TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/29 98/16/0106

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Veröffentlicht am 29.04.1998
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Index

E1E;
E1N;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
59/04 EU - EWR;

Norm

11992E009 EGV Art9;
11994N/TTE/02 EU-Beitrittsvertrag Vertrag Art2;
FinStrG §35 Abs1;
FinStrG §4 Abs2;
MRK Art7 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des JR in S, Deutschland, vertreten durch Udo Krause u.a., Rechtsanwälte in Laufen, Deutschland (Zustellungsbevollmächtigter: Dr. Karl Wampl, Rechtsanwalt in Salzburg, Künstlerhausgasse 4), gegen den Bescheid des Berufungssenates bei der Finanzlandesdirektion für Salzburg als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 12. September 1997, Zl. 16/3/2-GA6-ZoW/96, betreffend eine Finanzstrafsache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Erkenntnis des Zollamtes Salzburg als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 27. Oktober 1995 wurde der Beschwerdeführer des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG, teilweise in Verbindung mit § 13 FinStrG, für schuldig erkannt, weil er vor dem 1. Jänner 1995 (ein genauerer Zeitpunkt ist weder dem angefochtenen Bescheid noch der Beschwerde zu entnehmen) insgesamt sieben Fahrräder aus Deutschland in das Zollgebiet eingeschmuggelt hat. Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 40.000,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von S 20.000,-- verhängt und außerdem wurden vier Fahrräder gemäß § 35 Abs. 4 in Verbindung mit § 17 FinStrG für verfallen erklärt und hinsichtlich eines weiteren Fahrrades auf anteiligen Wertersatz in Höhe von S 17.234,-- erkannt. Für die verfallen erklärten Fahrräder wurde gemäß § 19 Abs. 2 FinStrG der Wertersatz mit S 90.967,-- bestimmt.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde einer dagegen gerichteten Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 FinStrG wurde ausgeführt, daß die Rückwirkung des "milderen Gesetzes" nur dann maßgeblich sein könne, wenn die bezughabende Strafbestimmung zur Gänze aufgehoben oder die Strafdrohung herabgesetzt werde. Der Tatbestand des § 35 Abs. 1 FinStrG sei durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union nicht aufgehoben worden. Es sei zwar richtig, daß es zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union keinen Schmuggel mehr geben könne, es könnten aber nach wie vor aus einem Drittstaat Waren nach Österreich geschmuggelt werden. Der Beschuldigte habe seine Taten vor dem 1. Jänner 1995 begangen, sodaß das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 2 FinStrG nicht zur Anwendung komme.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer erkennbar in seinem Recht auf Nichtbestrafung zufolge Anwendung des § 4 Abs. 2 FinStrG verletzt erachtet, weil sein Verhalten nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union nicht mehr strafbar wäre.

Gemäß § 4 Abs. 2 FinStrG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Entscheidung erster Instanz geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.

Der Beschwerdeführer wurde des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt.

§ 35 Abs. 1 FinStrG hatte ursprünglich folgenden Wortlaut:

"(1) Des Schmuggels macht sich schuldig, wer eingans- oder ausgangsabgabenpflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzieht."

Mit Art. X Z. 7 des Abgabenänderungsgesetzes 1994, BGBl. Nr. 681, wurden zum Zwecke der Anpassung an das Zollrecht der Europäischen Union in § 35 Abs. 1 FinStrG Anpassungen an das Zollschuldrecht des ZK vorgenommen (vgl. dazu den Bericht des Finanzausschusses, 1816 der BlG. z. d. Sten. Prot. des NR XVIII.GP) und der Text der zitierten Gesetzesstelle neu gefaßt wie folgt:

"(1) Des Schmuggels macht sich schuldig, wer eingangs- oder ausgangsabgabenpflichtige Waren vorsätzlich dem Zollverfahren oder sonst der zollamtlichen Überwachung entzieht."

In dieser - mittlerweile durch das BG BGBl. I Nr. 421/1996 neuerlich geänderten - Fassung galt die Bestimmung im Zeitpunkt der Entscheidung der Finanzstrafbehörde erster Instanz.

Der Beschwerdeführer behauptet nicht und es ergibt sich auch nicht aus dem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Sachverhalt, daß die Anwendung der Neufassung des § 35 Abs. 1 FinStrG für den Beschwerdeführer günstiger war; die Strafbestimmung erfaßt primär auch den Fall, daß Waren dem Zollverfahren überhaupt entzogen werden, wobei es seit der Novelle BGBl. 681/1994 nicht mehr darauf ankommt, auf welche Art und Weise die Entziehung bewirkt wird (hg. Erkenntnis vom 30. März 1998, Zl. 97/16/0425).

Vielmehr macht der Beschwerdeführer geltend, daß sein Verhalten, wäre es nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union gesetzt worden, nicht mehr strafbar im Sinne des § 35 Abs. 1 FinStrG gewesen wäre, weshalb aufgrund des § 4 Abs. 2 FinStrG keine Bestrafung erfolgen dürfe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit den Auswirkungen des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union auf Finanzstrafverfahren hinsichtlich von Taten, die vor dem Beitritt gesetzt worden sind, schon in zwei Erkenntnissen auseinandergesetzt. Eine Änderung außerstrafrechtlicher Normen bringt den einmal entstandenen Strafanspruch, wie sich auch aus einem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 19. März 1991, 11 Os 130/90 ergibt, nicht zum Erlöschen (hg. Erkenntnis vom 19. März 1997, Zl. 96/16/0125). Die Günstigkeitsregel des § 4 Abs. 2 FinStrG betrifft immer nur die Frage geänderter strafgesetzlicher Vorschriften, greift jedoch nicht Platz, wenn sich die der Tat zugrundeliegenden abgabenrechtlichen Normen ändern. Die Frage der Steuerpflicht ist ungeachtet späterer Rechtsänderungen immer nach Maßgabe der zur Tatzeit geltenden Vorschriften zu beurteilen und vermag eine nachträgliche außerstrafrechtliche Gesetzesänderung einer bereits eingetretenen Strafbarkeit keinen Abbruch zu tun (hg. Erkenntnis vom 25. September 1997, Zl. 96/16/0108 m.w.N.). Ohne daß es hier einer Würdigung der im angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Rechtsansicht bedarf, wonach es seit dem Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union rechtlich gesehen unmöglich wäre, den Tatbestand des § 35 Abs. 1 FinStrG zu begehen (siehe Art. 1 Abs. 1 UStG 1994), kommt es hier allein darauf an, daß die Strafbestimmung keine begünstigende Änderung erfahren hat.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde in Anwendung des § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998160106.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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