TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/28 97/02/0529

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Veröffentlicht am 28.04.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §13 Abs2;
ASchG 1994 §106 Abs3 Z6;
ASchG 1994 §130 Abs5 Z1;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 21. Oktober 1997, Zl. VwSen-280326/8/KON/KM, betreffend Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (mitbeteiligte Partei: F, vertreten durch Prof. Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner, Dr. Walter Müller und Dr. Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwälte in Linz, Kroatengasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 12. Dezember 1996 war der Mitbeteiligte für schuldig befunden worden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma H. Handelsgesellschaft mbH. verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, daß am 9. Mai 1996 in einer näher bezeichneten Filiale in Hallein für den Arbeitsraum in der Arbeitsstätte dieser Filiale, welcher eine Raumtiefe von mehr als 10 Metern aufweise, keine Querlüftung möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 13 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983 (AAV), in Verbindung mit § 106 Abs. 3 Z. 6 und § 130 Abs. 5 Z. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. Nr. 450/1994, begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Mitbeteiligten Folge gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 (2. Fall) VStG eingestellt.

In ihrer auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützten Beschwerde macht die beschwerdeführende Bundesministerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen Aufhebung. Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte haben Gegenschriften erstattet, in denen sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die Aufhebung des Straferkenntnisses vom 12. Dezember 1996 und die Einstellung des Strafverfahrens war, daß nach Ansicht der belangten Behörde der Umstand, daß im angeführten Arbeitsraum keine Querlüftung möglich gewesen sei, für sich allein keinen Straftatbestand darstelle. Vielmehr stelle das Fehlen einer Querlüftung mit Rücksicht auf § 13 Abs. 3 AAV, demzufolge der in Abs. 1 dieses Paragraphen normierten Verpflichtung, für eine ausreichende Belüftung zu sorgen, auch dann entsprochen sei, wenn eine ausreichende künstliche Belüftung gewährleistet sei, lediglich ein Element der Tatumschreibung, nicht aber die Verwaltungsübertretung selbst dar. Dem Tatvorwurf im erstinstanzlichen Straferkenntnis habe es daher an der Tatbildmäßigkeit gemangelt.

Die beschwerdeführende Bundesministerin bestreitet die Richtigkeit dieser Rechtsansicht und vertritt die Auffassung, § 13 AAV enthalte mehrere voneinander unabhängige Verpflichtungen, die verschiedene Sachverhalte beträfen und keineswegs bloß Elemente der Tatumschreibung darstellten. Das Fehlen einer Möglichkeit zur Querlüftung in einem Arbeitsraum mit mehr als zehn Meter Raumtiefe stelle daher für sich allein einen Straftatbestand dar, weshalb die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu Unrecht erfolgt sei.

Der Mitbeteiligte hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht, im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sei nicht ausgeführt, was ihm vorgeworfen werde, weil nicht ausgeführt sei, aus welchem Grund (etwa Fehlen von Fenstern, Ventilatoren oder sonstigen Lüftungsöffnungen) davon ausgegangen worden sei, daß eine Querlüftung nicht möglich sei. Dem Mitbeteiligten sei auf Grund denkmalschutzrechtlicher Bestimmungen die Möglichkeit baulicher Maßnahmen genommen, doch sei eine Querlüftung ohnedies durch ein in der Realität auch vorgenommenes Offenhalten des Geschäftseinganges möglich.

Die belangte Behörde hat an ihrer Rechtsansicht festgehalten und im übrigen die Ansicht geäußert, auch im Fall des Verwerfens ihrer im angefochtenen Bescheid dargelegten Auffassung weise das erstinstanzliche Straferkenntnis eine unzureichende Tatumschreibung auf, weil dann die ausschließlich natürliche Lüftung des Arbeitsraumes Tatbestandselement wäre, welches im Tatvorwurf aber nicht aufscheine. Das erstinstanzliche Straferkenntnis leide auch an einem Konkretisierungsmangel, weil daraus nicht ersichtlich sei, weswegen eine Querlüftung nicht möglich gewesen sei.

Gemäß § 13 Abs. 1 AAV ist in Arbeitsräumen dafür zu sorgen, daß frische, von Verunreinigungen möglichst freie Luft zugeführt sowie Luft mit zu geringem Sauerstoffgehalt und zu hohem Kohlendioxidgehalt abgeführt wird; die Lüftung hat so zu erfolgen, daß die Räume möglichst gleichmäßig be- und entlüftet sind.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen muß bei einer Raumtiefe von mehr als 10 m eine Querlüftung durch Fenster, Ventilatoren oder sonstige Lüftungsöffnungen, wie Lüftungsschächte oder Lüftungsklappen, möglich sein.

Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen müssen Arbeitsräume, in denen eine ausreichende natürliche Lüftung nicht möglich ist, durch Lüftungsanlagen, Klimageräte oder Klimaanlagen künstlich gelüftet sein.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann die Bestimmung über das Erfordernis einer Querlüftung im Zusammenhang mit den übrigen Geboten der angeführten Gesetzesstelle nur dahin verstanden werden, daß die Frage, ob eine Möglichkeit zur Querlüftung besteht, unabhängig davon zu beurteilen ist, ob eine natürliche oder künstliche Belüftung

-

die Möglichkeit der Verwendung von Ventilatoren zur Querlüftung wird ausdrücklich eingeräumt - vorgesehen werden könnte. Das Fehlen einer Möglichkeit zur Querlüftung stellt bei Arbeitsräumen mit mehr als 10 m Tiefe daher bereits für sich allein den Tatbestand einer Übertretung im Sinne des § 100 AAV dar, ohne daß es darauf ankäme, durch welche Maßnahmen

-

natürliche oder künstliche Belüftung - diesem Gebot Folge geleistet werden könnte.

Für die Tatumschreibung reicht hiebei die Feststellung des Fehlens einer derartigen Lüftungsmöglichkeit als wesentlichen Tatbestandselementes einer Übertretung dieses Gebotes aus, wobei es nicht Aufgabe der Behörde sein kann, alle Möglichkeiten für eine Querlüftung, von denen vom Verpflichteten nicht Gebrauch gemacht wurde, anzuführen. Die diesbezüglichen Ausführungen des Mitbeteiligten und der belangten Behörde hinsichtlich einer mangelhaften Tatumschreibung im Spruch des erstinstanzlich Straferkenntnisses gehen daher ins Leere.

Da sohin die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und die Verfügung der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung der belangten Behörde beruhten, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997020529.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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