Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in der Strafsache gegen Vasile B***** wegen Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 17. Oktober 2019, GZ 37 Hv 100/19m-74, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Vasile B***** zweier Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A./) sowie zweier Verbrechen (richtig: eines Verbrechens) des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 2 Z 1 erster Fall, 15 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er
A. anderen jeweils mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, und zwar
1. am 9. Oktober 2018 in G***** einen Bargeldbetrag von 400 Euro dem Wolfgang E*****, indem er diesem die Geldbörse aus der Hand riss, nachdem das Opfer ihm die zuvor bereits an sich genommene Börse entrissen hatte (US 3 f),
2. am 15. Oktober 2018 in S***** der damals 87-jährigen Ernestine H*****, indem er ihr trotz heftiger Gegenwehr drei Goldringe vom Ringfinger der rechten Hand riss, wobei das Opfer durch das heftige Reißen und Zerren Schürfwunden am rechten Ringfinger erlitt (US 4);
B. in S***** mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, anderen fremde bewegliche Sachen weggenommen und dies versucht, und zwar
1. am 10. Oktober 2018 der Anna N***** Bargeld und Schmuck, durch Einsteigen in den ersten Stock ihres Wohnhauses über eine Regentonne,
2. am 11. Oktober 2018 der Barbara G***** Wertgegenstände sowie Bargeld, wobei die Tat beim Versuch blieb.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
Dieser Nichtigkeitsgrund greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583). Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt der Rechtsmittelwerber, indem er betreffend A.1. des Schuldspruchs kritisiert, dass die Tatrichter ihre Feststellungen aufgrund der Aussage des Zeugen Wolfgang E***** vor der Polizei im Ermittlungsverfahren trafen, obwohl er sich in der Hauptverhandlung betreffend das Ergreifen der Geldbörse durch den Angeklagten und das wechselseitige Entreißen der Geldbörse nicht mehr erinnern konnte (US 6).
Mit dem Hinweis auf den Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) wird der Beschwerdeansicht zuwider Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 5a StPO nicht geltend gemacht (RIS-Justiz RS0102162).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken, dass der in einer Missachtung des § 29 StGB gelegene Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) – richtig wäre nur ein Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 2 Z 1 erster Fall, 15 StGB anzulasten gewesen – für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO keinen Anlass bietet. Stellt nämlich einerseits dieser Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil im Sinne der genannten Bestimmung dar (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23), so ist andererseits dem durch die
– von diesem ausgelöste – aggravierende Wertung des Zusammentreffens „von vier Verbrechen“ (US 11) hergestellten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen (RIS-Justiz RS0090885; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29). Dabei besteht keine dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende Bindung des Oberlandesgerichts an den (durch die unterbliebene Bildung einer Subsumtionseinheit nach § 29 StGB verfehlten) Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS-Justiz RS0118870).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E127790European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00013.20H.0324.000Im RIS seit
17.04.2020Zuletzt aktualisiert am
17.04.2020