TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/26 W124 2184596-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

1.) W124 2184599-1/17E

2.) W124 2184596-1/17E

3.) W124 2184597-1/11E

4.) W124 2184598-1/11E

5.) W124 2184600-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerden von

1.) XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX

2.) XXXX , StA: Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX

3.) XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch die Kindesmutter XXXX , als gesetzliche Vertreterin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX ,

4.) XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch die Kindesmutter XXXX , als gesetzliche Vertreterin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX ,

5.) XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch die Kindesmutter XXXX , als gesetzliche Vertreterin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX

nach mündlichen Verhandlungen am XXXX und XXXX zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX , XXXX , XXXX , XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) i. d.g.F. der Status von Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , XXXX , XXXX , XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erst- bis ViertbeschwerdeführerInnen (BF1 bis BF4) gelangten im XXXX mit Hilfe eines Schleppers unberechtigt in das Bundesgebiet und stellten am XXXX gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.

Die Fünftbeschwerdeführerin BF 5 wurde am XXXX in Österreich geboren und stellte am XXXX im Rahmen des Familienverfahrens einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Einvernahme der BF 1 und des BF 2 durch die Landespolizeidirektion Burgenland Steiermark am XXXX gaben diese im Wesentlichen übereinstimmend an, dass diese aus Afghanistan geflüchtet seien, weil der Schwager bzw. Bruder der BF1 bzw. des BF 2 mit den ausländischen Behörden zusammengearbeitet habe. Dieser sei von den Taliban gemeinsam mit seinem Sohn entführt worden. Daher würde BF 1 Angst um ihr Leben und jenes ihrer Familie haben.

In der mit der BF 1 am XXXX vor dem BFA aufgenommenen Niederschrift führte diese im Wesentlichen aus, dass ihr Ehemann Schneider gewesen sei und manchmal die Amerikaner Kleidungsstücke vorbeigebracht hätten. BF 2 sei gesehen worden, wie dieser Kleidung ins Camp gebracht und abgeholt habe. In der Folge seien die BF von einem Mann bedroht worden, der ihnen gesagt hätte, dass er sie als Spione der Amerikaner alle umbringen würde.

Zu den Bedrohungen gegenüber den BF 2 führte diese aus, dass einer der zwei Täter auf einem Motorrad gesessen und der andere an die Tür ihres Hauses geklopft habe. Sie hätte zu BF 2 gesagt, dass er nicht zur Türe gehen solle. Im Zuge dessen gab diese an, dass derjenige der an der Tür geklopft habe eine Waffe gezogen habe. Daraufhin habe BF 1 zu schreien begonnen, worauf die beiden Täter mit dem Motorrad weggefahren seien.

BF 2 gab zu der Bedrohung der vermeintlichen Taliban an, dass der Täter eine Waffe dabei gehabthabe, die er auf sie gerichtet hätte und ihnen vorgeworfen habe Spione der Amerikaner zu sein. Nachdem die Frauen zu schreien begonnen hätten, habe sich der Täter aufs Motorrad gesetzt und sei davongefahren. Man habe nicht mit dem BF 2 reden, sondern ihn entführen wollen. Dies deshalb, weil sein Bruder für die NATO gearbeitet habe. Sie hätten von diesem verlangt, dass er diese unterstützte, damit er das Camp zur Explosion bringe.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der BF 1 bis BF 5 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründet wurde dies insbesondere damit, dass BF 1 und BF 2 eine unterschiedliche Schilderung der Drohung durch einen Talib dargelegt hätte.

Des weiteres wurde ausgeführt, dass die BF Verwandte in Afghanistan haben würden. Da von einem unglaubhaften Vorbringen zur Fluchtgeschichte auszugehen sei, würde man annehmen, dass der Bruder des BF 2 in Afghanistan noch leben würde. Selbst wenn man davon ausgehe, dass er nicht dort leben würde, hätten die BF viele Verwandte und somit familiären Rückhalt in deren Herkunftsstaat. Die letzte Nacht vor der Ausreise hätten die BF bei den Schwiegereltern des Bruders des BF verbracht. Die Familie des BF 2 würde in XXXX , in XXXX , leben. Etwa einen Monat vor der Einvernahme vor dem BFA hätte der BF 2 Kontakt zu seiner Mutter gehabt.

Es sei dem BF 2 auch zumutbar den Unterhalt für sich und seine Familie zumindest anfänglich mit Hilfs-, oder Gelegenheitsarbeiten zu bestreiten. Zudem würde die Möglichkeit bestehen Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, wodurch die BF eine Unterstützung zur Existenzsicherung erlangen könnten. Hinsichtlich der Arbeitssuche sei zu erwähnen, dass es in Afghanistan nunmehr sogenannte "Employment Services Centres" geben würde. Auf Grund der Tatsache, dass der BF 2 bis etwa zum 35. Lebensjahr in Afghanistan, in XXXX , aufhältig gewesen sei und es für diesen nie zu einer gefährlichen Situation gekommen sei, indiziere dies, dass eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat jedenfalls zumutbar sein würde. Die Äußerung, dass BF 2 um sein Leben und dies seiner Familienangehörigen fürchte, weil sein Bruder mit den Taliban gearbeitet hätte, würde auf Grund der Unglaubwürdigkeit dieses Vorbringens, der Gefahr durch die Taliban einen Abbruch verleihen. In größeren Städten von Afghanistan würde es viele Streitigkeiten untereinander geben. Eine konkret den BF betreffende Verfolgungshandlung oder Verfolgungsgefährdung durch die Paschtunen oder Hazara habe der BF nicht vorgebracht. Ferner habe BF 2 weder im Zuge der Erstbefragung vor der Polizei noch bei der Einvernahme vor dem BFA eine individuelle Verfolgungsgefährdung auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit zu den Qizilbash behauptet. Er habe in der Einvernahme vor dem BFA ausreichend Zeit gehabt und sei ihm genügend Zeit geboten worden alle Fakten, Daten und wichtig erscheinende Ereignisse vorzubringen.

BF 1 habe zu keinem Zeitpunkt angeführt, dass diese auf Grund ihres weiblichen Geschlechts und ihrer Wertehaltung in Afghanistan verfolgt worden sei. BF 1 habe lediglich die schlechte Situation der Frauen ohne einen individuell diesen treffenden Umstand ins Treffen geführt. Zu ihrem Leben habe die BF 1 angegeben meistens zu Hause und mit dem Alltag beschäftigt gewesen zu sein. Alleine hätte BF 1 nicht draußen gedurft und immer ein Mann dabei sein müssen. BF 2 habe die Töchter zur Schule gebracht und abgeholt, da es keine Sicherheit gegeben hätte. Dabei würde es sich jedoch nicht um Beeinträchtigungen handeln, die zu einer Asylgewährung führen könnten. Benachteiligungen für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft würde nur dann ausreichend sein, wenn diese eine Intensität erreichen würden, die einen weiteren Verbleib in Afghanistan unerträglich machen würden.

Der Vollständigkeit halber würde auf die Reintegrationsprojekte ERIN und RESTART verwiesen werden, welche heimkehrende AsylwerberInnen in deren Heimatstaat finanziell und materiell unterstützen würden. Die sichere Erreichbarkeit sei durch die dortigen Flughäfen gegeben. Es hätten Kontakte zu den Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt werden können. Ferner hätte ihnen auch beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs-, und Arbeitsmöglichkeiten geholfen werden. Es könne finanzielle Hilfe als Startkapital gewährt werden.

Hinzu komme, dass es Erwachsenen zumutbar sei sich in der Hauptstadt seines Heimatlandes Kenntnisse der örtlichen Begebenheiten anzueignen. Von einer Entscheidungspraxis, die ein in XXXX bestehendes soziales oder familiäres Netzwerk erfordern könne, um von einer tauglichen innerstaatlichen Fluchtalternative ausgehen zu können, könne in keiner Weise Rede sein (vgl. VwGH Ra 2016/20/0063 vom 08.09.2016). Aus den UNHCR Richtlinien vom 19.04.2016 würde hervorgehen, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keineswegs unbedingt soziale Netzwerke benötigen würden, um von einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul oder anderen urbanen oder semi-urbanen Umgebungen Gebrauch zu machen, sofern diese Gebiete die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung haben würde.

Dass sich der BF 2 seit XXXX in Österreich aufhalten und in Grundversorgung befinden würde, ergebe sich aus seinen Angaben sowie aus einer entsprechenden Abfrage der Grundversorgung und dem Akteninhalt. Zu den absolvierten Kursen und der bestandenen Prüfung A 1 sowie über die Leistung von ehrenamtlichen Tätigkeiten habe der BF 2 Bestätigungen vorgelegt; er habe Tätigkeiten in der Lebenshilfe durchgeführt, diverse Garten-, und Hilfsarbeiten im Seniorenzentrum und bei der Flurreinigungsaktion mitgeholfen.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass die BF die von ihnen geltend gemachten Gründe, die sie zur Ausreise bewogen hätten sollen, nicht glaubhaft seien und könne demnach auch nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus führen. Es sei aus den Länderinformationen klar hervorgekommen, dass die Hauptstadt Kabul unter Kontrolle der Regierung sei und das Gewaltniveau keinesfalls so hoch sein würde, dass Personen durch ihre Anwesenheit in dieser Region Gefahr laufen würde, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Kabul würde jedenfalls von Österreich aus sicher erreichbar sein. Der BF 2 selbst habe angegeben arbeitsfähig zu sein. Ferner würde er über eine siebenjährige Schul-, und Berufsausbildung verfügen. BF 2 sei mobil und anpassungsfähig, was dieser durch die aufwendige Reise von Afghanistan nach Österreich bewiesen habe. BF 2 habe bereits viele Jahre an Berufserfahrung gesammelt und sei immer in der Lage gewesen sich selbst zu versorgen. Dies sei ihm auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan durch Gelegenheitsarbeiten möglich. Eine Rückkehr nach Kabul sei dem BF 2 möglich, da er keine gefahrenerhöhenden Umstände aufweisen hätte können, wodurch er im Falle einer Rückkehr exeptionellen Umständen ausgesetzt gewesen wäre. Auch würden sie mit den sprachlichen und kulturellen Gepflogenheiten bestens vertraut sein. BF 2 habe vor seiner Flucht nach Europa vor etwa zwei Jahren dort gelebt, sei dort sozialisiert und mit den Sitten und Gebräuchen vertraut worden. Auch könne der BF durch Verwandte unterstützt werden. Weder aus den Angaben des BF 2 noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens sei im konkreten Fall ersichtlich, dass die nach der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würden, die eine Außerlandesschaffung im Hinblick auf Art 3 EMRK als unrechtmäßig erscheinen lassen würde.

Zu BF 2 wurde ausgeführt, dass keine Umstände hervorgekommen seien aus denen geschlossen werde habe können, dass sie sich seit ihrer Einreise eine "westliche" Lebensweise angeeignet habe, die einen deutlichen oder nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werte in Afghanistan darstelle. Die sozialen Kontakte der BF 1 in Österreich würden sich lediglich in der geschützten Sphäre einer mehr oder weniger "caritativen" Einrichtung ihres Wohnortes abspielen. Die Kurse, die BF 1 besuchen würde, um sich zu integrieren, würden keine westliche Orientierung darstellen. Menschen, mit denen sich BF 1 umgeben würde, seien jene, die sich ständig mit Asylwerbern umgeben würden. In Österreich habe sie sich auch an keinen gemeinnützigen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten beteiligt oder ein zukünftiges Interesse an einer Ausbildung, Berufsausbildung oder einen Berufswunsch geltend gemacht. Ihre Lebensweise sei nicht derart selbstbestimmt, dass dies bei einer Rückkehr in die Stadt Kabul als gegen die sozialen Sitten verstoßend wahrgenommen werden würde. Eine solche Lebensweise und ein sich an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen-, und Gesellschaftsbild sei nicht wesentlicher Bestandteil der Identität der BF 1.

Zu BF 3, BF 4 und BF 5 wurde angemerkt, dass diese keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht hätten und der von ihnen als Fluchtgrund vorgebrachte Sachverhalt keineswegs glaubhaft sein würde. Auch die Minderjährigkeit würde den getroffenen Feststellungen nicht entgegenstehen, da bereits festgestellt worden sei, dass sich sämtliche Familienmitglieder im selben Verfahrensstand befinden würden. Es sei davon auszugehen, dass es auf Grund asyl-, oder fremdenrechtlicher Maßnahmen zu einer Trennung der Familie komme.

Die Versorgungslage in Kabul und die Herkunftsprovinz der BF könne zwar mit Schwierigkeiten verbunden sein, doch auf Grund der vielschichtigen sozialen Strukturen in Afghanistan, der besonderen Bedeutung der islamischen Glaubensgemeinschaft, sei die Versorgungslage grundsätzlich gesichert. Die BF könnten demnach in deren Heimatprovinz zumutbare Lebensbedingungen vorfinden, umso mehr als die Stadt Kabul über den Luftweg absolut sicher erreichbar sei. Es könne angenommen werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr in keine lebensbedrohliche Notlage geraten würde.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG würden nicht vorliegen.

Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass sich die BF seit XXXX in Österreich aufhalten würden. Auf Grund der Aufenthaltsdauer und den Angaben des BF 2 sei jedenfalls von einem Privatleben in Österreich auszugehen. Im Falle des BF 2 würden sich keine Anhaltspunkte für die Annahme wirtschaftlicher Beziehungen in Österreich ergeben. Die sozialen Kontakte würden keine entsprechende Nachhaltigkeit aufweisen. Einer Beschäftigung würde der BF 2 nicht nachgehen und sich in der Grundversorgung befinden. Er würde in keinem Verein tätig sein und lediglich ehrenamtliche Tätigkeiten verrichten. Einen Deutschkurs habe der BF 2 besucht und eine A 1 Prüfung abgelegt.

Der BF 2 habe nie über ein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügt und habe sich sein Verbleib in Österreich immer nur auf das vorläufige Aufenthaltsrecht für Asylwerber gestützt. Es sei somit unsicher gewesen und im Hinblick auf Art 8 EMRK nicht erforderlich gewesen sich mit der Frage zu beschäftigen, ob während seines wesentlich kürzeren Aufenthaltes ein Privatleben entstanden sei. Er würde Dari sprechen und im afghanischen Kulturkreis verwurzelt sein, die Sitten und Gebräuche kennen. Dadurch würde der Eingriff relativiert, weshalb unter Berücksichtigung der individuellen Situation in Österreich insgesamt ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes festgestellt werden würde. Daran würden auch die geringen Bemühungen hinsichtlich des Erlernens der deutschen Sprache und der fallweisen Leistung von ehrenamtlichen Tätigkeiten nichts ändern. Auf Grund der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich und des Fehlens von mehr als grundlegenden Integrationsschritten in sprachlicher, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht, sei nur ein geringer Grad von Integration erreicht worden. In Österreich würde der BF 2 schwächer als in Afghanistan integriert sein. Die Ausweisung zur Erreichung der in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele würde dies rechtfertigen. Es würden auch keine weiteren Umstände ersichtlich sein, die für eine gegenteilige Entscheidung zu Gunsten des BF 2 sprechen würde. Mit den im Wesentlichen gleichen Argumenten wurde die Begründung der Rückkehrentscheidung der BF 1 argumentiert. Zu den gemeinsamen Kindern der BF 1 und BF 2 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Familienmitglieder die Landessprache "Dari" sprechen würden. Dadurch, dass diese im afghanischen Familienverband aufgewachsen sein würden, seien diese mit der Sprache und der Kultur Afghanistans bestens vertraut. Der Eingriff sein schon dadurch relativiert, weshalb unter Berücksichtigung der individuellen Situation in Österreich insgesamt ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes festgestellt werde.

2. Gegen die gegenständlichen Bescheide des BFA erhoben die BF 1 bis BF 5 fristgerecht Beschwerden. Dabei wurden im Wesentlichen die Fluchtgeschichte der BF 1 und des BF 2 neuerlich wiederholt.

Ausgeführt wurde im Wesentlichen, dass die BF 2 eine Verfolgung als Angehörige der sozialen Gruppe der Frauen geltend gemacht habe. Diesen Asylgrund würde die BF 1 für sich und ihre drei Töchter geltend machen. Im erstinstanzlichen Verfahren sei die BF 1 unvertreten gewesen und habe sich dementsprechend nicht ausdrücken können. Immerhin komme dennoch aus der Einvernahme der BF 1 hervor, dass diese als Frau in Afghanistan schweren Beeinträchtigungen unterworfen gewesen wäre. Als diese gefragt worden sei, wie ihr Sozialleben in Afghanistan aussehen würde, habe diese angegeben, dass sie nicht viel rausgegangen sei und sich immer in Begleitung ihres Mannes bewegen hätte müssen. BF 2 habe die Töchter zur Schule bringen müssen und diese auch von dort abholen müssen. BF 1 habe auch angegeben, dass das Wichtigste für sie gewesen sei, dass sie nicht wolle, dass ihre Töchter wieder zurückkehren würden und sie nicht wieder so in Afghanistan leben könnten, wie diese es wollten. BF 1 habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sie für sich und ihre Töchter in Anspruch nehme, gleichberechtigt zu leben, wie dies Männern in Europa möglich sei. BF 1 wolle unverschleiert das Haus verlassen, eine Ausbildung machen, Arbeiten gehen und sich ohne Begleitung eines Mannes frei bewegen können. Sie wolle in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen gleichberechtigt sein und würde sich für die BF 3 bis BF 5 eine gediegene Schulausbildung wünschen, diese einen Beruf erlernen und ausüben und deren spätere Lebenspartner frei wählen können. All dies würde für ihre Töchter in Afghanistan nicht möglich sein. Sie könne sich nicht mehr vorstellen, wiederum jenen Einschränkungen unterworfen zu sein, denen sie in Afghanistan als Frau ausgesetzt gewesen wäre. Sie wünsche sich auch nicht, dass ihre Töchter diesen Einschränkungen jemals wieder ausgesetzt sein müssten. Aufgrund deren westlicher Orientierung würde ihnen daher im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine asylrelevante Verfolgung als Angehörige der sozialen Gruppe der Frauen drohen.

Der Zweitbeschwerdeführer würde seine Asylgründe ebenso aufrecht halten. In einer mündlichen Verhandlung würde dieser allfällige Ungereimtheiten des erstinstanzlichen Vorbringens ausräumen und zu bereinigen versuchen. Bereits im Verfahren vor dem BFA habe er erklärt, dass die Behörde Nachforschungen in Afghanistan anstellen und die Richtigkeit seiner Angaben überprüfen könne. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei dramatisch schlecht. Dies würde auch entgegen den Ausführungen der belangten Behörde für die größeren Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif gelten.

Ergänzend sei vorgebracht, dass die BF 1 unter der Belastung der Einvernahme so gelitten habe, dass diese eine Fehlgeburt erlitten habe. Eine ärztliche Bestätigung dessen würde beiliegen. Die BF 4 habe wieder zum Bettnässen begonnen und würde dies zeigen, wie angespannt und psychisch belastet sie sein würden. Auch diesbezüglich würde eine ärztliche Bestätigung nachgereicht werden.

3. Am XXXX fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, in welcher BF 1 ausführte in XXXX geboren zu sein und seit dem 16. Lebensjahr verheiratet zu sein. Die Familie habe die BF 1 gezwungen den BF 2 zu heiraten. Scheiden habe sie sich nicht lassen, weil der BF 1 kein schlechter Mensch sein würde. Nachdem sie BF 2 immer mehr kennengelernt habe, habe diese herausgefunden, dass er ein guter Mensch sein würde und habe gelernt ihn zu lieben. Ihrer Religion nach würde sie schiitischer Muslim sein, allerdings keine praktizierende Muslimin. Ihre Kinder würden noch dem muslimischen Glauben angehören. Auf Nachfrage führte diese dazu aus, dass BF 1 wisse, dass Kinder ab dem 14. Lebensjahr deren Religion selbst ausüben könnten.

Zu einer bestehenden Erwerbstätigkeit führte die BF 1 aus, dass diese erst vor kurzem mit einer Frau ausgemacht habe einmal in der Woche bei dieser zu putzen. Sie seien auch schon bei der Gebietskrankenkasse gewesen und würde sie für diese Tätigkeit 10 Euro/Stunde erhalten. BF 2 würde als Gärtner ein bisschen helfen und dafür Trinkgeld bekommen. Die Stunden, die dieser arbeiten würde, würde davon abhängen, wer diesen brauchen würde. Der derzeitige Lebensunterhalt würde durch staatliche Unterstützung gedeckt sein. Ihre Kinder würde die BF 1 dazu motivieren in der Schule etwas zu lernen. Dass sich ihre Kinder in der Schule nicht auskennen würden, sei bis jetzt noch nicht vorgekommen, doch würde zu ihnen eine Österreicherin in die Unterkunft kommen, die mit den Kindern lernen würde. Bei den Elternsprechtagen hätten sich die Lehrer mit den bisherigen Leistungen ihrer Kinder zufrieden erklärt. BF 3 sei vom Wunsch getragen Pharmazie zu studieren. Den Umstand, dass BF 3 ein genügend in Mathematik haben würde, rechtfertigte die BF 1 damit, dass diese längere Zeit keinen entsprechenden Unterricht gehabt habe. Die BF 3 habe in den zwei Jahren des Schulbesuchs an einer Landschulwoche bzw. Sportwoche teilgenommen. Sie seien zweimal nach Linz gefahren, doch würde sie sich in Österreich nicht so gut auskennen. Heuer sei geplant, dass sie nach Wien fahren würden.

Zur Freizeit ihrer Töchter führte die BF 1 aus, dass es in Österreich üblich sein würde, dass diese bis 22:00 fortgehen dürften. Ihre Töchter sollten zu Hause sein, wenn es dunkel sei. Im Winter würde dies zwischen 18:00 und 19:00 sein, im Sommer zwischen 20:00 und 21:00. BF 3 und BF 4 seien von BF 1 hinsichtlich eines Geschlechtsverkehrs aufgeklärt und habe diese ihren Töchtern erklärt, dass sie sich durch die Verwendung von Kondomen vor AIDS schützen könnten. Die BF 1 würde selbst die Spirale verwenden und würden BF 3 und BF 4 wissen, dass die Spirale und die Antibabypille eine Schwangerschaft verhindern würde.

Zum Vorhalt, dass die BF 1 in der mit ihr vor dem BFA aufgenommenen Niederschrift das Tragen eines Kopftuches als Gewohnheit bezeichnete und in der Verhandlung vor dem BVwG davon abgesehen habe, habe diese damals angegeben, dass sie Zeit brauchen würde es sich wieder abzugewöhnen. Es würde nicht um den heutigen Verhandlungstag gehen, sondern würde diese in Österreich leben. Wenn sie in dieser Gesellschaft leben und arbeiten wolle, dann müsse diese das Kopftuch entfernen. Sie wisse nicht, ob es der Wahrheit entspreche, aber habe sie gehört, dass einem in der Arbeit das Tragen eines Kopftuches nicht erlaubt sein würde. Sie würden in einer Pension leben und hätten die Afghanen verschiedene Einstellungen dazu. Die Afghanen seien noch nicht so weit entwickelt, dass diese alles akzeptieren würden, da sie sonst ihr Kopftuch schon längst entfernt hätte. BF 3 und BF 4 würden kein Kopftuch tragen, weil BF 1 nicht gewollt habe, dass sich die Kinder in Österreich anders fühlen würden, als andere Kinder. BF 1 habe gewollt, dass sich BF 3 und BF 4 frei fühlen sollten und genauso sein könnten, wie die anderen Kinder in Österreich.

In ihrer Freizeit würde die BF 1 Rad fahren, spazieren oder mit ihrem Ehemann im Baggersee schwimmen gehen. Gelernt habe es ihr Bruder, als sie klein gewesen sei und ihr Vater in einem Garten, der ein Swimmingpool gehabt habe, gearbeitet habe. Der Alltag in Österreich zu Afghanistan sei sehr groß, als diese nicht einmal das Haus verlassen, geschweige denn schwimmen gehen oder Rad fahren gehen hätte können. Das Ganze sei für sie wie ein nicht realisierbarer Traum gewesen. Mit ihrer Religion würde die BF 1 deshalb nicht einverstanden sein, weil dort eine Frau wie ein "Toter" bzw. ein Leichnam sein würde. Sie dürfe das Haus nicht verlassen und habe kein Recht auf Meinungsäußerung. Sie könne nicht aussuchen, was sie anziehen würde. Im Erbrecht sei eine Frau benachteiligt und nicht gleich berechtigt. Frauen würden in Afghanistan verkauft werden. Das Ganze habe die Religion vorgeschrieben.

Ihrem Freundeskreis in Österreich würden auch österreichische Frauen, von denen sie eine in die Verhandlung begleitet habe, angehören. Eine ihrer Schwestern würde bereits in Wien mit ihrer Familie als anerkannter Flüchtling leben. Diese würde sie im Jahr zwei bis dreimal sehen, wenn die Kinder Ferien haben würden. Dabei würden sie sich zwischen vier und fünf Tage dort aufhalten.

BF 2 führte zur Frage, was er befürchte, wenn er nach Afghanistan zurückkehren müsste, aus, dass er getötet werden würde, weil die Taliban sie wegen der Zusammenarbeit mit den ausländischen Truppen bedroht hätten. Der Bruder des BF habe die Aufforderung der Taliban mit diesen zusammenzuarbeiten abgelehnt. Als dieser verschwunden sei, hätten sie gedacht, dass er bei einem Sprengstoffanschlag ums Leben gekommen sei. Nachdem der BF 2 in den Krankenhäusern nach ihm und dessen Sohn gesucht habe, hätte dieser auch im Camp Bescheid gesagt. Diese hätten für den BF 2 nichts machen können und ihn an die Polizei verwiesen. Das Camp habe nichts unternommen den Bruder, den Kommandanten von diesen, zu finden.

Als die Taliban zu ihnen nach Haus gekommen seien, habe einer von ihnen an der Tür geklopft und habe ihn die BF 1 gewarnt die Tür aufzumachen. Der Talib sei wütend geworden, weil BF 2 der Aufforderung nach unten zu kommen nicht nachgekommen sei. Er habe eine Pistole gezogen und diese auf deren Fenster gerichtet. Daraufhin habe BF 2 die BF 1 und seine Mutter geschubst. Die Frauen hätten daraufhin geschrien und sei dies der Grund gewesen, weshalb diese dann geflüchtet seien. BF 2 habe dann gesagt, dass sie sich setzen sollten, damit sie nicht verletzt werden würden, wenn er schießen würde. Der Mann habe dann noch weiter geschimpft und irgendwann einmal hätten sie gehört, dass er mit dem Motorrad weggefahren sei. Seitlich vom Fenster habe er heimlich hinausgeschaut. Bis in der Früh am nächsten Morgen um sechs Uhr seien sie von zu Hause geflüchtet. Sie hätten sich dann beim Schwiegervater seines Bruders aufgehalten. Sie seien solange dortgeblieben, bis sie das Haus mit Hilfe der Brüder seiner Schwägerin verkauft hätten. In diesem Zeitraum sei nichts passiert.

4. Am XXXX fand eine weitere Verhandlung statt, wonach BF 1 ausführte, dass diese in der Zwischenzeit einen Deutschkurs auf dem Niveau A 2 bestanden und eine "Basisausbildung" absolviert habe. Anschließend habe sie auf dem Niveau B1, Teil 1, im Sommer einen Deutschkurs absolviert und sich für die Prüfung B 1 am XXXX angemeldet. Den Deutschkurs habe sie am Bfi in XXXX absolviert. 30 Minuten würde sie mit dem Bus dort hinfahren. Wenn es dunkel werden würde, hole sie ihr Mann ab. Sie würde keine Angst haben, aber wenn sie alleine auf der Straße sei und ein Mann komme, würde sie Stress bekommen. In Afghanistan würden Frauen manchmal betatscht und berührt, wenn diese draußen sein würden. Deshalb würde sie noch Angst haben. Schlechte Erfahrungen habe sie diesbezüglich in Österreich nicht gemacht. Im Rahmen der Basisbildung habe die BF 1 Deutsch gelernt, Mathematik und ein bisschen Englisch. Jede Woche hätten sei einen Computerkurs besucht und im Rahmen dessen einen Lebenslauf bzw. Bewerbungen geschrieben. Sie hätten auch gelernt, wie man im "Google" recherchieren, sich ein Ticket kaufen, eine Wohnung suchen und Arbeit finden könne. Dies habe der BF 1 viel Spaß gemacht.

Bei der Volkshilfe habe die BF 1 freiwillig gearbeitet. Bei zwei namentlich genannten Frauen würde sie Reinigungsarbeiten gegen Bezahlung von Dienstleistungschecks verrichten. Vorgelegt wurde in diesem Zusammenhang ein Konvolut an Dienstleistungschecks und der Versicherungsdatenauszug vom XXXX . Während der Verrichtung ihrer Arbeiten würde BF 2 auf BF 3, BF 4 und BF 5 aufpassen. BF 2 würde diese Tätigkeit perfekt verrichten. Wenn BF 1 nach Hause kommen würde, habe dieser schon gekocht und sei mit BF 5 schon zum Spielplatz gegangen. Wenn BF 1 den Deutschkurs auf dem Niveau B 1 absolviert habe, wolle diese entweder eine Ausbildung als Kindergartenhelferin beginnen oder beim Bfi ihren Pflichtschulabschluss machen. Würde ihr beides nicht gelingen, würde sie sich eine Arbeit suchen und dieser nachgehen. Im Februar 2020 würde der Pflichtschulabschluss beginnen. Vorher hätte sie dazu eine Aufnahmeprüfung zu absolvieren. Wenn sie dies schaffen würde, könne sie mit dem Pflichtschulabschluss beginnen.

Die Frage wie es BF 3 in der HAK gehen würde, beantworte diese damit, dass es am Anfang ein bisschen schwer gewesen sei, weil es sich um eine neue Schule gehandelt habe, aber diese jetzt glücklich sei und neue Freundinnen gefunden habe. BF 5 würde in der Zeit von 8 Uhr bis 12 Uhr den Kindergarten besuchen. Es sei nicht notwendig, dass diese den ganzen Tag in den Kindergarten gehe, halbtags würde genügen, da sie und BF 2 abwechselnd zu Hause sein würden. In ihrer Freizeit sei sie mit einer Freundin ein paar Mal ins Kino gegangen oder mit den Kindern zum Schwimmen. Sie sei auch mehrmals zum Kaffee am Frauentag gewesen und würde mit dem Rad fahren. Bei dem Film, den sie sich zuletzt angeschaut habe, sei es um einen Mann aus Ägypten gegangen, der in Österreich gesagt habe aus Afghanistan zu kommen. Man hätte ihn daraufhin nach Afghanistan zurückschicken wollen. Für die Kinokarte habe sie nichts bezahlt. An dem Ort, an dem sie untergebracht sei, sei das Kino manchmal gratis. Freunde würden wissen, wann dies sein würde und würden die BF 1 dann abholen und mitnehmen. Am Sonntag hätte es zwei Themen, eines für Kinder und eines für Erwachsene gegeben.

Die BF 3 gab in der Verhandlung, die ohne Einbindung eines Dolmetschers durchgängig in deutscher Sprache geführt werden konnte, an, dass diese in die erste HAK XXXX gehen würde. Vorgelegt wurde dazu ein Klassenfoto mit diverser Unterstützungsschreiben von KlassenkollegInnen. Außerdem wurde ein Schreiben der Direktorin der HAK/HAS XXXX vom XXXX bekannt gegeben, worin bestätigt wird, dass BF 3 gem. § 5 Abs. 2 bzw. § 8 SchuG auf Grund eines Aufnahmeverfahrens und der Voraussetzung des positiven Abschlusses der ersten acht Jahre der allgemeinen Schulpflicht, mit Beginn des Schuljahres 2019/2020 als ordentliche Schülerin der BHAK XXXX aufgenommen werde. Zur Schule befragt, gab die BF 3 an, dass die SchülerInnen und LehrerInnen dort sehr nett sein würden und wurde das Schulklima als positiv beschrieben. Sie würde sich bemühen die Klasse positiv abzuschließen, wobei sie in Betriebswirtschaftslehre einen Test gehabt habe, den sie mit einem "Befriedigend" abgeschlossen habe. Sie würde später einmal Pharmazie studieren wollen, sei aber in kein Oberstufenrealgymnasium gegangen, weil sie mit einem solchen Abschluss zwar eine Matura haben würde, damit aber nicht arbeiten könne. Am Schwimmunterricht würde sie teilnehmen und einen Badeanzug tragen. Sie würde es peinlich finden einen Burkini zu tragen, wo doch alle anderen einen Badeanzug oder einen Bikini tragen würden. BF 4 würde beim Schwimmen auch mitgehen. Diese habe dabei auch einen Badeanzug getragen, nachdem sie mit ihr gesprochen habe. BF 3 empfinde es als peinlich einen Badeanzug zu tragen. Wenn ihre Schwester BF 4 einen Badeanzug tragen würde, schaue sie keiner an. Mit einem Burkini würden dies aber alle tun, weil sich jeder fragen würde, warum diese einen solchen trage, wenn sie in Österreich sein würde. Sie gehe davon aus, dass ihre Schwester ihre Kultur geändert habe. Sie würde jetzt wissen, dass es besser sein würde, wenn sie so wie alle anderen leben würden. Bei den anderen in Österreich Burkini tragenden Frauen würde sie sich fragen, wozu diese einen tragen würde, wenn sie ohnehin keiner anschauen würde. Sie glaube, dass ihre Schwester BF 4 früher zu schüchtern gewesen sei, weswegen diese damals einen Burkini getragen habe. Wie sie eine Schwangerschaft verhindern könne, sei sie diesebzüglich von ihrer Mutter und Lehrerin in der vierten Klasse aufgeklärt worden.

In ihrer Freizeit würde sie sich mit FreundInnen im Shoppincenter treffen und mit ihnen Eislaufen gehen oder ins Kino gehen. Sie würde zu Hause nichts alleine machen, sondern immer mit ihren Freundinnen unterwegs sein. Letzen Sonntag sei diese mit Freundinnen im Kino gewesen und habe sich den Film "Dora und die goldene Stadt angeschaut". Solange es nicht dunkel sei, könne sie ausgehen. Wenn sie mit Freundinnen unterwegs sei und diese sie nach Hause bringen würden, dann könne es auch länger sein. Ansonsten nicht, weil sie in der Nähe von einem Wald wohnen würden, an dem sie vorbeigehen müsse. Es sei zwar noch nie etwas passiert, doch würde sie Angst haben. Ihre Schwester würde in die vierte Klasse Neue Mittelschule gehen. Sie würde

BF 3 führte die Verhandlung ohne Heranziehung eines Dolmetschers aus, dass diese den Besuch der Schule nicht schwer finden würde. Die ersten zwei Jahre schon, weil sie nicht so gut Deutsch gekonnt habe. Jetzt sei sie aber vier Jahre in Österreich, würde neue Freunde haben und sehr gut Deutsch sprechen. Sie würde alles verstehen. Ihr Traumberuf würde darin bestehen Polizistin zu werden und deshalb wie BF 4 in die HAK gehen zu wollen. Einen speziellen Sport würde die BF 4 nicht betreiben, doch besuche diese einen Hip-Hop Tanzkurs einmal in der Woche. In der Freizeit würde sie gerne lesen, schwimmen gehen oder mit Freundinnen ins Kino. In der Folge nannte die BF 4 namentlich ein Buch und schilderte, worum es in diesem Buch inhaltlich gehen würde. Schwimmen würde sie auch gehen und mittlerweile einen Bikini tragen. Früher sei sie es nicht gewöhnt gewesen einen Bikini zu tragen und habe sich dafür geschämt. BF 4 würde im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester über kein Mobilhandy verfügen. Es würde für sie aber kein Problem darstellen. Die ältere Schwester würde eines benötigen, weil diese in die HAK gehen würde und nicht in jeder Schulwoche die gleichen Fächer habe. Beim Stundenplan würde dabeistehen, wann diese eine Lernzielkontrolle habe. Außerdem habe BF 3 die Telefonnummern von deren Freunden im Handy gespeichert. Ab und zu würde sie den ehemaligen Schülern aus der Neuen Mittelschule XXXX schreiben.

Im Zuge der Verhandlung wurde eine Teilnahmebestätigung zum Lehrgang "Basisbildung Oberösterreich" vom XXXX der BF 1 und ein aktueller Versicherungsdatenauszug vom XXXX mit einem Konvolut an Dienstleistungschecks vorgelegt. Darüber hinaus ein Konvolut an Bildern, Unterstützungsschreiben, Zeugnissen der BF 4 und Schreiben der die BF 3 und BF 4 betreuenden Lehrers in der Freizeit von diesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den BeschwerdeführerInnen:

Die strafgerichtlich unbescholtenen BeschwerdeführerInnen (BF1, BF 2, BF 3, BF 4, BF 5) tragen die im Spruch angeführten Namen. Sie sind afghanische Staatsangehörige und gehören der Volksgruppe der Tadjiken an und bekennen sich zum muslimischen Glauben. Die Erstbeschwerdeführerin ist mit dem Zweitbeschwerdeführer verheiratet. Die Dritt-, Viert-, und Fünftbeschwerdeführerin sind die gemeinsamen Kinder der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers.

Die Erst-, Dritt-, und Viertbeschwerdeführerinnen sind in ihrer Wertehaltung überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert und es droht ihnen im Zusammenhang damit im Fall ihrer Rückkehr Verfolgung aus religiösen und/oder politischen Gründen.

Des Weiteren steht die persönliche Haltung der Erst-, und Drittbeschwerdeführerin über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen im Herkunftsstaat mehrheitlich unterworfen sind. Die Erst-, und Drittbeschwerdeführerin sind von ihrer persönlichen Wertehaltung her überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert.

Eigene und in ihrer Person liegende Gründe einer asylrelevanten Verfolgung des BF2 und BF5 im Herkunftsstaat sind nicht hervorgekommen bzw. als unglaubwürdig zu werten.

Zur Situation der Frauen in Afghanistan

Anmerkung: Ausführliche Informationen zur Lage der Frauen in Herat können der Analyse der Staatendokumentation vom 13.6.2019 entnommen werden (Abschnitt 6, abrufbar unter https://www.ecoi.net/en/file/local/2010507/AFGH_ANALYSE_Herat_2019_06_13.pdf).

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (MPI 27.1.2004). Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte von Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte (AA 2.9.2019). Nach wie vor gilt Afghanistan als eines der weltweit gefährlichsten Länder für Frauen (REU 26.6.2018; vgl. AF 13.12.2017).

Während sich die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft insgesamt ein wenig verbessert hat (BFA 4.2018; vgl. AA 2.9.2019), können sie ihre gesetzlichen Rechte innerhalb der konservativ-islamischen, durch Stammestraditionen geprägten afghanischen Gesellschaft oft nur eingeschränkt verwirklichen. Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebenen Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder aufgrund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Bewegungsfreiheit (AA 2.9.2019).

Seit dem Fall der Taliban wurden jedoch langsam Fortschritte in dieser Hinsicht erreicht, welche hauptsächlich in urbanen Zentren wie z.B. Herat-Stadt zu sehen sind. Das Stadt-Land-Gefälle und die Sicherheitslage sind zwei Faktoren, welche u.a. in Bezug auf Frauenrechte eine wichtige Rolle spielen. Einem leitenden Mitarbeiter einer in Herat tätigen Frauenrechtsorganisation zufolge kann die Lage der Frau innerhalb der Stadt nicht mit den Lebensbedingungen der Bewohnerinnen ländlicher Teile der Provinz verglichen werden. Daher muss die Lage von Frauen in Bezug auf das jeweilige Gebiet betrachtet werden. Die Lage der Frau stellt sich in ländlichen Gegenden, wo regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv sind und die Sicherheitslage volatil ist, anders dar als z.B. in Herat-Stadt (BFA 13.6.2019).

Die afghanische Regierung wird von den Vereinten Nationen (UN) als ehrlicher und engagierter Partner im Kampf gegen Gewalt an Frauen beschrieben (EASO 12.2017; vgl. BFA 4.2018, UNAMA/OHCHR 5.2018), der sich bemüht Gewalt gegen Frauen - beispielsweise Ermordung, Prügel, Verstümmelung, Kinderheirat und weitere schädliche Praktiken - zu kriminalisieren und Maßnahmen zur Rechenschaftspflicht festzulegen (UNAMA/OHCHR 5.2018). Wenngleich die afghanische Regierung Schritte unternommen hat, um das Wohl der Frauen zu verbessern und geschlechtsspezifische Gewalt zu eliminieren, bleibt die Situation für viele Frauen unverändert, speziell in jenen Regionen wo nach wie vor für Frauen nachteilige Traditionen fortbestehen (BFA 4.2018; vgl. UNAMA 24.12.2017).

Seit dem Fall der Taliban wurden mehrere legislative und institutionelle Fortschritte beim Schutz der Frauenrechte erzielt; als Beispiele wurden der bereits erwähnte Artikel 22 in der afghanischen Verfassung (2004) genannt, sowie auch Artikel 83 und 84, die Maßnahmen für die Teilnahme von Frauen im Ober- und Unterhaus des Parlamentes vorsehen (WILFPFA 7.2019). Die afghanische Regierung hat die erste Phase des nationalen Aktionsplans (NAP) zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 (aus dem Jahr 2000) des UN-Sicherheitsrates implementiert; dies führte zu einer stärkeren Vertretung von Frauen in öffentlichen Einrichtungen, wie z.B. dem Hohen Friedensrat. Unter anderem hat die afghanische Regierung das nationale Schwerpunktprogramm Women's Economic Empowerment gestartet. Um Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen zu bekämpfen, hat die Regierung in Afghanistan die Position eines stellvertretenden Generalstaatsanwalts geschaffen, der für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Kinder zuständig ist. Es wurden Kommissionen gegen Belästigung in allen Ministerien eingerichtet. Des Weiteren hat der Oberste Gerichtshof eine spezielle Abteilung geschaffen, um Fälle von Gewalt gegen Frauen zu überprüfen. Darüber hinaus waren in mehr als 20 Provinzen Sondergerichte zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen tätig (UNGA 3.4.2019). So hat die afghanische Regierung unter anderem, gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft verschiedene Projekte zur Reduzierung der Geschlechterungleichheit gestartet. Das "Gender Equality Project" der Vereinten Nationen soll die afghanische Regierung bei der Förderung von Geschlechtergleichheit und Selbstermächtigung von Frauen unterstützen (Najimi 2018).

Im Zuge der Friedensverhandlungen (siehe Abschnitt 2) bekannten sich die Taliban zu jenen Frauenrechten (TN 31.5.2019; vgl. Taz 6.2.2019), die im Islam vorgesehen sind, wie zu Lernen, zu Studieren und sich den Ehemann selbst auszuwählen. Zugleich kritisierten sie, dass "im Namen der Frauenrechte" Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden (Taz 6.2.2019). Die Taliban haben während ihres Regimes afghanischen Frauen und Mädchen Regeln aufoktroyiert, die auf ihren extremistischen Interpretationen des Islam beruhen, und die ihnen ihre Rechte - einschließlich des Rechts auf Schulbesuch und Arbeit - vorenthalten und Gewalt gegen sie gerechtfertigt haben (USAT 3.9.2019). Restriktive Einstellung und Gewalt gegenüber Frauen betreffen jedoch nicht nur Gegenden, welche unter Taliban-Herrschaft stehen, sondern hängen grundsätzlich mit der Tatsache zusammen, dass die afghanische Gesellschaft zum Großteil sehr konservativ ist. Gewalt gegenüber Frauen ist sehr oft auch innerhalb der Familien gebräuchlich. So kann bezüglich der Behandlung von Frauen insbesondere in ländlichen Gebieten grundsätzlich kein großer Unterschied zwischen den Taliban und der Bevölkerung verzeichnet werden. In den Städten hingegen ist die Situation ganz anders (BFA 13.6.2019).

Einem Bericht der AIHRC zufolge wurden für das Jahr 2017 4.340 Fälle von Gewalt gegen 2.286 Frauen registriert. Die Anzahl der gemeldeten Gewaltvorfälle und der Gewaltopfer steigt (AIHRC 11.3.2018), was an zunehmendem Bewusstsein und dem Willen der Frauen, sich bei Gewaltfällen an relevante Stellen zu wenden, liegt (PAJ 10.12.2018).

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 2.9.2019).

Bildung für Mädchen

Seit 2001 haben Millionen Mädchen, denen unter den Taliban die Bildung verwehrt wurde, Schulbildung erhalten (HRW 17.10.2017). Die größten Probleme bei Bildung für Mädchen beinhalten Armut, frühe Heirat und Zwangsverheiratung, Unsicherheit, fehlende familiäre Unterstützung, sowie Mangel an Lehrerinnen und nahegelegenen Schulen (USDOS 13.3.2019; vgl. UNICEF 27.5.2019). Aufgrund des anhaltenden Konflikts und der sich verschlechternden Sicherheitslage wurden bis Ende 2018 mehr als 1.000 Schulen geschlossen. UNICEF zufolge haben sich die Angriffe auf Schulen in Afghanistan zwischen 2017 und 2018 von 68 auf 192 erhöht und somit verdreifacht. Ein Grund für die Zunahme von Angriffen auf Schulen ist, dass Schulen als Wählerregistrierungs- und Wahlzentren für die Parlamentswahlen 2018 genutzt wurden (UNICEF 27.5.2019). Von den rund 5.000 Örtlichkeiten, die als Wahlzentren dienten, waren etwa 50% Schulen (UNICEF 2019).

Schätzungen zufolge, sind etwa 3,7 Millionen Kinder im Alter von 7 bis 17 Jahren, also fast die Hälfte aller schulpflichtigen Kinder, nicht in der Schule - Mädchen machen dabei 60% aus (UNICEF 27.5.2019), in manchen abgelegenen Gegenden sogar 85% (UNICEF 2019). 2018 ist diese Zahl zum ersten Mal seit dem Jahr 2002 wieder gestiegen (UNICEF 27.5.2019). Geschlechternormen führen dazu, dass die Ausbildung der Buben in vielen Familien gegenüber der Ausbildung der Mädchen prioritär gesehen wird, bzw. dass die Ausbildung der Mädchen als unerwünscht gilt oder nur für einige Jahre vor der Pubertät als akzeptabel gesehen wird (HRW 17.10.2017).

Jedoch sind auch hier landesweit Unterschiede festzustellen (BBW 28.8.2019): Beispielsweise waren Mädchen unter der Taliban-Herrschaft auf Heim und Haus beschränkt - speziell in ländlichen Gegenden wie jene in Bamyan. Eine Quelle berichtet von einer Schule in Bamyan, die vor allem von Mädchen besucht wird. Dort werden Mädchen von den Eltern beim Schulbesuch manchmal den Buben vorgezogen, da die Buben bei der Feldarbeit oder im Elternhaus aushelfen müssen. In besagtem Fall existieren sogar gemischte Klassen (NYT 27.6.2019). Aufgrund der Geschlechtertrennung darf es eigentlich keine gemischten Klassen geben. In ländlichen Gebieten kommt es oft vor, dass Mädchen nach der vierten oder fünften Klasse die Schule abbrechen müssen, weil die Zahl der Schülerinnen zu gering ist. Grund für das Abnehmen der Anzahl an Schülerinnen ist u. a. die schlechte Sicherheitslage in einigen Distrikten. Statistiken des afghanischen Bildungsministeriums zufolge war Herat mit Stand November 2018 beispielsweise die einzige Provinz in Afghanistan, wo die Schulbesuchsrate der Mädchen höher war (53%) als die der Burschen (47%). Ein leitender Mitarbeiter einer u.a. im Westen Afghanistans tätigen NGO erklärt die höhere Schulbesuchsrate damit, dass in der konservativen afghanischen Gesellschaft, wo die Bewegungsfreiheit der Frau außerhalb des Hauses beschränkt bleibt, Mädchen zumindest durch den Schulbesuch die Möglichkeit haben, ein Sozialleben zu führen und das Haus zu verlassen. Aber auch in einer Provinz wie Herat missbilligen traditionelle Dorfälteste und konservative Gemeinschaften in manchen Distrikten den Schulbesuch von Mädchen. So kommt es manchmal vor, dass in bestimmten Gebäuden Unterrichtsschichten für Mädchen eingerichtet sind, die von den Schülerinnen jedoch nicht besucht werden (BFA 13.6.2019).

Auch wenn die Führungselite der Taliban erklärt hat, dass Schulen kein Angriffsziel mehr seien (LI 16.5.2018), kam es zu Angriffen auf Mädchenschulen, sowie Schülerinnen und Lehrerinnen durch die Taliban und andere bewaffnete Gruppen (NYT 21.5.2019; UNAMA 24.4.2019; PAJ 16.4.2019; PAJ 15.4.2019; UNAMA 24.2.2019; PAJ 31.1.2019; HRW 17.10.2017). Solche Angriffe zerstören nicht nur wertvolle Infrastruktur, sondern schrecken auch langanhaltend eine große Zahl von Eltern ab, ihre Töchter zur Schule zu schicken (HRW 17.10.2017). Vertreter der Provinzregierung und Dorfälteste legten nach Vorfällen in der Provinz Farah nahe, dass Angriffe auf Mädchenschulen eine Spaltung innerhalb der Taliban offenbaren: Während viele Zivilbehörden der Taliban eine Ausbildung für Mädchen tolerieren, lehnen manche Militärkommandanten dies ab (NYT 21.5.2019). Mittlerweile ist nicht mehr die Schließung von Schulen (wie es während der gewalttätigen Kampagne in den Jahren 2006-2008 der Fall war) Ziel der Aufständischen, sondern vielmehr die Erlangung der Kontrolle über diese. Die Kontrolle wird durch Vereinbarungen mit den jeweiligen örtlichen Regierungsstellen ausgehandelt und beinhaltet eine regelmäßige Inspektion der Schulen durch die Taliban (AREU 1.2016).

Landesweit waren im Jahr 2016 182.344 Studenten an 36 staatlichen (öffentlichen) Universitäten eingeschrieben, davon waren 41.041 (AF 13.2.2019; vgl. WB 6.11.2018), also nur 22,5%, weiblich. Der Zugang zu öffentlicher Hochschulbildung ist wettbewerbsintensiv: Studenten müssen eine öffentliche Aufnahmeprüfung - Kankor - ablegen. Für diese Prüfung gibt es Vorbereitungskurse, mit den Schwerpunkten Mathematik und Naturwissenschaften, die oft kostspielig sind und in der Regel außerhalb der Schulen angeboten werden. Unter den konservativen kulturellen Normen, die die Mobilität von Frauen in Afghanistan einschränken, können Studentinnen in der Regel nicht an diesen Kursen teilnehmen und afghanische Familien ziehen es oft vor, in die Ausbildung ihrer Söhne zu investieren, sodass den Töchtern die Ressourcen für eine Ausbildung fehlen (AF 13.2.2019).

Um diese Aufnahmeprüfung zu bestehen, werden Bewerberinnen von unterschiedlichen Stellen unterstützt. Eine Hilfsorganisation hat beispielsweise bislang Vorbereitungsmaterialien und -aktivitäten für 70.000 Studentinnen zur Verfügung gestellt. Auch wurden Aktivitäten direkt in den Unterricht an den Schulen integriert, um der mangelnden Bereitschaft von Eltern, ihre Töchter in Privatkurse zu schicken, zu entgegnen (AF 13.2.2019).

Die Anzahl weiblicher Studierender hat sich an öffentlichen Universitäten in Afghanistan aus unterschiedlichen Gründen seit 2015 erhöht:

(WB 6.11.2018)

Beispielsweise wurden im Rahmen von Initiativen des Ministeriums für höhere Bildung sichere Transportmöglichkeiten für Studenten zu und von den Universitäten zur Verfügung gestellt. Etwa 1.000 Studentinnen konnten dieses Service in den Provinzen Herat, Jawzjan, Kabul, Kunar und Kunduz genießen. Das sind jene Provinzen, in denen sichere und verlässliche Transportmöglichkeiten, aufgrund fehlender öffentlicher Verkehrsmittel und der Sicherheitslage dringend benötigt werden. Auch sollen mehr studentische Wohnmöglichkeiten für Frauen an Universitäten zur Verfügung gestellt werden; das Ministerium für höhere Bildung plant, an fünf Universitäten Studentenwohnheime zu errichten. In zwei Provinzen - Bamyan und Kunar - sollen sie im Jahr 2019 fertiggestellt werden. Das Ministerium für höhere Bildung unterstützt Frauen auch finanziell. Zum einen haben im Jahr 2018 100 Frauen Stipendien erhalten, des weiteren wurden 41 Frauen zum Studieren ins Ausland entsandt und 65 weitere werden ihren Masterabschluss 2018 mithilfe des Higher Education Development Programms erreichen (WB 6.11.2018). Beispielsweise gibt es mittlerweile die erste (und einzige) Frau Afghanistans, die einen Doktor in Spielfilmregie und Drehbuch hat - diesen hat sie an einer Akademie in Bratislava abgeschlossen (RY 16.5.2019).

Im Mai 2016 eröffnete in Kabul der Moraa Educational Complex, die erste Privatuniversität für Frauen in Afghanistan mit einer Kapazität von 960 Studentinnen (MED o.D.). Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (KP 18.10.2015; vgl. EN 25.10.2018; Najimi 2018). Die ersten Absolventinnen und Absolventen haben bereits im Jahr 2017 das Studium abgeschlossen (UNDP 7.11.2017).

Anmerkung: Weitergehende Informationen zum Bildungswesen in Afghanistan können dem Abschnitt "Schulbildung in Afghanistan" im Unterkapitel 18.2 Kinder entnommen werden.

Berufstätigkeit von Frauen

Das Gesetz sieht die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf vor, sagt jedoch nichts zu gleicher Bezahlung bei gleicher Arbeit. Das Gesetz untersagt Eingriffe in das Recht auf Arbeit der Frauen; dennoch werden diese beim Zugang zu Beschäftigung und Anstellungsbedingungen diskriminiert (USDOS 13.3.2019). Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit (AA 2.9.2019; vgl. BBW 28.8.2019). Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent und viele Frauen gehen aus Furcht vor sozialer Ächtung keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach (BFA 4.2018). In den meisten Teilen Afghanistans ist es Tradition, dass Frauen und Mädchen selten außerhalb des Hauses gesehen oder gehört werden sollten (BBC 6.9.2019).

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen hat sich auf 27% erhöht (UNGA 3.4.2019). Für das Jahr2018 wurde der Anteil der Frauen an der Erwerbsbevölkerung von der Weltbank mit 35,7% angegeben (WB 4.2019). Bemühungen der afghanischen Regierung, Schlüsselpositionen mit Frauen zu besetzen und damit deren Präsenz zu erhöhen, halten weiter an (KP 24.3.2019). So ist die afghanische Regierung seit dem Jahr 2014 bemüht, den Anteil von Frauen in der Regierung von 22% auf 30% zu erhöhen (USAID 24.7.2019). Frauen besetzen innerhalb der afghanischen Regierung und Spitzenverwaltung beispielsweise folgende Positionen: 11 stellvertretende Ministerinnen, 3 Ministerinnen und 5 Botschafterinnen. Nicht alle erachten diese Veränderungen als positiv - manche suggerieren, Präsident Ghanis Ernennungen seien symbolisch und die Kandidatinnen unerfahren oder dass ihnen die notwendigen Kompetenzen fehlen würden (RFE/RL 6.12.2018). Im Rahmen einer Ausbildung für Beamte des öffentlichen Dienstes sollen Frauen mit den notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten ausgestattet werden, um ihren Dienst in der afghanischen Verwaltung erfolgreich antreten zu können. Ab dem Jahr 2015 und bis 2020 sollen mehr als 3.000 Frauen in einem einjährigen Programm für ihren Posten in der Verwaltung ausgebildet werden. Mit Stand Juli 2019 haben 2.800 Frauen das Programm absolviert. 900 neue Mitarbeiterinnen sind in Kabul, Balkh, Kandahar, Herat und Nangarhar in den Dienst aufgenommen worden (USAID 24.7.2019). Viele Frauen werden von der Familie unter Druck gesetzt, nicht arbeiten zu gehen (USDOS 13.3.2019); traditionell wird der Mann als Ernährer der Familie betrachtet, während Frauen Tätigkeiten im Haushalt verrichten. Dies bedeutet für die Frauen eine gewisse Sicherheit, macht sie allerdings auch wirtschaftlich abhängig - was insbesondere bei einem Partnerverlust zum Problem wird (Najimi 2018). Auch werden bei der Anstellung Männer bevorzugt. Es ist schwieriger für ältere und verheiratete Frauen, Arbeit zu finden, als für junge alleinstehende. Berufstätige Frauen berichten über Beleidigungen, sexuelle Belästigung, fehlende Fahrgelegenheiten und fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen. Auch wird von Diskriminierung beim Gehalt berichtet (USDOS 13.3.2019).

Die First MicroFinance Bank (FMFB-A), eine Tochter der Aga Khan Agency for Microfinance, bietet Finanzdienstleistungen und Mikrokredite primär für Frauen (BFA 4.2018; vgl. FMFB o.D.a) und hat 39 Niederlassungen in 14 Provinzen (FMFB o.D.b).

Politische Partizipation und Öffentlichkeit

Die Teilnahme von Frauen am politischen Prozess ist gesetzlich nicht eingeschränkt (USDOS 13.3.2019). Die politische Partizipation von Frauen ist in ihren Grundstrukturen rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; von diesem Drittel des Oberhauses sind gemäß Verfassung 50% für Frauen bestimmt. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert AA 2.9.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).

Bei den Wahlen zum Unterhaus (Wolesi Jirga) im Oktober 2018 traten landesweit 417 Kandidatinnen an (MBZ 7.3.2019); insgesamt vertreten 79 Frauen 33 Provinzen (AAN 17.5.2019). Das per Präsidialdekret erlassene Wahlgesetz sieht eine Frauenquote von mindestens 25% in den Provinz- (AA 2.9.2019), Distrikt- und Dorfräten vor. Bis zum Ende des Jahres 2018 war dies in keinem Distrikt- oder Dorfrat der Fall (USDOS 13.3.2019). Zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der Unabhängigen Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung veröffentlichte im Jänner 2018 einen Strategieplan zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst um 2 % für das Jahr 2019 (AA 2.9.2019).

Traditionelle gesellschaftliche Prktiken schränken die Teilnahme von Frauen in der Politik und bei Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft ein; wie z.B. die Notwendigkeit eines männlichen Begleiters oder einer Erlaubnis um zu arbeiten. Frauen, die politisch aktiv sind, sind auch weiterhin mit Gewalt konfrontiert und Angriffsziele der Taliban und anderer Aufständischengruppen. Dies, gemeinsam mit einem Rückstand an Bildung und Erfahrung, führt dazu, dass die Zentralregierung männlich dominiert ist (USDOS 13.3.2019).

Frauen sind nur selten in laufende Friedensverhandlungen integriert. Die Verhandlungen in Moskau im Februar 2019 waren eine Ausnahme, als zwei Frauen als Mitglieder der inoffiziellen Regierungsdelegation mit den Taliban verhandelten (TD 27.5.2019). Bei der Loya Jirga im Mai 2019 waren 30% der Delegierten Frauen. Einige von ihnen gaben jedoch an, dass sie ignoriert, marginalisiert und bevormundet wurden (NYT 3.5.2019).

Beispiele für Frauen außerhalb der Politik, die in der Öffentlichkeit stehen, sind die folgenden: In der Provinz Kunduz existiert ein Radiosender - Radio Roshani - nur für Frauen. In der Vergangenheit wurde sowohl die Produzentin bzw. Gründerin mehrmals von den Taliban bedroht, als auch der Radiosender selbst angegriffen. Durch das Radio werden Frauen über ihre Rechte informiert; Frauen können während der Sendung Fragen zu Frauenrechten stellen. Eines der häufigsten Probleme von Frauen in Kunduz sind gemäß einem Bericht Probleme in polygamen Ehen (BBC 6.9.2019). Zan TV, der einizige afghanische Sender nur für Frauen, wurde im Jahr 2017 gegründet. Bei Zan-TV werden Frauen ausgebildet, um alle Jobs im Journalismusbereic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten