TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/4 G311 2180004-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2020
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Entscheidungsdatum

04.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

G311 2180011-1/21E

G311 2180016-1/17E

G311 2180007-1/17E

G311 2180004-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) des XXXX, geboren am XXXX, 2.) der XXXX, geboren am XXXX, 3.) des minderjährigen XXXX, geboren am XXXX, und 4.) des minderjährigen

XXXX, geboren am XXXX, alle Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2017 und 16.11.2017,

Zahlen: zu 1.) XXXX, zu 2.) XXXX, zu 3.) XXXX und zu 4.) XXXX, betreffend die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.07.2019 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß

§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG werden XXXX, geboren am XXXX, XXXX, geboren am XXXX, XXXX, geboren am XXXX, und XXXX, geboren am XXXX, jeweils der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX, XXXX, XXXX, und XXXX jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

IV. In Erledigung der Beschwerden werden die jeweiligen Spruchpunkte

III. bis VI. der angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet. Aus dieser Ehe stammen der minderjährige Drittbeschwerdeführer und der minderjährige Viertbeschwerdeführer.

Die Beschwerdeführer reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie gemeinsam am 09.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 stellten.

Am 12.12.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin statt. Der Erstbeschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, es hätte in seinem Wohngebiet viele Milizen gegeben, die ihn hätten rekrutieren wollen. Er habe auch Alkohol getrunken, was nicht gerne gesehen werde und sei auch die allgemeine Sicherheitslage im Irak miserabel. Er wolle, dass seine Familie ein sicheres Leben führen könne und habe deswegen mit seiner Ehegattin und den Kindern den Irak verlassen müssen. Die Zweitbeschwerdeführerin verwies im Wesentlichen auf die Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers.

Die niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, fand jeweils am 07.11.2017 statt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst an, er sei schiitischer Moslem und habe in Bagdad mit der Familie in einem schiitisch dominierten Viertel gelebt. Die meisten Einwohner des Viertels seien Angehörige der schiitischen Milizen gewesen. Er habe sich weder für konfessionelle Probleme oder Politik interessiert, aber regelmäßig Alkohol konsumiert. Er sei von den Milizen zunehmend darauf angesprochen worden, dass schiitisch-religiöse Gedankengut zu teilen, keinen Alkohol zu trinken und mit den Milizen zu kämpfen. Er habe jedoch an den Verbrechen der Milizen nicht teilhaben wollen. Er habe zunehmend das Gefühl bekommen, es würde ihm von den Milizen noch etwas angetan werden. Nahe seines Hauses habe sich ein Checkpoint befunden und sie hätten den Erstbeschwerdeführer auf dem Weg nach Hause betrunken gesehen und ihn darauf angesprochen. Am nächsten Morgen wären Milizangehörige zum Haus des Erstbeschwerdeführers gekommen und hätten ihn erneut überreden wollen, sich der Miliz anzuschließen und nach den religiösen Regeln zu leben. Danach habe er sich entschlossen, den Irak zu verlassen. Dazu habe er sein Auto symbolisch an seine Schwester verkauft und habe mit seiner Familie drei Tage später den Irak verlassen. Unmittelbar nach seiner Ausreise habe man ihm einen Drohbrief geschickt. Diesen habe die Mutter im Vorgarten gefunden und wisse er nunmehr, dass er von der Asa-ib Ahl al-Haqq (im Folgenden: AAH) bedroht werde. Die Mutter sei daraufhin zur Schwester des Erstbeschwerdeführers umgezogen. Davon habe er erst in Österreich erfahren. Die Schwester habe ihm eine Fotografie des Drohbriefes per WhatsApp geschickt. Persönlich gegen den Erstbeschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlungen hätten nicht stattgefunden, es sei ihm jedoch klar gewesen, dass man ihn töten werde, falls er sich der Miliz nicht anschließe. Ein Umzug in den Südirak wäre aufgrund des Umstandes, dass dort ebenso die Milizen die Kontrolle ausüben würden, nicht möglich gewesen. Auch in die sunnitischen Gebiete hätte er wegen der Schwierigkeiten mit den Milizen und dem IS nicht umziehen können.

Neben Kopien des schwedischen Reisepasses eines Bruders sowie unbefristeter, US-amerikanischer Aufenthaltstitel zweier weiterer Brüder des Erstbeschwerdeführers legte er einen Ausdruck des Fotos des Drohbriefes samt Kuvert sowie einen radiologischen Befundbericht (ohne Befund) vor.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt zusammengefasst an, sie sei nie persönlich bedroht worden, habe keine Probleme mit der Polizei oder einem Gericht, habe an keinen Kampfhandlungen, politischen Aktivitäten oder Demonstrationen teilgenommen und sei kein Mitglied einer politischen Partei. Sie beziehe sich auf die allgemeine Sicherheitslage und wolle ihren Kindern ein besseres Leben bieten. Der Erstbeschwerdeführer sei von Milizen beobachtet und bedroht worden. Diese hätten ihn zum Kämpfen aufgefordert und es hätte ihnen auch nicht gepasst, dass er Alkohol getrunken habe. Der Erstbeschwerdeführer sei drei bis vier Tage vor der Ausreise aus dem Irak wegen seines Alkoholkonsums belästigt worden. Nach der Ankunft in Österreich hätte sie von der Schwiegermutter erfahren, dass diese einen Drohbrief erhalten habe, der den Erstbeschwerdeführer betroffen habe. Die Schwiegermutter sei daraufhin zur Schwägerin der Zweitbeschwerdeführerin gezogen. Der Drittbeschwerdeführer leide an einer Herzerkrankung, sei operiert worden und befinde sich in ärztlicher Behandlung. Der Viertbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin seien gesund.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte einen sie betreffenden ärztlichen Befundbericht (ohne Befund), eine Teilnahmebestätigung an einem Alphabetisierungskurs und eine Kursanmeldebestätigung für einen Deutschkurs auf Niveau A1 zur Vorlage.

Hinsichtlich des Drittbeschwerdeführers befindet sich im Verwaltungsakt ein Konvolut an medizinischen Unterlagen:

-

arabische Dokumente des irakischen "XXXX" Krankenhauses für Herzchirurgie (AS 43 ff Drittbeschwerdeführer) wonach Drittbeschwerdeführer im Alter von vier Jahren im Jahr 2013 offenbar bereits im Irak am Herzen operiert wurde

o offenbar Kontrolle im Jänner 2015 (AS 59 ff Drittbeschwerdeführer)

-

Schulärztliche Information des Magistrats der Stadt XXXX; Überweisung an Facharzt bei Zustand nach Sternotomie und OP eines Ventrikelseptumdefekts (AS 51 ff Drittbeschwerdeführer)

-

radiologischer Befund vom 14.12.2015 (AS 63 Drittbeschwerdeführer)

-

ärztlicher Befundbericht eines Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 08.07.2016 (AS 65 ff Drittbeschwerdeführer)

o zwingende Kontrolle in sechs Monaten

-

Kinderkardiologische Begutachtung eines Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 09.05.2017 (AS 67 ff Drittbeschwerdeführer) mit den Diagnosen bzw. dem Therapievorschlag:

o zusätzlich Pulmonalstenose

o keine Herztherapie erforderlich

o Vereinssport nicht erlaubt, normaler Alltagssport schon

o weitere Kontrollen jährlich

o gegebenenfalls ein weiterer Eingriff nötig

o Endokarditisprophylaxe indiziert

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes wurden die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (jeweils Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (jeweils Spruchpunkt II.) abgewiesen, den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (jeweils Spruchpunkt III.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in

den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Darüber hinaus wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1a FPG eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vom Erstbeschwerdeführer vorgebrachte, individuelle Gefährdungslage sei nicht glaubhaft. Es lägen weder von staatlichen Institutionen noch von sonstigen "machtausübenden" Gruppierungen Bedrohungen gegenüber der Person des Erstbeschwerdeführers oder seiner Familie vor. Eine Rückkehr sei zumutbar und könne der Erstbeschwerdeführer seine bisherige Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Erstbeschwerdeführer von schiitischen Milizen hätte rekrutiert werden sollen, wenn er doch aufgrund des Konsums von Alkohol nicht den Vorstellungen der Milizen entsprochen und darüber hinaus auch nicht religiös gewesen sei. Das Vorbringen zum Drohbrief, den der Erstbeschwerdeführer erst nach seiner Ausreise erhalten haben soll, scheine vollkommen konstruiert. Es sei nicht plausibel, weshalb die Milizen einen Drohbrief im Vorgarten deponieren sollten, anstatt direkt mit der Familie des Erstbeschwerdeführers in Kontakt zu treten. Auch der Umstand, dass die Mutter des Erstbeschwerdeführers nach deren Umzug zu seiner Schwester keinerlei Probleme mehr gehabt habe, verdeutliche, dass der Erstbeschwerdeführer den von ihm angegebenen Problemen ohne Weiteres hätte entgehen können. Persönliche Übergriffe hätte zu keiner Zeit stattgefunden, noch sei auf den Erstbeschwerdeführer in irgendeiner Weise Druck ausgeübt worden. Beim "Drohbrief" handle es sich um ein allgemeines, dubioses Schreiben. Die Zweitbeschwerdeführerin und die minderjährigen Beschwerdeführer hätte keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht. Die Erkrankung des Drittbeschwerdeführers sei nicht lebensbedrohlich, er sei deswegen bereits im Irak behandelt worden und könne die Behandlung auch dort fortsetzen.

Zudem traf die belangte Behörde umfangreiche Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage im Irak.

Mit am 29.11.2017 beim Bundesamt per Fax einlangenden Schriftsatz vom selben Tag erhoben die Beschwerdeführer durch ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die sie betreffenden Bescheide des Bundesamtes. Es wurde sinngemäß beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den Beschwerden stattgeben und den Beschwerdeführerin den Status von Asylberechtigten, in eventu von subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; allenfalls die gegen die Beschwerdeführer ausgesprochene Rückkehrentscheidung beheben, feststellen, dass diese auf Dauer unzulässig ist sowie die Abschiebung für unzulässig erklären; in eventu die angefochtenen Bescheide beheben und an das Bundesamt zurückverweisen sowie jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchführen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführer würden der schiitischen Glaubensgemeinschaft angehören, ihre Religion jedoch nicht aktiv ausleben, aus Bagdad stammen und seien sowohl der Erstbeschwerdeführer (als Taxifahrer und Mechaniker) sowie die Zweitbeschwerdeführerin (als Schneiderin) erwerbstätig gewesen. Der Erstbeschwerdeführer sei ein "liberaler" Moslem, der auch Alkohol trinke und den Glauben sowie die Politik nicht besonders ernst nehme. Durch dieses Verhalten habe er sich den Hass der in seiner Umgebung befindlichen Milizen (darunter der Asa-ib Ahl al-Haqq) zugezogen, die seinen Lebensstil als Schande aufgefasst und danach getrachtet hätten, ihn wieder auf den "richtigen Weg" zu bringen. Sie hätten ihn wiederholt gedrängt, sich ihnen anzuschließen und mit ihnen zu kämpfen. Dies habe der Erstbeschwerdeführer stets abgelehnt. Ende 2015 sei er abends auf dem Heimweg im betrunkenen Zustand von militanten Gruppierungen angehalten und erneut zur Kooperation gedrängt worden. Als er dies abermals abgelehnt habe, sei er am nächsten Tag erneut aufgesucht und ihm gedroht worden, dass er im Falle der Nichtkooperation mit Konsequenzen zu rechnen habe bzw. sie mit ihm machen würden, was sie wollen. Der Erstbeschwerdeführer habe dies als Drohung mit dem Tode gegen ihn selbst und seine Familie aufgefasst. Dass diese Befürchtung begründet sei, sowie die Handlungen der militanten Gruppierungen im Irak würden als gerichtsnotorisch vorausgesetzt werden. Kurz nach der Ausreise habe sich die Bedrohungssituation fortgesetzt, zumal die Mutter des Erstbeschwerdeführers Ende Dezember 2015 einen Brief aufgefunden habe, in welchem dem Erstbeschwerdeführer mit dem Tode bedroht werde, falls die Milizen ihn finden würden. Es werde ihm darin insbesondere unmoralisches Verhalten (etwa das Trinken von Alkohol) vorgeworfen, während andere für ihren Glauben und ihr Land im Krieg kämpfen würden. Im Falle einer Rückkehr würden die Beschwerdeführer eben jene Bedrohungssituation wieder vorfinden. Da die Milizen im gesamten Irak verbreitet wären, liege keine innerstaatliche Fluchtalternative vor. Die Beschwerdeführer hätten bereits beachtliche Integrationsschritte im Bundesgebiet gesetzt. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid seien mit dem dargelegten Sachverhalt nicht in Einklang zu bringen. Es würden erhebliche Tatsachenfeststellungen fehlen. Die Beweiswürdigung sei kurz und nicht nachvollziehbar. Das Bundesamt habe sich mit dem Drohbrief kaum auseinandergesetzt.

Mit der Beschwerde wurden zwei Unterstützungsschreiben jeweils vom 22.11.2017, eine Deutschkurs-Anmeldebestätigung (A1+) für die Zweitbeschwerdeführerin, Kopien der "Deutsch-Lernpässe" des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, sowie eine Bestätigung für die minderjährigen Beschwerdeführer, dass sie Fußball im Verein spielen, vorgelegt.

Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 18.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Per E-Mail vom 21.12.2017 wurden seitens der Rechtsvertretung der Beschwerdeführer Teilnahmebestätigungen für den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin an Deutschkursen (auf Niveau "0+" für den Erstbeschwerdeführer, auf Niveau A1 für die Zweitbeschwerdeführerin) sowie für die minderjährigen Beschwerdeführer Schulbesuchsbestätigungen der Volksschule für das Schuljahr 2017/18 vorgelegt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.06.2019 wurde den Beschwerdeführern zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung relevante Länderberichte zum Irak vorab zur Kenntnisnahme übermittelt und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, bis zur Beginn der mündlichen Verhandlung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben bzw. dazu in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen.

Per E-Mail vom 05.07.2019, beim Bundesverwaltungsgericht am 08.07.2019 einlangend, wurde nachfolgende Unterlagen vorgelegt:

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Jahreszeugnis des Drittbeschwerdeführers der Volksschule für das Schuljahr 2018/2019 (dritte Schulstufe) aus dem eine Beurteilung im Fach "Deutsch, Lesen, Schreiben" mit "Befriedigend" hervorgeht sowie eine Schulbesuchsbestätigung

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Jahreszeugnis des Viertbeschwerdeführers der Volksschule für das Schuljahr 2018/2019 (erste Schulstufe) aus dem eine Beurteilung im Fach "Deutsch, Lesen, Schreiben" mit "Gut" hervorgeht sowie eine Schulbesuchsbestätigung

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nicht bestandene ÖSD-Deutschzertifikate auf Niveau A1 für den Erstbeschwerdeführer (vom 03.07.2018) und die Zweitbeschwerdeführerin (vom 26.02.2018)

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Teilnahmebestätigungen am Werte- und Orientierungskurs jeweils vom 10.04.2018 für den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin

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Bestätigung des Tennis-Vereins vom 28.06.2019 für den Drittbeschwerdeführer

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Unterstützungsschreiben

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Schreiben der Schulleiterin der minderjährigen Beschwerdeführer

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Konvolut von Fotos

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Zeitungsartikel über die Brandstiftung in der Flüchtlingsunterkunft der Beschwerdeführer

Am 09.07.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht zudem eine Stellungnahme der Beschwerdeführer zu den übermittelten Länderberichten mit Schreiben der Rechtsvertretung vom 09.07.2018 [sic!; offensichtlich richtig: 2019] beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im Wesentlichen wurden darin als für das gegenständliche Verfahren für relevant befundene Auszüge und Textpassagen der Länderberichte hervorgehoben. Der Umstand, dass der Erstbeschwerdeführer von Terrormilizen bedroht worden sei, weil er sich geweigert habe, sich der schiitischen Miliz AAH anzuschließen, lasse ihn in erheblichem Maße gefährdet erscheinen, da die Milizen außer Kontrolle seien und systematische Menschenrechtsverletzungen begehen würden. Die AAH gelte als die gefürchtetste, weil besonders gewalttätige, Gruppierung, die religiös-politische und kriminelle Motive verbinde. Für den Erstbeschwerdeführer bestünde keine innerstaatliche Fluchtalternative. Weiters leide der Drittbeschwerdeführer unter einem Herzfehler. Aus den Länderberichten gehe eine prekäre Lage zur Möglichkeit der medizinischen Versorgung hervor. Müsste der Drittbeschwerdeführer in den Irak zurückkehren, sei davon auszugehen, dass er in einem Notfall keine rechtzeitige bzw. ausreichende medizinische Versorgung bekomme.

Unter einem wurde eine Einstellungszusage für den Erstbeschwerdeführers seitens des Unternehmens seines Schwagers in Österreich, ein "Verbannungsschreiben", welches dem Erstbeschwerdeführer von einem Verwandten per WhatsApp übermittelt worden sei, sowie ein EKG-Befund des Drittbeschwerdeführers vom 02.05.2019 vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 12.07.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin, ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung sowie ein Dolmetscher für die arabische Sprache teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

Auf Befragen gab der Erstbeschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, er sei schiitischer Moslem, habe aber kein religiöses Leben geführt und auch keine Moschee besucht. Auch die Zweitbeschwerdeführerin habe nicht religiös gelebt. Er sei in Bagdad geboren und habe dort auch immer gelebt. Beruflich sei er Taxifahrer und selbstständiger Mechaniker gewesen. Den Irak habe er verlassen, weil er von der AAH gesucht werde. Etwa 50 Meter von Haus der Familie in Bagdad habe sich ein Checkpoint der Miliz befunden. Immer wenn er zur Arbeit gegangen oder nach Hause gekommen sei, habe man ihn gesehen. Er habe täglich etwa einen halben Liter Whisky und noch ein zwei Flaschen Bier konsumiert. Gekauft habe er den Alkohol in geheimen und versteckten Geschäften. Den Whisky habe er in den Scheibenwischerbehälter seines Taxis gefüllt (einen Liter) und ihn so nach Hause geschmuggelt. Durch Umleitung eines Schlauches habe er den Whisky wieder herauspumpen können. Er habe Stammkunden gehabt, die ihn bei Bedarf angerufen hätten, um gefahren zu werden. Er habe auch während der Fahrt Alkohol getrunken, dann aber nicht mehr als einen viertel Liter Whisky. Er sei dadurch nicht eingeschränkt gewesen und habe man es ihm auch nicht angemerkt, dass er Alkohol getrunken habe. Damit man den Geruch nicht bemerke, habe er Zigaretten zerkaut und sich mit Parfum besprüht. Im Irak sei er alkoholabhängig gewesen, er sei sich nunmehr aber sicher, dass er kein Alkoholproblem habe. Er sei sicher nicht süchtig, denn in Österreich trinke er nur wie die Österreicher, daher nur samstags. Er sei von Milizangehörigen angesprochen worden, weshalb er nicht mit ihnen kämpfe, sondern zuhause "herumhocke" und "saufe". Er habe die Forderung abgelehnt und gesagt, dass er keinesfalls Waffen tragen würde. Daraufhin hätten sie verlangt, dass er zumindest sein Taxi zur Verfügung stelle und die Milizangehörigen überall hinfahre, wo sie es wollten. Auch das habe er mit der Begründung abgelehnt, dass er sich damit auch an deren Verbrechen beteiligen würde. Ihre Antwort sei gewesen: "Ok. Wir werden sehen, was zu tun ist." Dies sei für den Erstbeschwerdeführer eine gefährliche Drohung gewesen. Am nächsten Tag hätten die Milizangehörigen erneut zu ihm gesagt, er solle sie zumindest mit dem Auto hin und her fahren. Sie hätten ihn dabei am Hemd gezogen und gerissen. Da habe er gewusst, dass er ein Problem habe und beschlossen, sein Auto zu verkaufen und den Irak zu verlassen. Das Auto habe er noch am selben Tag verkauft. Es sei ein neuer Hyundai gewesen, den er um USD 17.000,00 gekauft habe. Verkauft habe er um USD 16.000,00. Der Zweitbeschwerdeführerin habe er freigestellt, mit ihm zu kommen oder zu ihrer Familie nach Diyala zu gehen. Von den Bedrohungen habe er ihr erst in Österreich erzählt. Die Mutter des Erstbeschwerdeführers habe dann einen Drohbrief erhalten, der ihm von seiner im Irak lebenden Schwester per WhatsApp übermittelt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich die Beschwerdeführer bereits in Österreich aufgehalten. Weitere Gründe habe er keine, außer, dass seine Familie (gemeint: der Stamm) ihn verstoßen habe. Den Grund wisse er nicht, er vermute, wegen seines Alkoholkonsums. Er habe ein "Verbannungsschreiben" erhalten und bereits vorgelegt. Er gehe davon aus, dass die Milizen zum Stammesführer gegangen seien, damit sich niemand für den Erstbeschwerdeführer vom Stamm einsetze, wenn ihm etwas passieren sollte. Das Verbannungsschreiben stamme vom 15.12.2018 und sei ihm von seinem in Schweden lebenden Bruder über WhatsApp übermittelt worden. Als sie noch in Bagdad gelebt hätten, hätte er keine Probleme mit dem Stamm gehabt. Die drei im Ausland lebenden Brüder hätten auch keine Probleme mit dem Stamm, da sie schon lange im Ausland leben würden. Selbst wenn ihm die Milizen nichts mehr antun, dann würde er vom eigenen Stamm verfolgt und getötet werden, auch die beiden Söhne. Vor sieben Jahren etwa seien zwei Cousins verschwunden und nicht mehr aufgetaucht. Der Verstoß aus dem Stamm sei überall im Irak wirksam, wo Stammesmitglieder leben würden, daher in schiitischen Vierteln von Bagdad und im Süden von Bagdad sowie im Gouvernement "Waset". In den sunnitischen Vierteln Bagdads und in sunnitischen Gebieten des Irak hingegen nicht. Die Lage im Irak sei noch prekärer als vorher. Die Milizen hätten noch mehr Macht in der Polizei und beim Militär und seien mehr im Parlament vertreten. Das wisse der Erstbeschwerdeführer über Facebook. Es sei richtig, dass die Mauern zwischen sunnitischen und schiitischen Gebieten abgebaut würden und weniger Checkpoints bestünden, aber die Zahl der Getöteten würde sich immer weiter vergrößern. Die Medienberichte seien unrichtig. Es gehe den kleinen Leuten nicht gut und sie könnten sich vieles nicht leisten.

Zum Gesundheitszustand des Drittbeschwerdeführers wurde aktuelle Befunde vorgelegt, die in Kopie zum Akt genommen wurden. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gaben dazu im Wesentlichen gleichlautend an, dass der Drittbeschwerdeführer bereits in Bagdad operiert worden sei und Operation problemlos verlaufen sei. Er nehme keine Medikamente, sondern mache Physiotherapie. Fußball sei für ihn zu anstrengend gewesen, deswegen spiele er jetzt Tennis.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab auf Befragen an, sie sei ebenso schiitische Muslimin, sei zwar nicht streng religiös, habe aber gebetet und gefastet und tue dies auch in Österreich. Sie selbst (und auch der Drittbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführer) hätte keine eigenen Fluchtgründe. Der Erstbeschwerdeführer sei von Milizen bedroht worden. In den letzten Tagen ihres Aufenthalts im Irak habe sie gesehen, dass er immer nervös nach Hause gekommen sei. Dann habe sie ihn gefragt, warum er nervös sei. Er habe ihr dann gesagt, dass er bedroht werde, weil er getrunken habe und sie den Irak verlassen müssten. Der Zweitbeschwerdeführer habe im Irak zuhause immer getrunken. Den Einfluss von Alkohol auf den Erstbeschwerdeführer habe sie nicht so bemerkt, außer, dass er dann "glücklich" gewesen und zuvor bedrückt gewesen sei. In Österreich habe sie gesehen, dass Menschen, die Alkohol trinken, ihr Verhalten verändern. Das sei beim Erstbeschwerdeführer nicht so gewesen. Sie habe durch den Alkoholgenuss keine Änderungen feststellen können. Er habe täglich und ständig getrunken.

Zu den bereits in das Verfahren eingeführten Länderberichten wurde von der Rechtsvertretung eine mit 10.07.2019 datierte schriftliche Stellungnahme abgegeben. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführer den Ausführungen in den Länderberichten zur verschlechterten Sicherheitslage anschließen würden. Auch in Bagdad sei weiterhin mit schweren Anschlägen zu rechnen. Es bestehe ein hohes Maß an krimineller Gewalt und dem Risiko von Entführungen. Durch eine Fatwa des schiitischen Religionsführers Al-Sistani würden körperlich fähige Iraker dazu aufgefordert, den Irak zu verteidigen. Es werde als religiöse Verpflichtung angesehen, sich freiwillig den Milizen im Irak anzuschließen. Die Milizen würden daher starken Druck ausüben, um Menschen in schiitischen Gebieten zu rekrutieren. Es bestünden weiters Zweifel an der Verfügbarkeit der nötigen Behandlungsmöglichkeiten des Drittbeschwerdeführers im Irak. Es seien in staatlichen Kliniken auch nur wenige Medikamente erhältlich. Eine Rückkehr in den Irak sei den Beschwerdeführern daher unzumutbar.

Die mündliche Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2009 wurde den Beschwerdeführern und dem Bundesamt die aktuelle Kurzinformation zur Sicherheitslage im Irak vom 30.10.2019 zur Stellungnahme übermittelt.

Mit am 13.12.2019 einlangender Stellungnahme wurde auf die für Bagdad relevanten jüngsten Länderberichte hingewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer führen die im Spruch jeweils angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und sind Staatsangehörige des Irak, Angehörige der Volksgruppe der Araber und bekennen sich zum moslemischen Glauben schiitischer Ausrichtung. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind standesamtlich und traditionell seit dem Jahr 2008 verheiratet. Aus dieser Ehe stammen der minderjährige Drittbeschwerdeführer und der minderjährige Viertbeschwerdeführer (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 12.12.2015, AS 17 ff Erstbeschwerdeführer;

Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 12.12.2015, AS 17 ff Zweitbeschwerdeführerin; Erstbeschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 07.11.2017, AS 67 ff Erstbeschwerdeführer;

Zweitbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 07.11.2017, AS 61 ff Zweitbeschwerdeführerin; Kopien der irakischen Reisepässe der Beschwerdeführer, jeweils AS 5).

Die Beschwerdeführer verließen den Irak am 01.12.2015 legal auf dem Luftweg und flogen von Bagdad nach Istanbul in die Türkei. Von dort reisten sie am nächsten Tag schlepperunterstützt nach Griechenland und in weiterer Folge mit dem "Flüchtlingsstrom" weiter bis nach Österreich, wo sie am 09.12.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellten (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 12.12.2015, AS 23 f Erstbeschwerdeführer;

Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 12.12.2015, AS 23 f Zweitbeschwerdeführerin; Erstbeschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 07.11.2017, AS 73 Erstbeschwerdeführer;

Zweitbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 07.11.2017, AS 75 Zweitbeschwerdeführerin).

Die Familie des Erstbeschwerdeführers stammt ursprünglich aus dem Gouvernement Wassit, der Erstbeschwerdeführer ist jedoch in Bagdad geboren und hat dort auch bis zu seiner Ausreise im Dezember 2015 im Stadtteil XXXX gelebt. Er hat fünf Jahre die Grundschule besucht und war von Beruf selbstständiger Taxifahrer und Mechaniker für Großfahrzeuge wie Mercedes und MAN. Mit seinem Einkommen konnte er den Lebensunterhalt der Beschwerdeführer sichern, die gemeinsam mit der Mutter des Erstbeschwerdeführers in deren Haus in XXXX, Bagdad, lebten. Die Mutter des Erstbeschwerdeführer lebt nach wie vor in diesem Haus. In Bagdad leben weiters die zwei Schwestern des Erstbeschwerdeführers, die beide verheiratet sind, und ein Bruder, der Mechaniker von Beruf ist. Zwei Brüder des Erstbeschwerdeführers leben in den USA. Ein weiterer Bruder des Erstbeschwerdeführers lebt in Schweden und ist bereits schwedischer Staatsangehöriger. Der Vater des Erstbeschwerdeführers ist bereits verstorben. Mit einer Schwester und der Mutter im Irak hat der Erstbeschwerdeführer noch Kontakt. Die Mutter ist jedoch krank und erweist sich der Kontakt deswegen als schwierig (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 12.12.2015, AS 21 Erstbeschwerdeführer; Erstbeschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 07.11.2017, AS 77 Erstbeschwerdeführer;

Erstbeschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 12.07.2019, S 4;

Kopie schwedischer Reisepass des Bruders, AS 91; Kopien der US-amerikanischen Aufenthaltstitel der Brüder, AS 93 und 95).

Die Familie der Zweitbeschwerdeführerin stammt aus Baquba, Gouvernement Diyala, wo die Zweitbeschwerdeführerin bis zur Eheschließung mit dem Erstbeschwerdeführer im Jahr 2008 auch lebte. Seit ihrer Heirat lebte sie in Bagdad. Sie hat sechs Jahre eine Grundschule und drei Jahre eine Hauptschule besucht und den Beruf der Schneiderin erlernt. Sie war zuhause privat als Schneiderin tätig und Hausfrau. Auch der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist bereits verstorben. Die Mutter und drei Schwestern der Zweitbeschwerdeführerin leben nach wie vor im Irak, wobei die Mutter und eine Schwester inzwischen von Baquba, Diyala, nach Wassit umgezogen sind, eine Schwester nach wie vor in Baquba, Diyala, lebt und die dritte Schwester in Bagdad. Die Mutter lebt von der Pension des verstorbenen Vaters. Die Zweitbeschwerdeführerin hat regelmäßig (etwa zwei Mal wöchentlich) über das Internet Kontakt zu ihren Schwestern und ihrer Mutter. Diese leben ohne Probleme im Irak. Es leben weiters noch eine Tante mütterlicherseits und zwei Onkel mütterlicherseits im Irak. Die drei Brüder der Zweitbeschwerdeführerin leben in Österreich, wobei einer der Brüder bereits niederländischer Staatsangehöriger ist (vgl etwa Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 12.12.2015, AS 21 Zweitbeschwerdeführerin; Zweitbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 07.11.2017, AS 71 Zweitbeschwerdeführerin; Zweitbeschwerdeführerin, Verhandlungsprotokoll vom 12.07.2019, S 10 f).

Ein besonderes Nahe- und/Abhängigkeitsverhältnis zu den in Österreich lebenden Brüdern der Zweitbeschwerdeführerin konnte nicht festgestellt werden.

Es ist daher festzustellen, dass die Beschwerdeführer im Irak über ein familiäres Auffangnetz verfügen.

Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährige Viertbeschwerdeführer sind allesamt gesund und arbeits- bzw. schulfähig. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer leidet an einem angeborenen Herzfehler (Ventrikelseptumdefekt bzw. Fallot'sche Tetralogie mit infundibulärer und valvulärer Pulmonalstenose), der bereits im Irak diagnostiziert wurde. Auch wurde der Drittbeschwerdeführer bereits in Bagdad im Jahr 2013 deswegen erfolgreich operiert. In Österreich wurde bei ihm zusätzlich im Mai 2017 eine Pumonalstenose diagnostiziert. Es finden regelmäßige ärztliche Kontrollen im Krankenhaus statt (zuletzt mit der Empfehlung für weitere Kontrollen etwa alle eineinhalb bis zwei Jahre), jedoch benötigt der Drittbeschwerdeführer keine Medikamente, macht lediglich Physiotherapie, besucht normal die Schule und spielt Tennis im Verein. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass einer der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Endstadium leidet, die im Irak nicht behandelbar wäre (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 12.12.2015, AS 21 Erstbeschwerdeführer; Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 12.12.2015, AS 21 Zweitbeschwerdeführerin; Erstbeschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 07.11.2017, AS 73 und 81 Erstbeschwerdeführer; Zweitbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 07.11.2017, AS 67 Zweitbeschwerdeführerin; Konvolut medizinischer Unterlagen des Drittbeschwerdeführers, AS 43 ff Drittbeschwerdeführer; Verhandlungsprotokoll vom 12.07.2019, S 8 & 11 sowie im Zuge der Verhandlung vorgelegte aktuelle medizinische Befunde, insbesondere der Befund des Landesklinikums XXXX vom 15.05.2019).

Die Beschwerdeführer halten sich seit ihrer Einreise ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind strafgerichtlich unbescholten (vgl aktenkundige Auszüge aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Strafregister vom 19.11.2019).

Die Beschwerdeführer haben im Irak an keinen bewaffneten Auseinandersetzungen teilgenommen. Sie sind weder Mitglieder einer politischen Partei noch haben sie sich sonst politisch betätigt oder an Demonstrationen teilgenommen. Sie hatten weiters keinerlei Probleme mit staatlichen Behörden, der Polizei oder einem Gericht oder aufgrund ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit im Irak (vgl Niederschrift Bundesamt vom 07.11.2017, AS 75 ff Erstbeschwerdeführer und AS 69 ff Zweitbeschwerdeführerin; Verhandlungsprotokoll vom 12.07.2019).

Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte daher nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer generellen Verfolgungsgefahr oder Bedrohung durch schiitische Milizen, ihren Stamm, den IS oder von staatlicher Seite ausgesetzt sind.

Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:

Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht zur Vorbereitung der mündlichen Beschwerdeverhandlung mit Schreiben vom 24.06.2019 in das Verfahren eingeführten Länderberichte, nämlich ein Konvolut aus fallbezogen relevanten aktueller Länderberichte samt den angeführten Quellen (mit Stand Juni 2019) sowie die mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 27.11.2019 übermittelte Kurzinformation der Staatendokumentation zur aktuellen Sicherheitslage im Irak vom 30.10.2019 auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand des Erkenntnisses erhoben.

Daraus ergibt sich:

Aus der Kurzinformation der Staatendokumentation zur aktuellen

Sicherheitslage im Irak vom 30.10.2019 ergibt sich:

"[...]

Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRI) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, u.v.m.

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Quelle: Liveuamap - Live Universal Awareness Map (1.10.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/en/time/01.10.2019, Zugriff 1.10.2019

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (The Portal 9.10.2019).

Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 7.8.2019). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019). Der IS setzt nach wie vor auf Gewaltakte gegen Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter sowie beispielsweise auf Brandstiftung, um Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften zu entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung zu untergraben und soziale Spannungen zu verschärfen (ACLED 7.8.2019).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 7.8.2019). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungseinheiten (PMF/PMU/Hashd al Shabi) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

Am 7.7.2019 begann die "Operation Will of Victory", an der irakische Streitkräfte (ISF), Popular Mobilization Forces (PMF), Tribal Mobilization Forces (TMF) und Kampfflugzeuge der USgeführten Koalition teilnahmen (ACLED 7.8.2019; vgl. Military Times 7.7.2019). Die mehrphasige Operation hat die Beseitigung von IS-Zellen zum Ziel (Diyaruna 7.10.2019; vgl. The Portal 9.10.2019). Die am 7. Juli begonnene erste Phase umfasste Anbar, Salah ad-Din und Ninewa (Military Times 7.7.2019). Phase zwei begann am 20. Juli und betraf die nördlichen Gebiete von Bagdad sowie die benachbarten Gebiete der Gouvernements Diyala, Salah ad-Din und Anbar (Rudaw 20.7.2019). Phase drei begann am 5. August und konzentrierte sich auf Gebiete in Diyala und Ninewa (Rudaw 11.8.2019). Phase vier begann am 24. August und betraf die Wüstenregionen von Anbar (Rudaw 24.8.2019). Phase fünf begann am 21.9.2019 und konzentrierte sich auf abgelegene Wüstenregionen zwischen den Gouvernements Kerbala, Najaf und Anbar, bis hin zur Grenze zu Saudi-Arabien (PressTV 21.9.2019). Eine sechste Phase wurde am 6. Oktober ausgerufen und umfasste Gebiete zwischen dem südwestlichen Salah ad-Din bis zum nördlichen Anbar und Ninewa (Diyaruna 7.10.2019).

Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 9.2019).

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Quelle: Iraq Bodycount (9.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 15.10.2019

Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Juli 2019 sind 145 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im August 2019 wurden von IBC 93 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert und für September 151 (IBC 9.2019).

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Quelle: Iraq Bodycount (9.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 15.10.2019

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats Juli 2019 82 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 83 Tote und 119 Verletzten verzeichnet. 18 Tote gingen auf Leichenfunde von Opfern des IS im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im Juli auf 65 reduziert werden kann. Es war der zweite Monat in Folge, in dem die Vorfallzahlen wieder zurückgingen. Dieser Rückgang wird einerseits auf eine großangelegte Militäraktion der Regierung in vier Gouvernements zurückgeführt [Anm.: "Operation Will of Victory"; Anbar, Salah ad Din, Ninewa und Diyala, siehe oben], wobei die Vorfallzahlen auch in Gouvernements zurückgingen, die nicht von der Offensive betroffen waren. Der Rückgang an sicherheitsrelevanten Vorfällen wird auch mit einem neuerlichen verstärkten Fokus des IS auf Syrien erklärt (Joel Wing 5.8.2019).

Im August 2019 verzeichnete Joel Wing 104 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 103 Toten und 141 Verletzten. Zehn Tote gingen auf Leichenfunde von Jesiden im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der Todesfälle im August auf 93 angepasst werden kann. Bei einem der Vorfälle handelte es sich um einen Angriff einer pro-iranischen PMF auf eine Sicherheitseinheit von British Petroleum (BP) im Rumaila Ölfeld bei Basra (Joel Wing 9.9.2019).

Im September 2019 wurden von Joel Wing für den Gesamtirak 123 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 122 Toten und 131 Verletzten registriert (Joel Wing 16.10.2019).

Seit 1. Oktober kam es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019). Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019; Standard 4.10.2019), aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak (ISW 22.10.2019). Im Zuge dieser Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019). Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen (ISW 22.10.2019). Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an (Rudaw 13.10.2019). Zeitweilig, vom 2. bis zum 5. Oktober, wurde eine Ausgangssperre ausgerufen (Al Jazeera 5.10.2019; vgl. ISW 22.10.2019; Rudaw 13.10.2019) und eine Internetblockade vom 4. bis 7. Oktober implementiert (Net Blocks 3.10.2019; FAZ 3.10.2019; vgl. Rudaw 13.10.2019).

Nach einer kurzen Ruhephase gingen die gewaltsamen Proteste am 25. Oktober weiter und forderten bis zum 30. Oktober weitere 74 Menschenleben und 3.500 Verletzte (BBC News 30.10.2019). Insbesondere betroffen waren bzw. sind die Städte Bagdad, Nasiriyah, Hillah, Basra und Kerbala (BBC News 30.10.2019; vgl. Guardian 27.10.2019; Guardian 29.10.2019). Am 28. Oktober wurde eine neue Ausgangssperre über Bagdad verhängt, der sich jedoch tausende Demonstranten widersetzen (BBC 30.10.2019; vgl. Guardian 29.10.2019). Über 250 Personen wurden seit Ausbruch der Proteste am 1. Oktober bis zum 29. Oktober getötet (Guardian 29.10.2019) und mehr als 8.000 Personen verletzt (France24 28.10.2019).

BAGDAD

Der IS versucht weiterhin seine Aktivitäten in Bagdad zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Fast alle Aktivitäten des IS im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019). Im Juli gelang es dem IS zwei Selbstmordattentate im Gouvernement auszuführen, weswegen Bagdad die Opferstatistik des Irak in diesem Monat anführte (Joel Wing 5.8.2019). Sowohl am 7. als auch am 16. September wurden jeweils fünf Vorfälle mit "Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen" (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Während der Proteste im Südirak im Oktober 2019, von denen auch Bagdad betroffen war, stoppte der IS seine Angriffe im Gouvernement (Joel Wing 16.10.2019).

Im Juli 2019 wurden vom Irak-Experten Joel Wing im Gouvernement Bagdad 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 15 Toten und 27 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 14 Vorfälle erfasst, mit neun Toten und elf Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 16.10.2019).

AUTONOME REGION KURDISTAN / KURDISCHE REGION IM IRAK

Im Juli 2019 führte der IS seine seit langem erste Attacke auf kurdischem Boden durch. Im Gouvernement Sulaimaniya attackierte er einen Checkpoint an der Grenze zu Diyala, der von Asayish [Anm.:

Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] bemannt war. Der Angriff erfolgte in drei Phasen: Auf einen Schussangriff folgte ein IED-Angriff gegen eintreffende Verstärkung, gefolgt von Mörserbeschuss. Bei diesem Angriff wurden fünf Tote und elf Verletzte registriert (Joel Wing 5.8.2019). Im August wurde in Sulaimaniya ein Vorfall mit einer IED verzeichnet, wobei es keine Opfer gab (Joel Wing 9.9.2019).

Die am 27. Mai initiierte türkische "Operation Claw" gegen Stellungen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Nordirak hält an. Die erste Phase richtete sich gegen Stellungen in der Hakurk/Khakurk-Region im Gouvernement Erbil (Anadolu Agency 13.7.2019; vgl. Rudaw 13.7.2019). Die zweite Phase begann am 12. Juli und zielt auf die Zerstörung von Höhlen und Zufluchtsorten der PKK (Anadolu Agency 13.7.2019). Die türkischen Luftangriffe konzentrierten sich auf die Region Amadiya im Gouvernement Dohuk, von wo aus die PKK häufig operiert (ACLED 17.7.2019). Aktuell befindet sich die Operation in der dritten Phase (ACLED 4.9.2019)

Im Kreuzfeuer wurden in den vergangenen Wochen mehrere kurdische Dörfer evakuiert, da manchmal auch Zivilisten und deren Eigentum bei türkischen Luftangriffen getroffen wurden (ACLED 4.9.2019; vgl. ACLED 7.8.2019).

Am 10. und 11. Juli bombardierte iranische Artillerie mutmaßliche PKK-Ziele im Subdistrikt Sidakan/Bradost im Gouvernement Sulaimaniya, wobei ein Kind getötet wurde (Al Monitor 12.7.2019). In dem Gebiet gibt es häufige Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und iranisch-kurdischen Aufständischen, die ihren Sitz im Irak haben, wie die "Partei für ein Freies Leben in Kurdistan'' (PJAK), die von Teheran beschuldigt wird, mit der PKK in Verbindungen zu stehen (Reuters 12.7.2019).

NORD- UND ZENTRALIRAK

In den sogenannten "umstrittenen Gebieten", die sowohl von Bagdad als auch von der kurdischen Autonomieregion beansprucht werden, und wo es zu erhebliche Sicherheitslücken zwischen den zentralstaatlichen und kurdischen Einheiten kommt, verfügt der IS nach wie vor über operative Kapazitäten, um Angriffe, Bombenanschläge, Morde und Entführungen, durchzuführen (Kurdistan24 7.8.2019). Trotz der Zunahme der Sicherheitsvorfälle im gesamten Irak waren die Zahlen im Laufe des Monats August 2019 für den Zentral-Irak jedoch rückläufig (Joel Wing 9.9.2019).

Im Gouvernement Ninewa wurden im Juli 2019 sechs Vorfälle mit 24 Toten verzeichnet, wobei hier der Fund von 18 Leichen älteren Datums eingerechnet ist (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden neun Vorfälle mit 24 Toten und drei Verwundeten registriert (Joel Wing 9.9.2019). Im September wurden 22 Vorfälle mit 35 Toten und 27 Verletzten registriert, wobei bei fast allen diesen Vorfällen IEDs involviert waren. Außerdem wurde ein Mukhtar ermordet und Mossul mit Mörsergranaten beschossen (Joel Wing 16.10.2019).

Das Gouvernement Diyala zählt regelmäßig zu den Regionen mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen und als die gewalttätigste Region des Irak (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 9.9.2019). Der IS ist stark in der Region vertreten und konnte seine operativen Fähigkeiten erhalten (Joel Wing 5.8.2019). Trotz wiederholter Militäroperationen in Diyala kann sich der IS noch immer in den ausgedehnten Gebieten, die sich vom westlichen Teil Diyalas bis zu den Hamreen Bergen im Norden des Gouvernements erstrecken, sowie in den rauen Gebieten nahe der Grenze zum Iran halten (Xinhua 22.8.2019). Es kommt in Diyala regelmäßig zu Konfrontationen des IS mit Sicherheitskräften und zu Übergriffen auf Städte (Joel Wing 5.8.2019). Einerseits vertreibt der IS Zivilisten aus ländlichen Gebieten, um dort Basen zu errichten, anderseits greift er wiederholt die lokale Verwaltung und Sicherheitskräfte an (Joel Wing 9.9.2019). Ein Hauptproblem Diyalas ist die mangelhafte Kommunikation zwischen den vielen unterschiedlichen Sicherheitsakteuren in der Region (Joel Wing 9.9.2019), andererseits gibt es generell zu wenige Sicherheitskräfte in Diyala, was der IS auszunutzen versteht (Joel Wing 5.8.2019). Der IS hat Zugang zu allen ländlichen Gebieten in Diyala, konzentriert sich aber besonders auf die Bezirke Khanaqin und Jalawla im Nordosten, welche die Zentralregierung nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum von 2017 übernommen hat (Joel Wing 5.8.2019). Die übrigen Vorfälle betreffen hauptsächlich den Norden und das Zentrum von Diyala. Im Süden und Westen gibt es hingegen kaum sicherheitsrelevante Vorfälle (Joel Wing 9.9.2019).

Für Juli 2019 verzeichnete Joel Wing im Gouvernement Diyala 28 sicherheitsrelevante Vorfälle mit elf Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 41 Vorfälle - die höchste Anzahl seit August 2018, mit 21 Toten und 46 Verwundeten registriert (Joel Wing 9.9.2019) und im September 37 Vorfälle mit 21 Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 16.10.2019). Im September schlug der IS in fast allen Distrikten des Gouvernements zu (Joel Wing 16.10.2019).

Im Gouvernement Kirkuk gehen die Zahlen der sicherheitsrelevanten Vorfälle, bis auf wenige Spitzen, kontinuierlich zurück. Im Juli gab es eine Reihe von Raketen- und Mörserangriffen auf Städte und Sicherheitskräfte, ansonsten handelte es ich bei den Vorfällen meist um Schießereien und den Einsatz von IEDs (Joel Wing 5.8.2019). Wie im benachbarten Diyala handelte es si

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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