TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/24 W156 2226552-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

24.02.2020

Norm

AuslBG §32a
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W156 2226552-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Kurt Zangerle als Beisitzer über die Beschwerde des Herrn P XXXX M XXXX , geb. XXXX , vertreten durch RA Mag. Timo Gerersdorfer, gegen den Bescheid des AMS, Wien Esteplatz vom 04.10.2019, Zl. RGS XXXX zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid

behoben und gemäß § 32a Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 AuslBG bestätigt, dass P XXXX M XXXX , geb. XXXX , unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat (Freizügigkeitsbestätigung).

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte gemäß § 32a Abs. 4 AuslBG an das AMS den Antrag auf Freizügigkeitsbestätigung für kroatische Staatsangehörige. Dem Antrag beigelegt war:

-

die Kopie eines Reisepasses des Beschwerdeführers,

-

Aufenthaltskarte

-

Beschluss über die Scheidung im Einvernehmen

2. Das AMS hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass kein Nachweis erbracht worden sei, dass die aktuelle Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers noch aufgrund der Scheidung noch Gültigkeit besitze.

3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

4. Mit Schreiben vom 30.01.2020 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha die Gültigkeit der Aufenthaltskarte für Angehörige von EWR-Bürgern des Beschwerdeführers bis zu 14.09.2021 bestätigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger. Er war seit XXXX mit der kroatischen Staatsbürgerin Z XXXX M XXXX , geboren am XXXX , verheiratet. Die Ehe wurde mit Urteil des Bezirksgerichts L XXXX , GZ. XXXX , mit Rechtskraft ab 16.08.2018 geschieden. Das Ehepaar war von 10.04.2015 bis 05.06.2015 in XXXX VXXXX, B XXXX straße XXXX , und von 10.05.2016 bis 04.04.2018 XXXX L XXXX , P XXXX straße XXXX , gemeinsam in Österreich gemeldet.

Die geschiedenen Ehegatten sind weiterhin in Österreich an verschiedenen Wohnsitzen aufrecht gemeldet.

Der Beschwerdeführer ist im Besitz einer gültigen Aufenthaltsberechtigung mit der Nummer XXXX gemäß § 54 NAG bis zum 14.09.2021.

Der Beschwerdeführer ist in einer aufrechten unselbständigen Beschäftigung.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt des AMS und dem Vorbringen der Parteien und den durch das BVwG eingeholten Auskünften (Versicherungsdatenauszug des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, Auszüge aus dem Zentrales Melderegister, Anfrage bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha); da es sich dabei um dem BF bekannte Daten handelt, war kein Parteiengehör zu den Auszügen zu geben.

3. Rechtliche Würdigung

3.1. Gesetzliche Bestimmungen:

Auszug aus der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Unionsbürger-Richtlinie),

Artikel 13

Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder bei Beendigung der eingetragenen Partnerschaft

(1) Unbeschadet von Unterabsatz 2 berührt die Scheidung oder Aufhebung der Ehe des Unionsbürgers oder die Beendigung seiner eingetragenen Partnerschaft im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b nicht das Aufenthaltsrecht seiner Familienangehörigen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen.

Bevor die Betroffenen das Recht auf Daueraufenthalt erwerben, müssen sie die Voraussetzungen des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe a, b, c oder d erfüllen.

(2) Unbeschadet von Unterabsatz 2 führt die Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder die Beendigung der eingetragenen Partnerschaft im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts, wenn

a) die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens oder bis zur Beendigung der eingetragenen Partnerschaft mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Aufnahmemitgliedstaat,

Artikel 14

Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts

(1) ...

(2) Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach den Artikeln 7, 12 und 13 zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen.

In bestimmten Fällen, in denen begründete Zweifel bestehen, ob der Unionsbürger oder seine Familienangehörigen die Voraussetzungen der Artikel 7, 12 und 13 erfüllen, können die Mitgliedstaaten prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Prüfung wird nicht systematisch durchgeführt.

Die im vorliegenden Fall anzuwendenden maßgebenden Bestimmungen des AuslBG in der geltenden Fassung lauten:

§ 1

"Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Beschäftigung von Ausländern (§ 2) im Bundesgebiet.

(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind nicht anzuwenden auf

a) bis j) ...

l) Ausländer, die aufgrund eines Rechtsaktes der Europäischen Union Arbeitnehmerfreizügigkeit genießen;

m) ..."

§ 32a:

"Übergangsbestimmungen zur EU-Erweiterung

§ 32a. (1) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die am 1. Jänner 2007 aufgrund des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (Beitrittsvertrag von Luxemburg), Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 157 vom 21. Juni 2005, Seite 11, der Europäischen Union beigetreten sind, genießen keine Arbeitnehmerfreizügigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. l, es sei denn, sie sind Angehörige eines gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigten Staatsangehörigen eines anderen EWR-Mitgliedstaates gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG.

(2) EU-Bürger gemäß Abs. 1 haben unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie

1. am Tag des Beitritts oder nach dem Beitritt rechtmäßig im Bundesgebiet beschäftigt sind und ununterbrochen mindestens zwölf Monate zum Arbeitsmarkt zugelassen waren oder

2. die Voraussetzungen des § 15 sinngemäß erfüllen oder

3. seit fünf Jahren im Bundesgebiet dauernd niedergelassen sind und über ein regelmäßiges Einkommen aus erlaubter Erwerbstätigkeit verfügen.

(3) Ehegatten und eingetragene Partner von EU-Bürgern gemäß Abs. 2 und deren Verwandte in gerader absteigender Linie, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und darüber hinaus, sofern ihnen von diesen Unterhalt gewährt wird, haben unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie mit diesen einen gemeinsamen rechtmäßigen Wohnsitz im Bundesgebiet haben.

(4) Das Recht auf unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt gemäß Abs. 2 und 3 ist von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu bestätigen. Die Bestätigung ist vor Beginn der Beschäftigung einzuholen. Der Arbeitgeber hat eine Ausfertigung der Bestätigung im Betrieb zur Einsichtnahme bereitzuhalten. Die Bestätigung erlischt bei Ausreise aus dem Bundesgebiet aus einem nicht nur vorübergehenden Grunde.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 72/2013)

(6) bis (10) ...

(11) Aufgrund des Vertrages über den Beitritt der Republik Kroatien zur Europäischen Union, ABL. Nr. L 112 vom 24.04.2012 S. 10, gelten die Abs. 1 bis 9 ab dem EU-Beitritt Kroatiens sinngemäß für Staatsangehörige der Republik Kroatien und für Arbeitgeber mit Betriebssitz in der Republik Kroatien. Kroatischen Staatsangehörigen, die bis zum Beitritt gemäß § 17 zur Ausübung einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet berechtigt waren, ist ohne weitere Prüfung ein unbeschränkter Arbeitsmarktzugang zu bestätigen. Die Abs. 3 und 4 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass den dort genannten Familienangehörigen in den ersten zwei Jahren ab dem Beitritt unbeschränkter Arbeitsmarktzugang nur dann zu bestätigen ist, wenn sie mit dem kroatischen Staatsangehörigen, der bereits unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat, am Tag des Beitritts oder, sofern sie erst später nachziehen, mindestens achtzehn Monate einen gemeinsamen rechtmäßigen Wohnsitz im Bundesgebiet hatten. Diese Frist entfällt, wenn der kroatische Staatsangehörige bis zum Beitritt über eine "Rot-Weiß-Rot - Karte", eine "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", eine "Blaue Karte EU" oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" verfügt hat.

(11a) und (12) ..."

3.1.5 Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes:

§ 52 AuslBG: Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern

(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

...

§ 54 NAG:

1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

2. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären

Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.

(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die

Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.

(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und

1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;

4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere, weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder

5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.

(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.

3.2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Es ist hier zu klären, ob dem Beschwerdeführer Arbeitnehmerfreizügigkeit nach EU-rechtlichen Bestimmungen zukommt und daher die belangte Behörde die entsprechende Bestätigung auszustellen hat, dass er von der Anwendung des AuslBG ausgenommen ist.

Die Freizügigkeit bedeutet zum einen, dass jeder Unionsbürger grundsätzlich das Recht hat, sich in der Europäischen Union frei zu bewegen, in jeden anderen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Dieses Recht ist in Artikel 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantiert. Neben dieser aufenthaltsrechtlichen Komponente bedeutet Freizügigkeit im Binnenmarkt, sich in jedem Mitgliedstaat wirtschaftlich betätigen zu können, also unselbständig oder selbständig, dauerhaft oder vorübergehend tätig zu sein.

Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-BürgerInnen bzw. SchweizerInnen, oder von ÖsterreicherInnen, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, die selbst Drittstaatsangehörige sind, haben ebenfalls ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht und genießen Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie erhalten auf Antrag eine "Aufenthaltskarte" und nach fünf Jahren ununterbrochenem rechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet eine "Daueraufenthaltskarte" (die auch als Identitätsdokument gilt).

Als ein Rechtsakt im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG ist die RL 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) zu verstehen. Sie legt in Art. 23 fest, dass die Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt in einem Mitgliedstaat genießen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit berechtigt sind, dort eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger aufzunehmen.

Somit bezieht sich § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG sowohl auf Unionsbürger als auch auf deren Angehörige ohne Unionsbürgerschaft (vgl. Deutsch/Nowotny/Seitz, Ausländerbeschäftigungsgesetz2 [2018] § 1 Rz 27, 29).

Als Familienangehörige gelten nach Art. 2 Z. 2 lit. a und c der genannten RL unter anderem die Ehegatten sowie die Verwandten in gerader absteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten (also auch Kinder und Stiefkinder), die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Gemäß Art 13. der genannten RL führt die Scheidung oder Aufhebung der Ehe für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts, wenn die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Aufnahmemitgliedstaat.

Der Beschwerdeführer ist Drittstaatsangehöriger, der zu seiner nunmehr geschiedenen Ehegattin in Österreich aufenthaltsberechtigten kroatischen Staatsangehörigen, die ihr Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen habe, nach Österreich gezogen ist und daher der Aufenthalt bereits aufgrund der Eheschließung rechtmäßig war.

In seinem Erkenntnis vom 25.02.2010, ZL. 2008/09/0181, führt der Verwaltungsgerichtshof folgendes aus:

"Die bis zum 30. August 2006 umzusetzende Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten ("Unionsbürger-Richtlinie") gewährt in ihrem Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Z. 2 lit. a einem drittstaatsangehörigen Ehegatten eines Unionsbürgers, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, das unmittelbare Recht, sich wie dieser frei zu bewegen und aufzuhalten, wenn er diesen begleitet oder ihm nachzieht.

Das in § 55 Abs. 1 iVm den §§ 51, 52 und 54 NAG genannte Niederlassungsrecht ist unmittelbar im Gemeinschaftsrecht begründet und wird innerstaatlich nicht verliehen, sondern nur dokumentiert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, 2006/21/0330, Kutscher/Poschalko/Schmalzl, Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht, 2006, 40ff; siehe auch etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. April 2001, Zl. 2000/19/0017, und vom 22. September 2009, Zl. 2008/22/0064).

Auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeutet dies:

Der Beschwerdeführer ist Ehemann einer kroatischen Staatsbürgerin, die ihr Recht auf Freizügigkeit geltend gemacht hat. Der Beschwerdeführer ist als serbischer Staatsangehöriger Drittstaatsangehöriger.

Da in der Zeit, als der Beschwerdeführer mit seiner Ex-Ehefrau in aufrechter Ehe lebte, ein gemeinsamer Wohnsitz bestand, wurde die Voraussetzung des § 32a Abs. 3 AuslBG bereits zu diesem Zeitpunkt erfüllt und ging in Folge auch nicht verloren, da die Freizügigkeit auch geschiedenen Ehegatten zukommt, wenn die Ehe 3 Jahre gedauert hat, davon 1 Jahr in Österreich (vgl. § 54 Abs. 5 NAG). Grundvoraussetzung für die Arbeitnehmerfreizügigkeit eines drittstaatangehörigen Angehörigen ist, dass sich der EWR-Bürger/die EWR-Bürgerin, von dem sie das Recht ableiten, weiterhin in Österreich aufhält.

Es ist daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer von seiner geschiedenen Ehegattin, die "Ankerperson" seine Freizügigkeit auch nach Beendigung der Ehe weiter ableiten kann, da diese weiterhin in Österreich aufhältig ist.

Daher kann sich der Beschwerdeführer auch auf das aus Art. 23 der Unionbürgersrichtlinie erfließende an das Aufenthaltsrecht anknüpfende Recht auf Beschäftigung berufen.

Unter Zugrundelegung der Unionsbürger-Richtlinie und in Anwendung des § 54 Abs. 1 NAG kommt dem Beschwerdeführer daher unabhängig von seinem derzeitigen Aufenthaltsstatus die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG jedenfalls zugute.

Der Ordnung halber wird noch angeführt, dass der Beschwerdeführer auch gemäß § 15 Abs. 2 AuslBG als fortgeschritten integriert anzusehen ist, da er bereits erlaubt im Bundesgebiet beschäftigt war.

Somit ist der Beschwerde Folge zu geben und gemäß § 32a Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 AuslBG zu bestätigen, dass der Beschwerdeführer unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat (Freizügigkeitsbestätigung).

Das entsprechende Dokument "Freizügigkeitsbestätigung" ist von der belangten Behörde auszustellen. Eines eigenen Ausspruches darüber bedarf es nicht. Diese Verpflichtung der Behörde besteht ex lege (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. überarbeitete Auflage, § 28 VwGVG K 39).

3.3.Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde zwar beantragt, das Gericht kann aber davon absehen:

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht zudem von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und in der Beschwerde nicht bestritten wurde. Die Aktlage des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.

Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, Ehe, Freizügigkeitsbestätigung, Richtlinie,
Scheidung, Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2226552.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten