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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des O in Wien, vertreten durch Dr. Ingrid Weisz, LL.M., Rechtsanwältin in Wien I, Getreidemarkt 18, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. März 1997, Zl. UVS-03/M/40/01453/96, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. März 1997 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 28. Juli 1995 von 14.10 Uhr bis 14.38 Uhr in Wien an einem näher umschriebenen Ort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug im Bereich des Vorschriftszeichens "Parken verboten" geparkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 3 lit. a StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 700,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 17 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, von der Behörde erster Instanz sei eine Lenkeranfrage an den nunmehrigen Beschwerdeführer, welcher bestreite, der Lenker gewesen zu sein, ergangen, die dieser dahingehend beantwortet habe, daß die Auskunftspflicht gemäß § 103 Abs. 2 KFG einen gewissen J., wohnhaft an einer näher genannten Adresse in Wien, treffe. Eine in der Folge von der Behörde erster Instanz an J. gerichtete Lenkeranfrage sei jedoch als nicht behoben retourniert worden. Eine daraufhin an den Beschwerdeführer gerichtete Aufforderung zur Rechtfertigung (welche allerdings keinen Hinweis auf die fehlgeschlagene behördliche Kontaktaufnahme mit J. enthielt) habe dieser inhaltlich dahingehend beantwortet, daß er zu dem angegebenen Zeitpunkt nicht der Lenker des in Rede stehenden Fahrzeuges gewesen sei. Nach Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses habe der Beschwerdeführer am 30. Juli 1996 Akteneinsicht in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt genommen, wodurch er von der fehlgeschlagenen behördlichen Kontaktaufnahme mit dem von ihm genannten J. Kenntnis erlangt habe. In seiner Berufung vom 31. Juli 1996 gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis habe der nunmehrige Beschwerdeführer ausgeführt, das Straferkenntnis gehe von der falschen Annahme aus, daß er das Fahrzeug gelenkt hätte, obwohl er bereits mitgeteilt habe, daß er mit dem Fahrzeug nicht gefahren sei. Wie sich aus den Feststellungen der belangten Behörde in einem ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden Parallelverfahren aufgrund einer Meldeanfrage jedoch ergeben habe, war J. an der vom Beschwerdeführer angegebenen Adresse vom 2. März 1994 bis zum 17. Oktober 1994 aufrecht gemeldet. In der Folge habe sich J. jedoch von dieser Adresse unbekannt wohin abgemeldet. Die vom Beschwerdeführer genannte Auskunftsperson sei somit weder zum Tatzeitpunkt noch zum Auskunftszeitpunkt an der vom Beschwerdeführer genannten Adresse wohnhaft gewesen.
Die belangte Behörde ging in der weiteren Begründung im wesentlichen davon aus, daß der Beschwerdeführer die ihm im Verwaltungsstrafverfahren zukommende Mitwirkungspflicht verletzt habe und es der Behörde infolge des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel freistehe, bei der Lösung der Frage, ob der Zulassungsbesitzer im konkreten Fall auch als Lenker anzusehen sei, das Verhalten des Zulassungsbesitzers zugrundezulegen.
Der Beschwerdeführer hielt dem im wesentlichen entgegen, der Umstand, daß der von ihm als Auskunftsperson namhaft gemachte J. die an ihn gerichtete Lenkeranfrage nicht behoben habe, sei ihm erst anläßlich seiner Akteneinsicht nach Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bekannt geworden. Die belangte Behörde habe es im übrigen verabsäumt, ihm diesen Umstand als rechtserheblich zur Kenntnis zu bringen. Weiters sei das Parteiengehör dadurch verletzt worden, daß die belangte Behörde hinsichtlich der erfolgten Abmeldung des J. an der vom Beschwerdeführer genannten Adresse auf Verfahrensergebnisse Bezug nehme, welche dem Beschwerdeführer mangels eines Vorhaltes seitens der belangten Behörde nicht bekannt gewesen seien. Hätte ihn die belangte Behörde nämlich über die Tatsache der behördlichen Abmeldung des J. informiert, hätte er bekannt geben können, daß J. ungeachtet einer allfälligen Abmeldung nach wie vor an der von ihm angegebenen Adresse tatsächlich wohnhaft und aufhältig sei. Im übrigen sei daher auch die Zustellung der Lenkeranfrage an J. durch Hinterlegung ordnungsgemäß erfolgt, da es hinsichtlich einer Abgabestelle nicht auf eine aufrechte Meldung nach dem Meldegesetz ankomme. Die nicht erfolgte Behebung des Schriftstückes durch J. könne nicht zum Anlaß genommen werden, dem Beschwerdeführer zu unterstellen, er wäre seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, da er schließlich keine Zwangsmittel zur Verfügung habe, J. zur Beantwortung der Lenkeranfrage anzuhalten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes befreit der Verfahrensgrundsatz, daß die Verwaltungsstrafbehörde von Amts wegen vorzugehen hat, die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 96/03/0046). Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß es der Behörde infolge des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel freisteht, bei der Lösung der Frage, ob der Zulassungsbesitzer im konkreten Fall auch als Lenker anzusehen ist, das Verhalten des Zulassungsbesitzers zugrunde zu legen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1992, Zl. 92/02/0005). Die Verwaltungsstrafbehörde kann weiters auch ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften aus dem Untätigbleiben des Zulassungsbesitzers im Verwaltungsstrafverfahren gegenüber dem Vorwurf eines bestimmten strafbaren Verhaltens im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung den Schluß ableiten, der Zulassungsbesitzer selbst sei der Täter gewesen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 96/03/0046).
Dem Beschwerdeführer ist zunächst entgegenzuhalten, daß Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Lenkeranfrage, welche die Verwaltungsbehörde erster Instanz gemäß § 103 Abs. 2 KFG an den Beschwerdeführer gerichtet hat, ist. Zu prüfen ist im gegenständlichen Fall ausschließlich, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid dadurch in seinen Rechten verletzt wurde, daß die belangte Behörde im Sachverhaltsbereich zur Feststellung gelangte, der Beschwerdeführer habe den Pkw zum Zeitpunkt der Tat gelenkt.
Eine solche Rechtsverletzung liegt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Beschwerdefall vor. Die belangte Behörde hätte nämlich nicht allein aufgrund der erhobenen Meldedaten davon ausgehen dürfen, daß J. nicht an der vom Beschwerdeführer bekanntgegebenen Anschrift wohne (und somit der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers nicht zu folgen sei). Die J. betreffende Anfrage wurde diesem durch Hinterlegung im Sinn des § 17 Zustellgesetz zugestellt. Mangels gegenteiliger Hinweise ist (zunächst) von der Rechtmäßigkeit dieser Zustellung und damit im Zusammenhang vom gesetzesgemäßen Vorgehen des Zustellorgans auszugehen. Eine Hinterlegung nach § 17 Zustellgesetz ist aber nach dessen Abs. 1 nur dann zulässig, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein (im Beschwerdefall nicht in Betracht kommender) Vertreter im Sinn des § 13 Abs. 3 Zustellgesetz regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Der von der belangten Behörde gezogene, bereits angesprochene Schluß, der Empfänger (J.) sei an der Abgabestelle (der vom Beschwerdeführer genannten Anschrift) nicht erreichbar (und damit sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer selbst der Lenker gewesen sei) ist somit - ohne weitere Erhebungen über den Aufenthalt des J. - durch den Akteninhalt nicht gedeckt.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und b VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Grundsatz der UnbeschränktheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997020527.X00Im RIS seit
19.03.2001