TE Vwgh Erkenntnis 1970/11/24 0829/70

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Veröffentlicht am 24.11.1970
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Index

Verwaltungsverfahren - AVG

Norm

AVG §68 Abs1
AVG §73 Abs2
VwGG §27
VwRallg

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):0830/700831/70

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Penzinger und die Hofräte Dr. Kadecka, Dr. Skorjanec, Dr. Rath und Dr. Jurasek als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Dr. Schmitz, über die Beschwerde des KP, derzeit Strafvollzugsanstalt Stein, vertreten durch den bestellten Armenvertreter Dr. Peter Fiegl, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, Gartenaugasse 1, gegen das Bundesministerium für Justiz wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

In Erledigung der Beschwerden vom 24., 26. und 28. Oktober 1968 gegen den Bescheid des ehemaligen Hauskommissärs der Männerstrafanstalt Stein vom 13. Oktober 1968, Zl. 1 NSt 3363/68, wird dieser Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG dergestalt abgeändert, daß die an die Leitung der Strafanstalt gerichteten Begehren des Beschwerdeführers vom 19. August 1968, und zwar um Genehmigung des Bezuges der Wochenzeitschrift "X", zum Ankauf einer Ausgabe des Bundes-Verfassungsgesetzes aus Eigengeld und um Ausfolgung des bei den Effekten verwahrten Transistorradiogerätes samt Kopfhörern, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, Strafgefangener in der Vollzugsanstalt Stein, hat am 19. August 1968 bei der Direktion der Anstalt a) um Genehmigung des Bezuges der Wochenzeitschrift "X", b) um Ankauf einer Ausgabe des Bundesverfassungsgesetzes aus Eigengeld und c) um Ausfolgung eines bei den Effekten verwahrten Transistorradiogerätes samt Kopfhörern angesucht. Die gegen die abweisende Erledigung dieser Ansuchen am 9.

bzw. 10. September 1968 erhobenen Beschwerden des Strafgefangenen wurde mit Bescheid des damaligen Hauskommissärs vom 13. Oktober 1968, 1 NSt 3363/68, abgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 24., 26. und 28. Oktober weitere Beschwerden an das Bundesministerium für Justiz, welches diesen Rechtsmitteln mit Erlaß vom 21. November 1968, Zl. 45.092/68, keine Folge gab. Nach Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde seitens des Strafgefangenen hob das Bundesministerium für Justiz seinen Erlaß vom 21. November 1968 mit Erlaß vom 25. Juli 1969, Zl. 43.536/69, auf, worauf das Verfahren über die Verfassungsgerichtshofbeschwerde

wegen Klaglosstellung eingestellt wurde.

Da eine neuerliche Entscheidung über die gegen den Bescheid des Hauskommissärs erhobenen Beschwerden nicht erging, brachte der Beschwerdeführer am 12. Mai 1970 beim Verwaltungsgerichtshof eine Säumnisbeschwerde gegen das Bundesministerium für Justiz ein. Die belangte Behörde stellte in der Gegenschrift den Antrag, das Beschwerdeverfahren einzustellen, weil der Beschwerdeführer klaglos gestellt worden sei. Dies aus nachstehenden Gründen: Der Beschwerdeführer habe am 13. Jänner 1970 neuerlich ein Ansuchen an die Anstaltsdirektion gerichtet, und zwar a) um Genehmigung des Ankaufes und Bezuges der Wochenzeitschrift "X" aus Eigengeld, b) um Ankauf einer Ausgabe des Bundesverfassungsgesetzes aus Eigengeld und c) um Ausfolgung eines Transistorradios samt Kopfhörern aus dem Depot. Diese Ansuchen seien vom Leiter der Strafvollzugsanstalt am 29. Mai 1970 abschlägig beschieden worden. Auf Grund der vom Beschwerdeführer am 15. Juni 1970 erhobenen Beschwerde habe das Bundesministerium für Justiz sodann den Bescheid vom 26. August 1970 erlassen, mit dem die Beschwerde hinsichtlich der Anträge a) und b) zur Gänze und hinsichtlich des Antrages c) insoweit abgewiesen wurde, als sie die Ausfolgung des Radioapparates an den Beschwerdeführer selbst betraf. Hinsichtlich der allfälligen Ausfolgung des Apparates an Angehörige des Beschwerdeführers wurde die Anstaltsleitung angewiesen, darüber zunächst im eigenen Wirkungsbereich eine Entscheidung zu fällen. Der Anstaltsleiter habe am 16. September 1970 eine Verfügung getroffen, wonach die Ausfolgung des Radioapparates an Angehörige des Beschwerdeführers gestattet wurde.

Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschwerdeführer erklärt, sich durch den Bescheid des Bundesministeriums für Justiz vom 26. August 1970 nicht als klaglos gestellt zu erachten, und zwar deshalb, weil über seine im Oktober 1968 gegen den Bescheid des Hauskommissärs erhobenen Beschwerden nicht entschieden worden sei und er einen Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung derselben besitze. Der Beschwerdeführer werde durch die Unterlassung der Herausgabe eines Bescheides in seinem Recht auf Anrufung des Verfassungsgerichtshofes sowie auf Geltendmachung des Schadenersatzanspruches im Wege der Amtshaftung beeinträchtigt. Auch gehe es nicht an, daß das Bundesministerium für Justiz seine Entscheidungspflicht hinsichtlich des Antrages auf Ausfolgung des Radioapparates an Angehörige dadurch umgehe, daß es die Unterbehörde zur Entscheidung delegiere.

Der Beschwerdeführer ist insoweit im Recht, als seine Beschwerden gegen den Bescheid des Hauskommissärs einer Erledigung bedürfen. Er hat Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, im Hinblick auf die inzwischen eingetretene, Änderung der Sachlage aber nur auf Erlassung eines verfahrensrechtlichen Bescheides. Denn die vom Beschwerdeführer gestellten Anträge wurden ja durch die Entscheidung des Bundesministeriums für Justiz vom 26. August 1970 und durch die Verfügung des Anstaltsleiters vom 16. September 1970 materiell zur Gänze erledigt. Über diese Anträge kann ihrer Natur nach nur einmal entschieden werden, gleichgültig ob sie einmal oder mehrmals an die Behörde herangetragen wurden. Die Entscheidung schafft materielle Rechtskraft und einer nochmaligen Entscheidung steht, sofern nicht eine Änderung der Sachlage eingetreten ist, der Grundsätze bis in idem entgegen. Es waren daher in Abänderung des Bescheides des Hauskommissärs die Anträge des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47 Abs. 1, Abs. 2 lit. a, Abs. 5, § 55 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965. Ein gesonderter Zuspruch der Umsatzsteuer ist durch die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes ausgeschlossen.

Wien, am 24. November 1970

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1970:1970000829.X00

Im RIS seit

22.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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