Entscheidungsdatum
06.03.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I413 2220451-1/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Heike MORODER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 21.05.2019, Zl. 21004669100044, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 22.04.2019 (eingelangt am 24.04.2019) beantragte die Beschwerdeführerin die Ausstellung eines Behindertenpasses.
2. Die belangte Behörde nahm durch die amtliche Sachverständige XXXX das Gutachten vom 09.05.2019 auf, in welchen diese zusammengefasst zu nachstehendem "Ergebnis der durchgeführten Begutachtung" gelangte:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades Dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen mit maßgeblichen Einschränkungen im Alltag, sowie Gehbehinderung bei Z.n. interarcuarer Fensterung L2/3 rechts, Laminektomie L3 und L4 und Implantation einer dorsalen Spondylodese L2-L5 bei Vertebrostenose L2/3 und L3/4 bei degenerativer Lumbalsskolliose am 19.02.2018, Z.n. Schulteroperation bds. (rechts 3x, links 1x - Schulterprothesenimplantation links war 20.12.2017 geplant), Z.n. Sprunggelenksbruch rechts, Z.n. Meniskusoperation rechts, Z.n. Laninektomie 2/2004 bei Vertebrostenose TH 11/12 und Ganglionzyste OP BWK 11/12 bei Kompression des Myelons 2009, Schwäche im Bein, Gehen ist mit einer Krücke möglich, alternierendes Stiegensteigen ebenfalls
02.02.03
60
2
Affektive Störungen; Manische, depressive und bipolare Störungen, Depressive Störung - Dysthymie - leichten Grades Manische Störung - Hypomanie - leichten Grades Depression unter Medikation stabil
03.06.01.
20
3
Ableitende Harnwege und Nieren, Entleerungsstörung der Blase und der Harnröhre leichten bis mittleren Grades Belastungsinkontinenz bei Z.n. Inkontinenz OP, Beckenbodenschwäche
08.01.06.
20
4
Endokrine Störung, endokrine Störungen leichten Grades med. einfach zu subst. Schilddrüsenunterfunktion
09.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der GdB durch Leiden 1 erhöht sich durch Leiden 2-3 nicht, da keine negative wechselseitige Beeinflussung vorliegt. Leiden 4 erhöht den GdB nicht, da von geringer funktioneller Relevanz ist. [...]
Begründung für die Änderung des Gesamtgrade der Behinderung:
X
Dauerzustand
.
Nachuntersuchung -
[...]
Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine: eine kurze Gehstrecke kann bewältigt werden, das Ein-/Aussteigen in/aus ÖFFIS ist möglich und der Transport in ÖFFIS ist nicht mit Gefahren für die Antragstellerin verbunden. [...]"
3. Mit Schreiben vom 21.05.2019 übermittelte die belangte Behörde das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und kündigte an, der Beschwerdeführerin den Behindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 60 % auszustellen. Mit Schreiben vom 23.05.2019 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den Behindertenausweis.
4. Gegen diesen Behindertenausweis richtet sich die Beschwerde vom 12.06.2019.
5. Mit Schreiben vom 25.06.2019 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
6. Mit Schreiben vom 26.06.2019 forderte das Bundesverwaltungsgericht Belege für das Beschwerdevorbringen der Verschlechterung des Gesundheitszustandes vorzulegen.
7. Mit Eingabe vom 08.07.2019 (eingelangt am 10.07.2019) erstattete die Beschwerdeführerin ein Vorbringen und legte den Entlassungsbrief vom 14.06.2019 der Universitätsklinik für Frauenheilkunde vor.
8. Mit Schreiben vom 11.07.2019 zog das Bundesverwaltungsgericht die amtliche Sachverständige XXXX bei und ersuchte diese um Abgabe von Befund und Gutachten zu nachstehendem Beweisthema: - Hat sich der Zustand der Beschwerdeführerin im letzten Jahr verschlechtert und wenn ja, in wie fern? - Wurde die allenfalls festgestellte Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Gutachten vom 09.05.2019 berücksichtigt? - Falls die allenfalls festgestellte Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Gutachten vom 09.05.2019 berücksichtigt wurde und vor Begutachtungszeitpunkt schon vorlag, wie ist der Grad der Behinderung nach der EVO einzuschätzen?
-
Ergänzend gibt die Beschwerdeführerin an, ein Bruch der linken Seite der Hüfte sei nicht erkannt worden und dieser Bruch sei der Grund für die Schmerzen. Ist dies zutreffend?
-
Von wann datiert die behauptete Hüftverletzung? Sind die hierdurch feststellbaren Leiden bereits im Grad der Behinderung gemäß dem Gutachten vom 09.05.2019 berücksichtigt?
-
Welchen Grad der Behinderung erreichen die Leiden/Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin nach der EVO aus fachlicher Sicht?
9. Am 30.07.2019 legte die Beschwerdeführerin weitere ärztliche Befunde vor, welche der Amtssachverständigen mit Schreiben vom 31.07.2019 weitergleitet wurden.
10. Die Amtssachverständige erstatte am 12.08.2019, eingelangt am 13.08.2019, ihr schriftliches Gutachten, in welchem sie zusammengefasst zu folgenden Ergebnissen kam: "[...] Die neu eingebrachten Befunde ergeben keine Änderung der Einschätzung vom Gutachten vom 09.05.2019: 1. Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades, Pos.Nr. 02.02.03, 60 % GdB 2. Affektive Störungen; manische, depressive und bipolare Störungen, depressive Störung - Dysthymie - leichten Grades Manische Störung - Hypomanie - leichten Grades, Pos.Nr. 03.06.01, 20 % GdB 3. Ableitende Harnwege und Nieren, Entleerungsstörung der Blase und der Harnröhre leichten bis mittleren Grades, Pos.Nr. 08.01.06, 20 % GdB 4. Endokrine Störung, endokrine Störungen leichten Grades, Pos.Nr. 09.01.01. 10 % GdB
Gesamtgrad 60 % Ad Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel: Laut Arztbrief des orthopädischen Rehaaufenthalt 01/2019 hat sich das Gehen verbessert: es sind nun 15 Minuten mit 1 Krücke möglich, ebenso alternierendes Stiegensteigen. Der Schmerz konnte verringert werden. Die Beschwerden der übrigen Gelenke sind deutlich in den Hintergrund getreten. Im ärztlichen Entlassungsbericht dieser Reha wird auf Seite 4 unter Hobbies angegeben: Spazieren gehen.
in dem aktuellen MR der LWS vom 10.07.2019 besteht keine sicher abgrenzbare Nervenwurzelbehandlung. Reaktionsloses Osteosynthesematerial, gering rückläufiges Liquorkissen L3/4. Bei der Untersuchung von XXXX am 18.07.2019 gibt XXXX unveränderte Schmerzen L4 links an. Aus o.a. Feststellungen läßt sich schließend:
eine kurze Gehstrecke kann bewältigt werden, das Ein-/Aussteigen in/aus ÖFFIS ist möglich und der Transport in ÖFFIS ist nicht mit Gefahren für die Antragstellerin verbunden."
11. Mit Schreiben vom 14.08.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien das aufgenommene Gutachten und ermöglichte diesen, hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Es wurden keine Stellungnahmen abgegeben.
12. Am 17.09.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, in der das aufgenommene Gutachten vom 12.08.2019 erörtert und die Beschwerdeführerin zu ihren Leiden und Gebrechen einvernommen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht beschloss in dieser Verhandlung, die Amtssachverständige mit der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin zu betrauen und auf dieser Basis ihr Gutachten gegebenenfalls zu ergänzen.
13. Mit Schreiben vom 01.10.2019 beauftragte das Bundesverwaltungsgericht die Amtssachverständige ihr Gutachten vom 12.08.2019 durch Befundaufnahme aufgrund persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin und zur Klärung nachstehender Fragestellungen zu ergänzen: 1. Die Beschwerdeführerin gibt an, große Schmerzen im Oberschenkel und Fuß links zu haben, welche sie beim Gehen belasten. Besteht aus orthopädischer Sicht eine funktionelle Einschränkung am Oberschenkel bzw Bein? 2. Resultieren die Schmerzen von einer etwaig festgestellten Funktionseinschränkung oder sind diese aus fachlicher Sicht als eigenständige Symptomatik festzustellen? Sollte dies der Fall sein, mit welchem Grad der Behinderung wäre dieses Leiden aus fachlicher Sicht einzuschätzen? 3. Hindern die besagten Schmerzen die Beschwerdeführerin am Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke oder am Ein- und Aussteigen und an einem sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel? 4. Die Beschwerdeführerin gibt an, ihr Fuß halte sie nicht. Ist das aus fachlicher Sicht objektivierbar? 5. Sollte die Angabe der Beschwerdeführerin, dass sie ihr Fuß nicht halte, objektivierbar sein, ist dieses Leiden/diese Funktionseinschränkung bereits im vorliegenden Gutachten hinsichtlich der Einschätzung des Grades der Behinderung nach der EVO berücksichtigt? Wenn nein, wie ist der Grad der Behinderung unter der Berücksichtigung dieses Leidens/dieser Funktionseinschränkung nach der EVO einzuschätzen? 6. Sollte die Angabe der Beschwerdeführerin, dass sie ihr Fuß nicht halte, objektivierbar sein, hindert dieses Leiden/diese Funktionseinschränkung die Beschwerdeführerin am Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke oder am Ein- und Aussteigen und an einem sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel? 7. Ergeben sich aufgrund der ergänzenden Begutachtung Änderungen im Gesamtgrad der Behinderung, wenn ja, wie ist er einzuschätzen?
14. In ihrem am 17.12.2019 eingelangten Gutachten vom 12.12.2019 kommt die Amtssachverständige zusammengefasst zu folgenden Ergebnissen: 1. Die Beschwerdeführerin gibt an, große Schmerzen im Oberschenkel und Fuß links zu haben, welche sie beim Gehen belasten. Besteht aus orthopädischer Sicht eine funktionelle Einschränkung am Oberschenkel bzw Bein? Bei Z.n. Spondylodese L2-L5 mit Dekompression besteht eine persist. L4 Radikulopathei bds. Linksbetont, mit Sensibilitätsstörung und Schmerzen. Die Beweglichkeit beider Hüften ist deutlich eingeschränkt, insbesondere die Beugung, welche eine Schmerzauslöung im Kreuz zur Folge hat. Im Arztbrief der Neurochirugie vom 15.11.2018 wird beschrieben, dass die EMG Untersuchung eine deutliche Denervierung der L3 und L4 innervierten Muskulatur links zeigt. Radiologisch besteht eine geringe Abnützung beider Hüften. In der Untersuchung zeigte sich bei der Begutachtung eine geringe Abschwächung von Hüftbeugung und Kniestreckung links im Seitenvergleich, was zur EMG Befundung passt. Anamnestisch wird auch eine Schwäche beider Beine beim Gehen angegeben, sodass außer Haus 2 Krücken verwendet werden müssen. Dies wird zum Zeitpunkt der Begutachtung nun anders angegeben, als im Arztbrief des Rehazentrums
XXXX vom 08.02.2019, wo es heißt, Frau XXXX ist mit einer UAG 15 Minuten gehfähig. Insgesamt resultieren die Beschwerden an den Beinen nicht von patholog. Befunden an den Beinen selbst, sondern werden durch die degenerativen und postoperativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule bedingt. 2. Resultieren die Schmerzen von einer etwaig festgestellten Funktionseinschränkung oder sind diese aus fachlicher Sicht als eigenständige Symptomatik festzustellen? Sollte dies der Fall sein, mit welchem Grad der Behinderung wäre dieses Leiden aus fachlicher Sicht einzuschätzen? Die Funktionseinschränkung der Beine (Schmerzen und Sensibilitätsstörung, sowie Schwäche beim Gehen) wird weitestgehend durch die bestehenden Veränderungen der Wirbelsäule (Z.n. Versteifungsoperation bei deg. Lumalskoliose) bedingt. Die Abnützungen der Hüftgelenke sind gering. Die Beweglichkeit der Kniegelenke ist mit 120° Beugung gut, an den Knöcheln finden sich geringe Ödeme, ansonsten altersentsprechender Befund. 3. Hindern die besagten Schmerzen die Beschwerdeführerin am Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke oder am Ein- und Aussteigen und an einem sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel? Anders als in den bisher einsehbaren Dokumenten angegeben muss Frau XXXX außer Haus stets 2 Krücken verwenden, auch damit sind nur kurze Strecken bewältigbar. Auch im Rahmen der Untersuchung wird für die 3 Meter vom Schreibtisch zur Liege eine Hilfsperson und eine Krücke benötigt. Das Gangbild ist sehr schlecht, hinkend und langsam. Somit ist sowohl der Weg zu öffentlichen Verkehrsmitteln, als auch das Ein- und Aussteigen erheblich erschwert. 4. Die Beschwerdeführerin gibt an, ihr Fuß halte sie nicht. Ist das aus fachlicher Sicht objektivierbar? In der klinischen Untersuchung ist eine geringe Parese bzgl. Hüftbeugung und Kniestreckung links fassbar (KG4). Diese Schwäche kann sich unter den bei Belastung auftretenden Schmerzen soweit verstärken, dass das linke Bein ausläßt. 5. Sollte die Angabe der Beschwerdeführerin, dass sie ihr Fuß nicht halte, objektivierbar sein, ist dieses Leiden/diese Funktionseinschränkung bereits im vorliegenden Gutachten hinsichtlich der Einschätzung des Grades der Behinderung nach der EVO berücksichtigt? Wenn nein, wie ist der Grad der Behinderung unter der Berücksichtigung dieses Leidens/dieser Funktionseinschränkung nach der EVO einzuschätzen? Die aus den Wirbelsäulenbeschwerden resultierende Schwäche ist Teil der bereits unter 02.02.03, 60 % GdB erfassten Funktionsstörung und wird nicht gesondert bewertet.
6. Sollte die Angabe der Beschwerdeführerin, dass sie ihr Fuß nicht halte, objektivierbar sein, hindert dieses Leiden/diese Funktionseinschränkung die Beschwerdeführerin am Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke oder am Ein- und Aussteigen und an einem sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel? Aufgrund der angegebenen Schmerzen und Schwäche müssen ständig außer Haus 2 Krücken verwendet werden. Somit sind das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel erheblich erschwert.
7. Ergeben sich aufgrund der ergänzenden Begutachtung Änderungen im Gesamtgrad der Behinderung, wenn ja, wie ist er einzuschätzen? Der GdB bleibt unverändert aufrecht."
15. Mit Schreiben vom 19.12.2019 wurde das Gutachten vom 12.12.2019 den Parteien übermittelt und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer Frist von 4 Wochen hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Es langten keine Stellungnahmen ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der in Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.
Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und hat ihren Wohnsitz in Kufstein.
Die Beschwerdeführerin leidet an generalisierten Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades einer depressiven Störung - Dysthymie - leichten Grades, einer Manischen Störung - Hypomanie - leichten Grades, an einer Entleerungsstörung der Blase und der Harnröhre leichten bis mittleren Grades sowie an endokrinen Störungen leichten Grades (Schilddrüsenüberfunktion).
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 v.H.
Die Beschwerdeführerin ist aufgrund ihres Leiden am Bewegungsapparat und den durch ihre Leiden und Gebrechen hervorgerufenen Schmerzen nur in der Lage, mit Hilfe von zwei Krücken nur kurze Strecken zu bewältigen. Das Gangbild ist sehr schlecht, hinkend und langsam. Sowohl der Weg zu öffentlichen Verkehrsmitteln, als auch das Ein- und Aussteigen sind erheblich erschwert.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang basiert auf dem Verwaltungsakt sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und ist unstrittig.
Die Feststellungen zur Person und zu Wohnsitz der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren diesbezüglichen Angaben im Antrag vom 22.04.2019 und ihren Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17.09.2019.
Die Feststellungen zu den Leiden und Gebrechen der Beschwerdeführerin ergeben sich unzweifelhaft aus den aufgenommenen Gutachten vom 09.05.2019, vom 12.08.2019 und vom 17.12.2019 sowie aus den vorgelegten Unterlagen und den glaubhaften Aussagen der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17.09.2019. In dieser Verhandlung konnte sich der erkennende Senat persönlich ein Bild von der Beschwerdeführerin machen und auch feststellen, dass die Beschwerdeführerin nicht nur sehr mühsam geht, eine Krücke benötigt, sondern auch Schmerzen beim Hinsitzen und Aufstehen hat. Die von der Amtssachverständigen in ihren schlüssigen und vollständigen Gutsachten getroffenen Feststellungen basieren auf den von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen sowie der Befundaufnahme durch die Amtssachverständige selbst und wurden auch weder von der Beschwerdeführerin noch von der belangten Behörde je in Zweifel gezogen.
Dass der Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H. beträgt, ergibt sich zweifelsfrei aus den von der Amtssachverständigen erstatteten Gutachten und fußt auf den zu den einzelnen Positionsnummern der Anlage zur EVO möglichen Rahmensätzen. Die Amtssachverständige führt mehrfach, zuletzt nach Vornahme einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und aufgrund der vorgelegten Befunde und Krankengeschichte der Beschwerdeführerin schlüssig aus, weshalb sie den jeweiligen Rahmensatz festlegt. Auch die Verneinung der gegenseitigen negativen Beeinflussung der festgestellten Leiden und Gebrechen durch die Amtssachverständige ist nachvollziehbar und überzeugend, da das Hauptleiden, das mit einem GdB von 60 v.H. eingeschätzt worden ist, ein Leiden am Bewegungsapparat ist, während die übrigen Leiden gänzlich anderer Natur sind und schon aus der Laienperspektive keine Korrelation haben können, was auch fachlich fundiert durch die Amtssachverständige bestätigt wird. Auch aus dem vorgelegten Konvolut von Arztbriefen, Befunden, Entlassungsberichten etc. kann kein Indiz abgeleitet werden, aus dem eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung abzuleiten wäre.
Die Feststellungen zu Gangbild und Fortbewegungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin basiert auf dem in der mündlichen Verhandlung am 17.09.2019 von der Beschwerdeführerin erhaltenen persönlichen Eindruck, wonach sie sich sichtlich schwer tut, sich fortzubewegen, und dem abschließenden Gutachten vom 17.12.2019, dessen diesbezügliche Schlussfolgerungen angesichts des erhaltenen persönlichen Eindrucks nachvollziehbar und schlüssig erscheinen und auch nicht von den Parteien angezweifelt wurden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Senate bestehen gemäß § 7 Abs 1 BVwGG aus einem Mitglied als Vorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzenden.
Gemäß § 45 Abs 3 und 4 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch Senat zu erfolgen. Bei solchen Senatsentscheidungen hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessensvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder fachkundigen Laienrichter haben für die jeweiligen Agenten die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechtes) aufzuweisen. Es lag daher im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
3.2. Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung, oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn erstens der Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist, oder zweitens die nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen, oder drittens sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulassung, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten, oder viertens für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird, oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen, oder fünftens sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des BEinstG, BGBl Nr 22/1970, angehören.
Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass Vornamen und Familien- und Nachnamen, Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbildausweis auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die den Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in der Voraussetzung zu erwarten ist.
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung, oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist der Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben wird, oder das Verfahren eingestellt wird, oder der Pass eingezogen wird. Im ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Ein Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ist dann vom Sozialministeriumservice auszustellen, wenn ein Grad der Behinderung von mindestens 50 % erreicht wird (§ 40 Abs 1 BBG). Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und in wieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl § 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr 261/210, sowie die auf dieser Rechtslage übertragene Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088, 22.01.2013, 2011/11/0209 mit weiteren Nachweisen).
Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr 261/2010 idF BGBl II Nr 251/2012 (EVO), ist unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 2 Abs 1 EVO sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung. Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen (§ 2 Abs 2 EVO). Gemäß § 2 Abs 3 EVO ist der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gemäß § 3 Abs 1 EVO ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Gemäß § 3 Abs 2 EVO ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
Gemäß § 3 Abs 3 EVO liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn --sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt, --zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
Gemäß § 3 Abs 4 EVO ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Gemäß § 4 Abs 1 EVO bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs 2 EVO hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
3.3. Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 1 Abs 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl III Nr 495/2013, ist auf Antrag eines Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nach dieser Vorschrift insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs 2 Z 1 lit b oder d vorliegen.
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, jeweils mwN).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
3.4. Den in Punkt 3.2. zitierten Anforderungen ist das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholte, den Anforderungen der EVO entsprechende Gutachten vom 12.08.2019 und das weitere Gutachten vom 17.12.2019 sowie durch Befragung der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nachgekommen.
Durch diese Gutachten vom 12.08.2019 und 17.12. 2019 in Verbindung mit dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten vom 09.05.2019 wurde bei der Beschwerdeführerin ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 % objektiviert. Diesem durch die Aufnahme eines Sachverständigenbeweises ermittelten Ergebnis entspricht auch der in der mündlichen Verhandlung am 17.09.2019 von der Beschwerdeführerin gewonnene persönliche Eindruck, sodass keine Zweifel am Zutreffen dieses Gesamtgrades der Behinderung bestehen. Die von der Beschwerdeführerin im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgelegten Arztbriefe, Befunde wie auch der Entlassungsbericht aus der Reha-Einrichtung vermögen - wie auch gutachterlich nachgewiesen - keine Änderung dieses Grades der Behinderung darzulegen.
Der für dieses Verfahren allein maßgebliche Grad der Behinderung beurteilt die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen und ist allein nach ihrer Art und Schwere in festen Sätzen oder Rahmensätzen gemäß der Anlage zur EVO festgesetzt (§ 2 Abs 1 EVO). Diesen Vorgaben wurde im vorliegenden Fall entsprochen:
Demnach ist gemäß Pos.Nr. 02.02.03 der Anlage zur EVO eine Erkrankung des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades einen Rahmen zwischen 50 % und 70 % vor, wobei mit einem GdB von 70 % nur dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen mit maßgeblichen Einschränkungen im Alltag, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität, Gehbehinderung einzuschätzen sind, wohingegen mit einem GdB von 50 % dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität, Notwendigkeit einer über mindestens 6 Monate andauernden Therapie einzuschätzen sind. Die von der Amtssachverständigen festgestellte generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates entspricht somit dem für solche Erkrankungen möglichen Rahmensatz.
Gemäß Pos.Nr. 03.06.01. der Anlage zur EVO sind leichtgradige Dysthymien und Hypomanien bei einem Rahmensatz zwischen 10 % und 40 % mit bis zu 20 % einzuschätzen, wenn - wie im gegebenen Fall - Keine psychotischen Symptome bestehen, Phasen mindestens 2 Wochen andauern und das Leiden unter Medikation stabil ist und soziale Integration besteht. Da dies vorliegt, ist auch diese Einschätzung des Leidens mit 20 % GdB nicht zu beanstanden.
Für eine Entleerungsstörung der Blase und Harnröhre leichten bis mittleren Grades sieht Pos.Nr. 08.01.06. der Anlage zur EVO einen Rahmensatz zwischen 10 % bis 40 % vor, wobei bei geringer Restharnbildung und längerem Nachträufeln das Leiden von 10 - 20 % einzuschätzen ist. Die von der Sachverständigen getroffene Einschätzung mit einem GdB von 20 % ist daher der EVO entsprechend.
Schließlich ist gemäß Pos.Nr. 09.01.01. der Anlage zur EVO eine endokrine Störung leichten Grades mit einem Rahmen von 10 % bis 40 % einzuschätzen. Wenn therapeutische Maßnahmen die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen gewährleisten, beträgt der Rahmensatz 10 % - 20%, wenn folgendes vorliegt: Medikamentöse Substitution/Inhibition gut einstellbar. Keine bis geringste Entgleisungswahrscheinlichkeit. Subjektive Wahrnehmbarkeit bei beginnender medikamentöser Überdosierung/Unterdosierung der Substitutions-, Inhibitionstherapie ist sehr gut. Die Erkrankung ist weitgehend stabil, Alltagsleben ist weitestgehend ungehindert möglich, Freizeitgestaltung ist nicht oder wenig eingeschränkt. Da nichts anderes aufgrund der Feststellungen anzunehmen ist, ist auch die Einschätzung der Amtssachverständigen dieses Leidens mit 10 % nicht zu beanstanden.
Zusammengefasst traf die Amtssachverständige bereits im Gutachten vom 09.05.2019 und auch in den nachfolgenden Gutachten vom 12.08.2019 und vom 17.12.2019 die Einschätzung im Sinne der vorgenannten Bestimmungen der Anlage zur EVO. Es sind im Ermittlungsverfahren keine Zweifel aufgekommen, dass die von der Amtssachverständigen getroffenen Schlussfolgerungen unrichtig oder unvollständig wären, weshalb von der getroffenen Einschätzung auszugehen ist. Die von der Amtssachverständigen negierte wechselseitige negative Beeinflussung der festgestellten Funktionseinschränkungen und Leiden ist nicht zu beanstanden, sodass entsprechend der Vorschrift über die Bildung des Gesamtgrades der Behinderung in § 3 EVO dieser im gegebenen Fall 60 % beträgt.
Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. liegen daher vor. Die belangte Behörde hat einen Behindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. bereits ausgestellt, weshalb der Beschwerde diesbezüglich kein Erfolg zukommt.
3.5 Die Beschwerdeführerin beantragte am 22.04.2019 die Aufnahme von Zusatzeintragungen in den Behindertenpass, sofern die Aktenlage die Vornahme einer solchen Zusatzeintragung rechtfertigt. Daher ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens auch allenfalls über die Vornahme einer Zusatzeintragung abzusprechen, wenn deren in Pkt. 3.3. skizzierten Voraussetzungen aufgrund des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens vorliegen.
Gegenständlich ist hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer schweren Beeinträchtigung des Bewegungsapparates und der durch ihre Leiden am Bewegungsapparat hervorgerufenen Schmerzen sich nur mühsam mit zwei Krücken fortbewegen kann. Es ist ihr nicht möglich eine kurze Strecke zurückzulegen. Auch ist es ihr aufgrund der Notwendigkeit der Fortbewegung mit zwei Krücken auch nicht möglich, sicher in einem öffentlichen Transportmittel transportiert zu werden, da sie sich aufgrund der Gangunsicherheit und des Angewiesenseins auf zwei Krücken nicht sicher anhalten kann. Es liegen daher die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vor, weshalb der Beschwerde teilweise stattzugeben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es liegen sohin keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgeblich sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Hierbei handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorzunehmen war.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2220451.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.04.2020