TE Vwgh Erkenntnis 2020/3/12 Ra 2019/01/0347

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Veröffentlicht am 12.03.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
MRK Art3
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. August 2019, Zl. W252 2152861- 1/15E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: H S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinen Spruchpunkten A) II. und A) III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der tadschikischen Volksgruppe, stellte am 7. April 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, er sei im Iran geboren worden, habe dort aber keine Zukunft. Er habe im Iran mangels Aufenthaltsberechtigung nicht arbeiten und für seinen Lebensunterhalt aufkommen können.

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. März 2017 wurde der Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Mitbeteiligten - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt A) I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt A) II.), erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt A) III.) und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B)).

4 Begründend führte das BVwG - soweit für den Revisionsfall relevant - aus, dass unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kriterien, insbesondere der EASO-Country Guidance zu Afghanistan von Juni 2018, der Mitbeteiligte aufgrund individueller, näher bezeichneter Gefährdungsfaktoren (insbesondere Exponiertheit als "Iran-Rückkehrer") mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein werde, nach anfänglichen Schwierigkeiten in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten zu führen. Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative sei dem Mitbeteiligten daher nicht zumutbar.

5 Gegen die Spruchpunkte A) II. und A) III. dieses Erkenntnisses richtet sich die gegenständliche Amtsrevision. 6 Zur Zulässigkeit wird ua. vorgebracht, das BVwG sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative abgewichen. 7 Der Mitbeteiligte erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren durch seinen Rechtsvertreter eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurückweisung, in eventu die Abweisung, der Amtsrevision beantragte.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

10 Der vorliegende Revisionsfall gleicht in den für seine

Erledigung wesentlichen Punkten jenem, den der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2019, Ra 2019/01/0243 (mit umfangreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur), entschieden hat. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. In diesem Zusammenhang wird weiters darauf hingewiesen, dass der EGMR seit 2013 in ständiger Judikatur die Auffassung vertritt, dass die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. die Hinweise in VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0134). Der EGMR hat diese Einschätzung jüngst in seinem Urteil vom 25. Februar 2020, A.S.N. u. a. gg Niederlande, 68377/17 und 530/18 (Rz 105), bestätigt. 11 Das BVwG hat zwar die Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation für den Mitbeteiligten bei einer Rückführung nach Afghanistan aufgezeigt, nach den Grundsätzen der zitierten hg. Rechtsprechung aber das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz zu Unrecht angenommen. 12 Das BVwG ist somit von der angeführten Rechtsprechung abgewichen.

13 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang sowohl hinsichtlich des Spruchpunktes A) II. als auch hinsichtlich des Spruchpunktes A) III., weil dieser mit der Aufhebung des Spruchpunktes A.) II. seine rechtliche Grundlage verliert, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 12. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010347.L00

Im RIS seit

26.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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