Norm
BDG 1979 §44 Abs1Schlagworte
Missachten eines ErlassesText
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat am 04.03.2020 nach der am 24.02.2020 und 04.03.2020, jeweils in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beamte wird vom Vorwurf, er habe
1. am N.N., um N.N. oder N.N. Uhr, die Weisung von A.A. als Leiters des N.N.– alle unaufschiebbaren Maßnahmen zur Ausforschung eines Akteurs, welcher im Messenger Dienst „WhatsApp“ ein aufgenommenes Video über den Festnahmevollzuges eines Beschuldigten verbreitet hat, vorzunehmen und in weiterer Folge mündlich mit der Führung des Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung Kontakt aufzunehmen, um weitere Maßnahmen abzustimmen – nicht befolgt,
er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 i. d. g. F. i. V. m. verstoßen § 91 BDG 1979 i. d. g. F. begangen,
2. am N.N., um N.N. Uhr es unterlassen, das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung gemäß geltender Rechts- (§ 5 Abs. 1 BAK-G) und Erlasslage (BMI-OA1300/0138-IV/BAK/2018 v. 13.07.2018) unverzüglich schriftlich vom Vorliegen eines in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Sachverhaltes (im Sinne des § 310 StGB) zu verständigen,
er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 i. d. g. F. i. V. m. § 91 BDG 1979 i. d. g. F. begangen,
3. am N.N., nach N.N. Uhr, es unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass sein Mitarbeiter, A.A., seinen dienstlichen Aufgaben in gesetzmäßiger Weise nachkommt, in dem er nach dessen Kontaktierung es zugelassen hat, dass A.A. eine Einvernahme entgegen den Bestimmungen des § 3 Abs. 2 StPO iVm. § 47 Abs. 1 Z 3 StPO mit seinem eigenen Mitarbeiter, B.B., wegen Verdacht der Verletzung des Amtsgeheimnisses vornimmt,
er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 45 Abs. 1 BDG 1979 i. d. g. F. i. V. m. § 91 BDG 1979 i. d. g. F. begangen,
gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 i. d. g. F. freigesprochen.
Begründung
Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige des N.N. vom N.N., GZ N.N..
Inhalt der Disziplinaranzeige
Die Dienstbehörde hat am N.N. mit Einlangen des Evaluierungsberichtes zur „N.N.“ Kenntnis vom Sachverhalt erlangt. Am N.N. langte bei C.C. mittels Mail ein Evaluierungsbericht zur „N.N.“ samt Beilagen ein. Der gegenständliche Evaluierungsbericht wurde von D.D., LPD N.N., im Auftrag der N.N. erstellt und mit N.N. datiert.
Diese Mail wurde am N.N. von C.C.an den Abteilungsleiter N.N., und an den RL N.N., weitergeleitet. Wie aus dem Evaluierungsbericht zu entnehmen, erteilte E.E. der F.F., den Auftrag, zur Prozessoptimierung eine Evaluierung der Kommunikation und Dokumentation der „N.N.“ vorzunehmen. Gegenstand der „N.N.“ war ein gemeinsames staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren N. und N.N. Justizbehörden gegen N.N.
Im Rahmen dieser „N.N.“ drangen Kräfte der Polizei am N.N., ca. N.N. Uhr, aufgrund von gerichtlich bewilligten Festnahme-, Hausdurchsuchungs- und Sicherstellungsanordnungen unter anderem in das N.N. ein. Dort wurde der G.G. auf frischer Tat beim N.N. betreten. Das Eindringen wurde vom N.N. über Ersuchen des N.N. fotografisch und durch Kameraaufnahmen dokumentiert. In weiterer Folge tauchte in sozialen Medien ein im Zuge der Amtshandlung zu Dokumentationszwecken aufgenommenes Video auf. Dieser Umstand und die folgenden Ergebnisse waren schließlich der Anlass für die erwähnte Evaluierung.
Am N.N., um N.N. Uhr, setzte ein Mitarbeiter der N.N., A.A. in Kenntnis, dass das dienstlich aufgenommene Video des Festnahmevollzuges des G.G. im Messenger-Dienst Whats-App kursiere. Ein Mitarbeiter von A.A. setzte Staatsanwalt H.H. der StA N.N. in Kenntnis, welcher bereits informiert war und daraufhin die Anordnung erteilte, die Sachbearbeitung möge alles nur Mögliche unternehmen, um den Täter rasch auszuforschen. A.A. führte erste Ermittlungen durch und setzte seinen Vorgesetzten fernmündlich vom Vorfall in Kenntnis. Dabei sicherte der Beamte, A.A. zu, das N.N. und seinen Vorgesetzten I.I. zu verständigen. Der Beamte informierte I.I. fernmündlich im Zuge zweier Telefonate. I.I. ordnete den Beamten an, alle unaufschiebbaren Maßnahmen zur Ausforschung des Akteurs vorzunehmen und mündlich mit der N.N. Kontakt aufzunehmen, um Maßnahmen abzustimmen. Am N.N., um N.N. Uhr, übernahm im Zuge einer Mitarbeiterbesprechung ein Mitarbeiter von A.A., B.B., die Verantwortung für die Weiterleitung des Videos, worauf A.A. seinen Vorgesetzten von der Klärung des Sachverhaltes in Kenntnis setzte. Am N.N., gegen N.N. Uhr, hat der Beamte versucht, den Leiter des N.N., J.J., am Mobiltelefon zu erreichen, wobei er aber auf die Mobilbox umgeleitet wurde. Weitere Versuche einer Kontakt-aufnahme mit der N.N. oder eine Verständigung des N.N. erfolgte nicht. Nach Rücksprache mit dem Beamten wurde B.B. von A.A. am N.N. von N.N. Uhr bis N.N. Uhr, einvernommen und das Mobiltelefon des B.B. sichergestellt. Am folgenden Tag, dem N.N., ersuchte der Beamte den damaligen stellvertretenden Leiter des N.N., O.O., mittels SMS um einen dringenden Rückruf. Gegen N.N. setzte der Beamte, I.I. telefonisch von der Ausforschung des Akteurs, der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft, der Abarbeitung diesbezüglicher Aufträge und der noch nicht erfolgten Kontaktaufnahme mit der N.N. in Kenntnis. I.I. informierte daraufhin per E-Mail die F.F., den Leiter der N.N., C.C., den Leiter des N.N., J.J., und den Beamten, dass die zuständige StA sich der Sache annehmen werde und dass das N.N. am Vortag in Kenntnis gesetzt wurde. Am N.N., um N.N. Uhr, setzte der Beamte, den Leiter des N.N., J.J., fernmündlich über den Verlauf in Kenntnis, wobei angeblich J.J. der weiteren Vorgangsweise zugestimmt haben soll. Welcher Vorgangsweise J.J. konkret zugestimmt hat, kann nicht nachvollzogen werden, da es unterschiedliche Erinnerungen und Wahrnehmungen gibt. Laut J.J. wurde dieser vom Beamten am N.N., um N.N. Uhr, davon informiert, dass der betroffene Beamte betreffend der Weitergabe der Videosequenz bereits durch das N.N. einvernommen worden und geständig wäre. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass alle weiteren Ermittlungen durch das N.N. geführt werden und keinesfalls eine andere Vorgangsweise, insbesondere die Vorlage eines Abschlussberichtes an die Staatsanwaltschaft durch das N.N. zugestimmt wurde. Entgegen dieser Vereinbarung wurde jedoch ein Abschlussbericht durch das N.N. gelegt und das Mobiltelefon des Bediensteten am N.N., um N.N. Uhr, über Anordnung des Staatsanwaltes wieder an den Beamten ausgefolgt. Gegen N.N. Uhr des N.N. teilte A.A., K.K. und L.L. des N.N. mit, dass laut StA N.N. die Ermittlungen betreffend des gegenständlichen Falles beendet wurden und er den Abschlussbericht an die StA bereits verfasst hatte. Daraufhin teilten L.L. und K.K., A.A. mit, dass er den Abschlussbericht versenden und dem N.N. eine Kopie zukommen lassen möge. Im Falle weiterer Ermittlungsmaßnahmen wäre in weiterer Folge das N.N. zu beauftragen. Am N.N., um N.N. Uhr, wurde der Abschlussbericht mit dem Gesamtakt der StA N.N., H.H., durch A.A. übermittelt.
Erhebung und Ergebnis:
Im Zuge der Evaluierung wurde durch den Beauftragten, D.D., folgende Vorschriftenlage genauer erläutert:
Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung ist eine sondergesetzlich eingerichtete innere Gliederung des Bundesministeriums für Inneres und wird für den Bundesminister für Inneres tätig (§ 6 Abs. 1 SPG iVm § 1 BAK-G). Der Gesetzgeber wollte für bestimmte Deliktsformen eine besondere Spezialisierung sicherstellen. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 65/2013 wurde die Bestimmung des § 319 StGB (Verletzung des Amtsgeheimnisses) in den Zuständigkeitskatalog des BAK aufgenommen (§ 4 Abs. 1 Z 8a BAK-G). Ermittlungen wegen § 310 StGB sind daher eine Exklusivzuständigkeit des BAK (§ 4 Abs. 1 Z 8a BAK-G). Die dem BAK gesetzlich vorbehaltenen Agenden dürfen somit nicht ohne weiteres durch eine andere Behörde oder eine andere innere Gliederung des BMI wahrgenommen werden.
§ 5 Satz 1 BAK-G sowie der BAK-Erlass des BMI normieren eine unverzügliche, schriftliche Meldepflicht aller Sicherheitsbehörden und –dienststellen, nach dem BAK-Erlass „mit dem gesamten bekannten Sachverhalt“. Ausnahmen hinsichtlich besonders klassifizierter Informationen, insb. auf Grund des Informationssicherheitsgesetzes (InfoSiG) und der Informationssicherheitsverordnung (InfoSiV) sind nicht ersichtlich.
Für die ursprünglich zuständige Dienststelle besteht nach § 6 Abs. 1 BAK-G die Verpflichtung zur Durchführung unaufschiebbarer Ermittlungshandlungen, etwa zur Verhinderung eines drohenden Beweismittelverlustes, es sei denn, das BAK oder die WKStA trifft eine abweichende Anordnung.
Hinsichtlich der Auftragserteilung durch StA N.N. an das N.N. in der Causa B.B. nach § 310 StGB wird von der Zuständigkeit der StA N.N. nach § 20 StPO ausgegangen. Gemäß § 102 Abs. 1 StPO sind Anordnungen der StA an die Kriminalpolizei gemäß deren Zuständigkeit zu richten. § 18 Abs. 2 StPO verweist dazu auf die Vorschriften des SPG über die Organisation der Sicherheitsverwaltung. In § 6 Abs. 1 SPG ist das BAK ausdrücklich genannt.
Für die dienstliche Kommunikation sind nach geltender Erlasslage die Organisationspostfächer zu nutzen. Alle dienstlichen E-Mail-Sendungen innerhalb des Ressorts sind ausnahmslos an das Dienststellenpostfach bzw. Funktionspostfach jener Dienststelle zu richten, der der Empfänger angehört. (…) Lediglich Dienststücke, die sonst „sub cuvert“ (…) übermittelt werden, dürfen an ein persönliches Postfach gesendet werden. Werden E-Mails an das Organisationspostfach der zuständigen Organisationseinheit gerichtet, so ist eine zusätzliche persönliche Adressierung (Cc) an den gewünschten Empfänger zulässig.
D.D. kam nach Erörterung der oben angerführten Vorschriftenlage zu folgender rechtlichen Beurteilung:
Die Durchführung von unaufschiebbaren Maßnahmen durch das N.N. war geboten und gesetzes- und erlasskonform (§ 6 Abs. 1 BAK-G, BAK-Erlass).
Die Unterlassung der (unverzüglichen schriftlichen) Verständigung des BAK und die Fortsetzung der kriminalpolizeilichen Ermittlungen über die gebotenen unaufschiebbaren Maßnahmen hinaus bis zur Erstattung des Abschlussberichts an die StA N.N. werden von D.D. wie folgt beurteilt:
• Die Zuständigkeit lag gemäß § 4 Abs. 1 Z 8a BAK-G beim BAK.
• Die nicht rechtzeitige Verständigung des BAK widerspricht § 5 Abs. 1 BAK-G und dem BAK-Erlass des BMI.
• Dem BAK wurde dadurch die Möglichkeit genommen, seine gesetzliche Zuständigkeit entweder selbst wahrzunehmen oder eine Entscheidung gemäß § 6 Abs. 2 und 3 BAK-G über die Beauftragung einer anderen Dienststelle mit einzelnen Ermittlungen bzw. die gänzliche Übertragung der Ermittlungen an eine andere Dienststelle zu treffen.
Die niederschriftliche Vernehmung von B.B. nach der StPO durch seinen Vorgesetzten A.A. in den Räumlichkeiten des N.N. wird wie folgt durch D.D. beurteilt:
• Die kriminalpolizeiliche Dienststelle, der der Beamte angehört(e), nämlich das N.N., ermittelte gegen sich selbst.
• Eine unbefangene (unvoreingenommene und unparteiliche) Ermittlung war damit nicht sichergestellt.
• Dafür gibt es umfangreiche Regelungen, wie in solchen Fällen vorzugehen ist.
• Beim vernehmenden Vorgesetzten ist nach § 47 Abs. 1 Z 3 StPO Befangenheit anzunehmen.
• Die kriminalpolizeiliche Zuständigkeit für das Ermittlungsverfahren lag gemäß § 4 Abs. 1 Z 8a BAK-G beim BAK, das N.N. war demgemäß mangels anderslautender Entscheidung durch das BAK nach § 6 Abs. 2 und 3 BAK-G unzuständig.
• Eine sofortige Vernehmung hätte ggf. auch durch ein entsprechendes Ersuchen an die N.N. bewerkstelligt werden können (insb. durch Organe des N.N.).
• Daraus resultiert im Strafverfahren zwar keine Nichtigkeitsfolge, aber das Ergebnis einer solchen Amtshandlung könnte über entsprechende Antragstellung auf dessen Nichtverwendung in der Hauptverhandlung zu einer Nichtigkeit des Urteils wegen § 281 Abs. 1 Z 4 StPO führen.
Beurteilung des D.D. im Zusammenhang mit der Auftragserteilung in der Causa B.B. nach § 310 StGB durch die StA N.N. an das N.N.:
Das N.N. hätte Aufträge der StA in der Causa B.B. wegen Unzuständigkeit infolge der Exklusivzuständigkeit des BAK gemäß § 4 Abs. 1 Z 8a BAK-G nicht annehmen dürfen. Die Verpflichtung zur Durchführung der Anordnungen der StA nach § 103 Abs. 1 StPO kann nur eine zuständige Stelle treffen. Die StA hätte auf diesen Umstand aufmerksam gemacht werden müssen. Erlässe des BMI ergehen „Für den Bundesminister“, sind diesem zurechenbar und binden somit nicht nur nachgeordnete Behörden und Dienststellen, sondern auch die Zentralstelle und deren Bedienstete. Hierbei erscheint es nicht von Bedeutung, ob ein Erlass vom Bundesminister persönlich oder von einem sonstigen Organwalter des BMI approbiert wurde. Die erlassmäßig festgelegte Zuständigkeit des BAK ist daher unbeschadet der im konkreten Fall sogar vorliegenden gesetzlichen Regelung auch von allen Bediensteten der Zentralstelle zu beachten.
Sonstiges:
Mit Mail vom N.N. wurde I.I., von C.C. um Prüfung des Evaluierungsberichtes im Sinne des § 109 BDG 1979 und allfälliger Veranlassungen/Antragstellungen ersucht. In diesem Zug wurde er auch darüber informiert, dass der Bericht gesondert von der Sektion I einer Prüfung unterzogen wird. Am gleichen Tag antwortete I.I., C.C., wobei er ihm zusicherte, dass die N.N. auf den vorliegenden Bericht „adäquat reagieren“ werde. Wesentlich aus seiner Sicht werden für die Reaktion aber der Zeitpunkt und die Art sein. Am N.N., um N.N. Uhr, übermittelte J.J., C.C. und M.M. ein Mail mit einer ersten Stellungnahme zu einem Telefonat mit dem Beamten. Darin führt J.J. an, dass beim Telefongespräch am N.N., um ca. N.N. Uhr, eine unmissverständliche Vereinbarung über die weitere Bearbeitung getroffen wurde. Die Erstellung eines Abschlussberichtes war keinesfalls Inhalt des Gespräches. Am N.N. übermittelte J.J., C.C. und M.M. seine abschließende Beurteilung zur Evaluierung der „N.N.“
In dieser führt er zum Themenkreis – Ermittlungen nach § 310 StGB, Zuständigkeiten, Verständigung des BAK – aus, dass aus seiner Sicht das BAK-G und der einschlägige Meldeerlass an das BAK verletzt wurde, da die gebotene Meldung an das BAK unterlassen wurde, wodurch es dem BAK nicht möglich war, seine spezialgesetzliche Zuständigkeit zu vollziehen. Überdies stellte er fest, dass durch die Führung der Ermittlungen gegen einen eigenen Bediensteten das Objektivitätsgebot nach § 3 Abs. 2 StPO verletzt wurde. Festgehalten wird, dass im Evaluierungsbericht angeführt ist, dass der Beamte dem O.O., am N.N., N.N. Uhr, angeblich per SMS um einen dringenden Rückruf ersuchte. Diesbezüglich wurde mit O.O. Kontakt aufgenommen, welcher gegenständliches SMS vorweisen konnte, wobei folgender Wortlaut zu entnehmen war: „Guten Morgen O.O.! Ruf mich bitte kurz an, wenn du im Dienst bist! LG“ Aus diesem SMS ist keine unverzügliche Verständigung über einen Aktenvorgang erkennbar.
Verständigung der Dienstbehörde:
Die Dienstbehörde erlangte durch Übermittlung des gegenständlichen Evaluierungsberichtes am N.N. vom Sachverhalt Kenntnis. Angaben des Verdächtigen können keine angeführt werden. Diesbezüglich wird auf die Stellungnahme des I.I., vom N.N., GZ N.N., verwiesen, aus welcher zu entnehmen ist, dass keine weiteren dienstrechtlichen Maßnahmen hinsichtlich der von der Evaluierung betroffenen Akteuren erforderlich sind. Aus diesem Grund können der Disziplinaranzeige keine Angaben des Disziplinarbeschuldigten angefügt werden.
Aufgrund der vom N.N. übermittelten Stellungnahme wurde über Auftrag von C.C., F.F. , der J.J., und der Leiter der Evaluierungsgruppe, D.D., nochmals ersucht, eine weitere Stellungnahme zu dieser zu übermitteln. Am N.N. langte dazu die Stellungnahme von F.F. ein, aus welcher ersichtlich ist, dass sie zu den festgestellten Dienstpflichtverletzungen keine weiteren konkreten Angaben machen konnte. Ergänzend dazu übermittelte J.J., am N.N. seine Stellungnahme, in welcher er mitteilte, dass die Evaluierungsgruppe bereits mit Übermittlung des Berichtes am N.N. rechtsrichtig die Nichteinhaltung des BAK-G und des BAK-Erlasses feststellte. Des Weiteren langte am N.N. eine Stellungnahme des D.D. ein. In dieser Stellungnahme wird im Wesentlichen auf den Evaluierungsbericht vom N.N. verwiesen.
Mit Bescheid, GZ BMI-40060-DK/2019 wurde aufgrund der im Spruch bezeichneten Vorwürfe gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
In weiterer Folge wurde für den 24.02. und 04.03.2020 eine Verhandlung anberaumt und jeweils in Anwesenheit des Beschuldigten durchgeführt.
Der Senat hat dazu erwogen:
Gemäß § 43 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Verpflichtung, dienstliche Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
§ 44 Abs. 1 BDG zufolge hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen, und ihre Weisungen, sofern verfassungsgesetzlich nichts anders bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
§ 45 Abs. 1 BDG besagt, dass der Vorgesetzte darauf zu achten hat, dass seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen. Er hat seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Missstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen. Er hat das dienstliche Fortkommen seiner Mitarbeiter nach Maßgabe ihrer Leistung zu fördern und ihre Verwendung so zu lenken, dass sie ihren Fähigkeiten weitgehend entspricht. Weiters hat sie oder er darauf hinzuwirken, dass ihre oder seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Erholungsurlaub in Anspruch nehmen können und auch in Anspruch nehmen.
§ 3 Abs. 2 StPO besagt, dass kriminalpolizeiliche Organe ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden haben.
§ 47 Abs. 1, Z. 2 StPO legt fest, dass jedes Organ der Kriminalpolizei sich der Ausübung des Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen hat, wenn andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.
§ 4 Abs. 1 Z 8a des Gesetzes über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung normiert, dass das Bundesamt bundesweit für sicherheits-und kriminalpolizeiliche Angelegenheiten wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses zuständig ist und haben§ 5 leg. cit. die Sicherheitsbehörden oder –dienststellen, die von einer Straftat im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1-15 Kenntnis erlangen, diese unbeschadet ihrer Berichtspflicht nach der Strafprozessordnung unverzüglich dem Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung schriftlich zu berichten.
Der Erlass des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung vom 13.07.2018, GZ BMI-OA1300/0138-IV/BAK/2018 regelt im Detail die Zuständigkeit des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung für sicherheits-und kriminalpolizeiliche Angelegenheiten –unter anderem- wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, dass die Sicherheitsbehörden oder –dienststellen unverzüglich schriftlich Meldung an dasselbe zu erstatten haben und entscheidet dieses in der Folge über eine Übernahme oder eine allfällige Übertragung.
Wie das Beweisverfahren ergeben hat, hat der Beamte unmittelbar, nachdem er Kenntnis von dem im WhatsApp kursierenden Video, welches die Festnahme des G.G. wiedergab, erlangte, sich diesbezüglich mit I.I. fernmündlich ins Einvernehmen gesetzt hatte. Seinem Untergebenen A.A. gegenüber hat er –der Aussage von A.A. folgend- einerseits die Kontaktaufnahme mit I.I. als auch jene mit dem N.N. bekundet. Weiters hat er diesen angewiesen, alle erforderlichen Maßnahmen zur Erforschung des Täters zu treffen.
Auf entsprechende Weisung von I.I. hat er um N.N. Uhr, mündlich mit J.J. Kontakt aufgenommen, wobei es vorerst bei dem Versuch geblieben ist, zumal sich nur dessen Sprachbox eingeschaltet hat. Das in heiklen Fällen vorab eine mündliche Kontaktaufnahme üblich ist, wurde übereinstimmend vom Beamten A.A., vom Zeugen I.I. sowie von J.J., und O.O., bestätigt. Dass es sich vorliegenden Falls um eine unter der Teilnahme des Täters äußerst sensible Amtshandlung gehandelt hat ergibt sich daraus, dass unter Beteiligung der N.N. Behörden gegen dreißig N.N. aber auch gegen die sich im Ausland befindenden Organisatoren des N.N. vorgegangen wurde. Bei einer derart groß angelegten Amtshandlung – noch viel mehr als sonst – besitzt ein strikt an den Vorgaben gebundenes Vorgehen und Geheimhaltung absolute Priorität. Die Behörden müssen sich, soll die Amtshandlung von Erfolg gekrönt sein, auf die Seriosität der an der Amtshandlung teilnehmenden Organe verlassen könne. Ein regelwidriges Verhalten eines daran teilnehmende Organes ist daher durchaus geeignet, einen Vertrauensverlust in die Seriosität der Tätigkeit der Polizei zu bewirken. Es ist nachvollziehbar, dass, wären nicht rasch Gegenmaßnahmen ergriffen worden, die Gefahr eines Abbruchs der Amtshandlung im Raum stand. Wenngleich der Zeuge J.J., welche Aussage vom Senat als glaubwürdig erachtet wurde, angab, dass sich auf seinem Mobiltelefon kein Hinweis auf diesen Anruf betreffend fand, schenkte die Kommission trotzdem auch den diesbezüglichen Angaben des Beamten glauben. Dieser erklärte nämlich unumwunden, dass er davon ausgegangen sei, dass seine Telefonnummer am Mobiltelefon von J.J. ohnehin aufscheint und dieser daher zurückrufen werde, für ihn daher die Sache mit dem versuchten Telefonat erledigt war und er es für ausreichend erachte, dass er erst am nächsten Tag um N.N. Uhr, um die Nachtruhe von O.O. nicht zu stören, an diesen eine SMS abgesetzt und um Rückruf gebeten habe. Die zwölf Stunden nach dem fehlgeschlagenen Kontaktversuch erfolgte weitere Verständigung wäre zeitgerecht. Obwohl es zwar eigenartig ist, dass sich am Mobiltelefon von J.J. kein Hinweis über diesen Anruf findet, erschließt sich für den Senat aufgrund der vorangeführten Aussage dennoch kein Grund an der Richtigkeit dessen Behauptung zu zweifeln. Aufgrund der Zeugenaussage von I.I. steht fest, dass der Beamte im Laufe der Nacht fernmündlich mit J.J. Kontakt aufnehmen sollte, welcher Weisung der Beamte sofort nach Kenntnis des Täters nachgekommen ist. Darüber hinaus hat er, als keine Rückmeldung von J.J. erfolgte um N.N. Uhr per SMS bei O.O. um Kontaktaufnahme ersucht. Aufgrund dessen, dass -wie der Inhalt der von I.I. erteilten Weisung zeigt (Stichwort „Im Laufe der Nacht“) - der Fokus eindeutig auf der Ausforschung und Einvernahme des Täters und erst zweitrangig auf der Verständigung von J.J. gelegen ist, erachtet der Senat die Vorgangsweise des Beamten als im Einklang mit der ihm erteilten Weisung stehend.
Es war daher in analoger Anwendung des § 118 Abs. 1, Z. 1, 1. Halbsatz BDG spruchgemäß zu entscheiden.
Nachdem eindeutig nur mit der Führung des BAK Kontakt aufgenommen werden sollte und nicht mit dem BAK, geht auch der Vorhalt ad Punkt 2.) ins Leere und war daher ebenso in analoger Anwendung des § 118 Abs. 1, Z. 1, 1. Halbsatz BDG mit Freispruch vorzugehen.
Was den Vorwurf anbelangt, als Vorgesetzter von A.A. keine Sorge dafür getragen zu haben, dass dieser seinen dienstlichen Aufgaben in gesetzmäßiger Weise nachkommt, zumal er es zugelassen hat, dass dieser trotz Befangenheit den ihm unterstellten Täter B.B. einvernimmt, bestand die Gefahr, dass die gesamte Amtshandlung, würde der ausgeforschte Täter nicht umgehend einvernommen werden, abgebrochen wird. Dies wurde auch vom Zeugen I.I. bestätigt, der erklärte, dass, wenn sich bei derartig brisanten Amtshandlungen herausstellt, dass an derselben ein „Maulwurf“ mitgewirkt hat, die Amtshandlung sofort abgebrochen wird. Es lag daher im Sinne des § 47 Abs. 2 StPO durchaus Gefahr im Verzug vor.
Auch die Zeugen J.J. und O.O. konzedierten übereinstimmend, dass es sich bei der niederschriftlichen Befragung von B.B. um eine unaufschiebbare Maßnahme gehandelt habe. Diese betonten jedoch auch, dass sie geraten hätten, die Einvernahme durch einen Bediensteten der N.N. durchführen zu lassen. Somit steht fest, dass die unverzügliche Einvernahme durch einen Mitarbeiter des BAK nicht bewerkstelligt werden hätte können.
Der Zeuge I.I. erklärte, dass eine Befragung durch einen Mitarbeiter des N.N. nicht in Betracht kam, zumal die Bediensteten im Rahmen der gegenständlichen Amtshandlung dem N.N. fachlich unterstellt waren. Der Senat teilt die Ansicht, dass eine Einvernahme eines fachlich dem befragenden Beamten in der Weisungshierarchie übergeordneten Beamten tatsächlich außer Betracht zu bleiben hat. Es kam aber auch, wie I.I. betonte, eine Einvernahme durch einen N.N. Beamten nicht in Betracht, zumal es sich hierbei um einen mit dem Ausland geführten elektronischen Akt gehandelt hat. Hierzu bedarf es eines besonderen Systems der elektronischen Aktenführung und kann sich daher kaum jemand orientieren, der noch nie einen derartigen Akt geführt hat. Üblicherweise würden Amts-handlungen mit einer gemeinsam mit dem Ausland geführten elektronischen Aktenführung nur von Mitarbeitern des N.N. durchgeführt werden. Die Einvernahme konnte daher nur von jemandem vorgenommen werden, der über das Spezialwissen, wie bei derartigen Akten eine Absaugung eines Aktenteils und eine elektronische Weitergabe erfolgt, vorgenommen werden. Die Befragung durch A.A. erfolgte daher mit seinem Wissen und Zustimmung, zumal derselbe über diese Spezialwissen verfügte. Nachdem sohin im Sinne des Gesetzes nicht sogleich die Vertretung durch ein anderes (noch dazu mit Spezialwissen ausgestatteten) Organ bewirkt werden konnte, war die von A.A. durchgeführte Einvernahme als im Einklang mit § 47 Abs. 2 StPO stehend zulässig und geschah überdies mit Zustimmung und Wissen des dem Beamten vorgesetzten I.I.
Der Beamte hat daher die ihm angelastete Dienstpflichtverletzung nicht begangen und war mit Freispruch vorzugehen.
Zuletzt aktualisiert am
17.04.2020