TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/5 G304 2207548-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2020
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Entscheidungsdatum

05.02.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G304 2207548-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, vertreten durch Kriegsopfer- und Behindertenverband, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 14.09.2018, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) stattgegeben.

Der Gesamtgrad der Behinderung (GdB) wird mit 50% festgestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 09.07.2018 brachte die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Beilagen ein.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 13.08.2018 wird aufgrund der am 13.08.2018 durchgeführten Begutachtung der BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Posttraumatische Belastungsstörung und somatoforme Störungen Unterer Rahmensatzwert, stabil nach Rehabilitationsmaßnahmen bei geplanter Psychotherapie, gute soziale Integration, Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5, Knieschmerzen und sporadisches Restless Legs Syndrom analog VGA mitberücksichtigt, insgesamt aber ohne wesentliche Alltagseinschränkungen

03.04.01

40

2

Hypertonie, Leichte Hypertonie Fixer Rahmensatz, analog VGA

05.01.01

10

3

Allergisch bedingtes Asthma bronchiale Unterer Rahmensatzwert, da stabil, trotz Tabakabhängigkeit, analog VGA

06.05.01

10

4

g.z. 01.01.01 Lipödem beide Beine Fixer Rahmensatzwert, durch Tragen von Kompressionsstrümpfen kompensiert

01.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

 

 

 

Es wurde von einem Dauerzustand ausgegangen.

Folgende "Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten" vom 31.01.2017, in welchem der BF aufgrund ihres mit 50 v.H. eingestuften Hauptleidens "posttraumatische Belastungsstörung und somatoforme Störungen" ein Gesamtbehinderungsgrad von 50 v.H. zuerkannt und hinsichtlich der festgestellten Gesundheitsschädigungen auf keinen Dauerzustand, sondern auf eine Nachuntersuchung im Juni 2018 verwiesen wurde, weil ihr "Grundleiden durch weitere Rehabilitationsmaßnahmen besserungsfähig" sei, wurde abgegeben:

"Gegenüber dem VGA Grundleiden durch Rehabilitationsmaßnahmen gebessert mit guter sozialer Integration. Lipödem der unteren Extremitäten neu und gut rehabilitiert."

Folgende "Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung" wurde angeführt:

"Gegenüber dem VGA unter Mitberücksichtigung des neu beschriebenen Lipödems der unteren Extremitäten nach erfolgreicher Psychorehabilitation insgesamt um 1 Stufe herabgesetzter GdB."

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.09.2018 wurde der Antrag der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und festgestellt, ihr Grad der Behinderung betrage 40 v.H.

Begründend wurde ausgeführt, dass nach dem im Ermittlungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten der Grad der Behinderung 40 v. H. betrage. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem einen Bestandteil der Begründung bildenden Gutachten vom 13.08.2018 zu entnehmen.

Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe, seien die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben. Der Antrag der BF sei daher abzuweisen.

4. Die BF erhob gegen diesen Bescheid innerhalb offener Frist Beschwerde, und erklärte sich unter Bezugnahme auf ihren Gesundheitszustand mit der Herabsetzung ihres Behinderungsgrades nicht für einverstanden und dazu bereit, sich fachärztlich begutachten zu lassen.

5. Am 12.10.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt ein.

6. Mit Schreiben des BVwG vom 28.12.2018, Zahl: G304 2207548-1/2Z, wurde

Dr. XXXX, Facharzt für Neurologie, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Verfügung dem BVwG zu übermitteln.

Mit weiterem Schreiben vom 28.12.2018, Zahl: G304 2207548-1/2Z, wurde

die BF aufgefordert, sich am 25.01.2019 um 14:30 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

7. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 25.01.2019, eingelangt beim BVwG am 02.04.2019, wird nach durchgeführter Begutachtung der BF am 25.01.2019 im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Posttraumatische Belastungsstörung und somatoforme Störung

03.04.01

40

2

Lipödem beide Beine

01.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

 

 

 

Als

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde angeführt:

"Der Gesamtgrad der Behinderung wird durch die GS1 einer posttraumatischen Belastungsstörung und somatoformen Störung gebildet.

Durch die GS2 eines Lipödems kommt es zur Anhebung um eine Stufe."

Folgende "Stellungnahme zu Vorgutachten" wurde abgegeben:

"Aus nervenfachärztlicher Sicht besteht bei einer somatoformen Störung ein negatives Interaktionspotential mit dem diagnostizierten Lipödem der unteren Extremitäten (stigmatisierend), sodass es zur Anhebung um eine Stufe kommt."

8. Mit Verfügung des BVwG vom 15.04.2019, Zahl: G304 2207548-1/4Z, der belangten Behörde am 16.04.2019 und der BF am 19.04.2019 zugestellt, wurde der belangten Behörde und der BF das eingeholte Sachverständigengutachten übermittelt und den Parteien zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung dazu zu nehmen.

9. Mit einem Schreiben der belangten Behörde vom 26.04.2019 wurde dem BVwG mitgeteilt, dass laut Rückmeldung des ärztlichen Dienstes der belangten Behörde das von Dr. XXXX erstelle Sachverständigengutachten vom 25.01.2019 nicht als schlüssig anzusehen sei, und ersucht, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

10. Am 19.09.2019 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, unter Beiziehung des allgemeinmedizinischen Sachverständigen Dr. XXXX mit der BF, ihres Rechtsvertreters und Vertretern der belangten Behörden eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Im Zuge dieser Verhandlung wurde von der verhandelnden Richterin festgehalten, dass im dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Sachverständigengutachten die führende Gesundheitsschädigung der BF "Posttraumatische Belastungsstörung und somatoforme Störungen" mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt und von den übrigen festgestellten Gesundheitsschädigungen GS2 bis 4 mit einem jeweils festgestellten GdB von 10 v.H. jeweils nicht gesteigert worden sei, und hinsichtlich der führenden Gesundheitsschädigung festgehalten worden sei, "gegenüber dem VGA Grundleiden durch Rehabilitationsmaßnahmen gebessert, mit guter sozialer Integration".

Hinsichtlich des im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX, Facharzt für Neurologie, brachten die Vertreter der belangten Behörde Folgendes mit:

"Aus unserer Sicht sind die Ausführungen Dr.is XXXX nicht schlüssig. Zum einen ist es unüblich, dass eine GS mit einem Grad von 10% überhaupt anhebt. Zum zweiten fällt das Lipödem überhaupt nicht in den Fachbereich Neurologie. Letztlich hat Dr. XXXX aber die GS2 und GS3 des Vorgutachtens nicht berücksichtigt, welche noch eher in seinen Fachbereich gefallen wären.

Die Vorgehensweise des Gutachters ist vollkommen unüblich, allenfalls wäre eine seelische Auswirkung des Lipödems in der GS1 zu berücksichtigen gewesen, zumal dort bereits eine somatoforme Störung erwähnt und somit eingerechnet ist. So wie hier vorgegangen wurde, kommt es unserer Ansicht nach zu einer doppelten Anrechnung der seelischen Auswirkungen des Lipödems."

Daraufhin brachte der Rechtsvertreter der BF vor:

"Unserer Ansicht nach hat Dr. XXXX nicht das Lipödem an sich bewertet, sondern dessen seelische Auswirkungen und somit fällt es in seinen Fachbereich. Dieses Lipödem hätte sicherlich in der GS1 hebend mitberücksichtigt werden müssen.

Unserer Ansicht nach hätte somit die GS1 richtigerweise gleich mit 50 v.H. angesetzt werden müssen."

Nach Abgabe einer Stellungnahme des zur Verhandlung beigezogenen Sachverständigen wurde seitens der Vertretung der belangten Behörde mitgeteilt, dass allenfalls mit einem Gutachten aus dem Bereich der Allgemeinmedizin das Auslangen gefunden werden könne.

11. Mit Schreiben des BVwG vom 23.09.2019, Zahl: G304 2207548-1/8Z, wurde

Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, um Erstellung eines Sachverständigengutachtens auf Grundlage der Einschätzungsverordnung ersucht.

Mit weiterem Schreiben vom 23.09.2019, Zahl: G304 2207548-1/8Z, wurde

die BF ersucht, sich am 31.10.2019 (Untersuchungstermin irrtümlich mit "31.10.2019" statt mit "01.11.2019" ausgeschrieben) um 15:30 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

12. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 01.11.2019 wurde nach durchgeführter Begutachtung der BF am 01.11.2019 im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Posttraumatische Belastungsstörung und somatoforme Störungen mit Depression Unterer Richtsatzwert, stabil unter Psychotherapie und gute soziale Integration

03.05.01

40

2

Wirbelsäulenabnützung sämtliche Abschnitte betreffend mit Gefühlsstörungen im Bereich der linken Hand sowie stattgehabte lumbale Bandscheibenoperation ohne neuromotorische Ausfälle. Unterer Richtsatzwert

02.01.02

30

3

Asthma bronchiale mit Übergang in COPD II Unterer Rahmensatz, stabil unter Medikation trotz Tabakabhängigkeit und Allergenkontakt (Tierhaare)

06.06.02

30

4

Beginnende Kniegelenksabnützung beidseits Unterer Richtsatzwert entsprechend der Belastungsschmerzen bei nachgewiesener Abnützung

02.05.19

20

5

Bluthochdruck Fixer Richtsatzwert, leichte Hypertonie mit Monotherapie

05.01.01

10

6

g.z. 01.01.01 Lipödem beide Beine Fixer Richtsatzwert, durch Tragen von Kompressionsstrümpfen kompensiert

01.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

 

 

 

Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde angeführt:

"Die führende GS1 wird durch das Zusammenwirken von GS2 und 3 wegen zusätzlicher Beeinträchtigung im Alltag um 1 Stufe angehoben, da eine somatopsychische wie psychosomatische Wechselwirkung besteht. GS4, 5, und 6 heben nicht weiter an, da keine negative erhöhende Leidensbeeinflussung besteht."

Folgende "Stellungnahme" wurde abgegeben:

"Auf Grund der aktuellen Untersuchung mit intensiver Anamnese ist angeführte Einschätzung vorzuschlagen.

Die Voreinschätzungen und Gutachten nur teilweise als ausreichend und schlüssig zu bezeichnen, daher wurde eine Neueinschätzung durchgeführt."

Hinzugefügt wurde noch:

"Dauerzustand ist gegeben.

Einschätzung gilt ab Antragstellung."

13. Mit Verfügung des BVwG vom 15.11.2019, Zahl: G304 2207548-1/11Z, der belangten Behörde am 22.11.2019 und der BF am 26.11.2019 zugestellt, wurde den Parteien das seitens des BVwG eingeholte Sachverständigengutachten übermittelt und ihnen zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung dazu zu nehmen.

14. Es langte daraufhin am 04.12.2019 beim BVwG ein Schreiben der BF vom 03.12.2019 ein, in welchem mitgeteilt wurde, gegen das vorgehaltene Sachverständigengutachten vom 01.11.2019 keinen Einwand zu erheben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist österreichische Staatsbürgerin mit Hauptwohnsitz in Österreich.

1.2. Ihr GdB beträgt 50 v. H.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden: VwGH) muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zu Grund gelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

2.3. Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Dr. XXXX schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf. In diesem Gutachten wird auf die Art und Leiden der BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Den Gesamtgrad der Behinderung begründend führte der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass die mit 40 v.H. eingeschätzte führende Gesundheitsschädigung "Posttraumatische Belastungsstörung und somatoforme Störungen mit Depression" durch das Zusammenwirken der Gesundheitsschädigungen 2 und 3 ("Wirbelsäulenabnützung (...)" und "Asthma bronchiale mit Übergang in COPD II") wegen zusätzlicher Beeinträchtigung im Alltag und somatopsychischer und psychosomatischer Wechselwirkung um eine Stufe angehoben wird.

Die BF erhob gegen das ihr vorgehaltene Sachverständigengutachten vom 01.11.2019 keinen Einwand.

Das Sachverständigengutachten vom 01.11.2019 wird folglich in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des BVwG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - im Folgenden: BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - im Folgenden: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchteil A): Stattgebung der Beschwerde:

3.2.1. Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderungen in den Voraussetzungen zu erwarten sind.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird. (§ 45 Abs. 2 BBG)

3.2.2. Wie unter Punkt 2.3. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten vom 01.11.2019, welches seitens des BVwG als schlüssig und nachvollziehbar gewertet wird und in welchem der GdB der BF mit 50 v. H. eingeschätzt wurde, zugrunde gelegt.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde der GdB der BF unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen unter Berücksichtigung der aktenmäßigen Befunde festgesetzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens vom 01.11.2019, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2207548.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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