TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/18 W274 2194993-1

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Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
VwGVG §29 Abs5

Spruch

W274 2194993-1/17E

W274 2194995-1/17E

Gekürzte Ausfertigung gemäß § 29 Abs 5 VwGVG

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerden des XXXX (1. BF), geb. 21.9.1986, und der XXXX (2. BF), geb. 16.2.1988, beide iranische Staatsbürger, beide XXXX , beide vertreten durch Verein ZEIGE, Ottakringer Straße 54/4/TOP 2, 1170 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich je vom 4.4.2018 Zl. 1182666700 - 180196805/BMI-BFA_NOE_RD (1.BF) und 11826666809 - 180196813/BMI-BFA_NOE_RD (2.BF) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Den Beschwerden wird Folge gegeben und XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX und XXXX damit kraft Gesetztes damit Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die seit 2011 verheirateten BF beantragten nach Einreise mit Austrian Airlines am 26.02.2018 vor dem Stadtpolizeikommando Schwechat mit der wesentlichen Begründung internationalen Schutz, sie seien zum Christentum gewechselt, hätten Hauskirchen besucht und seien in Folge dessen ins Visier der Behörden gelangt.

Im Wesentlichen bestätigten sie diese Angaben im Rahmen der Vernehmung durch das BFA am 02.03.2018.

Im Zusammenhang mit der Einreise wurden beide Parteien gemäß § 223 Abs. 2, 224 StGB wegen Einklebens eines verfälschten italienischen Schengen-Sichtvermerks zu einer FS von drei Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt. Darüber hinaus sind die BF in Österreich unbescholten.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurde die Anträge auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich Asyl als auch Subsidiärschutz abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.), Rückkehrentscheidungen erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.) und eine Frist für eine freiwillige Ausreise gesetzt. Zusammengefasst wurden die Fluchtgründe und eine Konversion zum Christentum als nicht glaubhaft erachtet.

Gegen diesen Bescheid richten sich die Beschwerden im vollen Umfang mit den primären Anträgen, den BF Asyl zuzuerkennen.

In der Folge wurden weitere Unterlagen und Fotos vorgelegt und im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG am 11.11.2019 die BF als Parteien sowie Pater XXXX als Zeugen vernommen.

Dabei kam hervor, dass beide Parteien im Iran muslimisch schiitisch erzogen wurden. Der 1. BF war in den letzten Jahren im Iran als Immobilienmakler und in den Sommermonaten als Reiseführer iranischer Gruppen in Russland tätig, die 2.BF als Architektin auf Projektbasis. Nicht festgestellt werden konnte, dass beide BF durch einen Freund des 1. BF in eine Hauskirche eingeladen wurden, derartige Sitzungen etwa 15 Mal besuchten, über einen Freund eines verhafteten Missionars gewarnt wurden und sodann nach mehrmaligen Aufenthaltswechsel aus Furcht vor den Behörden, die die BF bereits bei ihren Eltern in deren Abwesenheit gesucht hätten, das Land verließen.

In Österreich sind die BF bereits März 2018 in Kematen an der Ybbs (westliches NÖ) aufhältig. Recht rasch gelangten sie zur dortigen katholischen Kirche, besuchten dort die Messe, knüpften Kontakt zum dortigen Pfarrer Pater XXXX und weiteren, großteils österreichischen Pfarrangehörigen. Etwa ab April 2018 waren sie in Taufvorbereitung der Stadtpfarre Linz, die Strukturen für Farsi-Sprecher bietet. Nach etwa einjährigem Katechumenat wurden die BF im Rahmen des Ostersonntags Gottesdienstes in Kematen an der Ybbs getauft und gefirmt, nachdem am 15.03.2019 in Gegenwart des St. Pöltner Bischofs Dr. SCHWARZ die Zulassung zu den Sakramenten der Eingliederung erfolgte. Als Taufpaten fungierten die Pfarrmitglieder Hermine und XXXX , zu denen die BF auch weiter ein nahes Verhältnis pflegen. Sie wurden auch aus dem Kreis weiterer Menschen aus der Pfarre Kematen beim Deutschlernen unterstützt und knüpften weitere Kontakte zu Pfarrmitgliedern. Die BF befinden sich in Grundversorgung. Der 1.BF war sowohl 2018 als auch 2019 im Bereich der Marktgemeinde Kematen an der Ybbs tätig und wurde hierfür positiv beurteilt, gleiches gilt für die 2.BF. Beide Parteien haben Deutschkurse besucht und Prüfungen abgeschlossen. Die 2.BF ist zur Vorbereitung des Hochschullehrgangs "Fachdidaktische und Bildungswissenschaftliche Grundlagen für Lehrkräfte mit Fluchthintergrund" für das Sommersemester 2019 inskribiert

Es ist glaubhaft, dass die BF den christlichen Glauben derart innerlich aufgenommen haben, dass sie auch im Falle geänderter Verhältnisse, wie einer Rückkehr in den Iran, das Bedürfnis hätten, diesen innerlich und äußerlich auszuleben.

Die wesentlichen Biografischen Feststellungen beruhen auf den insofern glaubwürdigen Angaben der Parteien. Betreffend Besuch von Hauskirchen sowie die Behauptung der Verfolgung aufgrund Verhaftung des Meysam ergaben sich bereits aufgrund der Protokolle vor dem BFA Widersprüche. Exemplarisch erfolgte eine nähere Befragung betreffend die Person des Meysam, die ja die Initialzündung für die Hauskirchenbesuche gewesen sein soll. Dem 1.BF, dessen langjähriger Freund Meysam gewesen sein soll, gelang es nicht eine derartige Person glaubhaft darzustellen. Trotz Gelegenheit hiezu konnte er kaum Angaben zu einer derartigen Person machen, die nach dem Vorbringen der BF diese ja auf den christlichen Glauben aufmerksam gemacht haben soll bzw. durch ihr Beispiel dazu angeregt haben soll, sich mit dem Christentum näher zu beschäftigen.

Hingegen war eine innere Konversion in Österreich glaubhaft: Der nun mehr gut eineinhalb jährige Weg der Integration in eine katholische Gemeinde in Österreich wurde durch die BF nachvollziehbar dargestellt, in der heutigen Verhandlung mehrfach bezeugt und vielfach schriftlich im Akt durch unterschiedliche Akteure (katholische Amtsträger, Personen im Umfeld etc., sowie Fotos) bescheinigt. Seitens des taufenden und Firmenden Pfarrers wurde glaubhaft nicht nur eine nähere Bekanntschaft, sondern auch eine Freundschaft zu den BF bestätigt. Die Taufe fand im Ostergottesdienst sehr öffentlichkeitswirksam statt. Die BF sind in dieser Pfarre die einzigen iranischen Asylwerber, sodass sie "unter Beobachtung" der Öffentlichkeit stehen. Im Verfahren kamen keine Umstände hervor, die an der Ernsthaftigkeit der Konversion der beiden BF, gemessen an ihrer Aufenthaltsdauer in Österreich, zweifeln ließen.

Nach ständiger Rechtsprechung zur Konversion von Iranern sind diese vor dem Hintergrund der aktuellen Länderinformationen des LIB bei einer Rückkehr in den Iran bei zuzubilligender Auslebung des christlichen Glaubens relevant gefährdet, weshalb ihnen in Österreich Asyl zukommt. Den BF kommt daher auf Grund des Nachfluchtgrundes der inneren Konversion zum Christentum im Bezug auf die nach dem LIB gegebene Verfolgung nicht geborener Christen im Iran Asyl zu. Die Beschwerde ist daher im Ergebnis unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung berechtigt.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass es sich um eine

Einzelfallbeurteilung handelt, die der ständigen Rechtsprechung im Bezug auf die Verfolgung nicht geborener Christen im Iran sowie im Verhältnis dazu dem Asylgrund der inneren Konversion folgt.

Die BF haben auf Revision und Beschwerde gegen dieses Erkenntnis verzichtet. Die belangte Behörde hat innerhalb der Frist des § 29 Abs 5 VwGVG keine Ausfertigung gemäß Abs 4 beantragt. Die Ausfertigung konnte daher gemäß § 29 Abs 5 VwGVG in gekürzter Form erfolgen.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Christentum,
Flüchtlingseigenschaft, gekürzte Ausfertigung, Konversion

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2194993.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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