TE Vwgh Beschluss 2020/3/4 Ro 2019/21/0014

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
BFA-VG 2014 §52 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des E O, zuletzt in W, vertreten durch Dr. Christian Boyer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Praterstern 2/1.DG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27. August 2019, W278 2222646-1/9E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist nigerianischer Staatsangehöriger. Der von ihm nach seiner Einreise nach Österreich im August 2015 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde - in Verbindung mit (insbesondere) einer Rückkehrentscheidung - vollinhaltlich abgewiesen, einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 8. Februar 2019 keine Folge.

2 Bereits ab 10. Oktober 2018 hatte sich der Revisionswerber wegen des Verdachtes der Begehung von Delikten nach dem SMG in Haft befunden. Er wurde dann mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. März 2019 (insbesondere) wegen des Verbrechens des teilweise vollendeten, teilweise versuchten Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, § 15 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten (unbedingter Strafteil fünf Monate) verurteilt und im Hinblick auf die verbüßte Vorhaft noch am 15. März 2019 aus der Haft entlassen.

3 Der Revisionswerber verblieb ungeachtet der gegen ihn ergangenen Rückkehrentscheidung (Rn. 1) weiterhin im Bundesgebiet und war an einer Adresse in 1160 Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet. Am 7. August 2019 wurde er im Zuge einer Amtshandlung festgenommen. Nach seiner niederschriftlichen Einvernahme verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in der Folge mit Mandatsbescheid vom selben Tag über ihn gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung. Dabei ging das BFA insbesondere davon aus, dass der Revisionswerber in Österreich über keine sozialen Bindungen verfüge und - wie an Hand einer mit ihm durchgeführten Wohnsitzüberprüfung festgestellt worden sei - an seiner Meldeadresse "nicht aufhältig" sei.

4 In der Schubhaft stellte der Revisionswerber am 10. August 2019 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der folgenden Erstbefragung gab er an, keine neuen Fluchtgründe nennen zu können, weshalb das BFA davon ausging, dass die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Sinn des § 76 Abs. 6 FPG gegeben seien, wozu es in einem Aktenvermerk vom 10. August 2019 noch festhielt, der Revisionswerber habe sich "dem weiteren Verfahren in Österreich ... durch Untertauchen" entzogen. In der Folge hob das BFA gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz auf, was das BVwG mit Beschluss vom 26. August 2019 für rechtmäßig erklärte.

5 Mittlerweile hatte der Revisionswerber eine Schubhaftbeschwerde nach § 22a BFA-VG erhoben, in der er unter anderem monierte, dass die für ihn zuständige Rechtsberatungsorganisation vom BFA nicht unmittelbar von der Schubhaftverhängung mittels Verfahrensanordnung informiert worden sei. Außerdem wurde insbesondere geltend gemacht, dass sich der Revisionswerber während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet bereits "einen großen Freundeskreis" aufgebaut habe, dass er in der Wohnung eines namentlich genannten "guten Freundes" unentgeltlich Unterkunft nehmen könne und dass die Annahme, der Revisionswerber wohne nicht an seiner Meldeadresse, nicht nachvollziehbar sei; eine Nachschau an der Adresse hätte ergeben, dass der Revisionswerber tatsächlich dort wohne. Insgesamt bestehe daher keine Fluchtgefahr.

6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 27. August 2019 wies das BVwG die Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet ab, erklärte die Anhaltung in Schubhaft seit 7. August 2019 für rechtmäßig und stellte gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Außerdem traf das BVwG diesem Ergebnis entsprechende Kostenaussprüche und erklärte eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig. Dieser Ausspruch gründet darauf, dass dem Revisionswerber zwar mit Schubhaftverhängung die Verfahrensanordnung über die amtswegige Beigabe einer Rechtsberatung ausgefolgt worden sei, dass es das BFA aber verabsäumt habe, diese Rechtsberatung zugleich von ihrer Bestellung in Kenntnis zu setzen; es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob die unterlassene Verständigung des zugewiesenen Rechtsberaters durch das BFA zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides bzw. der Anhaltung in Schubhaft führe. 7 Im Übrigen stellte das BVwG fest, dass der Revisionswerber in Österreich nicht "substantiell" integriert sei und dass es sich bei der Meldeadresse des Revisionswerbers in 1160 Wien um eine "Scheinmeldung" handle. Insoweit sei daher von Fluchtgefahr auszugehen, was die Verhängung und Aufrechterhaltung von Schubhaft - zumal angesichts des in der Schubhaft gestellten asylrechtlichen Folgeantrags, in Bezug auf den der faktische Abschiebeschutz aufgehoben worden sei - rechtfertige.

8 Von der Durchführung der beantragten Beschwerdeverhandlung - so das BVwG abschließend - habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG wegen geklärten Sachverhalts Abstand genommen werden können. 9 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision, zu der eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, erweist sich entgegen dem den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig.

10 Denn einerseits wurde die vom BVwG in seinen Zulässigkeitserwägungen angesprochene Rechtsfrage mittlerweile mit dem Erkenntnis VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0148, geklärt und dabei - im Sinn der vom BVwG im angefochtenen Erkenntnis vertretenen Rechtsauffassung - zum Ausdruck gebracht, dass die Verletzung der dem BFA auferlegten Verpflichtung nach § 52 Abs. 1 letzter Satz BFA-VG, zugleich mit der Bestellung des Rechtsberaters diesen oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen, nicht schon für sich betrachtet eine Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig mache (VwGH aaO., Rn. 18). Insoweit liegt daher keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. aus jüngerer Zeit etwa VwGH 18.12.2019, Ra 2019/14/0492, Rn. 14). 11 Andererseits wird dann in der Revision zwar noch unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG geltend gemacht, das BVwG habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung der beantragten Beschwerdeverhandlung Abstand genommen. Diesem Standpunkt kann allerdings nicht beigetreten werden, weil es im Sinn der Überlegungen des BVwG zutrifft, dass die im Schubhaftbescheid des BFA vom 7. August 2019 getroffenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen in der Schubhaftbeschwerde nicht ausreichend substantiiert bestritten worden sind. Das gilt zunächst für die vage Behauptung, der Revisionswerber habe sich einen "großen Freundeskreis" im Bundesgebiet aufgebaut, dann aber auch für das Vorbringen, eine Nachschau an der Meldeadresse des Revisionswerbers hätte ergeben, dass dieser entgegen den Annahmen des BFA dort tatsächlich wohne; insoweit wurde nämlich schlichtweg darüber hinweggegangen, dass nach den - mit der Aktenlage übereinstimmenden - Feststellungen des BFA im Schubhaftbescheid ohnehin vor Verhängung der Schubhaft eine entsprechende Wohnsitzüberprüfung, mit negativem Ergebnis, durchgeführt worden war. Wenn das BVwG dem BFA folgend eine "substantielle" Integration des Revisionswerbers in Österreich verneinte und davon ausging, bei seiner Meldeadresse handle es sich um eine "Scheinmeldung", so ist das daher nicht zu beanstanden. 12 Insoweit lagen vor dem Hintergrund der sonstigen Umstände des vorliegenden Falles dann aber ausreichende Anhaltspunkte für die in der Revision angesprochene "Würdigung des Verhaltens des Revisionswerbers" vor, ohne dass es noch darauf angekommen wäre, ob der Revisionswerber - was vom BVwG aber ohnehin festgestellt wurde - bei einem Freund kostenlos wohnen könne.

13 Auch die Revision spricht über die "Würdigung des Verhaltens des Revisionswerbers" hinaus nichts an, was in faktischer Hinsicht seitens des BVwG einer näheren Klärung bedurft hätte. Insgesamt ist damit nicht zu erkennen, dass das auf § 21 Abs. 7 BFA-VG gestützte Unterbleiben der beantragten Beschwerdeverhandlung rechtswidrig gewesen wäre.

14 Über das bisher Abgehandelte hinaus wird in der Revision keine weitere grundsätzliche Rechtsfrage ins Treffen geführt. Das Vorliegen einer solchen ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, weshalb die erhobene Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen war.

Wien, am 4. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019210014.J00

Im RIS seit

12.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten