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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des M J in M, vertreten durch Mag. Michael Schuszter, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Esterhazyplatz 6a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2019, Zl. I420 2205543- 1/6E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte
Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz sowie die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Asylgesetz 2005 richtet, zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Spruch
Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) in der Sache - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - den Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Gambia, auf internationalen Schutz gemäß den §§ 3, 8 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) vollinhaltlich ab. Weiters erteilte das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber gemäß § 57 AsylG 2005 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Gambia zulässig sei und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht zur Rückkehrentscheidung aus, der Revisionswerber verfüge über kein (nach Art. 8 EMRK) schützenswertes Familienleben in Österreich. Er erwarte zwar mit seiner Freundin, mit der er nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, ein Kind, jedoch werde das Kind erst mit der Geburt Teil der Familie. Diesbezüglich liege dem Verwaltungsgericht weder eine Geburtsurkunde noch ein Vaterschaftsanerkenntnis seitens des Revisionswerbers vor.
3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 24. September 2019, E 2920/2019, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
4 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.
5 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, der Revisionswerber habe im Verfahren einen Mutter-Kind-Pass vorgelegt, aus dem sich der (vor der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses) datierte Geburtstermin seines - mittlerweile geborenen - Kindes ergeben habe. Trotz Kenntnis des Geburtstermins habe das Verwaltungsgericht ohne weitere Erhebungen das angefochtene Erkenntnis erlassen und somit nicht den maßgeblichen Sachverhalt ermittelt und festgestellt. Das Verwaltungsgericht hätte auch nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen.
Teilweise Zurückweisung:
7 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. etwa VwGH 9.1.2020, Ra 2018/01/0343, mwN).
8 Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei den Aussprüchen, mit denen der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt, der Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wird, dass die Abschiebung in einen bestimmten Staat zulässig ist, um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche handelt. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 28.1.2020, Ra 2019/20/0404, mwN).
9 Vorliegend wendet sich die Revision allein gegen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und die darauf rechtlich aufbauenden Aussprüche. Im Übrigen fehlt es an einem entsprechenden Zulässigkeitsvorbringen.
10 Die Revision war daher, soweit sie sich - nach den geltend gemachten Revisionspunkten - gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz sowie die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Asylgesetz 2005 richtet, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
Verletzung der Verhandlungspflicht (II.):
11 Im Übrigen erweist sich die Revision als zulässig und
berechtigt.
12 Nach der (mittlerweile) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Demzufolge kann insbesondere bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft (vgl. etwa VwGH 17.1.2020, Ra 2019/18/0446, mwN).
13 Ein derart eindeutiger Fall lag hier nicht vor, zumal dem Verwaltungsgericht hinreichend konkrete Anhaltspunkte für das Entstehen eines schützenswerten Familienlebens nach Art. 8 EMRK zwischen Eltern und Kindern mit dem Zeitpunkt der Geburt vorlagen (vgl. dazu mit Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) etwa VfGH 26.2.2019, E 3079/2018). 14 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und der darauf rechtlich aufbauenden Aussprüche gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
15 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff, insbesondere § 50 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 24. März 2020
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteTrennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010496.L00Im RIS seit
26.05.2020Zuletzt aktualisiert am
26.05.2020