TE Vwgh Beschluss 2020/3/4 Ra 2019/21/0369

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Veröffentlicht am 04.03.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §55
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs3
FrPolG 2005 §52 Abs9
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der O O in W, vertreten durch Dr. Michael Velik, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 1/6, gegen das am 5. August 2019 mündlich verkündete und mit 6. August 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, I409 1400912-3/8E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist nigerianische Staatsangehörige. Nach ihrer Einreise nach Österreich stellte sie hier am 2. Oktober 2007 einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26. August 2010 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Außerdem wurde die Revisionswerberin nach Nigeria ausgewiesen.

2 Die nach eigenen Angaben durchgehend im Bundesgebiet verbliebene Revisionswerberin war in der Folge für die Behörden nicht greifbar und verfügte für den Zeitraum 8. April 2011 bis 26. November 2014 über keine Meldeadresse.

3 Im Jänner 2015 beantragte die Revisionswerberin dann die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005, den sie bei einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 5. August 2015 dahingehend modifizierte, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zu stellen.

4 Mit Bescheid vom 18. Februar 2019 wies das BFA den genannten Antrag der Revisionswerberin ab und erließ gegen sie gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG. Unter einem stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberin nach Nigeria zulässig sei, und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 5. August 2019, schriftlich ausgefertigt am 6. August 2019, wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Das BVwG stellte fest, dass die Revisionswerberin in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte verfüge und dass sich ihre privaten Kontakte in Österreich im Wesentlichen auf das Umfeld einer näher genannten christlichen Kirchengemeinde beschränkten. Sie spreche Deutsch auf dem "Niveau A2 plus" und habe ihren Lebensunterhalt in Österreich bisher stets durch Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und durch Zuwendungen von Privatpersonen bestritten. Entgegen ihren Angaben sei davon auszugehen, dass sie noch über Familie in Nigeria verfüge. Insgesamt sei von einem "geringen Integrationsgrad" auszugehen, weshalb das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung ihr privates Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiege.

6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision nur zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 In dieser Hinsicht macht die Revisionswerberin nach Ablehnung der Behandlung ihrer zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Oktober 2019, E 3502/2019-7, in der dann ausgeführten außerordentlichen Revision geltend, es stelle sich die Frage, ob nicht die Kumulierung der Umstände des Falles "zu einer besonderen Würdigung" zu führen habe, wobei dann der Sache nach ausgeführt wird, die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK hätte zu einem anderen Ergebnis führen müssen. 10 Entgegen dieser Ansicht erweist sich die fallbezogene Beurteilung durch das BVwG aber jedenfalls als vertretbar, und zwar ungeachtet der besonders ins Treffen geführten Umstände, dass das gegenständliche Verfahren ohne ersichtlichen Grund rund viereinhalb Jahre dauerte und dass seit der Einreise der damals 18- jährigen Revisionswerberin nach Österreich bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses knapp 12 Jahre verstrichen sind. Einerseits verfügt die Revisionswerberin nämlich unstrittig über keine familiären Beziehungen in Österreich und andererseits ist auch ihr Privatleben hier nicht derart "verdichtet", dass es zur Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels bzw. zur Abstandnahme von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung hätte kommen müssen. Das gilt auch vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden regelmäßig von einem Überwiegen seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist, denn diese Judikaturlinie kommt infolge des unbekannten Aufenthalts der Revisionswerberin von (jedenfalls) mehr als dreieinhalb Jahren (April 2011 bis November 2014) fallbezogen nicht zum Tragen (siehe aus jüngerer Zeit etwa VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0077, Rn. 9). 11 Ausgehend von einer jedenfalls vertretbaren Interessenabwägung, die zudem auf den Ergebnissen einer antragsgemäß durchgeführten Beschwerdeverhandlung beruhte, vermag die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen (vgl. unter vielen etwa VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0113, Rn. 6, mit Verweis insbesondere auf VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0033, und zuletzt VwGH 23.1.2020, Ro 2019/21/0018, Rn. 17).

12 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 4. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210369.L00

Im RIS seit

05.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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