Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 27-28/II/19, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 5 und § 62 VwGG iVm § 66 Abs. 4 AVG, § 112 und § 23 Abs. 1 letzter Satz Fremdengesetz 1997 wird die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des "Amtes der Wiener Landesregierung" (richtig: des Landeshauptmannes von Wien) vom 10. Jänner 1994, Zl. MA 62-9/1111459-01, abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Spruch zitierten Bescheid war dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung, gültig vom 13. Februar 1994 bis 13. August 1994, erteilt worden.
2. Gegen diesen am 18. Jänner 1994 erlassenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die am 19. Jänner 1994 zur Post gegebene Berufung. Diese begründete er damit, daß der ihm erteilte Sichtvermerk mit 30. August 1993 abgelaufen sei und sein - am 18. August 1993 gestellter - Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "ab 1.9.1993 zu verstehen war". Nunmehr sei ihm "erst ab 13.2.1994" eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden, ohne daß ihm dafür ein Grund genannt worden sei. Er stelle daher den Antrag, "in Stattgebung meiner Berufung den Bescheid, mit dem eine Aufenthaltsbewilligung ab 13.2.1994 erteilt wurde, aufzuheben und mir eine Aufenthaltsbewilligung ab 1.9.1993 zu erteilen".
3. Da der Bundesminister für Inneres über diese Berufung in der Folge nicht entschied, erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 4. Oktober 1994 beim Verwaltungsgerichtshof (hier eingelangt am 6. Oktober 1994) die vorliegende Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch diese (die belangte) Behörde. Die beschwerdeführende Partei begehrt darin, daß der Verwaltungsgerichtshof "in der Sache selbst entscheiden (wolle)".
4. Über die Beschwerde wurde mit Verfügung vom 29. November 1994 gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren eingeleitet und der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 leg. cit. eine Frist von drei Monaten zur Erlassung des versäumten Bescheides (und Vorlage einer Abschrift desselben an den Verwaltungsgerichtshof) bzw. gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. zur Bekanntgabe, weshalb eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege (und gleichzeitiger Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens), eingeräumt. Mit Schreiben vom 23. März 1995 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten mit der Bemerkung vor, "daß weder bei der belangten Behörde noch beim Amt der Wr. Landesregierung (siehe FAX-Bestätigung vom 20.3.1995) eine Berufung des Beschwerdeführers eingebracht wurde". Es werde daher der Antrag gestellt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Aufgrund des unter I.4. wiedergegebenen, im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde gemäß § 27 VwGG relevante Vorbringen der belangten Behörde forderte der Gerichtshof den Beschwerdeführer auf (Verfügung vom 24. April 1995), hiezu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer erstattete keine Äußerung. Angesichts dessen aber, daß er bereits mit seiner Beschwerde die Kopie eines Aufgabescheines des Postamtes 1014 Wien vom 19. Jänner 1994 über eine eingeschriebene Briefsendung, gerichtet an das "Amt d. Wr. Landesreg., 1010 Rathaus", vorlegte, die seinen Angaben zufolge - an denen zu zweifeln kein Anlaß besteht - die besagte Berufung vom 18. Jänner 1994 ("An das Amt der Wiener Landesregierung, Mag.Abt. 62, Rathaus, 1010 Wien") enthielt, und das bezeichnete Postamt auf Anfrage des Gerichtshofes mit Schreiben vom 17. Oktober 1995 mitteilte, daß die in Rede stehende Sendung "dem Empfangsberechtigten am 20.1.94 ordnungsgemäß ausgefolgt wurde", ist hinreichend dargetan, daß der Berufungsschriftsatz (innerhalb der gesetzlichen Frist des § 63 Abs. 5 AVG) tatsächlich bei der Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, eingelangt war.
1.2. Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Gemäß § 27 VwGG kann eine Säumnisbeschwerde nach dem zitierten Artikel des B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, bzw. der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten - ab dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war - in der Sache entschieden hat.
1.3. Da, unter Zugrundelegung der Ausführungen unter II.1.1., der Beschwerdeführer die Berufung am 20. Jänner 1994 bei der Behörde erster Instanz eingebracht, die belangte Behörde aber darüber nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 27 VwGG - die mit dem Tag der Einbringung der Berufung bei der Erstbehörde zu laufen beginnt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1960, Slg.Nr. 5329/A) - entschieden hat, erweist sich die vorliegende Säumnisbeschwerde als zulässig. Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 42 Abs. 5 VwGG) sind gegeben.
2.1. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 112 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, sind Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind oder gemäß §§ 113 und 114 anhängig werden, nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen.
2.2. Der vom Beschwerdeführer am 18. August 1993 gestellte Aufenthaltsbewilligungsantrag ist im Hinblick auf den ihm vorher mit einer Gültigkeitsdauer bis 30. August 1993 erteilten Sichtvermerk im Grunde des § 13 Abs. 1 AufG als Antrag zur Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung zu werten. Das Verfahren über diesen Antrag war bei Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 (zufolge dessen § 111 Abs. 1: mit 1. Jänner 1998) bei der Behörde, d.i. im hier gegebenen Säumnisfall nach § 27 VwGG: beim Verwaltungsgerichtshof, anhängig. Da auf den Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 FrG zutreffen, bedarf er einer Niederlassungsbewilligung. Das anhängige Verfahren ist demnach als solches zur Erteilung einer "weiteren Niederlassungsbewilligung" (s. § 8 Abs. 2 FrG) fortzuführen.
2.3. Der letzte Satz des Abs. 1 des die Erteilung weiterer Niederlassungsbewilligungen regelnden § 23 FrG normiert, daß die Gültigkeitsdauer der weiteren Niederlassungsbewilligung mit dem Tag der Erteilung beginnt. Diese gesetzliche Anordnung läßt keinen Zweifel daran, daß die besagte Bewilligung ausschließlich mit Wirkung pro futuro erteilt werden darf. Der Beschwerdeführer hingegen beantragt in seiner Berufung ausdrücklich, ihm (anstelle der von der Erstbehörde mit einer Gültigkeitsdauer vom 13. Februar 1994 bis 13. August 1994 erteilten Aufenthaltsbewilligung) "eine Aufenthaltsbewilligung ab 1.9.1993" zu erteilen. Da er sich nicht gegen den mit sechs Monaten festgesetzten Zeitraum der Gültigkeit wendet, vielmehr allein gegen den Beginn des Laufes dieser Befristung, ist der in Rede stehende Berufungsantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "ab 1.9.1993" als mit einem Endzeitpunkt 1. März 1994 gestellt zu verstehen. Der Beschwerdeführer begehrt somit die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für einen zur Gänze in der Vergangenheit liegenden Zeitraum. Diesem Begehren zu entsprechen, ist der Behörde aufgrund des § 23 Abs. 1 letzter Satz FrG verwehrt. Die Berufung war demnach abzuweisen.
3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1994180706.X00Im RIS seit
18.02.2002