Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der K in Wien, vertreten durch Dr. Franz Pichler, Rechtsanwalt in Wien XXIII, Breitenfurterstraße 360-368/2/III, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 26. November 1997, Zl. UVS-03/P/47/02837/97, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in Angelegenheiten von Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 26. November 1997 wurde die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 1. Juli 1997 wegen Verspätung ausgesprochene Zurückweisung des Einspruches der Beschwerdeführerin gegen eine Strafverfügung dieser Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführerin wurde die dem Verwaltungsstrafverfahren zugrundeliegende, zu eigenen Handen zuzustellende Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. März 1997 (betreffend drei Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960) durch postamtliche Hinterlegung zugestellt. Hiebei sind auf dem diesen Zustellvorgang betreffenden Rückschein der erstmalige Zustellversuch am 3. April 1997 unter Einlegen der Ankündigung eines zweiten Zustellversuches in das Hausbrieffach, der zweite Zustellversuch am 4. April 1997 unter Einlegen einer Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach sowie der Beginn der Abholfrist mit 7. April 1997 vermerkt. Die in den Verwaltungsakten enthaltene Kopie der Verständigung über die Hinterlegung der Strafverfügung weist in der Rubrik "Zusteller, Datum" den handschriftlichen Vermerk "4/4/10" auf. Die Beschwerdeführerin hat die Strafverfügung am 21. April 1997 behoben und am 24. April 1997 dagegen Berufung eingebracht. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens gingen davon aus, daß die hinterlegte Strafverfügung ab 7. April 1997 zur Abholung bereitgehalten worden sei, weshalb die zweiwöchige Frist zur Erhebung eines Einspruches am 21. April 1997 abgelaufen und der erst am 24. April 1997 zur Post gegebene Einspruch verspätet sei.
Wie bereits im Verwaltungsstrafverfahren vertritt die Beschwerdeführerin auch in der Beschwerde die Auffassung, sie habe auf Grund des Umstandes, daß sie die Hinterlegungsanzeige erst am 10. April 1997 in ihrem Hausbrieffach vorgefunden habe, und des Vermerks "4/4/10", davon ausgehen können, daß die Abholfrist erst mit diesem Tag zu laufen begonnen habe.
Gemäß § 21 Abs. 2 Zustellgesetz ist, wenn die zu eigenen Handen zuzustellende Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden kann, der Empfänger schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Dieses Ersuchen ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Zur angegebenen Zeit ist ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Ist auch dieser erfolglos, ist nach § 17 zu hinterlegen.
Gemäß § 17 Abs. 2 Zustellgesetz ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
Die Beschwerdeführerin bestreitet, von dem ersten erfolglosen Zustellversuch (3. April 1997) informiert worden zu sein, und behauptet, die Verständigung über die Hinterlegung der Strafverfügung erst am 10. April 1997 erhalten zu haben. Dieses Vorbringen steht in Widerspruch zu den auf dem postamtlichen Rückschein angebrachten Vermerken, wobei aus dem Datum des Einlegens der Verständigung über die Hinterlegung der Strafverfügung (4. April 1997) allerdings nicht darauf geschlossen werden kann, wann die Beschwerdeführerin, die nicht bestreitet, sich in der fraglichen Zeit regelmäßig an ihrer Abgabestelle aufgehalten zu haben, tatsächlich diese Verständigung aus ihrem Brieffach entnommen hat.
Gemäß dem zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 47 AVG in Verbindung mit § 292 ZPO hat der Zustellschein als öffentliche Urkunde die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich. Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, doch bedarf es dazu konkreter Darlegungen. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung auch entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen. Die durch nichts belegte Behauptung, ein Beschwerdeführer habe in seinem Briefkasten keine Verständigung über eine Hinterlegung - oder auch einen vergeblichen ersten Zustellversuch - vorgefunden, ist nicht als Anbot eines Gegenbeweises gegen die Richtigkeit des im Zustellnachweis enthaltenen Vermerkes betreffend solche Verständigungen des Beschwerdeführers anzusehen (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 1267f, zitierte Judikatur).
Die Beschwerdeführerin hat zur Untermauerung ihres Vorbringens in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid geltend gemacht, der Umstand, daß sie vom zweiten Zustellversuch nicht informiert worden sei, sei dadurch belegt, daß auf dem Zustellkuvert "hinterlegt am 04.04.1997" eingetragen sei, und daß die Leitung des für sie zuständigen Postamtes bestätigt habe, dies (offenbar gemeint die Information über einen zweiten Zustellversuch) werde des öfteren unterlassen. Dieses Vorbringen hat die belangte Behörde zu Recht nicht zum Anlaß genommen, die Richtigkeit der Eintragungen auf dem Rückschein in Zweifel zu ziehen, weil
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wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - das am Kuvert vermerkte Hinterlegungsdatum für die Richtigkeit der Eintragungen auf dem Rückschein spricht und aus einer Aussage der Postamtsleitung über das fallweise Unterbleiben einer Verständigung von einem zweiten Zustellversuch keine konkreten Rückschlüsse auf den für den Beschwerdefall maßgeblichen Sachverhalt gezogen werden können. Die belangte Behörde konnte daher unter Heranziehung des in den Verwaltungsakten erliegenden Rückscheines zu Recht davon ausgehen, daß der Beschwerdeführerin sowohl anläßlich der Vornahme des ersten Zustellversuches die Ankündigung eines weiteren Zustellversuches als auch anläßlich der Vornahme des zweiten Zustellversuches die Verständigung über die Hinterlegung zugekommen sind. Daß der Beschwerdeführerin die Verständigung über die Hinterlegung erst am 10. April 1997 zur Kenntnis gelangt sein soll, vermag die Richtigkeit der im Rückschein bezeugten Daten nicht in Zweifel zu ziehen, wobei dieser
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innerhalb der laufenden Abholfrist gelegene - Zeitpunkt für die Rechtsgültigkeit der durch Hinterlegung vorgenommenen Zustellung ohne Belang ist. Der in der Beschwerde enthaltenen Rüge, die belangte Behörde hätte Ermittlungen über den Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführerin die Hinterlegungsanzeige zur Kenntnis gelangt ist, anstellen müssen, kommt daher keine Relevanz zu.
Von ausschlaggebender Bedeutung für den vorliegenden Beschwerdefall ist die Frage, ob die Beschwerdeführerin zu Recht zu der Auffassung gelangen konnte, diese Verständigung sei am 10. April 1997 in ihr Hausbrieffach eingelegt worden, sodaß die Abholfrist erst mit dem nächsten Werktag in Lauf gesetzt worden sei. Die belangte Behörde hat hiezu die Auffassung vertreten, es handle sich bei dieser Datumsangabe um einen Schreibfehler des Zustellorganes, der insbesondere auch mit Rücksicht auf den auf der Rückseite des von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren vorgelegten Zustellkuverts angebrachten Vermerk "hinterlegt am 4.4.1997" als solcher erkennbar gewesen wäre. Dieser Argumentation der belangten Behörde ist im Ergebnis beizupflichten. Hiebei kann die Frage, ob - unter Zugrundelegung der in Österreich üblichen Datumsschreibweise (die erste Zahl für den Tag des Monats, die zweite Zahl für den Monat und die dritte Zahl für das Jahr) - die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht, bei dem Vermerk "4/4/10" handle es sich um das Datum 10. April 1997, schlüssig ist, dahingestellt bleiben, weil - sollte die Beschwerdeführerin tatsächlich Zweifel daran gehabt haben, daß die Hinterlegungsanzeige am 4. April 1997 in ihr Hausbrieffach eingelegt worden war - ihr durch den Hinterlegungsvermerk auf der Rückseite des Zustellkuverts spätestens im Zeitpunkt der Behebung dieses Kuverts am 21. April 1994 die Unrichtigkeit ihrer Deutung hätte bewußt werden müssen. Da gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz hinterlegte Sendungen mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten, wäre es der Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt - dies war der letzte Tag der ihr zufolge des Beginns der Abholfrist am 7. April 1997 gemäß § 47 Abs. 1 VStG offenstehenden Einspruchsfrist - auch noch möglich gewesen, rechtzeitig einen Einspruch gegen die Strafverfügung zu erheben.
Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde erstmals versucht, aus dem Umstand, daß in dem auf der Rückseite des Zustellkuverts angebrachten Stempelabdruck lediglich die Abkürzung "hin" (offenbar gemeint: hinterlegt) und nicht auch die Abkürzung "ben" (offenbar gemeint: benachrichtigt) angekreuzt sei, eine Mangelhaftigkeit des von der belangten Behörde erhobenen Sachverhaltes abzuleiten, ist ihr, abgesehen davon, daß sie mit diesem Vorbringen dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt, entgegenzuhalten, daß aus der Art der Ankreuzung dieses offenbar lediglich für postinterne Vorgänge maßgeblichen Stempelabdruckes keine Schlüsse auf die Richtigkeit der im Rückschein bezeugten Vorgänge gezogen werden können.
Die Beschwerdeführerin hat auch die Auffassung vertreten, die belangte Behörde, wenn sie der Berufung nicht habe Folge geben wollen, verpflichtet gewesen, die Berufung als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu werten. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführerin während des gesamten Verwaltungsstrafverfahren die Versäumung der Einspruchsfrist bestritten und in keiner Weise angedeutet hat, sie wolle ihr Vorbringen auch als Wiedereinsetzungsantrag verstanden wissen. Für die belangte Behörde, die im übrigen für die erstinstanzliche Behandlung eines Wiedereinsetzungsantrages gar nicht zuständig wäre, bestand sohin keine Veranlassung, vom Vorliegen eines solchen Antrages auszugehen.
Die sich sohin insgesamt als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Grundsatz der UnbeschränktheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997020549.X00Im RIS seit
20.11.2000