TE Bvwg Beschluss 2020/1/30 W226 2147037-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2020
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Entscheidungsdatum

30.01.2020

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

W226 2147037-4/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über den Antrag vom XXXX von XXXX , geb. XXXX , StA.: Russische Föderation, beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.07.2018, Zl. W226 2147037-2/26E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Antragsteller und ehemalige Beschwerdeführer reiste im minderjährigen Alter gemeinsam mit seiner Mutter und seinen minderjährigen Geschwistern illegal in das Bundesgebiet ein und beantragte am 12.09.2003 durch seine Mutter Asyl.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2004, Zl. 03 27.647-BAT, wurde dem Antragsteller gemäß § 7 AsylG der Status eines Asylberechtigten gewährt. Gemäß § 12 AsylG wurde festgestellt, dass dem Antragsteller damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Behörde begründet diese Entscheidung dahingehend, dass der verstorbene Vater Feldkommandant der tschetschenischen Armee gewesen sei. Dieser sei bereits ermordet worden bzw. den Kampfhandlungen zum Opfer gefallen. Die Mutter und die Geschwister sowie der Antragsteller seien bereits in Aserbaidschan von UNHCR als Mandatsflüchtlinge anerkannt worden.

Der Antragsteller wurde seither im Bundesgebiet wiederholt straffällig:

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX zur XXXX vom XXXX wurde er gemäß §§ 83, 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt verurteilt (Jugendstraftat). Damit einhergehend wurde ihm die Bewährungshilfe angeordnet. Aufgrund der weiteren Verurteilungen wurde die Probezeit für den bedingt erlassenen Strafteil auf fünf Jahre verlängert.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX zur XXXX vom XXXX wurde er gemäß § 142 Abs. 1, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten bedingt verurteilt (Jugendstraftat). Diesem Urteil lag zugrunde, dass der Antragsteller gemeinsam mit anderen Mittätern die Verbrechen des teilweise vollendeten, teilweise versuchten Raubes zu verantworten hatte, nachdem er gemeinsam mit den Mittätern andere Personen mit Schlägen bedrohte, wobei die Opfer umzingelt und ihnen in weiterer Folge Mobiltelefone abgenötigt oder weggenommen wurden. Das Gericht wertete dabei die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen von vier Verbrechen als erschwerend.

Am 02.05.2016 langte eine Mitteilung der Österreichischen Botschaft XXXX ein, wonach die Konsularabteilung der Botschaft von der französischen Grenzpolizei in der Angelegenheit des Antragstellers kontaktiert worden sei. Der Antragsteller sei am XXXX zu vier Jahren Gefängnis in Frankreich verurteilt worden, davon ein Jahr auf Bewährung, dies wegen mehrfachen Raubes.

Im österreichischen Strafregister scheint diese Verurteilung vom XXXX , Zl. XXXX , wegen Art. 311-4, Art. 311-11 und Art. 311-1 etc., als Diebstahl unter Gewaltanwendung, schwerer Diebstahl, Entführung und Freiheitsberaubung auf. Die Freiheitsstrafe wurde mit vier Jahren bemessen, davon ein Jahr bedingt.

Der Antragsteller wurde in weiterer Folge von Frankreich nach Österreich rücküberstellt. Bereits am XXXX wurde er erneut durch das Landesgericht XXXX , AZ XXXX , wegen §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 1. Fall und Z 3 3. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten bedingt verurteilt.

Diesem letzten Urteil in Österreich lag zugrunde, dass der Antragsteller nach der Rückkehr aus Frankreich den Lebensgefährten seiner Schwester durch die Äußerung "Wenn ich dich noch einmal mit meiner Schwester sehe, steche ich dich ab. Du weißt, was meine Freunde mit dir machen, wenn sie dich mit meiner Schwester sehen" durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung zu nötigen versucht hat und besonders wichtige Interessen des Genötigten und einer dritten Person, nämlich der Schwester des Antragstellers, verletzt hat, und zwar zur Beendigung ihrer Liebesbeziehung (AS 181).

In den Entscheidungsgründen kam das Gericht zum Ergebnis, dass der Antragsteller nur zugegeben habe, dem Opfer mit dem Abschneiden der Ohren gedroht zu haben. Aus den glaubwürdigen Angaben des Opfers sei jedoch zu folgen, dass der Antragsteller ihn tatsächlich mit dem Umbringen bedroht habe. Er habe sich demzufolge mit der Verwirklichung des Tatbildes des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung abgefunden und habe sich billigend damit abgefunden.

Am 12.01.2017 wurde der Antragsteller durch die belangte Behörde zum beabsichtigten Aberkennungsverfahren niederschriftlich einvernommen.

Der Antragsteller verwies darauf, dass er in keiner eheähnlichen Beziehung oder Partnerschaft lebe, er habe auch keine Kinder oder Sorgepflichten. Drei Schwestern und seine Mutter würden hier leben und zur Schule gehen bzw. arbeiten. Im Herkunftsstaat habe er schon Verwandtschaft, aber keinen Kontakt zu diesen. Die Verwandten würden nur Kontakt zur Mutter haben, aber sie würde beim Reden aufpassen, damit es keine Schwierigkeiten gäbe. Die Mutter habe acht Geschwister, welche in Russland oder Kasachstan verteilt leben würden. Er selbst lebe "vom AMS", er habe eine Optikerlehre gemacht, aber nicht abgeschlossen und sei seit drei Jahren arbeitslos. Er sei ja in Haft gewesen (in Frankreich), könne jetzt beim AMS aber wieder Kurse machen. Gesundheitliche Probleme wurden vom Antragsteller verneint.

Auf die Frage, ob er über einen russischen Reisepass verfüge, vermeinte der Antragsteller, dass er noch nie einen besessen habe seit er hier in Österreich lebe. In der Russischen Föderation sei er zuletzt vor der Asylantragstellung gewesen, es bestehe im Fall der Rückkehr für ihn Lebensgefahr.

Er sei Muslim, würde die Religion aber nicht praktizieren. Er gehe nur gelegentlich freitags in eine Moschee und habe nichts mit den Extremisten zu tun.

Auf Vorhalt seiner strafrechtlichen Verurteilungen vermeinte der Antragsteller, dass er viele Fehler gemacht habe. Er habe in Frankreich zweieinhalb Jahre Haft bekommen und habe daraus gelernt. Das, was zuletzt gewesen sei (angemerkt: die letzte strafrechtliche Verurteilung im Bundesgebiet), sei aus einer Emotion heraus erfolgt. Er habe sich nicht unter Kontrolle gehabt.

Zu den Straftaten befragt vermeinte der Antragsteller, dass diese eine "Jugenddummheit" gewesen seien und er habe einen falschen Freundeskreis gehabt bzw. nicht nachgedacht. Auf Vorhalt, dass er im Fall der Rückkehr in die Russische Föderation nicht nach Tschetschenien gehen müsse, er könne sich auch anderswo in Russland niederlassen und arbeiten, vermeinte der Antragsteller, dass er seit dem Jahr 1999 nicht mehr dort gewesen sei.

Dem Antragsteller wurde nunmehr vorgehalten, dass dem BFA bekannt geworden sei, dass der Antragsteller einen Inlandspass und einen Auslandspass, letzterer ausgestellt im August XXXX , erhalten habe. Der Antragsteller führte diesbezüglich aus, keine russischen Reisepässe zu besitzen und niemals welche beantragt zu haben.

Mit Bescheid vom 17.01.2017 wurde der dem Antragsteller mit Bescheid vom 04.06.2004 zuerkannte Status des Asylberechtigten gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt. Weiters wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die belangte Behörde erließ gegen den Antragsteller ein Einreiseverbot für die Dauer von zehn Jahren.

Die belangte Behörde verwies darauf, dass der Antragsteller sich trotz Asylstatus nachweislich zwei Pässe habe ausstellen lassen. Im Strafregister würden mehrere rechtskräftige Verurteilungen aufscheinen, somit sei keine soziale Verfestigung erkennbar. Die belangte Behörde verwies darauf, dass durch die Ausstellung der Reisepässe ein Endigungstatbestand erfüllt sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller fristgerecht Beschwerde und führte darin primär aus, dass ihm weiterhin eine Gefahr gem. Art. 2 oder 3 Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland drohe. Zu den vorgehaltenen Reisepässen führte der Antragsteller aus, dass er nach der Einvernahme seine Mutter gefragt habe, diese habe die Verwandten kontaktiert und habe versucht herauszufinden, wer die Pässe beantragt habe und weshalb. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass sie niemals für ihn einen internationalen Reisepass beantragt habe. Von den Verwandten mütterlicherseits hätte er jedoch die Auskunft erhalten, dass die Verwandten in der Russischen Föderation versucht hätten, das Eigentum des getöteten Vaters auf den Antragsteller umschreiben zu lassen, wovon der Antragsteller selbst gar nichts gewusst habe. Der Reisepass sei aber gar nicht abgeholt worden und müsste, falls er ausgestellt worden sei, noch bei der russischen Behörde aufliegen. Es sei somit nicht zutreffend, dass der Antragsteller sich unter den Schutz des Heimatlandes gestellt habe.

Mit Beschluss vom 11.04.2017, Zl. W226 2147037-1/12E, wurde die Angelegenheit gem. § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Im Wesentlichen wurde diese Entscheidung damit begründet, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Ausstellung der Reisedokumente noch minderjährig gewesen sei und sich aus den Recherchen überhaupt nicht ergebe, ob die beantragten Dokumente tatsächlich ausgestellt und auch abgeholt worden seien. Mit den Ausführungen des Antragstellers zum Erhalt dieser Reisedokumente habe sich die belangte Behörde zudem nicht näher auseinandergesetzt.

Mit Bescheid vom 10.05.2017 wurde der mit Bescheid vom 04.06.2004 zuerkannte Status des Asylberechtigten nunmehr gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG aberkannt. Erneut wurde auch der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gegen den Antragsteller wurde erneut eine Rückkehrentscheidung erlassen. Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und gegen den Antragsteller wurde laut Spruch ein unbefristetes Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erlassen. Die belangte Behörde verwies nunmehr auf die "stringente kriminelle Karriere" des Antragstellers und führte seine strafrechtlichen Verurteilungen aus. Die Aktualität des Grundes, der zur Zuerkennung des Status geführt habe, sei zweifelhaft. Der Antragsteller sei zudem niemals persönlich einer Verfolgung bzw. menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt gewesen.

Die belangte Behörde verwies darauf, dass ein Asylausschließungsgrund vorliege. Der Antragsteller sei wegen eines besonders schweren Verbrechens verurteilt worden und die Zukunftsprognose falle klar gegen den Antragsteller aus.

Bezogen auf das erlassene, unbefristete Einreiseverbot führte die belangte Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung aus, dass dieses "auf die Dauer von bis zu zehn Jahren erlassen wird", wobei im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auf die Dauer das Einreiseverbotes nicht mehr näher eingegangen wurde.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde verwies der Antragsteller erneut auf das Schicksal seines verstorbenen Vaters, welcher Polizist gewesen und bereits im ersten Tschetschenienkrieg in hochrangiger Position im tschetschenischen Widerstand tätig gewesen sei. Er sei im Jahr XXXX Chef des XXXX der Republik Itschkeria gewesen und in Feindschaft mit dem Vater des nunmehrigen Gouverneurs von Tschetschenien gestanden. Der Vater des Antragstellers sei im zweiten Tschetschenienkrieg ein bekannter Feldkommandant gewesen und sei im Jahr XXXX bei einer Spezialoperation getötet worden. Der Antragsteller sei damals als kleines Kind mit seiner Mutter und drei Schwestern nach Aserbaidschan geflohen, wo die Familie als Mandatsflüchtlinge anerkannt worden sei.

Der Antragsteller verwies darauf, zwar wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden zu sein, dies würde jedoch keine Gefahr für die Allgemeinheit bedeuten. Es könne von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden. Auch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung erscheine bei einer Gesamtbetrachtung und einer konkreten Interessensabwägung als unverhältnismäßig. Dem Antragsteller würde im Herkunftsland weiterhin Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen drohen. Der Vater des Antragstellers sei ein prominenter Vertreter der international nicht anerkannten Tschetschenischen Republik gewesen, ein Rebellenführer und Feldkommandant von hohem Bekanntheitsgrad. Der Antragsteller müsse bei einer Rückkehr nach Tschetschenien jedenfalls befürchten, dass ihn der tschetschenische Gouverneur aus Propagandazwecken öffentlich vorführe und verkünden würde, dass der Antragsteller als Sohn seines Vaters zurückgekehrt sei und der Antragsteller müsse sich dann öffentlich für die Taten seines Vaters entschuldigen und dem tschetschenischen Gouverneur seine Loyalität bezeugen. Würde er dies nicht machen, bestünde ein reales Risiko, dass er gefoltert werde, verschwinde oder extralegal hingerichtet werde. Es würde auch keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, da aus den Länderfeststellungen hervorgehe, dass Verwandte von prominenten Widerstandskämpfern in der gesamten Russischen Föderation gefährdet seien. Darüber hinaus verweist der Antragsteller darauf, dass seiner Rechtsvertretung nur eine Urteilsausfertigung der französischen Beschwerdeinstanz in französischer Sprache vorliege, er habe auch die von der Behörde angegebenen Straftaten in Frankreich nicht begangen. Die von der belangten Behörde angeführten "Straßenraubdelikte" seien nicht zutreffend.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 01.08.2017, W226 2147037-2/8E, wurde die Beschwerde wegen Verspätung zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11.10.2017, Zl. E 2966/2017-6, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof verwies darauf, dass mit Erkenntnis vom 26.09.2017, G 134/2017, näher benannte Bestimmungen im § 16 BFA-VG als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Da der Verfassungsgerichtshof in dieser Entscheidung vom 26.09.2017 ausgesprochen habe, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, habe dies auch für den Verfassungsgerichtshof die Wirkung, dass er die betreffenden Bestimmungen nicht mehr anzuwenden hat.

Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt und der Antragsteller am 01.03.2018 im Zuge einer Beschwerdeverhandlung, wie beantragt, einvernommen.

Nach persönlicher Anhörung, nochmaliger Übersetzung diverser vom Antragsteller vorgelegter Dokumente und insbesondere nach Übersetzung des im Verfahren vorliegenden französischen Strafurteils hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 11.07.2018 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe, dass das erlassene Einreiseverbot gegen den Antragsteller auf sieben Jahre befristet wird. Zum besseren Verständnis werden die Feststellungen und die rechtliche Beurteilung aus dieser Entscheidung - auszugsweise - wiedergegeben:

"1. Feststellungen: [...]

Der Antragsteller ist russischer Staatsbürger, der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig und Muslim.

Der Antragsteller reiste im minderjährigen Alter gemeinsam mit seiner Mutter und seinen minderjährigen Geschwistern illegal in das Bundesgebiet ein und stellte durch seine Mutter einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 04.06.2004 wurde dem BF Asyl gewährt. Gemäß § 12 AsylG wurde festgestellt, dass dem Antragsteller damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Antragsteller weist nachfolgende strafrechtliche Verurteilungen in Österreich auf:

01) LG XXXX XXXX vom XXXX §§ 83, 84 Abs 1 StGB

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Jugendstraftat.

02) LG XXXX XXXX vom XXXX §§ 15, 142 (1) StGB

Freiheitsstrafe 15 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre

03) LG XXXX XXXX vom XXXX

§§ 15, 105, 106 (1) Z 1, 1. Fall, 106 (1) Z 3 StGB.

Freiheitsstrafe 15 Monate bedingt

Nach der vorliegenden Übersetzung des Appellationsgerichtshofs XXXX , Landesgericht XXXX , vom XXXX , wurde der BF in Frankreich wegen räuberischen Diebstahls, schweren Diebstahls mit zwei Qualifikationen, Festnahme, Entführung, Freiheitsentziehung oder willkürlicher Festnahme mit anschließender Freilassung vor dem siebten Tag, schweren Diebstahls aus zwei Qualifikationen - Festnahme, Entführung, Freiheitsentziehung oder willkürlicher Festnahme mit anschließender Freilassung vor dem siebten Tag, verurteilt.

Im Wesentlichen begründet das XXXX Gericht diese Entscheidung dahingehend, dass der BF gemeinsam mit zwei weiteren Komplizen, beide ebenfalls tschetschenischen Ursprungs, über längere Zeit mehrere Opfer, die über eine Website für Escort-Girls angesprochen worden sind, Gewalt angetan, misshandelt, geohrfeigt, geknebelt und mit Klebeband an den Füßen und Handgelenken gefesselt sowie bedroht und dazu gezwungen hat, das Vermögen bestehend aus Bargeld, Schmuck, einigen Telefonen, Computern oder Tablet-Computern abzugeben.

Nach dem Inhalt der vorliegenden Beschlüsse auf Verhängung der Untersuchungshaft (AS 149 ff) wurde dem BF zu Last gelegt, die Tat unter Anwendung von Waffengewalt, und zwar eines Küchenmessers, begangen zu haben, die Opfer - ukrainische Escort-Girls - wurden demzufolge angehalten, entführt oder festgehalten oder eingesperrt, wobei die genannten Personen vor dem vollendeten 7. Tag nach der Ergreifung freiwillig freigelassen wurden. Nach den Anzeigen der Opfer seien diese vom BF bedroht worden, sich auf den Fußboden zu legen, widrigenfalls er seine Waffe zucken würde, einem Opfer sei brutal vom BF ins Gesicht geschlagen worden, der BF habe eine Rolle Klebeband zur Hand genommen, erst nach Hilferufen eines Opfers die Flucht ergriffen.

Der Antragsteller leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen und benötigt keine exklusiv im Bundesgebiet verfügbare medizinische Behandlung.

Der Antragsteller spricht Deutsch, Tschetschenisch und Russisch.

Im Bundesgebiet halten sich Familienangehörige auf, wobei er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in das Bundesgebiet eingereist ist, und sie alle anerkannte Flüchtlinge sind.

Der Antragsteller hat sich selbst als arbeitsfähig und arbeitswillig bezeichnet. Der mittlerweile volljährige Antragsteller konnte sich nach Eintritt der Volljährigkeit nicht selbständig im Bundesgebiet versorgen.

In der Russischen Föderation - konkret in Tschetschenien und auch in anderen Landesteilen - halten sich unverändert Angehörige des Antragstellers auf.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass dieser konkret Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden. Eine Wiedereinreise in die Russische Föderation kann ohne Gefährdung seiner Person erfolgen.

Der Antragsteller ist ledig und hat keine Kinder und damit keine Sorgepflichten.

Der Antragsteller ist im 17. Lebensjahr erstmals strafrechtlich in Erscheinung getreten und wurde mittlerweile vier Mal zu Haftstrafen verurteilt. In Frankreich wurde er zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 4 Jahren verurteilt. Es sind familiäre Bindungen des Antragstellers erkennbar, die auf ein schützenswertes Familienleben im Bundesgebiet hindeuten, der Eingriff in diese ist im Sinne des Art 8 EMRK jedoch gerechtfertigt.

Der Antragsteller wurde im Zeitraum 2010 bis 2016 insgesamt 4 Mal von inländischen Gerichten und einem französischen Landesgericht rechtskräftig wegen Vergehen und Verbrechen (Vermögensdelikte, Delikte gegen Leib und Leben) verurteilt, wobei es sich teils um Jugendstraftaten, teils um Straftaten als junger Erwachsener handelt.

Seit dem Jahr 2010 wurde er wiederholt wegen auch schweren Raubes, schwerer Körperverletzung, schwerer Nötigung zu bedingten und teilbedingten Haftstrafen verurteilt.

Festgestellt wird, dass der Antragsteller einen Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 verwirklicht hat. Er wurde von einem französischen Gericht, dem Appellationsgerichtshof XXXX , Landesgericht XXXX , wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt und bedeutet aufgrund dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft.

Für den BF wurde zudem wie dargestellt sowohl ein Inlandspass als auch ein internationaler Reisepass ausgestellt, dies in den Jahren XXXX und XXXX .

[...]

3. Rechtliche Beurteilung

[...]

Das erkennende Gericht kann aus diesen Angaben und auch aus dem Gesamtverhalten des BF keinesfalls ableiten, dass dieser durch die mehrjährige Haftstrafe in Frankreich geläutert wäre, im Ergebnis scheinen die gesamten Angaben des BF vielmehr eine ganz massive Relativierung des Unrechtsgehaltes seiner Tathandlungen darzustellen, weshalb aus Sicht des erkennenden Gerichtes von einer beachtlichen Rückfallgefahr und der Begehung weiterer Straftaten in der Zukunft auszugehen ist.

Diesbezüglich ist auch zu berücksichtigen, dass der BF nur ganz kurze Zeit nach Rückkehr aus Frankreich bereits wieder rückfällig wurde, er mehrere einschlägige Vorstrafen aufweist und ist darüber hinaus die letzte Verurteilung (08.01.2016) noch keinesfalls so lange zurückliegend, dass von der behaupteten "Läuterung" des Beschwerdeführers auszugehen wäre. Somit ist demnach - entgegen den Beschwerdeausführungen - sehr wohl zu befürchten, dass der Beschwerdeführer erneut Straftaten gegen Leib und Leben und fremdes Vermögen begehen wird. Eine positive Zukunftsprognose ist im konkreten Fall zum gegebenen Zeitpunkt auszuschließen, liegt die letzte strafrechtliche Verurteilung doch erst relativ kurze Zeit zurück und erkennt der BF, der wie dargestellt sein Verhalten als "Jugenddummheit" einstuft, die Schwere seiner Tathandlungen nicht einmal.

Dem BF ist zugute zu halten, dass er zum Zeitpunkt der ersten strafrechtlichen Verurteilung noch ein jugendliches Lebensalter hatte, welches die Anwendung des JGG (Jugendstraftat) erwirkte. Auch das Urteil vom XXXX wurde noch als Jugendstraftat gewertet, wobei die nachfolgenden Verurteilungen vom XXXX durch den Appellationsgerichtshof XXXX und vom XXXX durch das Landesgericht XXXX eben keine Jugendstraftaten mehr waren.

Zum Entscheidungszeitpunkt ist somit davon auszugehen, dass vom Beschwerdeführer eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht und aufgrund seiner jahrelangen wiederholten Straffälligkeit und offensichtlich fehlenden Einsicht von keiner positiven Zukunftsprognose auszugehen ist.

Nach Einvernahme des BF und seiner Mutter (als Zeugin) im Rahmen der Beschwerdeverhandlung hat das Gericht auch der belangten Behörde dahingehend zu folgen, dass der BF im Fall seiner Rückkehr in die Russische Föderation nicht um sein Leben fürchten müsste und ihm dort nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im asylrelevanten Ausmaß droht.

Wie dargestellt hat der BF quer durch das Verfahren Behauptung aufgestellt, dass er nach wie vor im Fall der Rückkehr in die russische Föderation verfolgt und bedroht wäre, dies, weil er der Sohn seines im Jahr XXXX verstorbenen Vaters sei.

In der gegenständlichen Beschwerde wird dies - AS 574 ffdahingehend konkretisiert, dass der BF im Fall der Rückkehr Gefahr laufe, vom derzeitigen Gouverneur in Tschetschenien öffentlich vorgeführt zu werden, er müsse verkünden, dass er sich für die Taten seines Vaters (angemerkt: bis zum Jahr XXXX ) entschuldige und er müsse dem Gouverneur seine Loyalität bezeugen. Wenn er dies nicht mache, bestünde ein reales Risiko, dass er gefoltert werde, verschwinde oder extralegal hingerichtet werde.

Der BF hat im Rahmen des gesamten Verfahrens vor der Behörde familiäre Bindungen in Tschetschenien bzw. in der russischen Föderation geradezu kategorisch ausgeschlossen. Einzig seine Mutter habe zur eigenen Familie Kontakt, zur Familie des Vaters gebe es keinerlei Kontakt. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung bleibt der BF dabei, dass er nicht einmal den Namen der eigenen Großmutter, welche die Pässe für ihn allenfalls organisiert haben soll, nennen könne. Auch zu sonstigen Familienmitgliedern wollte der BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung einzig wissen, dass er den Vornamen einer Schwester der Mutter nennen könne, diese Verwandte würde aber in Kasachstan leben.

Die Einvernahme der Mutter des BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung ergab jedoch, dass es sehr wohl auch Angehörige in anderen Landesteilen geben muss, beispielsweise lebt eine Schwester der eigenen Mutter mit Familie in XXXX , andere Familienmitglieder der Mutter leben unverändert in Tschetschenien. Auch einer der Mittäter in XXXX soll ein naher Verwandter sein, der bis dahin in Tschetschenien gelebt hat und den der BF wohl nicht zufällig in Frankreich angetroffen haben wird. Auch diesbezüglich erweist sich der BF als unglaubwürdig.

Nach den eindeutigen Angaben der Mutter des BF ist darüber hinaus feststehend, dass es auch zahlreiche Verwandte väterlicherseits nach wie vor in der russischen Föderation gibt, insgesamt soll der verstorbene Vater des BF vier Brüder gehabt haben, wovon sich zwei nach wie vor in Tschetschenien aufhalten.

Für das erkennende Gericht ist somit nicht nachvollziehbar, warum für den konkreten BF, dessen Vater im Jahr XXXX verstorben ist, 18 Jahre später noch im Fall der Rückkehr in die russische Föderation eine massive Gefährdung bestehen sollte, wohingegen die gesamte männliche Verwandtschaft des eigenen Vaters offensichtlich unverändert in Tschetschenien aufhältig ist. Dazu kommt, dass nach den im Akt befindlichen Pässen des BF offensichtlich in der Stadt XXXX Reisepässe für diesen beantragt wurden, nämlich in den Jahren XXXX und XXXX . Sofern der BF und auch seine Mutter stereotyp von sich geben, nicht zu wissen, wer das konkret beantragt habe, sie in all den Jahren einzig herausgefunden haben wollen, dass die Großmutter auf die Idee gekommen sein soll, dies zu beantragen, und das Haus und Grundstück für den BF in Tschetschenien sichern zu können, erweist sich dieses Vorbringen als offensichtlich konstruiert. Die Großmutter des BF soll inzwischen XXXX Jahre alt sein, sodass nicht ernsthaft angenommen werden kann, dass eine so alte Frau in Tschetschenien völlig überraschend viele Jahre nach der Ausreise des BF auf die Idee kommen sollte, für diesen in entfernt gelegenen Städten wie XXXX Reisedokumente zu beantragen und sie auch ausfolgen zu lassen. Sofern die Behauptung aufgestellt wird, dass die Großmutter es offensichtlich versucht hätte, dann aber "verstanden habe, dass die Sache nicht erfolgreich sein wird" und deshalb die Sache mit den Reisepässen "nicht weiter verfolgt" worden sei, ist diesem Vorbringen entgegen zu halten, dass aus dem Akteninhalt eindeutig ersichtlich ist, dass in den Jahren XXXX und XXXX Pässe für den BF ausgestellt wurden. Die Argumentation, dass die Großmutter erkannt hätte, dass die Sache nicht erfolgreich sein werde und sie die Angelegenheit wieder beendet hätte, erscheint deshalb fraglich, als die Reisedokumente doch - noch dazu mehrmals - mit einem sehr großen zeitlichen Abstand ausgestellt wurden. Das erkennende Gericht ist vielmehr zu der Auffassung gelangt, dass offensichtlich für den BF aus ganz anderen Gründen, sei es zum Gebrauch des BF selbst oder sei es zur Erledigung von irgendwelchen Behördenwegen, problemlos Reisepässe ausgestellt wurden, offensichtlich in ganz anderen Landesteilen als in Tschetschenien.

[...]

In Summe steht somit fest, dass nächste Angehörige des eigenen Vaters, der wie dargestellt seit dem Jahr XXXX tot ist, unverändert über Jahrzehnte in Tschetschenien leben können. Warum gerade dem konkreten BF eine Rückkehr nach 18 Jahren in die russische Föderation unmöglich sein sollte, warum ein Interesse landesweit am BF bestehen sollte, welcher als Kleinkind die russische Föderation hat, dies alles ist für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar und erweisen sich die gesamten diesbezüglichen Beschwerdeausführungen als höchst spekulativ.

Sofern der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeschriften diverse Schreiben von Menschenrechtsorganisationen wie Memorial vorgelegt hat, folgendes auszuführen: Der BF selbst kann mit diesem konkreten Schreiben, die für sein Asylverfahren vorgelegt wurden, erkennbar wenig anfangen, er glaubt, dass seine Mutter dies organisiert hätte. Die Mutter des BF wiederum schildert, dass sie im Zuge des Aberkennungsverfahrens sich daran erinnert habe, dass sie irgendwelche Funktionäre der tschetschenischen Republik Itschkeria persönlich gekannt habe, deshalb die Rechtsvertretung gebeten habe, einen Schriftverkehr mit Memorial und dem Vorsitzenden der tschetschenischen Republik Itschkeria zu führen. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokumenten ergibt sich somit eindeutig, dass die Rechtsvertretung in einem kurz gefassten Schreiben an die Vertreterin von Memorial herangetreten ist, kurz den Sachverhalt, der zur Ausreise im Jahr 2004 geführt hat, schildert und in den Raum stellt, dass der Sohn nunmehr abgeschoben werden soll. Das Antwortschreiben von Memorial ist demzufolge höchst allgemein gehalten und geht auf die konkrete Situation des BF nicht speziell ein. Auffallend ist darüber hinaus, dass im vorgelegten Schreiben der Rechtsvertretung an Memorial auf die nähere Begründung der Behörde, warum Asyl aberkannt werde, nicht eingegangen wird, es wird nur allgemein auf rechtliche Grundlagen verwiesen, dass der BF nicht länger des nationalen Schutzes in Österreich bedürfe.

Sofern Memorial nunmehr erkennbar auch auf ausgestellte Reisepässe Bezug nimmt, den "die Verwandten für den BF bestellt haben" ist umso verwunderlicher, als damit belegt ist, dass offensichtlich es einen weitreichenderen Schriftverkehr zwischen dem BF und seiner Familie oder aber der Rechtsvertretung und Memorial geben muss, als dieser dann im Verfahren vorgelegt wurde. Woher nämlich die Vertreterin von Memorial wissen sollte, dass der BF einen Reisepass ausgestellt bekommen hat, ist unerklärlich und finden sich ausschließlich die Überlegungen, dass man "in der tschetschenischen Republik jedes beliebige Dokument, auch ausgestellt auf einen beliebigen Namen bekommen kann."

Die Reisepässe für den BF wurden jedoch nicht in Tschetschenien ausgestellt, sondern in anderen Landesteilen, sodass in Summe evident ist, dass die vorgelegten Bestätigungen vom BF in einem speziellen Schriftverkehr geradezu "bestellt" wurden bzw. es sich dabei um sehr allgemeine Äußerungen handelt, die für den konkreten Einzelfall keine hohe Beweiskraft entfalten.

In Summe ist somit aus Sicht des erkennenden Gerichtes eindeutig festzuhalten, dass erkennbar in der Vergangenheit bei zwei verschiedenen Gelegenheiten bei der Passausstellung für den BF niemand auf die Idee gekommen ist, eine Verbindung zwischen dem BF und seinem bereits im Jahr XXXX verstorbenen Vater herzustellen.

Mit den höchst allgemeinen Überlegungen und den höchst allgemein gehaltenen Schreiben einer russischer Menschenrechtsorganisationen und einer Auslandsvertretung der "tschetschenischen Republik" kann zudem nicht nachvollzogen werden, warum es dem BF nicht möglich sein sollte, einen Aufenthalt auch in anderen Teilen des Staatsgebietes der russischen Föderation zu nehmen, sollte er tatsächlich aus persönlichen Gründen nicht gewillt sein, gerade in die tschetschenische Teilrepublik ziehen zu wollen. Wie dargestellt wurden dem BF in der Vergangenheit mehrfach Reisedokumente außerhalb Tschetscheniens ausgestellt, sodass offensichtlich familiäre Bindungen auch in anderen Landesteilen existieren müssen. Während der BF im Zuge der eigenen Aussage jeglichen Kontakt zu anderen Familienmitgliedern in anderen Landesteilen kategorisch ausschließt, schildert die eigene Mutter, dass beispielsweise eine Schwester von ihr in XXXX lebt. Demzufolge gibt es offensichtlich familiäre Anknüpfungspunkte für den BF auch in anderen Landesteilen, sodass für einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist, warum dieser gerade und ausschließlich in die Teilrepublik Tschetschenien zurückkehren müsse.

Wie dargestellt kann das erkennende Gericht auch nicht nachvollziehen, dass es am konkreten BF angesichts seines Lebensalters zum Zeitpunkt der Ausreise und seines langjährigen Auslandsaufenthaltes heute noch irgendein Interesse russischer Autoritäten geben sollte, seiner habhaft zu werden bzw. ist nicht klar erkennbar, aufgrund welcher rechtlicher konkreter Vorschriften russische Behörden in anderen Landesteilen außerhalb Tschetscheniens überhaupt eine Möglichkeit hätten, gegen den BF in irgendeiner Form vorzugehen, ist dieser doch in der russischen Föderation völlig unbescholten und hat dieser doch als Kleinkind die russische Föderation verlassen.

[...]

Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Länderberichte kann nicht erkannt werden, dass in der Russischen Föderation und insbesondere in Tschetschenien aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung ausgesetzt wäre; in Tschetschenien und auch in anderen Landesteilen ist eine Zivilperson aktuell nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt.

Wie dargelegt, kann kein Aktualitätsbezug des Vorbringens des Beschwerdeführers vor dem BFA erkannt werden. Zumal der Beschwerdeführer im Alter von neun Jahren seinen Herkunftsstaat verlassen hat und sich dort seit mittlerweile 15 Jahren nicht mehr aufgehalten hat, kann nicht erkannt werden, inwieweit ihm im Fall einer Rückkehr eine an asylrelevanten Merkmalen anknüpfende - landesweite - Verfolgung drohen sollte.

In seinem Erkenntnis vom 26.04.2017, Zl. Ra 2017/19/0016-7, verweist der VwGH im Übrigen auf die Judikatur des EGMR, wonach- abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 2016, Ra 2016/19/0158, mwN).

Die Prüfung des Vorliegens einer realen Gefahr im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 stellt eine rechtliche Beurteilung dar, die auf Basis der getroffenen Feststellungen zu erfolgen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2016, Ra 2016/20/0063).

Auf den konkreten Fall bezogen führt der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis (VwGH vom 26.04.2017, Zl. Ra 2017/19/0016-7) aus:

"Wie das revisionswerbende BFA zutreffend darlegt, besteht nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis kein Hinweis darauf, dass der Mitbeteiligte unter Verletzung des Verbotes der Doppelbestrafung nach Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK wegen seiner Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, für die er in Österreich bereits verurteilt wurde, in seinem Herkunftsstaat neuerlich strafrechtlich verfolgt werden wird. Davon ausgehend ist aber - entgegen der Schlussfolgerung des Bundesverwaltungsgerichtes in seiner rechtlichen Beurteilung - eine reale Gefahr im dargelegten Sinn für den Mitbeteiligten, einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt zu werden, aus den festgestellten Mängeln des Strafverfahrens und des Strafvollzuges in der Russischen Föderation nicht abzuleiten. Derartiges ergibt sich auch allein aus einer möglichen Überwachung ehemaliger Mitglieder des "Islamischen Staates" durch die russischen Behörden (den russischen Geheimdienst) nicht.

Der Mitbeteiligte hat sich zur Begründung der ihm drohenden gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung - anders als das Bundesverwaltungsgericht - allerdings nicht (bzw. jedenfalls nicht vorrangig) auf Mängel im regulären Strafverfahren in der Russischen Föderation, sondern auf die Bedrohung durch die Regierung der Teilrepublik Tschetschenien aufgrund seiner Verurteilung in Österreich gestützt.

Hinsichtlich dieses Vorbringens des Mitbeteiligten hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass es in Tschetschenien zu Menschenrechtsverletzungen gegen "Extremisten" und "politische Gegner" abseits einer regulären Strafverfolgung komme, wobei rechtswidrige Inhaftierungen, "Verschwindenlassen" sowie Folter und Misshandlungen weit verbreitet seien und durch den Staat nicht geahndet würden. Das Erkenntnis enthält jedoch keine konkrete Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch konkrete Hinweise darauf bestehen, dass Personen wie der Mitbeteiligte, die im Ausland wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation "Islamischer Staat" verurteilt worden sind und ihre Strafe bereits verbüßt haben, im dargelegten Sinn einer realen Gefahr einer solchen Behandlung in Tschetschenien ausgesetzt sind.

Auch enthält die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts keine Feststellungen dazu, ob dem Mitbeteiligten ein Aufenthalt in einem anderen Teil des Staatsgebietes der Russischen Föderation offen steht bzw. zumutbar ist und er dort Schutz vor einer (allfälligen) Verfolgung finden kann. Bei Vorliegen einer solchen innerstaatlichen Fluchtalternative nach § 11 AsylG 2005 (vgl. zu den Voraussetzungen etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. April 2015, Ra 2014/20/0151, und vom 16. Dezember 2010, 2007/20/0913) wäre der Antrag auf internationalen Schutz schon nach § 8 Abs. 3 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen und käme ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a zweiter Satz AsylG 2005, dass seine Abschiebung unzulässig ist, nicht in Betracht.

Vor diesem Hintergrund vermögen die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes dessen rechtliche Schlussfolgerung, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 und 3 AsylG 2005 seien vorgelegen, nicht zu tragen. Damit ist aber der Abweisung des Antrages des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz nach dem ersten Satz des § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und der darauf aufbauenden Feststellung nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung, eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten sei unzulässig, die Grundlage entzogen. Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang der Anfechtung - vorrangig - wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben."

Der Beschwerdeführer hat auch in den Beschwerdeergänzungen keine gewichtigen Gründe und keine geeigneten Beweise für die Annahme eines Risikos nachgewiesen, dass ihm im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde.

Hier war insbesondere klarzustellen, dass der Beschwerdeführer in keiner Weise einen Konnex zwischen den weit zurückliegenden Ereignissen betreffend seinen Vater und ihm herstellen hat können. Die "Beweismittel", um in diesem Zusammenhang eine Gefährdung darzulegen erwiesen sich als offensichtlich stereotyp, da nicht konkret auf den Aufenthalt engster Verwandter in Tschetschenien eingehend. Der erkennende Richter kann aufgrund des Umstandes, dass der BF zum Zeitpunkt der Ausreise neun Jahre alt gewesen ist, nicht erkennen, inwieweit im Fall seiner Rückkehr nach Tschetschenien für die tschetschenischen bzw. russischen Behörden ein Zusammenhang zwischen dem damals minderjährigen Beschwerdeführer und den mehr als 15 Jahre zurückliegenden Ereignissen, von denen er gar nie selbst betroffen war, hergestellt werden soll.

Zu den Schutzinteressen des Beschwerdeführers war nach dem Gesagten festzuhalten, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nicht glaubhaft dargelegt werden konnte.

Somit war in der Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aberkennung des Status des Asylberechtigten, welches aus den oben getroffenen Ausführungen zum strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers, der besonderen Schwere und Vorwerfbarkeit desselben und der fehlenden positiven Zukunftsprognose resultiert, gegenüber einem allfälligen individuellen Schutzinteresse des Beschwerdeführers mangels drohender Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr vom Zutreffen der Voraussetzungen insgesamt für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 Z. 4 AsylG 2005 auszugehen. Weitere, detaillierte Ausführungen zur Abwägung der privaten und öffentlichen Interessen im gegenständlichen Fall sind den Ausführungen zur Rückkehrentscheidung ersichtlich.

[...]."

Mit Beschluss vom 12.03.2019, E 377/2019-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zur Entscheidung ab. Begründend führte der VfGH u.a. aus, dem BVwG könne unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiege.

Am 29.04.2019 brachte der Antragsteller seine außerordentliche Revision an den VwGH gegen das Erkenntnis des BVwG vom 11.07.2018 ein. Der Revision wurde aufschiebende Wirkung zugesprochen.

Mit Beschluss vom 28.11.2019, Ra 2018/19/0479-15, wies der VwGH die außerordentliche Revision des Antragstellers zurück. Das BVwG habe dem Revisionswerber den Status des Asylberechtigen aufgrund seiner Verurteilungen wegen besonders schwerer Verbrechen nach § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG aberkannt und auch die im Ausland begangene Straftat, unter den Voraussetzungen des § 73 StGB, richtig als schweren Raub iSd § 143 StGB qualifiziert. Entgegen dem Vorbringen in der Revision habe sich das BVwG auch, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, damit auseinandergesetzt, ob dem Revisionswerber bei einer Rückkehr ins Heimatland eine Gefahr für sein Leben oder mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung drohe und dies mit näherer Begründung verneint. Die Revision bemängelte u.a. auch, dass das BVwG die vorgelegten Schreiben einer russischen Menschenrechtsorganisation und der "Auslandsvertretung der tschetschenischen Republik" unzutreffend beweisgewürdigt habe. Dem hielt der VwGH entgegen, dass dieser nach seiner ständigen Rechtsprechung zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Nur wenn dadurch die Rechtssicherheit in unvertretbarer Weise beeinträchtigt würde, liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, mit der sich der VwGH befassen könne. Die Beweiswürdigung des BVwG zu den Schreiben sei nicht unvertretbar, da es sich mit diesen - disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - auseinandergesetzt habe und zu dem Schluss kam, dass es sich lediglich um sehr allgemeine Äußerungen handle, die für den konkreten Fall keine hohe Beweiskraft entfalten würden.

Dem Argument des über zehnjährigen Aufenthalts in Österreich brachte der VwGH entgegen, dass die Rechtsprechung zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nach langem Inlandsaufenthalt nicht Konstellationen betraf, in denen der Fremde eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellte. Der Revisionswerber sei aber bereits viermal rechtskräftig wegen Vergehen und Verbrechen (Delikte gegen Leib und Leben und Vermögensdelikte) verurteilt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH sei eine in vertretbarer Weise durchgeführte Interessensabwägung nicht revisibel. Die Abwägungsentscheidung des BVwG sei im gegenständlichen Erkenntnis fallbezogen und vertretbar gewesen.

In der Revision seien sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen worden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision wurde daher zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom XXXX , am Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 13.05.2019, stellte der Antragsteller während des Revisionsverfahrens durch seine gewillkürte Vertretung einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Dieser wurde wie folgt begründet:

Mit Entscheidung des BVwG vom 11.07.2018 sei die Beschwerde des Antragstellers als unbegründet abgewiesen worden, mit der Maßgabe, dass ein auf sieben Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen wurde.

Dem Vertreter des Wiederaufnahmewerbers sei am 29.04.2019 eine "Bürgschaft" von XXXX , einer Journalistin, übermittelt worden, welche die Glaubwürdigkeit des Gefährdungsvorbringens belege. Fr. XXXX habe unter anderem für die russische Zeitung " XXXX " geschrieben. In dem Schreiben werde bestätigt, dass eine Abschiebung des Antragstellers, welcher der einzige Sohn des bekannten XXXX , ehemaliger Chef des XXXX von ICHKERIA, sei, dessen Leben gefährden würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antragsteller ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe.

Der Antragsteller reiste im minderjährigen Alter illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 12.09.2003 durch seine Mutter einen Antrag auf Asyl. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2004 in Bezug auf die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten stattgegeben. Mit Bescheid vom 10.05.2017 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Antragsteller den Status des Asylberechtigten ab und erließ ein unbefristetes Einreiseverbot. Mit Erkenntnis vom 11.07.2018 wies das Bundesverwaltungs- gericht die dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass ein auf 7 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen wurde.

Die Feststellungen zur Identität des Antragstellers, seiner Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Antragstellers. Die Identität wurde auch bereits vom Bundesasylamt festgestellt.

2. Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG, und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Fuchs hält in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, VwGVG § 32 Anm. 13, fest, dass der Systematik des VwGVG folgend anzunehmen ist, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbstständige Entscheidungen - in Beschlussform zu erfolgen haben.

Zu A) Antrag auf Wiederaufnahme:

§ 32 VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013 lautet:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."

Aus dem Antrag muss hervorgehen, dass die Wiederaufnahme eines näher bezeichneten Verfahrens begehrt wird. Zumindest muss aus dem Inhalt der Eingabe hervorgehen, auf welches abgeschlossene Verfahren sich der Antrag auf Wiederaufnahme bezieht (vgl. zu § 69 AVG VwGH 18.03.1993, 92/09/0212).

Der Antragsteller begehrt die Wiederaufnahme des gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG mit Erkenntnis vom 11.07.2018, Zl. W226 2147037-2/26E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens.

§ 32 VwGVG regelt nur die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht. Die Wiederaufnahme des verwaltungsbehördlichen Verfahrens richtet sich nach § 69 AVG. Die Entscheidung darüber obliegt der bescheiderlassenden Behörde (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] VwGVG § 32, Anm. 2). Gemäß § 3 Abs. 6 VwGbk-ÜG entscheiden die Verwaltungsgerichte ab 01.01.2014 über die Wiederaufnahme von Verfahren, die entweder in diesem Zeitpunkt gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf die Verwaltungsgerichte übergegangen sind, oder, wären sie in diesem Zeitpunkt noch anhängig, übergehen würden. Die §§ 32 und 33 VwGVG sind sinngemäß anzuwenden.

Voraussetzung für die Stellung eines Wiederaufnahmeantrages ist gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG die Parteistellung im wiederaufzunehmenden Verfahren (vgl. zu § 69 Abs. 1 AVG: VwGH 20.09.1994, 94/05/0209; 30.04.2008, 2007/04/0033; ferner Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] VwGVG § 32, Anm. 4).

Der Antragsteller hatte im Verfahren Parteistellung.

Der Wiederaufnahmeantrag darf gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG erst gestellt werden, wenn eine Revision gegen das Erkenntnis (nicht oder [näher dazu Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] VwGVG § 32 Anm. 5 f]) nicht mehr zulässig ist (vgl. zu § 69 Abs. 1 AVG: VwGH 13.12.1988, 86/07/0032).

Das Erkenntnis des BVwG vom 11.07.2018 wurde dem Antragsteller rechtswirksam zugestellt. Mit Beschluss vom 28.11.2019 wies der VwGH die außerordentliche Revision zurück.

Der Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren stützt, ist im Antrag konkretisiert und schlüssig darzulegen (vgl. zu § 69 AVG:

VwGH 20.09.1995, 93/13/0161; 26.03.2003, 98/13/0142; Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] VwGVG § 32, Anm. 12).

Zur Begründung des Wiederaufnahmeantrages wurde ausgeführt, dass ein mit XXXX datiertes, als "Bürgschaft" bezeichnetes, Schreiben der Journalisten XXXX vorliege.

Der Antrag ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst ab diesem Zeitpunkt schriftlich (§ 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 1 AVG; vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] VwGVG § 32, Anm. 12) beim Verwaltungsgericht einzubringen. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. zu § 69 AVG: VwGH 19.05.1993, 91/13/0099; 25.01.1996, 95/19/0003).

Die dreijährige Frist ab Erlassung der Erkenntnisse ist jedenfalls gewahrt.

Von Inhalt des Schreibens erlangte der Antragsteller bzw. sein Rechtsvertreter den eigenen Angaben zufolge am 29.04.2019 Kenntnis, sodass der Wiederaufnahmeantrag rechtzeitig wäre. Eine nähere Überprüfung der Kenntnisnahme konnte jedoch unterbleiben da es sich bei dem Beweismittel um "nova reperta" handelt (siehe unten).

Der Wiederaufnahmeantrag ist nicht begründet:

Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist (sogenannte "nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (sogenannte "nova causa superveniens") (vgl. z.B. VwGH 08.11.1991, 91/18/0101; 07.04.2000, 96/19/2240; 20.06.2001, 95/08/0036; 19.03.2003, 2000/08/0105; siehe weiters Hengstschläger/Leeb, AVG, Bd. 4 [2009] § 69, Rz 28).

"Tatsach

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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