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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §68 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A P O in L, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2019, Zl. I416 2217331- 1/3E, betreffend Aufenthaltsverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste im Mai 2013 mit gültigem Aufenthaltstitel für Studierende nach Österreich ein. Dieser Aufenthaltstitel wurde zweimal, zuletzt bis zum 28. Februar 2015, verlängert. Ein am 24. Februar 2015 gestellter Verlängerungsantrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 18. Dezember 2017 mangels Studienerfolgs abgewiesen. Am 18. Jänner 2018 heiratete der Revisionswerber eine tschechische Staatsangehörige, welche von ihrem Recht auf Freizügigkeit in Österreich Gebrauch gemacht hatte. Am 1. Februar 2018 beantragte er im Hinblick auf diese Ehe eine Aufenthaltskarte.
2 Mit Urteil des Bezirksgerichts Urfahr vom 8. August 2018 wurde der Revisionswerber als Beteiligter wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe gemäß § 117 Abs. 1 FPG zu einer Geldstrafe verurteilt. Dem Schuldspruch zufolge wurde ihm zur Last gelegt, sich an der Tat der T. O. - Eingehen einer Ehe am 18. Jänner 2018 als eine zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigte Fremde mit einem Fremden, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führen zu wollen und im Wissen, dass sich der Fremde für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe berufen wolle - im Sinn des § 117 Abs. 4 FPG beteiligt zu haben. Das Bezirksgericht stellte fest, dass zwischen dem Revisionswerber und der T. O. aufgrund der Sprachbarriere (Englisch - Tschechisch) eine Verständigung lediglich unter Zuhilfenahme eines elektronischen Übersetzers am Mobiltelefon möglich sei. Die Ehepartner hätten nie miteinander gewohnt und würden wirtschaftlich "getrennte Leben" führen. Auch eine emotionale Bindung bestehe nicht. Beide hätten gewusst, dass ihre Ehe eine Ehe zwischen einem nicht aufenthaltsberechtigten Nigerianer und einer aufenthaltsberechtigten EU-Bürgerin darstelle; beiden sei es darauf angekommen, mit dem Ehepartner kein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK zu führen, vielmehr hätten sie den Zweck verfolgt, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Revisionswerber hintanzuhalten. Der Revisionswerber habe in der Absicht gehandelt, sich auf diese Ehe zu berufen, um weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.
3 Der Berufung gegen dieses Urteil wurde mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 12. November 2018 nicht Folge gegeben. 4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erließ daraufhin mit Bescheid vom 8. März 2019 gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gegen den Revisionswerber, wobei gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt wurde.
5 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.
6 Es stellte fest, dass der Revisionswerber mit Urteil des Bezirksgerichts Urfahr vom 8. August 2018 wegen des Vergehens des Eingehens einer Aufenthaltsehe zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Die Rechtskraft dieses Urteils mit 12. November 2018 ergebe sich unzweifelhaft aus dem aktuellen Strafregisterauszug. Im Hinblick auf das Eingehen einer Aufenthaltsehe durch den Revisionswerber bejahte das Bundesverwaltungsgericht die Gefährdungsprognose des § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 FPG. Bei Abwägung mit den persönlichen Interessen des Revisionswerbers ergebe sich, dass diese keinesfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an der Erlassung der gegenständlichen Maßnahme. Der Revisionswerber habe nämlich während seines Aufenthalts in Österreich keine maßgeblichen integrativen Schritte gesetzt. Soweit er sich auf das Familienleben mit seiner Ehefrau berufe, sei ihm entgegenzuhalten, dass im Strafurteil eine tatsächlich bestehende eheliche Gemeinschaft in Zweifel gezogen und eine Aufenthaltsehe festgestellt worden sei.
7 Die beantragte mündliche Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen können.
8 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 Unter diesem Gesichtspunkt bemängelt der Revisionswerber, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung abweiche, da der Sachverhalt insbesondere in Bezug auf die vorgeworfene Aufenthaltsehe nicht hinreichend geklärt sei. Das Bundesverwaltungsgericht berufe sich, ebenso wie das BFA, lediglich auf die Feststellungen im Urteil des Bezirksgerichtes, welches vom Revisionswerber jedoch mit Berufung bekämpft worden sei. Der Revisionswerber führe mit seiner tschechischen Ehegattin ein Familienleben, das Ehepaar lebe auch aktuell in einem gemeinsamen Haushalt an einer näher genannten Adresse. Die "fremdenrechtlichen Behörden bzw. das erkennende Höchstgericht" hätten den der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zugrunde liegenden Sachverhalt selbst erheben und darauf basierend eine Entscheidung treffen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hätte sich bei einem mehr als sechsjährigen Aufenthalt in Österreich vor der Erlassung "einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots" ein persönliches Bild vom Revisionswerber machen müssen.
12 Entgegen dem Revisionsvorbringen ist die strafgerichtliche Verurteilung wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe mit der Abweisung der Berufung des Revisionswerbers und seiner Ehefrau in der (in Anwesenheit des Revisionswerbers durchgeführten) Verhandlung vor dem Landesgericht Linz am 12. November 2018 in Rechtskraft erwachsen.
13 Ausgehend davon ist der Rüge, dass das Bundesverwaltungsgericht den der Annahme einer Aufenthaltsehe zugrunde liegenden Sachverhalt selbst erheben hätte müssen, die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindungswirkung eines rechtskräftigen inländischen Strafurteils entgegen zu halten. Diese besteht darin, dass durch das Urteil (vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens) mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass die schuldig gesprochene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des Strafurteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0288, mwN).
14 Aufgrund des rechtskräftigen Strafurteils war der Gefährdungsprognose und der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG daher zugrunde zu legen, dass der Revisionswerber einerseits eine Straftat nach § 117 FPG begangen hatte und andererseits in Österreich kein Familienleben führte. Dass es insoweit bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu einer Änderung gekommen sei, wurde nicht konkret vorgebracht. Angesichts dessen war das Ergebnis der Gefährdungsprognose und der Interessenabwägung nicht nur nicht unvertretbar, sondern es lag - in Verbindung mit der auch sonst nicht ausgeprägten Integration des Revisionswerbers - sogar ein eindeutiger Fall vor, der es dem Bundesverwaltungsgericht erlaubte, gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG von der beantragten mündlichen Verhandlung abzusehen (vgl. dazu etwa VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0275, mwN).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen. Wien, am 4. März 2020
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210200.L00Im RIS seit
05.05.2020Zuletzt aktualisiert am
05.05.2020