TE Bvwg Beschluss 2019/12/4 W154 1412726-5

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Veröffentlicht am 04.12.2019
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Entscheidungsdatum

04.12.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W154 1412726-5/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2019, Zahl:

81833604/191205672, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend Shah XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 14.11.2009 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Verfahren brachte der BF vor, aus der Provinz Logar in Afghanistan zu stammen und sein Heimatland Anfang 2008 verlassen zu haben. Er sei verheiratet und Vater eines Sohnes. Als Fluchtgrund gab der BF im Wesentlichen an, dass sein Vater Dorfvorsteher gewesen und durch eine von den Taliban gelegte Mine getötet worden sei. Vor dem Tod des Vaters habe der BF vier ihm bekannte Personen gesehen, die Drohbriefe an die Tür des Hauses der Familie des BF geheftet hätten, nach dem Tod des Vaters habe der BF diese vier Personen angezeigt und diese seien festgenommen und zu 20 Jahren Haft verurteilt worden; zwei seien aber durch Beziehungen nach zwei Jahren begnadigt worden. Diese Personen hätten dann in Folge den Namen des BF erfahren. Der BF sei dann von den Taliban des Verrates bezichtigt worden und hätten diese versucht, den BF in seinem Haus festzunehmen, ihn jedoch nicht gefunden, da die Mutter des BF diesen versteckt gehabt habe. Noch in derselben Nacht sei der BF geflohen. Die Taliban hätten schließlich einen Bruder des BF getötet, als diese den BF gesucht hätten. Der BF gab des Weiteren an, sich im Falle einer Rückkehr vor den Taliban und den mit diesen zusammenarbeitenden Regierungsbeamten zu fürchten.

Der oben bezeichnete Asylantrag des BF wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.03.2010, Zl. 09 14.178-BAT, gemäß § 3 Abs. 1 ASylG 2005 abgewiesen und dem BF der Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den festgestellten Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt. Gleichzeitig wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19.12.2012, Zl. C2 412726-1/2010/34E, rechtskräftig mit 27.12.2012, abgewiesen.

1.2. Am 28.11.2013 wurde die Duldung des BF gemäß § 46a Abs. 1a FPG mangels Ersatzreisedokumentes der afghanischen Botschaft festgestellt und dem BF am 09.12.2013 die Karte für Geduldete übermittelt.

1.3. Am 17.11.2014 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11.03.2015, Zl. 81833604/150015868, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen die BF gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt I.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 und 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6.11.2018, GZ: W124 1412726-3/31E, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erwuchs am 13.11.2018 in Rechtskraft.

In seiner Entscheidung traf das Bundesverwaltungsgericht unter anderem folgende Feststellungen:

"1.3. Der private und familiäre Lebensmittelpunkt des BF befand sich bislang in Afghanistan. Trotz des langen Aufenthalts verfügt der BF über keine familiären oder sonstigen nennenswerten sozialen Bindungen in Österreich. Der BF ist seit dem 11.04.2017 in Österreich ohne Beschäftigung und verfügt über keine hinreichenden Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes. Der BF war in der Zeit vom 07.04.2016 bis 07.09.2016 geringfügig beschäftigt und hat in der Zeit vom 08.09.2016 bis 10.04.2017 gearbeitet.

Der BF verfügt lediglich über rudimentäre Sprachkenntnisse der deutschen Sprache und hat die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 bestanden. Der BF ist in keinem Verein, Organisation oder Gleichartigem tätig oder engagiert. Weitere maßgebliche Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden. Der BF befindet sich in Haft.

1.4. Dem BF würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz in Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Kabul, aber auch Herat oder Mazar-e Sharif liefe der BF nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der BF ist gesund, im erwerbsfähigen Alter und männlich. Er hat den Großteil seines Lebens in Afghanistan verbracht, spricht Dari und ist mit den kulturellen Traditionen und Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Der BF verfügt über ein familiäres Netzwerk in Afghanistan. Der BF verfügt über mehrjährige Berufserfahrung als Mechaniker. Er kann daher, wie bereits vor seiner Ausreise auch, seinen Lebensunterhalt als Mechaniker bestreiten. Es ist daher anzunehmen, dass der BF insbesondere in Kabul in der Lage sein wird, sich - sonst auch notfalls mit Hilfstätigkeiten - ein ausreichendes Auskommen zu sichern und daher nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen.

Der BF kann die Stadt Kabul, wie auch die beiden anderen oben genannten Städte, von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

1.5. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 46 FPG unzulässig wäre."

1.5. Am 14.1.2016 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz". Mit Bescheid des BFA vom 21.5.2019, Zl: 81833604 - 160087585, wurde der Antrag abgewiesen. Gleichzeitig wurde der Antrag vom 28.12.2016 auf Verlängerung der Karte für Geduldete abgewiesen. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4.12.2019 abgewiesen.

1.6. Am 21.11.2019 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft den zweiten, verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 27.11.2019 brachte der BF im Wesentlichen vor, dass die Taliban, die er verraten hätte und ins Gefängnis gekommen seien, eine Strafe von jeweils 20 Jahren erhalten hätten. Sie seien nunmehr nach zehn Jahren, das heiße jetzt, aus der Haft entlassen worden, das hätte er erfahren. Er fürchte diese Männer, weil sie seinetwegen inhaftiert worden seien. Sie würden sich an ihm rächen. Sein zweiter Grund bestehe darin, dass sein Vater ihn gegen seinen Willen verheiratet habe, als er noch minderjährig gewesen sei. Er habe diese Frau nicht gemocht, sie habe dennoch ein Kind von ihm bekommen. Danach habe er Afghanistan verlassen müssen. Er habe dann 2017 entschieden, sich von dieser Frau offiziell zu trennen. Damit meine er, einfach die Scheidung verbal auszusprechen. Die Brüder der Frau hätten Rache geschworen. Sie würden ihm vorwerfen, er hätte Schande über sie gebracht. Er habe ihnen erklärt, dass er sie nie gewollt habe und darüber hinaus hätten sie selbst diese Vereinbarung mit seinem Vater getroffen. Auf Nachfrage gab der BF hinsichtlich der Brüder an, dass er mit den Brüdern gesprochen habe. Aufgrund dessen könne er auch nicht in die Heimat zurückkehren. Es seien zwei Probleme, die in dort erwarten würden. Diese Information habe er von einem Dorfbewohner, der ihn 2018 in Österreich im Gefängnis besucht habe, erhalten.

Des Weiteren gab der BF an, in Österreich nach islamischen Recht "2016" geheiratet zu haben und mit dieser Frau unter einer näher bezeichneten Adresse zusammenzuleben. Auf Vorhalt des Einvernahmeleiters, in der Verhandlung vom 21.6.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht diese Heirat nicht erwähnt zu haben, gab der BF an, sich vor dem Richter und dem Dolmetscher geschämt zu haben, dass er sich von seiner Frau ohne deren Willen getrennt und hier erneut geheiratet habe.

1.9. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 27.11.2019, der im Protokoll beurkundet wurde, hob die belangte Behörde den faktischen Abschiebeschutz des BF auf. Die nunmehr vorgebrachten Gründe, weshalb der BF nicht in sein Herkunftsland zurückkehren wolle, seien im Wesentlichen ident mit denen des Vorverfahrens und darüber hinaus nicht glaubhaft. Der BF würde sich im nunmehrigen Rechtsgang auf Sachverhaltskreise beziehen, die einerseits vor seiner Ausreise aus Afghanistan stattgefunden hätten bzw. jedenfalls vor rechtskräftig letztinstanzlicher Entscheidung seines Asylbegehrens im ersten Rechtsgang zuordenbar seien. Hierzu sei anzumerken, dass diese bereits im Vorverfahren ausreichend gewürdigt worden seien. Somit würde sich hierzu nichts an der Unglaubwürdigkeit des zentralen Vorbringens im Rahmen des rechtskräftig abgeschlossenen Erstverfahrens ändern. Eine wesentliche Änderung im gesamten Sachverhalt habe sich somit nicht ergeben, welche im Endergebnis in Zusammenschau mit dem bereits im ersten Rechtsgang ins Treffen geführten alten Fluchtgründen zu einer positiven Entscheidung in der Frage der Zuerkennung internationalen Schutzes geführt hätte. Vielmehr stelle dieser Nebenaspekt eine sukzessive Steigerung dar, welcher in unmittelbarem Zusammenhang mit der gebotenen Abschiebung stehe und somit rein aus opportunistischen Erwägungen gestellt worden sei, um eine fremdenbehördliche Effektuierung hintanzuhalten. Der gegenständliche Antrag stütze sich daher auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den zuletzt inhaltlich entschiedenen Asylantrag verwirklichten Sachverhalt. Die Angaben betreffend die Lebensgefährtin des BF (Ehefrau nach islamischen Recht) seien jedenfalls nicht glaubhaft und habe der BF den diesbezüglichen Vorhalt auch nicht nachvollziehbar aufklären können, daher werde diesem Teil des Vorbringens einschließlich der Geschichte mit der Ehefrau in Afghanistan jedenfalls keine Glaubwürdigkeit zugesprochen. Auch hätte der BF im gesamten Vorverfahren keine diesbezüglichen Angaben gemacht. Der BF habe im nunmehrigen Asylantrag offenbar die wiederholte Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt. Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass dem BF bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integritätstruhe. Da sich die allgemeine Lage wie auch die persönlichen Verhältnisse und der körperliche Zustand des BF seit der letzten Entscheidung nicht entscheidungswesentlich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in den Herkunftsstaat des BF zu keiner Bedrohung der angeführten Menschenrechte führen würde. Selbiges gelte für die persönlichen Verhältnisse des BF. Auch diesbezüglich dieser sei keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei somit nach wie vor nicht anzuzweifeln. Aufgrund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsland des BF in Verbindung mit dem Vorbringen des BF könne somit davon ausgegangen werden, dass dem BF keine Verletzung, wie in § 12a Abs. 2 Z. 3 Asyl G beschrieben, drohe.

Der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt sei daher unverändert, es liege sohin entschiedene Sache im Sinn von § 68 AVG vor. Mangels Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts werde voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrages erfolgen.

1.10. Mit Schriftsatz vom 29.11.2019, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 2.12.2019, erstattete der BF durch seine Rechtsvertretung eine Stellungnahme zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes. Dabei wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF im Vergleich zum Zeitpunkt der letzten Asylentscheidung (19.12.2012) neue Sachverhalte ins Treffen geführt habe. Dem Vorbringen, der BF werde von Taliban gesucht, könne nicht von vornherein jede Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Jedenfalls wäre die Furcht vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, wonach die Taliban in der Lage seien, im gesamten Land Personen gezielt zu verfolgen, wohlbegründet. Auch das weitere Vorbringen, der BF fürchte sich, dass sich die Brüder seiner Ex-Frau sich bei ihm rächen würden, fände grundsätzlich in den Länderberichten Deckung. Im angefochtenen Bescheid setze sich die belangte Behörde mit dem neuen Fluchtvorbringen jedoch nicht auseinander. Es sei unzutreffend, dass die Fluchtgründe "im Wesentlichen ident" mit jenen des Vorverfahrens seien. Hervorzuheben sei auch, dass im Erkenntnis vom 19.12.2012 eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul angenommen worden sei. Gemäß den UNHCR-Richtlinien vom 30.8.2018 scheide eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul aufgrund der dortigen katastrophalen Sicherheitslage und humanitären Lage nunmehr jedoch generell aus. In Mazar- e-Sharif oder Herat verfüge der BF über keine Angehörigen.

Die belangte Behörde halte auch das Vorliegen der Lebensgemeinschaft für unglaubwürdig. Entgegen der Ansicht der Behörde habe der BF den vermeintlichen Widerspruch zur Verhandlung am 21.6.2018 sehr wohl aufgeklärt. Zu berücksichtigen sei überdies, dass sich der BF seit nunmehr über zehn Jahren in Österreich aufhalte. Ein durchgehender Aufenthalt von zehn Jahren habe in der Regel das überwiegend privater Interessen an öffentlichen Interesse der Aufenthaltsbeendigung zur Folge.

Unter einem wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter zeugenschaftlicher Einvernahme der Lebensgefährtin des BF beantragt.

1.11. Am 3.12.2019 legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt amtswegig zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vor. Mit Schreiben vom 3.12.2019 wurde das Einlangen der Akten gemäß § 22 Abs. 10 BFA-VG bestätigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Der folgende Sachverhalt steht fest:

Der BF ist volljährig, gesund, in Afghanistan verheiratet und Vater eines Sohnes. Er ist afghanischer Staatsbürger. Seine Identität steht fest.

Der BF gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Moslem.

Der BF stammt aus der Provinz Logar und hat bis zu seiner Ausreise dort gelebt.

Der BF hat in Afghanistan drei Jahre eine Schule besucht und hat vier bis fünf Jahre als angelernter Mechaniker gearbeitet. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des BF sowie seiner Familie in Afghanistan waren gut.

Der BF stellte erstmals am 14.11.2009 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab der BF im Wesentlichen an, dass sein Vater Dorfvorsteher gewesen und durch eine von den Taliban gelegte Mine getötet worden sei. Vor dem Tod des Vaters habe der BF vier ihm bekannte Personen gesehen, die Drohbriefe an die Tür des Hauses der Familie des BF geheftet hätten, nach dem Tod des Vaters habe der BF diese vier Personen angezeigt und diese seien festgenommen und zu 20 Jahren Haft verurteilt worden; zwei seien aber durch Beziehungen nach zwei Jahren begnadigt worden. Diese Personen hätten dann in Folge den Namen des BF erfahren. Der BF sei dann von den Taliban des Verrates bezichtigt worden und hätten diese versucht, den BF in seinem Haus festzunehmen, ihn jedoch nicht gefunden, da die Mutter des BF diesen versteckt gehabt habe. Noch in derselben Nacht sei der BF geflohen. Die Taliban hätten schließlich einen Bruder des BF getötet, als diese den BF gesucht hätten. Der BF gab des Weiteren an, sich im Falle einer Rückkehr vor den Taliban und den mit diesen zusammenarbeitenden Regierungsbeamten zu fürchten.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.03.2010, Zl. 09 14.178-BAT, wurde der Antrag gemäß § 3 Abs. 1 ASylG 2005 abgewiesen und dem BF der Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den festgestellten Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt. Gleichzeitig wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19.12.2012, Zl. C2 412726-1/2010/34E, rechtskräftig mit 27.12.2012, abgewiesen.

Am 28.11.2013 wurde die Duldung des BF gemäß § 46a Abs. 1a FPG mangels Ersatzreisedokumentes der afghanischen Botschaft festgestellt und dem BF am 9.12.2013 die Karte für Geduldete übermittelt.

Am 17.11.2014 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besonderer Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11.03.2015, Zl. 81833604/150015868, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen die BF gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt I.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 und 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.11.2018, GZ: W124 1412726-3/31E, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gelangte am 12.11.2018 in den elektronischen Verfügungsbereich des damaligen Rechtsvertreters des BF.

Am 14.1.2016 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz". Mit Bescheid des BFA vom 21.5.2019, Zl: 81833604 - 160087585, wurde der Antrag abgewiesen. Gleichzeitig wurde der Antrag vom 28.12.2016 auf Verlängerung der Karte für Geduldete abgewiesen. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4.12.2019 abgewiesen.

Am 21.11.2019 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft den zweiten, verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte der BF im Wesentlichen vor, dass die Taliban, die er verraten hätte und ins Gefängnis gekommen seien, eine Strafe von jeweils 20 Jahren erhalten hätten. Sie seien nunmehr nach zehn Jahren, das heiße jetzt, aus der Haft entlassen worden, das hätte er erfahren. Er fürchte diese Männer, weil sie seinetwegen inhaftiert worden seien. Sie würden sich an ihm rächen. Sein zweiter Grund bestehe darin, dass sein Vater ihn gegen seinen Willen verheiratet habe, als er noch minderjährig gewesen sei. Er habe diese Frau nicht gemocht, sie habe dennoch ein Kind von ihm bekommen. Danach habe er Afghanistan verlassen müssen. Er habe dann 2017 entschieden, sich von dieser Frau offiziell zu trennen. Damit meine er, einfach die Scheidung verbal auszusprechen. Die Brüder der Frau hätten Rache geschworen. Sie würden ihm vorwerfen, er hätte Schande über sie gebracht. Er habe ihnen erklärt, dass er sie nie gewollt habe und darüber hinaus hätten sie selbst diese Vereinbarung mit seinem Vater getroffen. Auf Nachfrage gab der BF hinsichtlich der Brüder an, dass er mit den Brüdern gesprochen habe. Aufgrund dessen könne er auch nicht in die Heimat zurückkehren. Es seien zwei Probleme, die in dort erwarten würden. Diese Information habe er von einem Dorfbewohner, der ihn 2018 in Österreich im Gefängnis besucht habe, erhalten.

Des Weiteren gab der BF an, in Österreich nach islamischen Recht 2016 geheiratet zu haben und mit dieser Frau unter einer näher bezeichneten Adresse zusammenzuleben.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF sind gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren vom 06.11.2018, GZ: W124 1412726-3/31E, mit dem gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde und festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig ist, getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr zumindest in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. In Afghanistan befinden sich Familienangehörige des BF. Der BF ist bis auf gelegentliche Schmerzen im Arm gesund.

Der BF weist in Österreich folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf:

Mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 03.11.2014, Zl. 36 Hv 132/14i, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Suchtgifthandels nach den §§ 28a Abs. 1 SMG und 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Mit Urteil vom Landesgericht St. Pölten vom 16.03.2018, Zl. 39 Hv 42/17f, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.

Der BF befand sich bis 21.11.2019 in Strafhaft.

Trotz des langen Aufenthalts verfügt der BF über keine familiären oder sonstigen nennenswerten sozialen Bindungen in Österreich.

2. Beweiswürdigung:

Beweise wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des gegenständlichen Verfahrens sowie in die den BF betreffenden Verwaltungs- und Gerichtsakte der Vorverfahren sowie in das Länderinformationsblatt (LIB) der Staatendokumentation Afghanistan vom 30.11.2019.

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und der den BF betreffenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF, zur Herkunft des BF und seiner Schulbildung und Berufserfahrung sowie dass der BF über Familie in Afghanistan verfügt, wurden bereits vom BFA und vom Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz festgestellt. Es haben sich daran im zweiten Verfahren keine Zweifel ergeben, zumal der BF diese Angaben anlässlich seiner Befragung im Folgeverfahren bestätigte.

Die Feststellungen zum ersten Verfahren auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.

Die Feststellung zur neuerlichen Antragstellung sowie die vom BF vorgebrachten Gründe beruhen ebenso auf dem unzweifelhaften Akteninhalt.

Dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren vom 06.11.2018, GZ: W124 1412726-3/31E, getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten sind, gründet auf einer Zusammenschau der den beiden Entscheidungen zugrunde gelegten Länderfeststellungen.

Die Feststellungen bezüglich der strafgerichtlichen Verurteilungen des BF gründen zum einen auf den Verwaltungsakt, den Gerichtsakt sowie einem aktuellen Strafregisterausdruck.

Die Feststellung hinsichtlich der Entlassung des BF aus der Strafhaft gründet sich auf den Schubhaftakt des BF.

Die Feststellungen zur familiären und sozialen Anbindung des BF in Österreich gründen zum einen auf den expliziten Aussagen des BF in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2018 im hg. Verfahren zu GZ: W124 1412726-3. Dabei gab der BF an, in seiner Heimatprovinz Logar in Afghanistan eine Ehefrau und ein Kind zu haben und erklärte, dass es in Österreich weder eine Lebensgefährtin noch Kinder gebe. Es ist demnach nicht glaubwürdig, dass der BF, der sich im Bundesgebiet zudem über lange Zeit in Strafhaft befand, tatsächlich in Österreich in einer Lebensgemeinschaft lebt. Dass berechtigte Zweifel diesbezüglich an der Glaubwürdigkeit des BF bestehen, ergibt sich zum anderen auch daraus, dass der BF über sein "Eheschließungsdatum" in Österreich unterschiedliche Aussagen in den verschiedenen, ihn betreffenden Verfahren machte, so behauptete er im Verfahren zu GZ: W124 1412726-3 seit 2017 "verheiratet" zu sein, in der Beschwerde zum Verfahren auf Verlängerung der Karte für Geduldete geht der BF von seiner "Eheschließung" im Jahr 2014 aus. In Hinblick auf das im gegenständlichen Verfahren behauptete aktuelle Zusammenleben des BF mit seiner "Lebensgefährtin" wird ausgeführt, dass der BF lediglich von 21.01.2015 bis 20.04.2015 unter derselben Adresse wie seine "Lebensgefährtin" amtlich gemeldet war, danach war er von 20.04.2015 bis 10.09.2018 an einer anderen Adresse gemeldet (siehe dazu die Anfrage an das Zentrale Melderegister vom 04.12.2019). Entgegen den Aussagen des BF sowohl in der Einvernahme vor dem BFA am 27.11.2019 als auch in der Beschwerdeschrift ist auch die "Lebensgefährtin" seit 5.6.2019 an einer anderen als der angeführten "gemeinsamen" Adresse amtlich gemeldet, weshalb sich schon deshalb eine Einvernahme der "Lebensgefährtin" - wie in der Beschwerde beantragt - erübrigt hätte.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

3.2.1. Nach § 12a Abs. 2 AsylG kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden aufheben, wenn er einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG gestellt hat, wenn

"1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

Ein Folgeantrag ist nach § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

§ 22 BFA-VG, der die Überprüfung des faktischen Abschiebeschutzes regelt, lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Der erste Antrag des BF erwuchs in Rechtskraft. Bei seinem nunmehrigen zweiten Antrag handelt es sich daher um einen Folgeantrag.

3.2.2. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG (aufrechte Rückkehrentscheidung)

Mit Bescheid des BFA vom 11.03.2015, der insoweit durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6.11.2018 vollinhaltlich bestätigt wurde, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen. Gegen den BF besteht damit eine aufrechte Rückkehrentscheidung, zumal 18 Monate nicht vergangen sind und der BF das Bundesgebiet nicht verlassen hat.

3.2.3. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG (res iudicata):

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

"Entschiedene Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Eine neue Sachentscheidung ist im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684, mwH).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Antrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Im gegenständlichen Verfahren hat sich der BF auf die Verfolgungsgründe des ersten Verfahrens bezogen, nämlich, dass die Taliban, die er verraten hätte und ins Gefängnis gekommen seien, eine Strafe von jeweils 20 Jahren erhalten hätten. Sie seien nunmehr nach zehn Jahren, das heiße jetzt, aus der Haft entlassen worden, das hätte er erfahren. Er fürchte diese Männer, weil sie seinetwegen inhaftiert worden seien. Sie würden sich an ihm rächen. Er behauptet damit das Fortbestehen des bereits im ersten Verfahren erstatten Vorbringens. Dieses wurde bereits im ersten Verfahren rechtskräftig als nicht glaubhaft beurteilt. Diesem Vorbringen steht daher die Rechtkraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684). Die Antragstellung verfolgt somit in Wirklichkeit den Zweck, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundene (rechtskräftige) Vorentscheidung zu verhindern.

Der Folgeantrag des BF wird daher voraussichtlich zurückzuweisen sein, sodass auch § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG verwirklicht ist.

3.2.4. Zur Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG (Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK):

Als Voraussetzung für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz normiert § 12a Abs. 2 AsylG in seiner Ziffer 3, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen darf.

Bereits im ersten Verfahren hat das BFA und ihm folgend der Asylgerichtshof ausgesprochen, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren bzw. im Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des BF in seinen Heimatstaat Afghanistan im Sinne dieser Bestimmungen spricht:

Bei der Beurteilung betreffend einen drohenden Verstoß gegen Art. 2 oder 3 EMRK ist stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0482).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

Die Außerlandesschaffung in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059).

Es sind keine erheblichen in der Person des BF liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie etwa eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des BF wurde kein entsprechendes Vorbringen hiezu getätigt. Bei den Beschwerden des BF handelt es sich nicht um eine derart schwerwiegende Erkrankung, die in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK fallen würde. Es sind im Verfahren somit keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass dem BF bei einer Rückkehr ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder die Todesstrafe droht. Vielmehr handelt es sich beim BF um einen gesunden, arbeitsfähigen, jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Insbesondere in Bezug auf Herat und Mazar-e Sharif stellt sich auch die Sicherheitslage nicht derartig dar, dass dem BF bei einer Rückkehr dorthin eine reale Gefahr der Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK droht, darüber hinaus befinden sich auch nach wie vor Familienmitglieder des BF in Afghanistan, die ihn unterstützen können.

Auch eine reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 8 EMRK liegt nicht vor beziehungsweise ist ein Eingriff in die Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt:

Aus Art. 8 EMRK ist keine generelle Verpflichtung abzuleiten, dem Wunsch eines Fremden, sich in einem bestimmten Mitgliedstaat aufzuhalten, nachzukommen. Unter besonderen Umständen kann sich aus Art. 8 EMRK aber eine Verpflichtung des Staates ergeben, den Aufenthalt eines Fremden zu ermöglichen, mit der Folge, dass die Verweigerung der Einreise oder Niederlassung einen Eingriff in Art. 8 EMRK bildet (VfGH 11.06.2018, E 343/2018 ua.).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua gg Lettland, Nr. 60654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu. Aus folgenden Gründen handelt es sich nicht um einen unzulässigen Eingriff in das Familien- und Privatleben des BF:

Der BF befindet sich zwar seit ca. 10 Jahren im Bundesgebiet. Bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6.11.2018 wurde der Eingriff in das Privatleben des BF als verhältnismäßig angesehen, zumal er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Verfahrens auf internationalen Schutz verfügte, überwiegend von der Grundversorgung lebte, nicht selbsterhaltungsfähig war und lediglich geringe Deutschkenntnisse aufwies. Daran hat sich seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Verfahrens nichts geändert, zumal er sich seitdem über lange Zeit in Strafhaft befand. Auch die Beziehung zu der im Verfahren näher genannten Frau ist nicht - wie oben dargelegt - derart ausgeprägt, dass sie eine andere Beurteilung erfordern würde.

Zudem wurde der BF, wie ebenfalls bereits das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 6.11.2018 ausführte, mehrmals einschlägig im Bereich der Suchtmittelkriminalität verurteilt. Suchtgiftdelinquenz wird als besonders verpöntes Fehlverhalten beurteilt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0541; 23.02.2016, Ra 2015/01/0249, 20.12.2012, 2011/23/0554, mwN). Das öffentliche Interesse an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität hat einen sehr großen Stellenwert (vgl. VwGH 24.02.2011, 2009/21/0387) und spricht daher ebenfalls gegen einen weiteren Verbleib des BF im Bundesgebiet.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass - nach einer Grobprüfung des Aktes - aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK darstellt beziehungsweise ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt erscheint. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge

willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG sind daher gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist. Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG hat diese Entscheidung in Form eines Beschlusses und gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu ergehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, entschiedene Sache, faktischer
Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Glaubwürdigkeit, non-refoulement Prüfung, strafrechtliche
Verurteilung, Suchtmitteldelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W154.1412726.5.01

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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