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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des K A in T, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2018, Zl. G305 2179116- 1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach der Einreise in das Bundesgebiet gemeinsam mit seiner (damaligen) Ehefrau und den drei gemeinsamen minderjährigen Kindern (zwei davon geboren 2011, das dritte geboren 2014), am 3. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. 2 Hinsichtlich der Anträge der (damaligen) Ehefrau und den minderjährigen Kindern führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 durch. Mit Bescheiden vom 20. November 2017 wies das BFA die Anträge der (damaligen) Ehefrau und der drei gemeinsamen Kinder des Revisionswerbers jeweils in Bezug auf den Status der Asylberechtigten ab, erkannte ihnen aber den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihnen befristete Aufenthaltsberechtigungen.
3 Gegen die Verweigerung des Status des Asylberechtigten erhoben die Genannten Beschwerde an das BVwG. Der Ausspruch über die Zuerkennung des subsidiären Schutzes erwuchs jeweils in Rechtskraft.
4 Mit Bescheid vom selben Tag wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers vollinhaltlich ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Zudem wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
5 Eine Begründung dafür, dass das Verfahren des Revisionswerbers als eigenständiges Verfahren und nicht im Rahmen des erwähnten Familienverfahrens geführt wurde, enthält der Bescheid nicht.
6 Die Ehe des Revisionswerbers wurde in weiterer Folge mit Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 5. Juli 2018 einvernehmlich geschieden. Am selben Tag wurde eine Vereinbarung nach § 55a EheG geschlossen, wonach die gemeinsame Obsorge der Eltern für die drei minderjährigen Kinder weiterhin aufrecht bleibe.
7 Die gegen den Bescheid des BFA erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 27. Juli 2018 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Der Revisionswerber erhob dagegen zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Erkenntnis vom 12. Juni 2019, E 3528/2018-12, sprach der VfGH aus, dass der Revisionswerber durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, soweit damit die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bestätigt wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzt worden sei, und hob insoweit das angefochtene Erkenntnis auf. Im Übrigen lehnte der VfGH die Beschwerdebehandlung ab.
9 Über nachträglichen Antrag trat der VfGH mit Beschluss vom 30. Juli 2019, E 3528/2018-14, die Beschwerde des Revisionswerbers, soweit deren Behandlung abgelehnt worden war, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.
10 Der Revisionswerber erhob in weiterer Folge die gegenständliche außerordentliche Revision.
11 Der Revisionswerber erachtet sich "insbesondere in seinem Recht auf Gewährung von internationalem Schutz im Sinne der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verletzt." Auch die Revisionsausführungen in den Zulässigkeits- und Revisionsgründen richten sich ausschließlich gegen die Verweigerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. 12 Zu ihrer Zulässigkeit macht die Revision zusammengefasst geltend, das BVwG habe es unterlassen, sich mit dem Umstand auseinanderzusetzen, dass den Kindern des Revisionswerbers rechtskräftig der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei; es habe die Bestimmung des § 34 AsylG 2005 außer Acht gelassen und sei hiedurch von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. 13 Das BFA erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
14 Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
15 Der Revisionswerber ist Elternteil minderjähriger Kinder
und sohin deren Familienangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005.
16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Bestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005, wonach alle Familienangehörigen entweder den gleichen Schutzumfang erhalten oder alle Anträge als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen sind, dahingehend zu verstehen, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist (vgl. die mit VwGH 25.11.2009, 2007/01/1153, beginnende, seither ständige hg. Rechtsprechung).
17 Für die auch im Revisionsfall vorliegende, das Verhältnis des Revisionswerbers und seinen Kindern betreffende Konstellation des § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, in der sämtliche Fremde den Antrag zur selben Zeit gestellt haben, hat der VwGH ausgesprochen, dass die Bestimmungen für das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 umfänglich zur Anwendung zu bringen sind (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040 bis 0044, mwN).
18 Gemäß § 34 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 leg. cit. sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
19 Dem Erkenntnis des BVwG ist nicht ansatzweise zu entnehmen, weshalb - im Hinblick auf die dargestellten Rechtslage - hinsichtlich des Revisionswerbers die Bestimmungen des Familienverfahrens nicht angewendet wurden.
20 Das BVwG hat das angefochtene Erkenntnis insofern mit einem relevanten Begründungsmangel behaftet, weshalb es im erwähnten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war. 21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 57 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 24. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010363.L00Im RIS seit
26.05.2020Zuletzt aktualisiert am
26.05.2020