Index
19/05 MenschenrechteNorm
GewO 1994 §360 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis in 4910 Ried im Innkreis, Parkgasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 18. Jänner 2019, Zl. LVwG-800320/4/Wg, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (mitbeteiligte Partei: J H in E, vertreten durch Dr. Stefan Glaser, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Friedrich-Thurner-Straße 14), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 1.1. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis (belangte Behörde) vom 7. Dezember 2017 wurde dem Mitbeteiligten als gewerberechtlicher Geschäftsführer der H GmbH, der 2007 die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer näher umschriebenen Betriebsanlage am Standort E erteilt worden war, Folgendes angelastet:
"Sie haben am 5.12.2017 vormittags die mit Bescheid vom 30.11.2017 (...) gem. § 360 GewO geschlossene Betriebsanlage (Abbundhalle) trotz dieser Schließungsverfügung betrieben und dadurch die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 13.12.2007 (...) genehmigte Betriebsanlage ohne die hierfür erforderliche Genehmigung geändert und nach der Änderung betrieben."
2 Als verletzte Rechtsvorschrift wurde § 366 Abs. 1 Z 3 in Verbindung mit § 81 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) angeführt.
3 Diese Strafverfügung ist unbekämpft geblieben.
4 1.2. Mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 16. Mai 2018 wurde dem Mitbeteiligten als gewerberechtlicher Geschäftsführer der H GmbH Folgendes angelastet:
"Die (H GmbH) hat, wie bei der am 5.12.2017 unangekündigt durchgeführten behördlichen Überprüfung der Betriebsanlage festgestellt wurde, die mit Bescheid vom 30.11.2017 (...) gem. § 360 GewO geschlossene Betriebsanlage (Abbundhalle) im Standort (...) trotz dieser Schließungsverfügung am 5.12.2017 vormittags betrieben und dadurch einen aufgrund der Bestimmungen der Gewerbeordnung erlassenen Bescheid nicht eingehalten."
5 Als verletzte Rechtsvorschrift wurde § 368 GewO 1994 in Verbindung mit dem Bescheid vom 30. November 2017 angeführt. 6 Gegen diese Strafverfügung erhob der Mitbeteiligte Einspruch.
7 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. September 2018 wurde dem Mitbeteiligten (unter näherer Anführung der konkret erfolgten Arbeiten) erneut vorgehalten, dass die H GmbH die mit Bescheid vom 30. November 2017 gemäß § 360 GewO 1994 geschlossene Betriebsanlage trotz dieser Schließungsverfügung am 5. Dezember 2017 vormittags betrieben und dadurch einen aufgrund der Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 erlassenen Bescheid nicht eingehalten habe.
8 Dadurch sei § 368 GewO 1994 in Verbindung mit dem Bescheid vom 30. November 2017 verletzt worden.
9 2. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 18. Jänner 2019 gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten statt. Das bekämpfte Straferkenntnis wurde behoben und das wegen Übertretung des § 368 GewO 1994 in Verbindung mit dem Bescheid vom 30. November 2017 geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt. Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.
10 Das Verwaltungsgericht gab den Spruch des auf § 360 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 gestützten "Teilschließungsbescheides" der belangten Behörde vom 30. November 2017 wie folgt wieder:
"Die von der (H GmbH) im Standort (...) betriebene Betriebsanlage wird mit Ausnahme der Büroräume und der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 12. Dezember 2007 (...) genehmigten Anlagenteile behördlich stillgelegt und darf bis zur Erteilung einer gewerbebehördlichen Genehmigung nicht mehr betrieben werden."
11 Anschließend stellte das Verwaltungsgericht den Inhalt der (in Rechtskraft erwachsenen) Strafverfügung vom 7. Dezember 2017 betreffend die Übertretung des § 366 Abs. 1 Z 3 in Verbindung mit § 81 GewO 1994 sowie die in der mündlichen Verhandlung erfolgten Erörterungen zur Frage des Eintretens einer Konsumtion dar. 12 In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fest, es sei in Fällen der Scheinkonkurrenz - also wenn der gesamte Unrechtsgehalt eines Deliktes von jenem eines anderen, ebenfalls verwirklichten Deliktes mit umfasst sei - "unzulässig, dem Täter ein und denselben Unwert mehrmals zuzurechnen". Die beiden dargestellten Strafverfügungen würden übereinstimmend anlasten, dass die mit Bescheid vom 30. November 2017 gemäß § 360 GewO 1994 geschlossene Betriebsanlage trotz dieser Schließungsverfügung am 5. Dezember 2017 vormittags betrieben worden sei. Im Ergebnis werde in der vorliegenden Fallkonstellation der gesamte Unrechtsgehalt des Deliktes nach § 368 GewO 1994 vom rechtskräftig abgestraften Delikt nach § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 in jeder Beziehung mit umfasst.
13 Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu vorliege, ob "bei den angelasteten Taten Konsumtion zwischen den Delikten des § 366 Abs. 1 Z 3 und § 368 GewO 1994 anzunehmen" sei.
14 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde. 15 Die belangte Behörde verweist - wie das Verwaltungsgericht -
auf die fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Konsumtion zwischen den Delikten des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 und des § 368 GewO 1994.
16 Nach Ansicht der Revisionswerberin würden die Strafdrohungen des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 und des § 368 GewO 1994 einander nicht ausschließen. Während sich nach § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 strafbar mache, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändere oder nach einer Änderung betreibe, stelle § 368 GewO 1994 die Nichteinhaltung von - aufgrund der GewO 1994 erlassenen - Bescheiden unter Strafdrohung. Die inkriminierte Handlung sei somit in einem Fall das Betreiben einer Betriebsanlage ohne Änderungsgenehmigung und im anderen Fall die Missachtung der Schließungsverfügung. Daher verstoße das angefochtene Erkenntnis gegen das Kumulationsprinzip des § 22 Abs. 2 VStG.
17 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
18 4. Die Revision ist im Hinblick auf die dargestellte Rechtsfrage zulässig.
19 5.1. § 22 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52
in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:
"Zusammentreffen von strafbaren Handlungen
§ 22. (1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(2) Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen."
20 5.2. Die maßgeblichen Regelungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194 in der Fassung BGBl. I Nr. 45/2018, lauten auszugsweise:
"§ 81. (1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. (...)
(...)
j) Einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen
§ 360. (1) Besteht der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1, 2 oder 3, so hat die Behörde unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 367 Z 25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 79c oder § 82 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stillegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes zu verfügen.
(...)
(5) Die Bescheide gemäß Abs. 1 zweiter Satz, 2, 3 oder 4 sind sofort vollstreckbar; (...)
(...)
Strafbestimmungen
§ 366. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer
(...)
3. eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§§ 81f);
(...)
§ 368. Eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1 090 Euro zu bestrafen ist, begeht, wer andere als in den §§ 366, 367 und 367a genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.
(...)
§ 371. (1) Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn eine in den §§ 366 bis 368 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(2) Die Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 1 schließt nicht die Bestrafung wegen bei der gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 strafbaren Gewerbeausübung begangener sonstiger Übertretungen von Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen aus.
(...)"
21 6.1. Vorliegend hat die belangte Behörde dem Mitbeteiligten auf Grund einer Tathandlung zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen angelastet. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht eine Scheinkonkurrenz angenommen und daher das auf die Verletzung des § 368 GewO 1994 gestützte Straferkenntnis behoben sowie das Verwaltungsstrafverfahren insoweit eingestellt. 22 6.2. Gemäß dem Doppelbestrafungsverbot nach Art. 4 Z 1 des
7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.
23 Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppel- oder Mehrfachbestrafung im Sinn des Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK nur dann vor, wenn eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war und dabei der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft. Ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt daher in dieser Konstellation, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst. Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, deren Straftatbestände einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird (vgl. zu all dem VfGH 14.3.2018, E 507/2017, mwN; vgl. weiters zur dazu ergangenen Rechtsprechung des VfGH und des EGMR auch VwGH 25.3.2010, 2008/09/0203, mwN). Im dort zugrunde liegenden Fall prüfte der Verfassungsgerichtshof, ob sich die herangezogenen Straftatbestände in ihren wesentlichen Merkmalen unterscheiden. 24 6.3. Nach dem in § 22 Abs. 2 VStG verankerten Kumulationsprinzip sind mehrere Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt (die im ersten Satzteil angesprochene Realkonkurrenz ist vorliegend nicht relevant). 25 Zu prüfen ist somit, ob die beiden von der belangten Behörde herangezogenen Strafdrohungen einander ausschließen bzw. insoweit eine Scheinkonkurrenz gegeben ist. Der Begriff "Scheinkonkurrenz" bringt zum Ausdruck, dass in Wahrheit keine Konkurrenz von Strafbestimmungen vorliegt, sondern eben nur eine Bestimmung, nach der bestraft werden kann (vgl. VwGH 20.1.2016, Ra 2015/17/0068, mwN). Zu den Fällen der Scheinkonkurrenz zählen die Subsidiarität, die Spezialität und die Konsumtion (vgl. VwGH 2.9.2019, Ra 2018/02/0213, mwN).
26 7.1. Zwar statuiert § 368 GewO 1994 insofern einen subsidiären Auffangtatbestand, als danach nur zu bestrafen ist, wer andere als in den §§ 366, 367 und 367a GewO 1994 genannte Gebote oder Verbote nicht einhält. Dabei handelt es sich aber nicht um eine (einen Fall der Scheinkonkurrenz darstellende) Anordnung der Subsidiarität dahingehend, dass die damit angesprochene Tat nur dann strafbar ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer anderen (näher umschriebenen) strafbaren Handlung verwirklicht. Die Subsidiarität bezieht sich diesfalls vielmehr auf die Umschreibung des objektiven Tatbildes, nicht hingegen auf die Strafbarkeit der erfassten Tathandlungen (vgl. zur Anordnung einer Subsidiarität - jeweils gegenüber gerichtlich strafbaren Handlungen - als Fall der Scheinkonkurrenz etwa § 22 Abs. 1 VStG oder § 371 Abs. 1 GewO 1994).
27 7.2. Ebenso wenig besteht zwischen den beiden maßgeblichen Straftatbeständen ein Verhältnis der Spezialität. Der Straftatbestand des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 verlangt als Tathandlung die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage bzw. den Betrieb dieser Anlage nach der Änderung ohne die erforderliche Genehmigung nach § 81 GewO 1994. Demgegenüber knüpft die Bestrafung nach § 368 GewO 1994 an die Nichteinhaltung eines mit Bescheid (hier nach § 360 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994) erlassenen Gebotes (hier der teilweisen Schließung der Betriebsanlage) an. Die beiden Verwaltungsstrafdelikte stehen somit in keinem Verhältnis von Art und Gattung zueinander (vgl. diesbezüglich VwGH 28.8.2007, 2007/17/0004; 26.6.2000, 2000/17/0001).
28 7.3.1. Konsumtion liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wenn die wertabwägende Auslegung der formal (durch eine Handlung oder durch mehrere Handlungen) erfüllten zwei Tatbestände zeigt, dass durch die Unterstellung der Tat(en) unter den einen Tatbestand der deliktische Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhalts bereits für sich allein abgegolten ist. Voraussetzung ist, dass durch die Bestrafung wegen des einen Delikts tatsächlich der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst wird (vgl. wiederum VwGH Ra 2018/02/0123, mwN).
29 Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis Ra 2018/02/0123 auf die dort gegebene besondere Konstellation (sowohl der Fluchtweg als auch der Notausgang waren durch denselben Transportwagen verstellt worden) sowie darauf abgestellt, dass fallbezogen dieselben Rechtsgüter unter Schutz standen. Ausgehend davon wurde das Vorliegen einer Konsumtion fallbezogen bejaht (vgl. mit ähnlicher Argumentation auch VwGH 20.11.2015, Ra 2015/02/0148).
30 Darüber hinaus wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für das Vorliegen einer Konsumtion darauf abgestellt, dass ein angelastetes Tatbild hinter das andere Tatbild (konkret: das Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen hinter das Veranstalten) zurücktritt, weil das Veranstalten eines Glücksspiels dessen Zugänglichmachen zwingend voraussetzt (siehe VwGH 26.3.2015, Ra 2014/17/0033). In anderen Zusammenhängen hat der Verwaltungsgerichtshof darauf Bezug genommen, ob die Verwirklichung eines Straftatbestandes "geradezu typischerweise" zu einem anderen Tatbestand führt bzw. damit verbunden ist (vgl. VwGH 28.8.2007, 2007/17/0004). Gegen das Vorliegen einer Konsumtion (und somit gegen ein Miterfassen des Unwerts eines Delikts von der Strafdrohung gegen ein anderes Delikt) spricht es, wenn die Delikte in keinem typischen Zusammenhang stehen bzw. das eine Delikt nicht notwendig oder doch nicht in der Regel mit dem anderen Delikt verbunden ist (siehe VwGH 28.6.2005, 2004/11/0028; vgl. umgekehrt betreffend zwei zwingend miteinander verbundene Übertretungen nach dem SaatG 1997 VwGH 16.9.1999, 99/07/0086).
31 Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit einer Übertretung wegen Durchführung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens ohne Bewilligung einerseits sowie einer Übertretung wegen Nichtbeachtung eines behördlichen Auftrags, mit dem die Fortsetzung der Arbeiten an einem Bauvorhaben untersagt worden war (als "Einstellverfügung" bezeichnet), andererseits Folgendes festgehalten: Da die Baueinstellung wegen Fehlens einer Baubewilligung (und nicht aus anderen in Betracht kommenden Gründen) erfolgt sei, werde durch das Weiterbauen ohne Baubewilligung seit Erlassen der Einstellverfügung dasselbe Rechtsgut verletzt. Es liege daher Konsumtion und somit eine unzulässige Doppelbestrafung vor (siehe VwGH 10.10.1991, 91/06/0137; 12.6.1990, 90/05/0007). 32 7.3.2. Aus der zitierten Rechtsprechung ergibt sich zunächst, dass nicht eine bloße Gegenüberstellung der abstrakten Tatbestände vorzunehmen, sondern auch auf die konkreten Tatumstände Bedacht zu nehmen ist. Hinsichtlich der somit gebotenen Berücksichtigung der konkret zugrunde liegenden Konstellation ist für den vorliegenden Fall Folgendes festzuhalten: Zwar finden sich im angefochtenen Erkenntnis abgesehen von der Wiedergabe des Spruchs keine weiteren Feststellungen betreffend den so bezeichneten "Teilschließungsbescheid" der belangten Behörde nach § 360 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 vom 30. November 2017. Allerdings lässt sich den - insoweit unbestritten gebliebenen - Ausführungen des Verwaltungsgerichtes insgesamt entnehmen, dass Grundlage dieses Bescheides eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 (bzw. der Verdacht einer solchen) - und somit eine Änderung der im Jahr 2007 bewilligten Betriebsanlage der H GmbH bzw. ein Betrieb dieser Anlage nach der Änderung ohne die erforderliche Genehmigung - war. Im Hinblick darauf wurde durch den (in dieser Form nicht genehmigten) Betrieb der Anlage auch hinsichtlich beider Strafdrohungen dasselbe Rechtsgut verletzt (siehe die insoweit vergleichbare, dem Erkenntnis 91/06/0137 zugrunde liegende Konstellation). Eine Unterscheidung der beiden Tatbestände in wesentlichen Elementen ist bei dieser Ausgangslage nicht ersichtlich.
33 Weiters resultiert aus dem dargestellten Umstand, dass seit Erlassung des Maßnahmenbescheides vom 30. November 2017 (auf Stilllegung bestimmter Anlagenteile) mit dem Betrieb der Anlage in geänderter, nicht genehmigter Form (und sohin mit der Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994) jedenfalls auch ein Verstoß gegen die Anordnung dieses Bescheides verbunden war.
34 Ausgehend davon ist aber durch die im vorliegenden Fall mit Strafverfügung vom 7. Dezember 2017 erfolgte Bestrafung der Gesamtunwert des zu beurteilenden Verhaltens bereits für sich allein abgegolten. Der in der Revision ins Treffen geführten "Missachtung der Schließungsverfügung" kann in einer Konstellation wie der vorliegenden kein eigenständiger Unrechtsgehalt beigemessen werden, der über den von der Bestrafung nach § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 erfassten Unrechtsgehalt hinausgeht. Eine weitere Bestrafung für den in dieser Form nicht genehmigten Betrieb der Anlage am 5. Dezember 2017 basierend auf einer Nichtbeachtung der mit Bescheid vom 30. November 2017 angeordneten Maßnahme wäre vielmehr als unzulässige Doppelbestrafung anzusehen. 35 8. Das Verwaltungsgericht ist somit im Ergebnis zu Recht vom Vorliegen einer Scheinkonkurrenz ausgegangen. Der in der Revision gerügte Verstoß gegen § 22 Abs. 2 VStG liegt daher nicht vor.
36 Aus diesem Grund war die vorliegende Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 3. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019040012.J00Im RIS seit
02.06.2020Zuletzt aktualisiert am
02.06.2020