie überzeugten mich zuerst, dass mein Bruder noch am Leben ist. Danach habe ich um einige Tage mehr Zeit gebeten. [...] Sie drohten uns, wenn wir zur Polizei gingen, hätten wir mit schlimmen Konsequenzen zu rechnen."

4. Mit den nunmehr bekämpften Bescheiden wurde jeweils der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung beträgt.

5. Dagegen wurde mit Schriftsatz des im damaligen Zeitpunkt von den beiden BF gewillkürten Rechtsvertreters Rechtsanwalt Mag. XXXX das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Die bezughabenden Fremdakte langten beim Bundesverwaltungsgericht am 20.11.2017 ein.

6. Am 18.10.2018 wurde die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher BF1 und BF2 jeweils unter Hinweis auf die Mitwirkungspflicht zu den Fluchtgründen im Beisein des nunmehr zuständigen gewillkürten Rechtsvertreters Rechtsanwalt Dr. Ralf Heinrich Höfler befragt wurden. Am 17.10.2018 wurde die öffentliche mündliche Verhandlung betreffend den Sohn der beiden BF ( XXXX , GZ W264 2122103-2) durchgeführt, in welcher dieser unter Hinweis auf die Mitwirkungspflicht zu seinen Fluchtgründen im Beisein seines gewillkürten Rechtsvertreters Rechtsanwalt Dr. Ralf Heinrich Höfler befragt wurde. Die Tochter der beiden BF ( XXXX ), deren Ehemann und deren minderjähriges Kind ( XXXX und XXXX , GZ W264 2122101-2, W264 2122116-2 und W264 2138085-2) betreffend wurde die öffentliche mündliche Verhandlung am 7.5.2018 durchgeführt und diese zu den Fluchtgründen befragt. Der XXXX , deren Ehemann und dem unmündigen minderjährigen Kind dieser beiden wurde im September 2019 auf der Grundlage des im damaligen Zeitpunkt aktuellen Länderberichts (28.6.2018) jeweils der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt, da das 2016 geborene Kind betreffend, der Länderbericht die Versorgungslage für Kinder des Alters der im Jahr 2016 Geborenen nicht bloß für einzelne Teile Afghanistans schildert: Viele Kinder sind unterernährt. Ca. 10% (laut offizieller Statistik 91 von 1.000, laut Weltbank 97 von 1.000) der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Das im Jahre 2016 geborene Kind der Tochter der beiden BF ist somit noch ein Kleinkind unter fünf Jahren und gab der im damaligen Entscheidungszeitpunkt maßgebliche Länderbericht an, dass im Jahr 2017 30% aller zivilen Opfer von Kollateralschäden bei Kämpfen am Boden (45%), Sprengfallen (17%) und zurückgelassene Kampfmittel (16%) Kinder waren. Und da die im Länderbericht geschilderte Lage nicht bloß in der Herkunftsprovinz so wäre, sondern auch in innerstaatlichen Fluchtalternativen, wurde dem unmündigen Kind der XXXX , deren Ehemann und XXXX der Status der Subsidiär Schutzberechtigten bis September 2020 erteilt.

Die erkennende Richterin forderte in der Verhandlung am 18.10.2018 jeweils den BF2 und die BF1 auf, in Ruhe in freier Erzählung nochmals die Gründe, warum das Herkunftsland verlassen wurde und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß zu erzählen. Jeweils wurden diese aufgefordert: "Lassen Sie nichts weg! Nehmen Sie sich Zeit und erzählen Sie ganz konkret und mit Details. Falsche Angaben beeinträchtigen die Glaubhaftigkeit Ihres Fluchtberichts". Sie haben nun die Möglichkeit von sich aus alles zu erzählen, ohne auf Fragen von mir warten zu müssen".

Daraufhin begannen - jeweils voneinander getrennt ohne Beisein des jeweils anderen - der BF2 und die BF1 die Fluchtgründe und die Familienverhältnisse zu schildern und wurden seitens der erkennenden Richterin dazu Fragen gestellt. Die Verhandlungsschrift wurde auf Wunsch der beiden BF diesen nicht rückübersetzt, sondern begehrten diese, dass der Rechtsvertreter diese durchlese. Der Rechtsvertreter erhob gegen die Verhandlungsschrift keine Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit.

7. In der Verhandlung wurden Dokumente vorgelegt, von welchen Kopien angefertigt wurden:

7.1. Betreffend den BF2:

* Kopie Schreiben des REHA Zentrums XXXX vom 19.7.2018 über Bewilligung durch die GKK

* Nachweis über Bestellung bei Dr. XXXX , FA für Psychiatrie und Neurologie, am 24.10.2018, 16.20 Uhr

* Diagnose des Bezirkskrankenhauses XXXX vom 16.7.2018 über Interne Untersuchung (unter anderem Koronare Herzkrankheit, Zustand nach STEMI der Hinterwand mit Kammerflimmern u. präklinischer Reanimation am 24.6.2018), Zustand nach Vorhofflimmern iR des Infarktes, Mitralinsuffizienz [Herzklappenfehler])

* Fachärztlicher Befund Dris. XXXX , FA für Psychiatrie und Neurologie, vom 25.9.2018: vaskuläre Demenz [Durchblutungsstörungen im Gehirn], Beeinträchtigung sämtlicher Gedächtnisfunktionen mit Merkfähigkeitsstörung, Vergesslichkeit, Verlust zeitl. und örtl. Orientierung, nächtliche Verwirrtheitsepisoden mit Weglauftendenzen, Betreuung durch Angehörige, wobei auch für kurze Zeit nicht alleine gelassen werden kann

* Teilnahmebestätigungen Kompetenzanalyse, Deutschkurse und Alphabetisierungskurse und Werte- u. Orientierungskurs

* * Schreiben des REHA Zentrum XXXX vom 30.7.2018

* Bestätigung der XXXX Soziale Dienste vom 10.10.2018

* Kurzbericht des Bezirkskrankenhauses XXXX , Interne Abt. vom 10.7.2018 mit Diagnose (unter anderem Koronare Herzkrankheit, Zustand nach STEMI der Hinterwand mit Kammerflimmern u. präklinischer Reanimation am 24.6.2018), Zustand nach Vorhofflimmern iR des Infarktes, Mitralinsuffizienz [Herzklappenfehler])

* Bescheinigung über stationären Aufenthalt in der Klinik in XXXX , Deutschland, vom 29.6.2018

* Bescheinigung über stationären Aufenthalt in der Klinik in XXXX , Deutschland, vom 4.7.2018 über Aufenthalt vom 24.6. bis 5.7.2018

* Ärztlicher Befundbericht des Orthopäden Dr. XXXX vom 26.7.2017 mit Diagnose: Zustand nach Hüfttotalendoprothese [künstl. Hüftgelenk]

* Arztbericht XXXX , Kardiologie 1, vom 7.12.2016 über viertägigen stationären Aufenthalt im Dezember 2016: Diagnosen:

Mitralklappeninsuffizienz I, im stabilen und beschwerdefreien Zustand nach Hause entlassen

* Arztbrief des XXXX BetriebsGmbH, Chirurgie 2, XXXX , Dris. XXXX , vom 22.4.2016 (stationärer Aufenthalt vom 19.4. - 22.4.2016) wegen Leistenhernie links [Leistenbruch] am 22.4.2016 nach unauffälliger Wundkontrolle nach Hause entlassen

* Befund Dris. XXXX vom 18.4.2016: Cervicalgie [HWS-Syndrom], nach radiologischer Abklärung der Wirbelsäule keine pathologischen Auffälligkeiten, keine degenerativen Veränderungen, diskrete flachbogige re-konvexe Skoliose der BWS [Brustwirbelsäulensyndrom]

Procedere: Fortführung Training im Fitnesscenter, physikalische Therapie zur

Stärkung der Rücken- u. Bauchmuskulatur, Entspannung der Schulter-

/Nackenmuskulatur, Kontrolle bei Bedarf

* Röntgenbefund Dris. XXXX vom 29.3.2016: keine Skoliose, Streckhaltung der HWS, normale Höhe der Bandscheibenräume, keine degenerativen Veränderungen, normale Form u. Struktur der Wirbelkörper

* MRT-Befund Dris. XXXX vom 13.12.2016 über Ellbogen links: Ergebnis Tennisarm

* Neurologischer Befundbericht Dris. XXXX vom 3.10.2016: Diagnose Burning hand and feet Syndrom, klinisch und elektrophysiologisch kein PNP-Hinweis, Anamnese nur mit Übersetzungsversuch des Sohnes möglich

* Medikamentenverordnung Dris. XXXX

* Ärztl. Befundbericht Dirs. XXXX vom 26.7.2017: Diagnose: künstl. Hüftgelenk links, Tennisarm links

* Teilnahmebestätigung Werte- u. Orientierungskurs vom 8.2.2017

* Teilnahmebestätigungen Alpha-Sprachkurs vom 23.7.2018

* Empfehlungsschreiben/Referenz der XXXX Soziale Dienste vom 23.7.2018 über Fortschritte und Verhalten des BF2 im Deutschkurs

* Empfehlungsschreiben/Referenz der XXXX Soziale Dienste vom 10.1.2018 über Verhalten und Entwicklung der Familie

* Diverse Krankenhausberichte aus den Jahren 2016 und 2017

7.2. Betreffend die BF1:

* Entlassungsbrief der XXXX vom 23.7.2018 wegen Aufnahmegrund am 23.7.2018 "bei stabiler AP-Symptomatik zu einer elektiven CAG auf die kardiologische Normalstation aufgenommen", am 24.7.2018 "in gutem Allgemeinzustand entlassen"

* Entlassungsbrief des BKH XXXX vom 7.8.2018: Aufnahmegrund am 27.7.2018: "Einweisung durch Hausarzt bei Depressio, Hypotonie und reduziertem Allgemeinzustand", Entlassung am 27.7.2018 mit Diagnose bei Entlassung: Depressio [Anm: das Dokument besteht laut Angabe am Seitenende aus 7 Seiten, vorgelegt wurde dem Gericht bloß die Seite 1.]

* Bestätigung Dris. XXXX vom 31.3.2017, wonach die BF1 "nicht möglich, regelmäßig häufig Treppen zu steigen, Unterbringung ebenerdig ärztlich induziert"

* Fachärztl. Befund Dris. XXXX , FA für Psychiatrie und Neurologie, vom 25.9.2018, wonach die BF1 "bei Posttraumatischer Belastungsstörung und Depressiver Anpassungsstörung in ambulanter Behandlung in seiner Ordination sei", beschrieben werden "Angstzustände, sorgenvolles Grübeln, innere Unruhe, Durchschlafstörungen mit Alpträumen und panikartigem Erwachen, reduziertes Vitalgefühl, es fehlt an Kraft für Haushaltsversorgung.

Medikation: Trittico 150mg: 0-0-0-1.

* Teilnahmebestätigung Werte- u. Orientierungskurs vom 8.2.2017

* Teilnahmebestätigungen Alpha-Sprachkurs vom 5.10.2018 und 23.7.2018

* Empfehlungsschreiben/Referenz der XXXX Soziale Dienste vom 4.10.2018 über Fortschritte und Verhalten der BF1 im Deutschkurs

* Empfehlungsschreiben/Referenz der XXXX Soziale Dienste vom 23.7.2018 über Fortschritte und Verhalten der BF1 im Alphabetisierungskurs

* Teilnahmebestätigungen Alphabetisierungskurs und Deutschkurs vom 19.4.2017 und vom 7.12.2017

* Bestätigung des Stadtamtes XXXX und des Museumsvereins XXXX über ehrenamtliche Tätigkeit der BF1 vom 8.1.2018

* Bestätigung des Sozial- und Gesundheitssprengel XXXX über ehrenamtliche Tätigkeit der BF1 vom 9.3.2018

* Teilnahmebestätigung Infotage für Asylwerberinnen vom 8.11.2017

* Teilnahmebestätigung Kompetenzanalyse vom 24.5.2017

* Teilnahmebestätigung "Abfalltrennung und -vermeidung"

8. Mit Note seines Rechtsvertreters Rechtsanwalt Dr. Höfler vom 24.4.2019 wurden den BF2 betreffend medizinische Beweismittel vorgelegt:

* Entlassungsbrief Ärztlich der XXXX , Universitätsklinik f. innere Medizin III, Abt. Kardiologie, vom 18.4.2019, Aufenthalt 17.4.-19.4.2019

o Entlassungsdiagnosen: Zustand nach STEMI der Hinterwand mit Zustand nach Kammerflimmern und präklinischer Reanimation mit PTCA und Stent-Implantation der RCA 06/2018. Bekannte Zweigefäß-KHK mit Zustand nach Stent-Implantation in der proximalen LAD 12/2016 (chronisch verschlossen) und Zustand nach Myokardinfarkt 2011 anamnestisch, Zustand nach einmaligem Vorhofflimmern im Rahmen des Infarktes, substituierte Hypothyreose, ventrikuläre Extrasystolen Lown 3A MI, Kardiovaskuläre Risikofaktoren: Arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Zn. Nikotinabusus mit 20 py.

o Aus "Zusammenfassung des Aufenthalts" geht hervor, dass der Patient "mit blander Punktionsstelle sowie in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen" wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Auf Grundlage des eingebrachten Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im gesamten Verfahren vorgelegten Dokumente und abgegebenen Stellungnahmen und übermittelten Beweismittel, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt der belangten Behörde, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, in das Strafregister und das GrundversorgungsInformationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und dieser Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

Die der beiden BF steht fest.

1.1. Feststellungen zum Beschwerdeführer und zu seinen Fluchtgründen:

1.1.1. Die BF1 reiste am 8.3.2015 und der BF2 reiste am 8.1.2015 in das Bundesgebiet ein.

1.1.2. Die BF 1 stellte in Österreich im März 2015 und der BF2 stellte in Österreich im Jänner 2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.3. BF 1 und BF2 sind jeweils afghanische Staatsbürger aus der Volksgruppe der Tadschiken und jeweils aus der afghanischen Provinz Herat stammend.

1.1.4. BF1 und BF2 wurden jeweils im Herkunftsstaat sozialisiert. BF1 und BF2 sind ein Ehepaar und haben keine unmündigen minderjährigen Kinder. Der BF2 verfügt über in Afghanistan erworbene Schulbildung und Berufserfahrung.

1.1.5. BF1 und BF2 sind jeweils der Glaubensgemeinschaft der Schiiten angehörig und bekennen sich somit zur Staatsreligion Afghanistans.

1.1.6. BF1 und BF2 sind jeweils der Sprache Farsi mächtig. In Österreich haben der BF2 und die BF1 jeweils einen Werte- und Orientierungskurs besucht sowie Deutschkurse belegt.

1.1.7. Weder die BF1, noch der BF2 sind ist in Österreich strafrechtlich bescholten.

1.1.8. Weder die BF1, noch der BF2 leiden an lebensbedrohlichen Krankheiten und sind diese daher jeweils erwerbsfähig.

1.1.9. Der BF2 verfügt über Vermögen in der Herkunftsprovinz Herat.

1.1.10. BF1 und BF2 bestreitet den Lebensunterhalt in Österreich durch staatliche Grundversorgung. Die BF1 hat bereits ehrenamtliche Tätigkeiten geleistet.

1.1.11. BF1 und BF2 verfügen über Familienangehörige im Bundesgebiet. Es kann nicht festgestellt werden, dass die beiden BF keine Angehörigen in Afghanistan haben. Die BF1 hat Geschwister in Deutschland und Holland, zu welchen sie einmal im Monat Kontakt hält.

1.1.12. Die beiden BF konnten eine asylrelevante Verfolgung nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht glaubhaft machen. Es kann nicht festgestellt werden, dass diese beiden BF einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt waren bzw. ihnen eine solche Verfolgung bei Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht: Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass die beiden BF bei Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen politischen Ansichten von Seiten Dritter bedroht wären.

1.1.13. Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret die beiden BF als Angehörige der Tadschiken sowie als Angehörige der schiitischen Glaubensgemeinschaft bzw dass jeder Mensch des Volksstammes und / oder der Religionsgemeinschaft der beiden BF in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

1.1.14. Es kann weder festgestellt werden, dass konkret die beiden BF aufgrund der Tatsache, dass sie sich zuletzt in Europa aufgehalten haben, noch, dass jeder afghanische Staatsangehörige, welcher aus Europa nach Afghanistan zurückgekehrt, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist. Den beiden BF droht bei Rückkehr nicht eine Verfolgung aufgrund der Rückkehr aus dem westlichen Ausland.

1.1.15. Die BF1 ist im Herkunftsstaat allein aufgrund ihres Geschlechts nicht einer Verfolgung ausgesetzt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF1 während ihres Aufenthalts in Österreich eine Lebensweise angenommen hat, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde. Die BF1 ist nicht an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert.

1.1.16. Die Herkunftsprovinz der beiden BF ist Herat.

Laut Länderbericht ist Herat eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Ende Oktober 2017 wurde verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat. Herat verfügt über einen internationalen Flughafen, sodass Herat von Österreich aus gefahrlos über den Luftweg erreichbar ist.

Daher wäre den beiden BF aus obigen Gründen eine Rückkehr in die Herkunftsprovinz Herat zumutbar.

1.1.17. Die beiden BF können sich in Afghanistan aber auch in der innerstaatlichen Fluchtalternative Mazar-e Sharif (Hauptstadt der Provinz Balkh) ansiedeln. Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri, sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Laut Länderbericht wurden im Dezember 2017 verschiedene Abkommen mit Usbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017). Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017). Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz bloß 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Daher wäre den beiden BF aus obigen Gründen eine Rückkehr nach Mazar-e Sharif zumutbar.

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen und ist daher eine gefahrlose Rückkehr von Österreich über den Luftweg möglich.

1.2. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat der beiden

Beschwerdeführer:

Bezogen auf die Situation der BF1 und des BF2 sind folgende

Länderfeststellungen als relevant zu werten:

Aus dem Länderbericht der Staatendokumentation vom 13.11.2019 idgF:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). [...]

Kabul

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara und Surubi/Surobi/Sarobi (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Laut dem UNODC Opium Survey 2018 verzeichnete die Provinz Kabul 2018 eine Zunahme der Schlafmohnanbaufläche um 11% gegenüber 2017. Der Schlafmohnanbau beschränkte sich auf das Uzbin-Tal im Distrikt Surubi (UNODC/MCN 11.2018).

Kabul-Stadt - Geographie und Demographie

Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 Personen für den Zeitraum 2019-20 (CSO 2019). Die Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten. Einige Quellen behaupten, dass sie fast 6 Millionen beträgt (AAN 19.3.2019). Laut einem Bericht, expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile - auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) - zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die afghanische zentrale Statistikorganisation (Central Statistics Organization, CSO) schätzt die Bevölkerung der Provinz Kabul für den Zeitraum 2019-20 auf 5.029.850 Personen (CSO 2019). Sie besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus.

Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014). In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit internationalen und nationalen Passagierflügen bedient wird (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den "jüngsten Einwanderern" (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).

Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen:

Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine disruptive Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man "seine Nachbarn nicht mehr kenne" (AAN 19.3.2019).

Nichtsdestotrotz, ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalen oder ethnischen Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art "Dorfgesellschaft" entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen;

Tadschiken bevölkern Payan Chawk, Bala Chawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie wie Khairkhana;

Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018).

Aufgrund eben dieser öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFERL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird stark von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern gesichert (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Villages liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden - so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und andere britische Einrichtungen (RFERL 2.9.2019).

In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train, Advise and Assist Command - Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 6.2019). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018).

Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung (WOR 10.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.866 zivile Opfer (596 Tote und 1.270 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einer Zunahme von 2% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen (UNAMA 24.2.2019).

Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden (KP 27.3.2019; vgl. TN 26.3.2019, SAS 26.3.2019, TN 23.10.2018,. KP 23.10.2018, KP 9.7.2018). Dabei kam es unter anderem zu zivilen Opfern (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch (TN 7.8.2019; vgl. PAJ 7.7.2019, TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019). Dabei wurden unter anderem Aufständische getötet (TN 7.8.2019) und verhaftet (TN 7.8.2019; PAJ 7.7.2019; vgl TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019), sowie Waffen und Sprengsätze konfisziert (TN 9.6.2019; vgl. PAJ 28.5.2019).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 35 konfliktbedingt aus dem Distrikt Surubi vertriebene Personen, die alle in der Provinz Logar Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA keine durch gewaltsamen Konflikt aus der Provinz Kabul vertriebene Personen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 9.422 Vertriebene, welche in die Provinz Kabul kamen, die meisten davon in den Distrikt Kabul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 2.580 Vertriebene in die Provinz Kabul, alle in den Distrikt Kabul. Sie stammten aus Kapisa, Kunar, Nangarhar wie auch Logar, Ghazni, Baghlan und Wardak (UNOCHA 18.8.2019).

Bis zu zwei Drittel aller Afghanen, die außerhalb ihrer Provinz vertrieben wurden, bewegen sich in Richtung der fünf Regionalhauptstädte (NRC 30.1.2019) und Kabuls Wachstum war besonders umfangreich. Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen in Kabul ist nicht bekannt. Die Bewegung in und innerhalb der Stadt fluktuiert und viele kehren regelmäßig in friedlicheren Zeiten in ihr Herkunftsgebiet zurück (Metcalfe et al. 6.2012; vgl. AAN 19.3.2019). Im September 2018 schätzte der afghanische Minister für Flüchtlinge und Repatriierung die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen in Kabul auf 70.000 bis 80.000 Menschen (TN 21.9.2018).

Herat

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vgl. PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand, Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere "temporäre" Distrikte - Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vgl. IEC 2018) -, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).

Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vgl. KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet:

Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen.

Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (AAN 11.1.2017; vgl. RUSI 16.3.2016; SAS 2.11.2018). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab. Die Regierungstruppen kämpfen in Herat angeblich nicht gegen die Rasoul-Gruppe, die sich für Friedensgespräche und den Schutz eines großen Pipeline-Projekts der Regierung in der Region einsetzt (SAS 2.11.2018). Innerhalb der Taliban-Hauptfraktion wurde der Schattengouverneur von Herat nach dem Waffenstillstand mit den Regierungstruppen zum Eid al-Fitr-Fest im Juni 2018 durch einen als Hardliner bekannten Taliban aus Kandahar ersetzt (UNSC 13.6.2019).

2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt (taz 3.8.2017; Reuters 25.3.2018).

Aufseiten der Regierung ist das 207. Zafar-Corps der ANA für die Sicherheit in der Provinz Herat verantwortlich (USDOD 6.2019; vgl. PAJ 2.1.2019), das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019; vgl. KP 16.12.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 24.2.2019).

In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (KP 16.6.2019; vgl. KP 28.9.2019, KP 29.6.2019, KP 17.6.2019, 21.5.2019). Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (KP 16.6.2019; vgl. AN 23.6.2019). In manchen Fällen wurden bei Drohnenangriffen Talibanaufständische und ihre Führer getötet (AN 23.6.2019; vgl. KP 17.12.2018; KP 25.12.2018). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften (NYTM 12.12.2018; AJ 7.12.2018; AN 30.11.2018; KP 28.4.2018; VoA 13.4.2018). Regierungskräfte führten beispielsweise im Dezember 2018 (KP 17.12.2018) und Januar 2019 Operationen in Shindand durch (KP 26.1.2019). Obe ist neben Shindand ein weiterer unsicherer Distrikt in Herat (TN 8.9.2018). Im Dezember 2018 wurde berichtet, dass die Kontrolle über Obe derzeit nicht statisch ist, sondern sich täglich ändert und sich in einer Pattsituation befindet (AAN 9.12.2018). Im Juni 2019 griffen die Aufständischen beispielsweise mehrere Posten der Polizei im Distrikt an (AT 2.6.2019; vgl. PAJ 13.6.2019) und die Sicherheitskräfte führten zum Beispiel Anfang Juli 2019 in Obe Operationen durch (XI 11.7.2019). Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (KP 5.7.2019; vgl. PAJ 30.6.2019) wie z.B in den Distrikten Adraskan, Fersi, Kushk-i-Kohna, Obe, Rabat Sangi, Shindand und Zawol (PAJ 30.6.2019).

Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (ST 14.12.2018).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 609 konfliktbedingt aus der Provinz Herat vertriebene Personen, von denen die meisten in der Provinz selbst Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 586 aus der Provinz Herat vertriebene Personen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 5.482 Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (2.755) aus Ghor stammten (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 6.459 konfliktbedingt Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (4.769) aus Badghis stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Anmerkung: Weitere Informationen zu Herat - u.a. zur Sicherheitslage - können der Analyse der Staatendokumentation "Afghanistan - Informationen zu sozioökonomischen Faktoren in der Provinz Herat" vom 13.6.2019 entnommen werden (BFA 13.6.2019).

Ad Herat aus Kapitel 22 "Grundversorgung" aus dem Länderbericht idgF

Der Einschätzung einer in Afghanistan tätigen internationalen NGO zufolge gehört Herat zu den "bessergestellten" und "sichereren Provinzen" Afghanistans und weist historisch im Vergleich mit anderen Teilen des Landes wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf (BFA 13.6.2019). Aufgrund der sehr jungen Bevölkerung ist der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter in Herat - wie auch in anderen afghanischen Städten - vergleichsweise klein. Erwerbstätige müssen also eine große Anzahl an von ihnen abhängigen Personen versorgen. Hinzu kommt, dass die Hälfte der arbeitstätigen Bevölkerung in Herat Tagelöhner sind, welche Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Ausmaß ausgesetzt sind (USIP 2.4.2015).

Die Herater Wirtschaft bietet seit langem Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran (GOIRA 2015; vgl. EASO 4.2019, WB/NSIA 9.2018), wie auch Bergbau und Produktion (EASO 4.2019). Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt (GOIRA 2015; vgl. EASO 4.2019). Manche alten Handwerksberufe (Teppichknüpfereien, Glasbläsereien, die Herstellung von Stickereien) haben es geschafft zu überleben, während sich auch bestimmte moderne Industrien entwickelt haben (z.B. Lebensmittelverarbeitung und Verpackung) (EASO 4.2019). Die meisten der in KMUs Beschäftigten sind entweder Tagelöhner oder kleine Unternehmer (GOIRA 2015). Die Arbeitsplätze sind allerdings von der volatilen Sicherheitslage bedroht (insbesondere Entführungen von Geschäftsleuten oder deren Angehörigen durch kriminelle Netzwerke, im stillen Einverständnis mit der Polizei). Als weitere Probleme werden Stromknappheit, bzw. -ausfälle, Schwierigkeiten, mit iranischen oder anderen ausländischen Importen zu konkurrieren und eine steigende Arbeitslosigkeit genannt (EASO 4.2019).

Mazar-e Sharif (in Balkh)

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den

7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.2.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.7.2019).

Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vgl KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.

Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vgl. 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.2019).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 1.218 aus der Provinz Balkh vertriebene Personen, die hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 4.361 konfliktbedingt Vertriebene aus Balkh, die allesamt in der Provinz selbst verblieben (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 15.313 Vertriebene in die Provinz Balkh, darunter

1.218 aus der Provinz selbst, 10.749 aus Faryab und 1.610 aus Sar-e-Pul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 14.301 Vertriebene nach Mazar-e-Sharif und Nahri Shahi, die aus der Provinz Faryab, sowie aus Balkh, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Ad Mazar-e Sharif (in Balkh) aus Kapitel 22 "Grundversorgung" aus dem Länderbericht idgF

Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten (GOIRA 2015).

Balkh

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar- e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt:

Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den

7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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