TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/30 97/18/0665

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Veröffentlicht am 30.04.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §4 Abs3 Z7;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs4;
FrG 1993 §19;
MRK Art6;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der L, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 49/28, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. November 1997, Zl. SD 778/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. November 1997 wurde die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Nach der Aktenlage sei die Beschwerdeführerin bereits am 4. November 1994 anläßlich einer fremdenpolizeilichen Kontrolle in Wien angehalten und in weiterer Folge wegen unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich zur Anzeige gebracht worden, da sie lediglich über einen Touristensichtvermerk der österreichischen Botschaft in Belgrad, gültig vom 6. August 1994 bis zum 22. August 1994, verfügt hätte und trotz Ablauf dieses Touristensichtvermerkes im Bundesgebiet geblieben sei.

Anläßlich einer Erhebung der Fremdenpolizeibehörde habe sich herausgestellt, daß sich die Beschwerdeführerin mit 17. Februar 1995 von ihrer Adresse in Wien abgemeldet hätte und im Bundesgebiet nicht mehr aufhältig gewesen sei. Am 14. Juni 1995 sei eine neuerliche Meldung der Beschwerdeführerin in Wien erfolgt. Nach einem Aufenthalt in Jugoslawien vom 18. Dezember 1995 bis zum 12. Februar 1996 sei die Beschwerdeführerin zuletzt mit einem von der österreichischen Vertretungsbehörde in Mailand ausgestellten Sichtvermerk, der bis 21. August 1996 gültig gewesen sei, nach Österreich eingereist. Laut ihren eigenen Angaben sei die Beschwerdeführerin am 21. August 1996 ordnungsgemäß wieder aus Österreich ausgereist und habe am 23. August 1996 bei der österreichischen Botschaft in Belgrad einen "Erstantrag" auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Am 23. September 1996 sei die Beschwerdeführerin wiederum über Nickelsdorf, ohne eine Entscheidung über diesen Antrag abzuwarten, und ohne Sichtvermerk, also illegal, nach Österreich eingereist. Da die Beschwerdeführerin sohin über keine Aufenthaltsberechtigung verfüge, sei in ihrem Fall die Voraussetzung des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 betreffe, so sei aufgrund der familiären Bindungen der Beschwerdeführerin (Aufenthalt ihres Ehemannes und ihres gemeinsamen Kindes (im Alter von 9 Monaten) in Österreich) ein mit dieser Maßnahme verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin gegeben. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit der Ausweisung zu bejahen, ob den für die Einreise und für den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukomme. Diese Regelungen seien von der Beschwerdeführerin in gravierender Weise mißachtet worden. Bei der Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den persönlichen Interessen falle zu Ungunsten der Beschwerdeführerin abgesehen davon, daß sie sich jeweils nach Ablauf der ihr erteilten Touristensichtvermerke unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe, weiters ins Gewicht, daß sie ihren unrechtmäßigen Aufenthalt trotz erfolgter Bestrafung fortgesetzt habe. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Ehe vermöge die Interessenabwägung nach § 19 FrG nicht zu ihren Gunsten ausschlagen zu lassen, sei doch diese Ehe in ihrem Gewicht im Hinblick darauf erheblich gemindert, daß sie die Beschwerdeführerin zu einem Zeitpunkt geschlossen habe, als sie nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen sei und daher rechtens nicht mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich habe rechnen dürfen. Diese - solcherart geminderten - privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin hätten gegenüber dem hoch zu veranschlagenden Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesesns jedenfalls in den Hintergrund treten müssen, zumal die Beschwerdeführerin rechtens nicht in der Lage sei, ihren Aufenthalt in Österreich von hier aus zu legalisieren.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß ihr für ihren Aufenthalt in Österreich seit ihrer (unbestritten) letzten Einreise am 23. September 1996 keine Berechtigung erteilt worden sei. Vor diesem Hintergrund begegnet die Auffassung der belangten Behörde, daß im Beschwerdefall die Voraussetzung des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben sei, keinem Einwand, zumal die Beschwerdeführerin aus einer ihr erteilten Beschäftigungsbewilligung keine solche Berechtigung abzuleiten vermag (vgl. § 15 FrG). Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, daß bei der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung die Frage der Aufenthaltsbewilligung als Vorfrage zu prüfen war, so trifft dies im Hinblick auf § 4 Abs. 3 Z. 7 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 78/1997 zwar zu, indes ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, daß diese Vorfragenbeurteilung für die belangte Behörde keine Bindung bewirkte. Die Rüge, der angefochtene Bescheid hätte sich im Zusammenhang mit dem "laufenden Aufenthaltsverfahren" der Beschwerdeführerin mit § 17 Abs. 4 FrG "überhaupt nicht auseinandergesetzt", ist nicht zielführend, weil diese Bestimmung nur für den - vorliegend nicht gegebenen - Fall eines rechtzeitig gestellten Antrages auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zum Tragen kommt.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grunde des § 19 FrG. Die Beschwerdeführerin sei verheiratet, sie habe in Österreich die Ehe geschlossen und hier ein minderjähriges Kleinkind zu betreuen; weiters verfüge die Beschwerdeführerin über eine Beschäftigungsbewilligung in Österreich. Der Ehemann der Beschwerdeführerin betreibe in Österreich eine "GesmbH (Gastbetrieb)", versorge damit die Familie und sorge weiters auch für inländische Arbeitsplätze. Die Ausweisung der Beschwerdeführerin würde dazu führen, daß ihr minderjähriges Kleinkind unversorgt bliebe. In ihrer Heimat verfüge die Beschwerdeführerin über keinerlei familiäre Bindungen und wäre dort bei einer etwaigen Rückkehr "Verfolgungen" ausgesetzt, zumal die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann "ethnisch verschiedenen Volksgruppen des ehemaligen Jugoslawiens" angehörten, "sodaß ihnen eine Rückkehr in ihr Heimatland schon aus diesen Gründen nahezu unmöglich gemacht" werde. Schließlich führt die Beschwerde ins Treffen, daß die Beschwerdeführerin schon seit etwa eineinhalb Jahren auf die Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung warte, was ihrem nach der MRK gegebenen Anspruch, daß über diesen Antrag innerhalb einer angemessenen Frist zu entscheiden sei, zuwiderlaufe.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die geltend gemachten persönlichen Interessen zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen. Ebenso zutreffend hat sie aber auf das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften hingewiesen, dem nach der

hg. Rechtsprechung aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwH). Dieses öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren seit ihrer letzten Einreise zur Gänze unrechtmäßigen Aufenthalt in der Dauer von mehr als 14 Monaten gravierend beeinträchtigt, zumal sie auch trotz einer rechtskräftigen Bestrafung wegen unerlaubten Aufenthaltes weiterhin in Österreich verblieben ist. Demgegenüber treten die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin - auch unter Berücksichtigung ihrer familiären Bindungen - an einem Verbleib in Österreich in den Hintergrund. Die Ehe der Beschwerdeführerin ist - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - in ihrem Gewicht dadurch gemindert, daß sie - unbestritten - zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, als die Beschwerdeführerin rechtens nicht mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Der Einwand der Beschwerdeführerin, ihre Ausweisung würde ihr Kind unversorgt in Österreich zurücklassen, ist nicht zielführend, hat doch die Beschwerdeführerin nichts vorgebracht, was darauf schließen ließe, daß sie nicht von ihrem Kind ins Ausland begleitet werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 97/18/0175). Was das von der Beschwerdeführerin behauptete Fehlen von Familienangehörigen in ihrem Heimatland sowie die dort behauptetermaßen gegebene Situation betrifft, verkennt die Beschwerde, daß - zum einen - mit der Ausweisung keine Aussage verbunden ist, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird, und - zum anderen - sich § 19 FrG lediglich auf das Privat- und Familienleben der Fremden in Österreich bezieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 97/18/0532, mwH). Mit ihrem Vorbringen, das von ihrem Ehemann geführte Unternehmen sorge im öffentlichen Interesse für Arbeitsplätze, macht die Beschwerdeführerin keinen Umstand geltend, der das Gewicht ihrer persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich verstärken könnte. Weiters geht der Beschwerdeeinwand fehl, die Behörde hätte im Grunde des § 19 FrG zu berücksichtigen gehabt, daß der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in einer der MRK zuwiderlaufenden Weise nicht "innerhalb angemessener Frist" erledigt worden sei, da weder die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme noch das angesprochene Verfahren der für die Frage der Verfahrensdauer einschlägigen Bestimmung des Art. 6 MRK zu unterstellen ist (vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, 1997, S. 190). Schließlich erreichen die Dauer des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin seit ihrer letzten Einreise sowie eine daraus (allenfalls) abzuleitende Integration nicht ein Ausmaß, das dieser Integration ein das maßgebliche öffentliche Interesse übersteigendes Gewicht verleihen könnte.

2.3. Vor diesem Hintergrund ist auch die - im übrigen nicht weiter substantiierte - Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe aufgrund eines "grob mangelhaften Ermittlungsverfahrens" auf die von der Beschwerde geltend gemachten Umstände nicht entsprechend Bedacht genommen, nicht zielführend.

3. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen haftet dem bekämpften Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997180665.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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