TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/30 97/18/0561

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Veröffentlicht am 30.04.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §45 Abs3;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. Michael Kreuz, Rechtsanwalt in Wien I, Herrengasse 8/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. September 1997, Zl. SD 1050/97, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. September 1997 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom 10. April 1997 gemäß § 54 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er "in Zaire (nunmehr Demokratische Republik Kongo)" gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die Behauptung des Beschwerdeführers (nach seinen Angaben ehemaliger "Kultursekretär der Oppositionspartei UDPS"), eine Rückkehr in sein Heimatland entspreche der "Unterzeichnung seines eigenen Todesurteiles", eine bloße Vermutung darstelle. Die belangte Behörde stützt sich dabei auf die Auffassung des "Auswärtigen Amtes in Deutschland", wonach seit dem Machtwechsel im Mai 1997 weder "einfache" noch "bekannte" "UDPS-Mitglieder", die als Gegner des "Mobutu-Regimes" in Erscheinung getreten seien, der Gefahr einer politischen Verfolgung oder unmenschlichen bzw. lebensbedrohlichen Behandlung ausgesetzt seien. Zur Begründung führe diese deutsche Stelle aus, daß in der "jetzigen Regierung" dieses Landes "nominell zwei Politiker der UDPS mit Ministerposten" betraut worden seien. Auch aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Medienberichten, die sich nur mit der "allgemeinen Lage im Kongo" auseinandersetzten, lasse sich nicht erkennen, daß der Beschwerdeführer einer konkreten Gefährdungs- oder Bedrohungssituation in seinem Heimatland ausgesetzt sein würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, Zl. 97/18/0454 mwN).

2.1. Der Beschwerdeführer rügt, daß die Behörde ihre Beurteilung auf eine vom "Auswärtigen Amt" der Bundesrepublik Deutschland vertretene Einschätzung gestützt habe, ohne ihm vorher Gelegenheit zur Stellungnahme hiezu zu geben. Wäre sein Recht auf rechtliches Gehör gewahrt gewesen, hätte der Beschwerdeführer gegen diese Einschätzung eingewendet, daß es zwar zutreffe, daß zwei (näher genannte) ehemalige Mitglieder der "UDPS" nunmehr Mitglieder der Regierung in seinem Heimatland seien, diese aber schon seit langem die besagte Mitgliedschaft aufgegeben hätten und als "richtiggehende Überläufer" anzusehen seien, die vom derzeitigen Regime dazu mißbraucht würden, den Verhältnissen im Land ein "demokratisches und liberales "Antlitz" zu geben". Es gebe immer wieder Überläufer, die aus "kosmetischen Gründen" von der Gegenseite gerne "empfangen" würden. Es könne deshalb nicht zwingend abgeleitet werden, daß deshalb keine Gefahr für "aktive UDPS-Mitglieder" bestehe. Die belangte Behörde hätte nach Meinung der Beschwerde unter dem Eindruck dieser Einwände die besagte Einschätzung anders gewertet.

2.2. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht. Zum einen hat die belangte Behörde nach Ausweis des Verwaltungsaktes die beschwerdeführende Partei entgegen der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG zu dieser einen tragenden Grund für die behördliche Beurteilung darstellenden Einschätzung der genannten deutschen Stelle nicht förmlich gehört. Zum anderen wird im angefochtenen Bescheid in keiner Weise nachvollziehbar dargelegt, warum aus dem Umstand, daß zwei "UDPS-Mitglieder" der neuen Regierung im Heimatland des Beschwerdeführers angehörten, der Schluß gezogen werden könne, daß Personen wie der Beschwerdeführer in seinem Heimatland derzeit keiner aktuellen Bedrohungssituation im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG ausgesetzt wären, zumal es die Behörde etwa auch unterläßt, sich mit den tatsächlichen Zuständigkeiten dieser Mitglieder in der genannten Regierung näher auseinanderzusetzen und diesbezüglich lediglich festhält, daß diese beiden Personen "nominell ... mit Ministerposten" betraut worden wären.

3. Weiters hat es die belangte Behörde verabsäumt, sich mit den vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zur Glaubhaftmachung einer für ihn bestehenden aktuellen Bedrohungssituation im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG vorgelegten Urkunden in französischer Sprache, die sich auf ihn selbst bzw. seine Familie beziehen, auseinanderzusetzen, zumal die belangte Behörde diese Urkunden nicht einmal zur Herstellung einer entsprechenden Übersetzung an den Beschwerdeführer im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG zurückgestellt hat. Nach Ausweis des Verwaltungsaktes hat der Beschwerdeführer mit seiner an die Erstbehörde gerichteten Stellungnahme vom 20. Mai 1997 einen (zwischen den Aktenblättern 31 und 32 einliegenden) Bericht in dem Organ "L"Evenement" Nr. 119 vom 25. April 1995 vorgelegt, in dem der Beschwerdeführer genannt und von der Bedrohung seiner Mutter bzw. der Ermordung seiner Ehefrau berichtet wird. Weiters hat der Beschwerdeführer in seiner an die Erstbehörde gerichteten Stellungnahme vom 19. Juni 1997 - die auch seiner Berufung beigeschlossen wurde - eine mit "Attestation de Combattant" überschriebene, seinen Namen nennende Urkunde (in Kopie) vorgelegt (Aktenblatt 41 verso, Aktenblatt 52).

4. Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid Feststellungs- und Begründungsmängel anhaften und es nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Hintanhaltung dieser Mängel zu einem anderen - für den Beschwerdeführer günstigen - Ergebnis gelangt wäre, war dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997180561.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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