Entscheidungsdatum
03.04.2020Norm
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Vergabesenat 2 unter dem Senatsvorsitz der Richterin HR Dr. Grassinger und mit den weiteren Richtern Mag. Allraun (Berichter) und HR Mag. Marihart (Beisitzerin) sowie den Laienrichtern Dipl.- Ing. Fröch und Dipl.-Ing. Fischer über den am 10.02.2020 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangten Antrag der A gesellschaft m.b.H., ***, ***, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH & Co KG, ***, ***, im Vergabeverfahren "Stadtgemeinde ***" (öffentliche Auftraggeberin: Stadtgemeinde ***), das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge die Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020 für nichtig erklären, zu Recht:
1. Der Antrag auf Nichtigerklärung der im Vergabeverfahren "Stadtgemeinde ***" getroffenen Ausscheidensentscheidung der Stadtgemeinde ***, ***, ***, als öffentlicher Auftraggeberin, vergebende Stelle: C GmbH, ***, ***, in Bezug auf das Angebot der A m.b.H., ***, ***, Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020, wird abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Hinweis:
Die Entscheidung über den Ersatz der Gebühren ergeht aufgrund der Einzelrichterzuständigkeit in einem gesonderten Beschluss.
Rechtsgrundlagen:
§§ 4 Abs. 1 und Abs.2 Z 2, 6 Abs. 1, 16 Abs. 1 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz, LGBl. Nr. 7200-3, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 54/2019 (NÖ VNG)
§§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) iVm
Artikel 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
Entscheidungsgründe:
Die Stadtgemeinde *** (im Folgenden: AG) ist öffentliche Auftraggeberin im Vergabeverfahren "Stadtgemeinde ***".
Dieser Bauauftrag im Oberschwellenbereich soll auf Basis eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung vergeben werden.
Die C GmbH, ***, ***, vergebende Stelle, hat mit Schriftsatz vom 31.01.2020 der Antragstellerin, der A gesellschaft m.b.H., ***, *** (im Folgenden: ASt), im Namen und im Auftrag der AG mitgeteilt, dass die ASt im gegenständlichen Vergabeverfahren auszuscheiden sei.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG der Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote […], wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, auszuscheiden habe.
Gemäß Punkt 1.18.1 Kapitel A Informationsteil A1 der Ausschreibungsunterlagen habe der Bieter sein Angebot vollständig und sorgfältig zu erstellen. In diesem Sinne sei der Bieter angehalten, im Sinne des § 128 Abs 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu erstellen, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis die Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst. Ein den Ausschreibungsbestimmungen bzw. den zu Grunde liegenden gesetzlichen Anforderungen entsprechendes konstruktives, vom Bieter erstelltes Leistungsverzeichnis sei nicht vorgelegt worden. Da es sich hierbei um einen nicht behebbaren Mangel handle, sei der Auftraggeber daher verpflichtet, den Bieter A gesellschaft m.b.H. im gegenständlichen Vergabeverfahren auszuscheiden.
Die ASt hat mit dem am 10.02.2019 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich während der Amtsstunden eingelangten Schriftsatz die Anträge gestellt, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020 für nichtig erklären, der AG auftragen, der ASt die Pauschalgebühr für diesen Antrag auf Nachprüfung und für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung binnen 14 Tagen zu Handen ihres ausgewiesenen Rechtsvertreters zu ersetzen und der ASt im größtmöglichen Umfang Akteneinsicht gewähren.
Gleichzeitig hat die ASt den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahingehend gestellt, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge der AG für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Fortführung des gesamten Vergabeverfahrens untersagen, in eventu für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Durchführung von Verhandlungen untersagen, in eventu für die
Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Aufforderung zur (Letzt-)Angebotsabgabe untersagen.
Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 14.02.2020, LVwG-VG-1/001-2020, wurde dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahingehend Folge gegeben, dass der Stadtgemeinde ***, ***, ***, als öffentlicher Auftraggeberin, vergebende Stelle: C GmbH, ***, ***, im Vergabeverfahren "Stadtgemeinde ***" untersagt wurde, bis zur Erlassung der Entscheidung betreffend den Antrag auf Nichtigerklärung vom 10.02.2020 in dem beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (zu LVwG-VG-1/002-2020) anhängigen Nachprüfungsverfahren, Verhandlungen durchzuführen.
Zum verfahrensgegenständlichen Antrag auf Nichtigerklärung brachte die ASt vor, dass die AG mit EU-weiter Bekanntmachung vom 06.08.2019 ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich über die Vergabe von Generalunternehmerleistungen (Bauleistungen) für den Neubau eines Veranstaltungszentrums mit integrierter Musikschule in *** eingeleitet habe (Beilage ./1).
Die ASt habe sich am 30.8.2019 durch die Abgabe eines Teilnahmeantrags am
gegenständlichen Vergabeverfahren beteiligt und sei am 11.11.2019 zur Abgabe
eines Erstangebots eingeladen worden.
Die zweite Stufe des Vergabeverfahrens werde im Wesentlichen in folgenden Unterlagen (idF auch "Ausschreibungsunterlagen") geregelt:
? Kapitel A1 Informationsteil
? Kapitel A2 Ausfüllteil;
? Kapitel B Werkvertrag – Entwurf;
? Kapitel C AVB – Entwurf;
? Leistungsverzeichnis;
? technische Unterlagen laut Dokumentenverzeichnis (Pläne, technische Gutachten).
In den Ausschreibungsunterlagen (Punkt 1.18.1 des Informationsteils) sei unter
anderem festgelegt worden, dass die Bieter angehalten seien, "im Sinne des § 128 Abs. 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu stellen, dass das zu erstellende
Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional
beschriebenen Leistung umfasst".
Die ASt habe am 18.12.2019 vor Ablauf der Erstangebotsfrist (20.12.2019,
11:00 Uhr) ein ausschreibungskonformes und vollständiges Erstangebot entsprechend den in den Ausschreibungsunterlagen enthaltenen Festlegungen abgegeben.
Mit Schreiben vom 31.01.2020 ("Ausscheidensentscheidung" – Beilage ./2) habe die
AG der ASt – ohne vorhergehende Konfrontation mit dem vermeintlichen Mangel – mitgeteilt, dass "ein den Ausschreibungsbestimmungen bzw. den zu Grunde liegenden gesetzlichen Anforderungen entsprechendes konstruktives, vom Bieter erstelltes Leistungsverzeichnis" nicht vorgelegt worden sei. Da es sich hierbei um
einen nicht behebbaren Mangel handle, sei die AG verpflichtet, das Angebot der ASt auszuscheiden. Gegen diese Ausscheidensentscheidung richte sich der gegenständliche Nachprüfungsantrag.
Mit Schreiben vom 06.02.2020 habe die ASt der AG (vergebenden
Stelle) ein weiter aufgeschlüsseltes Leistungsverzeichnis (Kurz- und
Langleistungsverzeichnis) übermittelt und die AG begründet aufgefordert, die Ausscheidensentscheidung zurückzuziehen (Beilage ./3). Dies sei nicht erfolgt.
Betreffend ihr Interesse am Vertragsabschluss brachte die ASt im Wesentlichen vor, dass sie als führendes österreichisches Unternehmen im Baubereich, das auch regelmäßig Generalunternehmerleistungen erbringe, ein grundsätzliches Interesse am Vertragsabschluss habe, was im gegenständlichen Vergabeverfahren durch Legung eines Teilnahmeantrages und eines Erstangebotes und durch Stellung des Nachprüfungsantrages zum Ausdruck käme.
Die ASt verwies darauf, dass ihr daraus umfangreiche Schäden entstehen würden, würde dem Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung nicht
stattgegeben werden, nämlich insbesondere die Möglichkeit, in einem rechtskonform durchgeführten Vergabeverfahren den Zuschlag zu erhalten. Der ASt drohe zudem ein Schaden aus den (im Falle einer mangelnden Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung frustrierten) Kosten der Teilnahme am gegenständlichen Vergabeverfahren (insbesondere der Teilnahmeantragslegung sowie der Legung des Erstangebotes), den für den gegenständlichen Antrag entrichteten Pauschalgebühren sowie den Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung (zumindest EUR 30.000)., finanzielle Schäden zumindest in der Höhe des entgangenen Gewinnes und Deckungsbeitrages zu den Fixkosten in der Höhe von rund
€ 1.695.000,- sowie der Verlust eines wertvollen Referenzprojektes.
Als Grund für die aus Sicht der ASt vorliegende Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens wurde von der ASt vorgebracht, dass gemäß Punkt 1.18.1 des Informationsteiles die Bieter angehalten gewesen seien, „im Sinne des § 128 Abs 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu stellen, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst“ und dass das Angebot der ASt entgegen der Ansicht der AG diese Vorgabe erfülle.
Das von der ASt vorgelegte Leistungsverzeichnis umfasse insbesondere Mengen- und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung (Pauschalpreise je Leistungsgruppe bzw. Unterleistungsgruppe), wie in den Angebotsbestimmungen gefordert.
Das Angebot sei vollständig und erfasse alle Teile der funktional
beschriebenen Leistung. Auch sonst enthalte das von der ASt ausgepreiste
Leistungsverzeichnis sämtliche Angaben, die für die Erbringung der beschriebenen
Leistung maßgeblich seien (Angaben zu Bieterlücken bzw. angebotenen Erzeugnissen etc). Zur besseren Nachvollziehbarkeit ihrer Preise bzw. Kalkulation habe die ASt zudem auch die Preisteile Lohn und Sonstiges gesondert ausgewiesen. Dass die AG allenfalls eine noch weitergehende Detaillierung wünschen könnte, sei im Übrigen nicht erkennbar oder zu erwarten gewesen, weil auch der Angebotsbewertung ohnehin nur der Gesamt-Pauschalpreis zugrunde gelegt werde (vgl. Punkt 2.2.1 Informationsteil). Allein aus diesen Gründen sei die Ausschreibungsvorgabe klar erfüllt und der behauptete Mangel liege nicht vor. Hätte die AG noch genauere Angaben bzw. Ausarbeitungen des Angebotes (Leistungsverzeichnisses) gewünscht, so hätte sie dies in den Ausschreibungsunterlagen transparent und für alle Bieter ersichtlich festlegen müssen. Sie habe sich jedoch lediglich auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts des § 128 Abs. 2 BVergG beschränkt und keinerlei weitere Vorgaben an den „Detaillierungsgrad“ der Kalkulation gestellt. Da das von der ASt vorgelegte Angebot (Leistungsverzeichnis) die bestandsfeste Festlegung der AG, an die sie natürlich auch selbst gebunden sei, erfülle, sei die Annahme eines Ausscheidensgrundes jedenfalls verfehlt.
Weiters hätte die AG die ASt im Rahmen der Angebotsprüfung um Aufgliederung und Konkretisierung, wie in §§ 137, 138 BVergG vorgesehen, ersuchen können.
Darüber hinaus diene ein Erstangebot in einem Verhandlungsverfahren jedoch stets nur als erste Grundlage für Verhandlungen und damit zur „Schärfung" des Verständnisses beider Parteien hinsichtlich der genauen Leistung, sodass in der Folge ein „treffgenaues" Letztangebot gelegt werden könne. Obwohl die AG also von einem komplexen Leistungsgegenstand ausgehe, der (zwingend) Verhandlungen erfordere, verwerfe sie das Angebot der ASt ohne jedwede Verhandlung, ja sogar ohne Nachfrage/Aufklärung.
Dementsprechend beurteile die Rechtsprechung das Ausscheiden eines Erstangebotes, welches nicht einmal anhand der Zuschlagskriterien bewertet werden solle, in aller Regel als unzulässig (vgl. BVwG 03.12.2015, W114 2116410-1/13E). Ein Ausscheiden der ASt würde folglich auch klar dem vergaberechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen (vgl. § 20 Abs. 1 BVergG). Auch vor diesem Hintergrund sei die Ausscheidensentscheidung unverhältnismäßig und klar rechtswidrig.
Selbst wenn man der Rechtsansicht der AG folgend annehmen würde, dass das Angebot der ASt mangels nicht ausreichend detaillierter Preisaufgliederung einen Mangel aufweise, so wäre dieser Mangel aber jedenfalls behebbar.
Maßgeblich für die Behebbarkeit eines Mangels sei die Frage, ob sich durch eine
Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbewerbern materiell verbessern würde (vgl. VwGH 3.9.2008, 2007/04/0017, VwGH 25.3.2010, 2005/04/0144 uvm). Dies sei im gegenständlichen Fall klar zu verneinen.
Wie ausgeführt, habe die ASt ein ausgepreistes Leistungsverzeichnis
abgegeben und dazu – aufgegliedert nach Lohn und Sonstiges – (Pauschal-)Preise
heruntergebrochen auf Leistungsgruppen und Unterleistungsuntergruppen angegeben. Damit seien sowohl der Gesamtpreis als auch dessen Aufgliederung auf alle funktional beschriebenen Teile der Leistung festgelegt. Auch bestehe aufgrund der Preisaufgliederung auf Ebene der (Unter-)Leistungsgruppen eine belastbare
Vergleichsmöglichkeit aller Angebote untereinander. In diesem Zusammenhang hielten die Erläuterungen zum BVergG selbst fest, dass auch bei konstruktiven
Leistungsverzeichnissen eine funktionale Beschreibung von Einzelpositionen erfolgen könne, "ohne dass dies die Vergleichbarkeit der Angebote berührt" (EBRV GP XXVI, RV 69 zu § 91). Eine nachträgliche Verbesserung der Wettbewerbsstellung der Antragstellerin durch eine (weitere) Detaillierung und Aufgliederung der Kalkulation sei sohin ausgeschlossen.
In Judikatur und Vergabepraxis sei es absolut üblich, dass die K7-Detailkalkulationsblätter erst nach Angebotslegung nachgefordert bzw. nachgereicht würden. Da diese K7-Blätter aber nur zur (weiteren) Plausibilisierung der Kalkulation dienten und der Gesamtpreis und die Preise der einzelnen Leistungsteile aber unzweifelhaft feststünden, könne hier keine nachträgliche Änderung der Wettbewerbsstellung mehr bewirkt werden (so schon BVA 26.5.1997, N-7/97-12, BVA 20.3.2003, 12N-10/03-11). Genauso verhalte es sich im gegenständlichen Fall: Der Gesamtpreis und die Preise für die einzelnen Leistungsteile seien durch das von der ASt vorgelegte Leistungsverzeichnis eindeutig determiniert und eine nachträgliche Verbesserung der Wettbewerbsstellung durch eine Aufklärung (weitere Detaillierung der Kalkulation) sohin ausgeschlossen.
Dementsprechend habe die Judikatur auch die Nachreichung bzw. nachträgliche
Aufgliederung in Lohn und Sonstiges (VKS Wien 26.4.2012, VKS-4331/12), die
Nachreichung ganzer (fehlender) Seiten des Leistungsverzeichnisses und dadurch eine nachträgliche Preisänderung (VKS Wien 15.3.2007, VKS-402/07) oder auch die
Nachreichung des Langleistungsverzeichnisses (UVS Tirol 18.12.2007,
uvs-2007/27/2876-6) als behebbaren Mangel qualifiziert.
Festgehalten werde weiters, dass eine Nachforderung der ASt auch keine
längere Frist zur Bearbeitung einräumen würde und auch insofern keine nachträgliche Verbesserung der Wettbewerbsstellung zu befürchten sei. Wie ausgeführt, seien sowohl der Gesamtpreis als auch der Preis für die einzelnen Leistungsteile mit dem von der ASt vorgelegten Leistungsverzeichnis klar determiniert. Diese Preise seien selbstverständlich keine "Schätzwerte", sondern beruhten auf einer detaillierten dahinterliegenden Kalkulation. Diese Kalkulation hätte von der ASt daher auf Aufforderung hin unverzüglich vorgelegt werden können (wie dies etwa bei der K7-Detailkalkulation ja auch völlig branchenüblich sei). Da diese Detailkalkulation ohnehin schon bei Angebotslegung vorgelegen sei und Grundlage für die Preise im Leistungsverzeichnis gewesen sei, hätte die ASt auch durch die Nachforderung dieser Detailkalkulation keinerlei zeitlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern gehabt.
Zum Beweis dafür habe die ASt der vergebenden Stelle infolge des
Ausscheidens auch umgehend ein weiter aufgegliedertes/detailliertes
Leistungsverzeichnis übermittelt (und im Begleitschreiben dazu die Zurückziehung der Ausscheidensentscheidung aus den im gegenständlichen Nachprüfungsantrag angeführten Gründen gefordert). Daraus ergebe sich bereits faktisch, dass die
ASt durch eine Aufklärung keinerlei Zeitvorteil gewonnen hätte.
Beantragt wurde, die Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020 für nichtig zu erklären, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, Akteneinsicht im größtmöglichen Umfang in den Vergabeakt zu gewähren und der AG aufzutragen, der ASt die entrichteten Pauschalgebühren für diesen Nachprüfungsantrag binnen 14 Tagen zu Handen ihres Rechtsvertreters bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat den zulässigen und fristgerecht eingebrachten Nachprüfungsantrag, für welchen seitens der ASt die nach der NÖ Pauschalgebühren-Verordnung vorgesehenen Pauschalgebühren entrichtet wurden, am 10.02.2020 gemäß § 13 Abs. 3 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz im Internet kundgemacht.
Gleichzeitig wurde der Schriftsatz (Nachprüfungsantrag samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung) der AG übermittelt.
Die AG wurde vom erkennenden Gericht aufgefordert, binnen 10 Tagen die Vergabeakten vorzulegen, sowie binnen 10 Tagen ab Übermittlung des Schriftsatzes des erkennenden Gerichtes vom 25.02.2019 zum Antrag auf Nichtigerklärung eine Stellungnahme abzugeben.
Die AG hat mit Schriftsatz vom 19.02.2020 im Wesentlichen zum gegenständlichen Nachprüfungsantrag vorgebracht, dass die AG den Neubau eines Veranstaltungszentrums samt Musikschule beabsichtige. Gegenständlich würden die betreffenden Generalunternehmerleistungen in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich ausgeschrieben.
Die ASt habe in der ersten Verfahrensstufe fristgerecht einen Teilnahmeantrag gestellt und sei in weiterer Folge für eine Teilnahme an der zweiten Verfahrensstufe
ausgewählt worden. Zugleich mit der Einladung seien die Ausschreibungsunterlagen
überlassen worden. Diesen liege eine funktionale Leistungsbeschreibung zu Grunde. Demgemäß werde in der Auflistung der mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen auf Seite 6 des Kapitels A – Ausschreibungsunterlagen - Ausfüllteil 2 A ausdrücklich ein „ausgepreistes GU-Leistungsverzeichnis in .pdf und onlv“, ein „K3 Blatt inkl. Bekanntgabe GU-Zuschlag” sowie ein „vom Bieter zu erstellendes konstruktives Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs. 2 BVergG“ gefordert. Der betreffenden Auflistung sei aufgrund der Ausgestaltung, wonach nur ein Ankreuzen mit „JA“ möglich sei, unmissverständlich zu entnehmen, dass die angeführten
Dokumente jedenfalls mit dem Angebot vorzulegen seien. Flankierend finde sich in Punkt 1.18.1 des Kapitels A - Ausschreibungsunterlagen - Informationsteil 1A unter der bezeichnenden Überschrift „Sorgfalt“ folgende Klarstellung: „Der Bieter hat sein Angebot vollständig und sorgfältig zu erstellen. In diesem Sinne ist der Bieter angehalten im Sinne des § 128 Abs. 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu stellen, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben [... ] alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst.“ In Punkt 1.8.2 des betreffenden Ausschreibungsteils werde zudem zur Benennung von Subunternehmern folgendes bestandsfest festgelegt: „Es gelten die entsprechenden
Vorgaben des Auftraggebers gemäß den Teilnahmeunterlagen. Die Weitergabe von Teilen der Leistung an Subunternehmer durch den Bieter ist darüber hinaus nur bis zu jenem Ausmaß zulässig, auf das sich der Bieter im Eignungs- und Auswahlverfahren festgelegt hat, […] Jede Abweichung von den im Teilnahmeantrag gemachten Angaben ist dem Auftraggeber im Begleitschreiben zum Angebot und unter Verwendung der Anlage ./4 bis Anlage ./6 des Ausfüllteils A2 anzuzeigen." An keiner Stelle des Ausschreibungskonvoluts finde sich im Übrigen eine Festlegung, wonach - entgegen der ständigen Rechtsprechung der Vergabekontrolle - das Erstangebot nicht bereits vollumfänglich dem betreffenden Ausschreibungsstand zu entsprechen gehabt habe bzw. dass bei den Erstangeboten von einem Ausscheiden abgesehen werde.
Das der Ausschreibung zugrundeliegende Vertragskonvolut setze sich aus einem Werkvertrag (Kapitel B – Werkvertrag - Entwurf) und den Allgemeinen Vertragsbedingungen (Kapitel C - AVB - Entwurf; AVB) zusammen. In Punkt 9 der AVB werde beispielsweise in Ergänzung zu Punkt 7 ÖNorm B2110 die Vorgehensweise bei Leistungsabweichungen geregelt. Dabei werde im Hinblick auf allfällige Mehrkostenforderungen - sowohl was das Vorliegen als auch die Abrechnung betreffe - auf die Leistungspositionen, die sich naturgemäß im Leistungsverzeichnis fänden, Bezug genommen. Fehlten derartige Leistungspositionen bzw. würden ausschließlich Obergruppen pauschal ausgepreist, sei eine gesicherte Nachtragsabrechnung zu Lasten des Auftraggebers nicht möglich.
Die ASt habe fristgerecht ein Erstangebot gelegt. Im Gegensatz zu den Mitbewerbern habe dieses jedoch kein vollumfänglich ausgepreistes Leistungsverzeichnis samt Mengenangaben enthalten. Vielmehr habe sie sich mit einer bloßen Angabe von Pauschalpreisen auf der Ebene gesamter Leistungsgruppen begnügt. Überdies seien ein Verzeichnis mit Bieterlückentexten sowie ein K3-Blatt vorgelegt worden. Auf Grundlage dieser Dokumente habe die AG weder einen Vergleich mit den Angeboten des Mitbewerbes ziehen noch eine vertiefte Angebotsprüfung durchführen können. Zudem nehme das ausschreibungs- und vergabekonforme Auspreisen/Erstellen eines Leistungsverzeichnisses einen erheblichen Zeitraum in Anspruch.
Die von der ASt vorgelegte Angabe von Pauschalpreisen entspreche nicht
den Vorgaben des § 128 Abs. 2 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018). In besagter Bestimmung werde Folgendes bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung gefordert:
„Das Angebot hat grundsätzlich ein vom Bieter zu erstellendes Leistungsverzeichnis mit Mengen- und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung zu umfassen. Diesen sind erforderlichenfalls Pläne und sonstige Unterlagen gemäß
§ 104 Abs. 2 samt eingehender Erläuterung des Leistungsverzeichnisses beizufügen.“ Der Forderung nach Vorlage eines „vom Bieter zu erstellenden konstruktives Leistungsverzeichnis[ses] gemäß § 128 Abs. 2 BVergG“ laut Seite 6 des Kapitels A - Ausschreibungsunterlagen -Ausfüllteil 2 A sei somit nicht entsprochen worden. Dies könne als Ausschreibungswiderspruch gewertet werden.
Durch die „rudimentäre“ Angebotslegung habe die Antragstellerin eine vergleichende
Angebotsprüfung gänzlich verunmöglicht. Das Ausmaß des Mangels bewege sich in
einer Größenordnung, die gemäß § 138 Abs. 4 BVergG 2018 eine Bearbeitung nicht
zumutbar mache.
Die bloße Auflistung von Pauschalpreisen stelle - sofern nicht ohnedies von einem
Ausschreibungswiderspruch auszugehen sei - insofern einen unbehebbaren Mangel dar, als bei einer Einräumung einer Verbesserung in signifikanter Weise eine
Bevorzugung im Hinblick auf den Zeitfaktor und die abrechnungstechnisch relevante
Aufgliederung erfolgen würde. Letztere sei nach den konkreten Vertragsgrundlagen
sowohl im Hinblick auf die Identifikation als auch die Abrechnung von
Mehrkostenforderungen von Relevanz. Die - ohnedies umstrittene - Rechtsprechung
zur Nachreichungsmöglichkeit von Kalkulationsformblättern sei insofern nicht
einschlägig, als gegenständlich nicht einige DlN A4-Zettel ohne weitergehende
Preisaufgliederung vorzulegen seien. Vielmehr müsse ein umfassendes
Leistungsverzeichnis mit betreffenden Details übermittelt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung hätten Angebote auch im Verhandlungsverfahren dem jeweiligen Ausschreibungsstand vollumfänglich zu entsprechen. Es könne daher - ohne betreffende Festlegung in den Ausschreibungsunterlagen - nicht von einem gebotenen Ausscheiden eines Erstangebotes abgesehen werden.
Eine Nachreichung der Leistungsverzeichnisse durch die ASt stelle im
Vergleich zum Mitbewerb eine erhebliche Ungleichbehandlung und Verletzung des
Wettbewerbsgrundsatzes dar.
Mit Schreiben vom 31.01.2020 habe die vergebende Stelle der ASt das Ausscheiden ihres Angebotes mitgeteilt. Dabei habe sie sich auf das Vorliegen eines unbehebbaren Mangels gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 gestützt.
Gemeinsam mit einem anwaltlichen Schreiben habe die ASt am 06.02.2020 ein entsprechendes Leistungsverzeichnis in Lang- und Kurzform vorgelegt. Beide
Leistungsverzeichnisse hätten in der Unterschriftenzeile den 06.02.2020 aufgewiesen. Das Lang-Leistungsverzeichnis habe insgesamt 789 Seiten.
Verwiesen werde auf § 138 Abs. 4 BVergG 2018.
Demnach sei ein Angebot, das solche Mängel aufweise, dass eine Bearbeitung nicht zumutbar sei, vom Vergabeverfahren auszuscheiden. Diese Bestimmung erscheine konkret insofern als einschlägig, als bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung der Erstellung eines konstruktiven Leistungsverzeichnisses durch die Bieter eine zentrale Bedeutung zukomme. Nur so könnten die einzelnen Angebote miteinander verglichen werden und sei eine Prüfung der Preisgestaltung auf Plausibilität möglich. Hierzu habe die Vergabekontrolle etwa festgehalten: „Die Erstellung der Angebotsunterlagen liegt im Ermessen des Auftraggebers, soweit dieser hierbei nicht unsachlich vorgeht. […] Der Bieter hat sich bei der Erstellung des Angebotes an die vom Auftraggeber vorgegebene Form zu halten. Da die Antragstellerin [...] die Formblätter des Auftraggebers durchwegs in der oben dargestellten Weise und somit nicht dessen Vorgaben gemäß ausgefüllt hatte und es dem Auftraggeber nicht zuzumuten ist, ein insgesamt seinen Vorgaben widersprechend erstelltes Angebot weiter zu bearbeiten, zumal diese Art der Angebotserstellung [...] zur Anwendung der Gleitpreise erforderlich ist, sind die Voraussetzungen für die Anwendung des [vormaligen] § 48 Abs. 2 BVergG im gegenständlichen Fall erfüllt“ (siehe BVA 29.06.2000, N-25/00-24).
Wenn bereits dem nicht ordnungsgemäßen Ausfüllen von Formblättern von der Rechtsprechung ein derartiges Gewicht beigemessen werde, dann gelte dies umso mehr für die konkrete Konstellation, in der in erheblichem Ausmaß von einer Preisaufgliederung abgesehen worden sei (zu einem ähnlichen
Schluss aufgrund des Fehlens von Positionspreisen sei UVS Stmk
10.07.2003, 44.7-2/2003, gelangt). Das Ausscheiden vom 31.01.2020 sei somit bereits aufgrund der Unzumutbarkeit einer Angebotsprüfung berechtigt.
Weiters stelle sich die Frage, ob gegenständlich nicht von einem „glatten“ Ausschreibungswiderspruch auszugehen sei. Einem derartigen sei mit einem umgehenden Ausscheiden zu begegnen; eine Behebungsmöglichkeit
sei ausgeschlossen (siehe zB Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4 Rz 1597 mwN). Konkret werde in der Auflistung der dem Angebot beizugebenden Dokumente unmissverständlich gefordert, dass ein „vom Bieter zu erstellendes konstruktives Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs. 2 BVergG“ vorzulegen sei. Dessen Fehlen sei sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht als gravierend einzustufen, zumal der AG jegliche Angebotsprüfmöglichkeit genommen werde. Insofern könne auf die einschlägige Rechtsprechung verwiesen werden, wonach „gravierende formale und inhaltliche Mängel im Angebot sowie unverbindliche Angebote [...] sofort auszuscheiden [seien]“ (VKS Wien
17.02.2006, VKS-258/06). Aus Sicht der AG könne daher in der vorliegenden
Konstellation von einem - keiner Behebung zugänglichen - Ausschreibungs-
Widerspruch ausgegangen werden. Die angefochtene Ausscheidensentscheidung sei daher aus einem weiteren Grund in rechtskonformer Weise ergangen.
Selbst wenn man jedoch im Hinblick auf das gänzlich fehlende Leistungsverzeichnis von einem „bloßen“ Mangel ausgehe, sei dieser jedenfalls als unbehebbar zu qualifizieren. Gemäß § 105 Abs. 3 BVergG 2018 sei für die Beschreibung oder Aufgliederung auf geeignete Leitlinien, wie ÖNormen oder standardisierte
Leistungsbeschreibungen, Bedacht zu nehmen, sofern solche für eine bestimmte Leistung existierten. Dies sei für die gegenständlichen Leistungen - wie auch das „nachgelieferte“ Leistungsverzeichnis der Antragstellerin belege - zweifellos die „Standardisierte Leistungsbeschreibung Kennung: HB Version: 021 Leistungsbeschreibung Hochbau“.
In ihrem Erstangebot habe die ASt nun gänzlich davon abgesehen, ein betreffendes Leistungsverzeichnis vorzulegen. Beim mit Ende der Angebotsfrist übermittelten Dokument handle es sich offenkundig um das ebenso geforderte GU-Leistungsverzeichnis Das geforderte konstruktive Leistungsverzeichnis gemäß
§ 128 Abs. 2 BVergG 2018 fehle jedoch gänzlich. Was sie sich dadurch an Kalkulationsarbeit erspart habe, lasse sich anschaulich
anhand der betreffenden Leistungsverzeichnisse des Mitbewerbs sowie des von der
ASt am 06.02.2020 „nachgereichten" Leistungsverzeichnisses ersehen.
Bei der Abgrenzung zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln sei darauf abzustellen, ob durch eine Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbietern materiell verbessert würde. Zusätzlich liege eine Unbehebbarkeit vor, wenn durch die Mängelbehebung eine mittelbare materielle Verbesserung der Wettbewerbsstellung insofern eintreten würde, als damit nicht alle Bieter über denselben Zeitraum verfügen würden, um ihre Angebote auszuarbeiten oder ein derartiger Mangel vorliege, dass dem Auftraggeber eine Bearbeitung nicht zugemutet habe werden können (siehe z.B. VwGH 25.02.2004, 2003/04/0186, und BVwG 13.10.2016, W123 2133597-2).
Verwiesen werde auch auf das Erkenntnis des LVwG Niederösterreich vom 07.11.2019, LVwG-VG-6/002-2019.
Entgegen dem Vorbringen der ASt sei - gerade angesichts der aktuellen
Rechtsprechung des LVwG - im gänzlichen Fehlen eines in der Ausschreibung
geforderten Leistungsverzeichnisses kein behebbarer Mangel zu erblicken. Im
Hinblick auf die nachträgliche Änderungsmöglichkeit der Preiszusammensetzung,
der unzulässigen einseitigen Verlängerung der Angebotsfrist, der
Bieterungleichbehandlung, der Verunmöglichung einer Preisprüfung, der
Verunmöglichung eines Angebotsvergleiches und der essentiellen Bedeutung für die
Leistungserbringung aufgrund des vorliegenden Vertragskonvoluts sei jedenfalls von einem unbehebbaren Mangel gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 auszugehen.
Aus Sicht der AG sei daher der Antrag vom 10.02.2020 auf Nichtigerklärung
der Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020 abzuweisen.
Beantragt wurde, den Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020 ab- in eventu zurückzuweisen, die begehrte Auferlegung der Tragung der Pauschalgebühren durch die AG abzuweisen und Akteneinsicht nur insoweit zu gewähren, als Rückschlüsse auf die Anzahl und Namen der Verfahrensteilnehmer ausgeschlossen würden.
Mit Schriftsatz vom 11.03.2020 hat die ASt auf diese Stellungnahme repliziert und darin im Wesentlichen ergänzend ausgeführt, dass die Frage, in welcher Detailtiefe die Erstangebote auszuarbeiten seien und unter welchen Voraussetzungen ein Ausscheiden der Erstangebote in Frage komme, anhand des Gesetzestextes sowie der einschlägigen Judikatur zu beantworten sei.
Die ASt habe das von der Auftraggeberin vorgegebene, konstruktive Leistungsverzeichnis (nicht bloß eine funktionale Leistungsbeschreibung) ausgepreist, dabei die Preisanteile Lohn und Sonstiges aufgegliedert und auf Positions- bzw. Unterleistungsgruppenebene (Pauschal-)Preise ausgewiesen. Dabei handle es sich ausschreibungskonform um ein konstruktives Leistungsverzeichnis.
Gemäß § 103 Abs. 3 BVergG sei bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung die
Leistung "als Aufgabenstellung durch Festlegung von Leistungs- oder
Funktionsanforderungen zu beschreiben." Vielmehr entspreche das von der AG vorgegebene Leistungsverzeichnis den Anforderungen des § 105 Abs. 2
BVergG an konstruktive Leistungsverzeichnisse, insbesondere habe die AG auch die Aufgliederung der Preise in Lohn- und Sonstiges und auch die jeweilige Menge vorgegeben sowie in einzelnen Positionen auch Einheitspreise abverlangt. Zudem habe die AG sogar wesentliche Positionen definiert, was klar für ein konstruktives Leistungsverzeichnis spreche. Eine (rein) funktionale Leistungsbeschreibung würde hingegen z.B. nur die Anzahl, Größe und Funktion der erforderlichen Räume vorgeben.
Darüber hinaus beginne der Text des von der AG vorgegebenen,
konstruktiven Leistungsverzeichnisses auf der ersten Seite mit der Überschrift
"Leistungsverzeichnis". Auch werde diese Unterlage im Text selbst als
"Angebots LV / Geschlossenes LV" und auch an weiteren Stellen als "Leistungsverzeichnis" bezeichnet.
Wie aus den §§ 103 ff BVergG folge, sei ein "Leistungsverzeichnis" aber immer als "konstruktive Leistungsbeschreibung" zu qualifizieren und niemals als "funktionale
Leistungsbeschreibung". Ein "funktionales Leistungsverzeichnis" existiere schlicht nicht. Die ASt habe das von der AG vorgegebene, konstruktive Leistungsverzeichnis, wie verlangt, ausgepreist und damit ein konstruktives Leistungsverzeichnis abgegeben.
Wenn die AG eine noch weitere Aufgliederung gewünscht hätte, so hätte sie
dies in den Ausschreibungsunterlagen fordern müssen. Ein "Einheitspreis-
Leistungsverzeichnis" habe sie aber gerade nicht gefordert, sondern "nur" ein
konstruktives Leistungsverzeichnis. Im Übrigen dürfe gemäß Punkt 0.1 Ausfüllteil "für
ein ausschreibungskonformes Angebot der vorgegebene Text der
Ausschreibungsunterlagen weder geändert noch ergänzt werden“. Schon aus diesem Grund sei die ASt ohnehin verpflichtet, das vorgegebene konstruktive
Leistungsverzeichnis zu befüllen.
Die Ausschreibungskonformität des Angebotes der ASt ergebe sich weiters
insbesondere aus dem Zweck von Erstangeboten in Verhandlungsverfahren, nämlich der Schaffung einer Verhandlungsbasis, um grundsätzlich über den gesamten
Leistungsgegenstand zu verhandeln.
Auch bei Vorliegen eines Mangels sei ein Ausscheiden des Erstangebotes unzulässig, da die Erstangebote im gegenständlichen Vergabeverfahren nicht gemäß den bekannt gegebenen Zuschlagskriterien zu bewerten gewesen wären.
Selbst wenn man vom Vorliegen eines Mangels ausgehen sollte, so wäre dieser jedenfalls behebbar. § 105 Abs. 2 BVergG richte sich ausschließlich an Auftraggeber.
Die Anforderungen an die von Bietern zu erstellenden Leistungsverzeichnisse seien
ausschließlich in § 128 BVergG normiert. Der von der AG zitierte § 105 BVergG sei daher nicht einschlägig und sei daraus für ihren Standpunkt auch nichts zu gewinnen.
Die ASt habe bereits bei Angebotsabgabe über ein (auf Einzelpositionsebene) vollständig kalkuliertes Angebot verfügt, weshalb es ihr auch möglich gewesen sei, das entsprechend ausgepreiste Leistungsverzeichnis rasch nach Erhalt der
Ausscheidensentscheidung an die AG zu übermitteln. Ein Wettbewerbsvorteil der
ASt sei daher ausgeschlossen.
Die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 07.11.2019
(LVWG-VG-6/002-2019), welche die Unbehebbarkeit des "Mangels" belegen solle, sei im konkreten Fall nicht einschlägig, ebenso wie die Entscheidung des LVwG vom
01.02.2018, LVwG-VG-16/002-2017.
Hingegen habe die ASt im hier gegenständlichen Fall das von der AG geforderte (noch nicht bewertungsrelevante) Leistungsverzeichnis sehr wohl bereits mit dem Erstangebot vorgelegt. Das Vorbringen der AG, wonach ein "gänzliches Fehlen" des Leistungsverzeichnisses vorliege, sei unrichtig. Von einer "bewussten Nichtvorlage" könne keineswegs die Rede sein. Damit stünden weder der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter noch jener der Transparenz des Verfahrens einer Behebung des Mangels entgegen.
Schließlich sei es der ASt im konkreten Fall auch nicht möglich, "aus einem
unplausiblen einen plausiblen Preis zu machen". Der von der ASt angebotene
Preis sei bereits bei Angebotsabgabe - und zwar bis auf Ebene der
(Unter-)Leistungsgruppen - unveränderlich festgestanden. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der ASt die Preise der übrigen Bieter - anders als im offenen Verfahren - mangels öffentlicher Angebotsöffnung naturgemäß nicht bekannt seien. Die ASt hätte ihr Angebot daher auch nicht "in Kenntnis der Angebote der anderen Bieter" in irgendeiner Form verändern können. Auch diese vorgeschobenen Bedenken der AG seien daher unbeachtlich.
Folglich liege auch nach der "Aicher-Formel“ klar ein behebbarer Mangel vor, da keine Verbesserung der Wettbewerbsstellung der ASt denkbar sei. Es handle sich um einen klassischen Fall der Nachreichung einer Unterlage, die bereits bei Angebotsabgabe vorgelegen sei; dies stelle nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eindeutig einen behebbaren Mangel dar (vgl VwGH 11.11.2009, 2009/04/0203 uvm).
Damit stehe aber auch fest, dass das von der ASt vorgelegte Leistungsverzeichnis keinen Ausschreibungswiderspruch darstelle.
Selbst wenn man also davon ausgehen sollte, dass das von der ASt vorgelegte Leistungsverzeichnis mangelhaft iSv § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG gewesen sein
sollte, so wäre die AG verpflichtet gewesen, der ASt die Behebung dieses Mangels zu ermöglichen. Da sie dies nicht getan habe, sondern das Angebot der ASt unmittelbar ausgeschieden habe, sei die Ausscheidensentscheidung rechtswidrig und damit für nichtig zu erklären.
Aufgrund des von der ASt vorgelegten Leistungsverzeichnisses sei es der
Auftraggeberin jedenfalls möglich gewesen, den Gesamtpreis zu vergleichen und sogar auf Ebene der (Unter-)Leistungsgruppen einen belastbaren Vergleich aller Angebote untereinander vorzunehmen. Die AG habe daher entsprechend § 137 BVergG die Gesamtpreise sowie die Preise auf (Unter-)Leistungsgruppenebene aller Bieter vergleichen können. Eine gesetzeskonforme Angebotsprüfung sei ihr daher jedenfalls möglich gewesen. Inwiefern hier eine "vergleichende Angebotsprüfung gänzlich verunmöglicht" worden sein solle, sei nicht nachvollziehbar.
Grundsätzlich seien an die Unzumutbarkeit der Bearbeitung eines Angebotes hohe
Anforderungen zu stellen (vgl Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann, BVergG 2006 § 126 Rz 17). Nach Ansicht des VwGH könne eine Unzumutbarkeit unter Umständen etwa dann vorliegen, wenn Bieter überhaupt keine der geforderten
Nachweise zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorlegen und lediglich das
Leistungsverzeichnis selbst abgeben würden (VwGH 29.3.2006, 2003/04/0192). Die
Gesetzesmaterialien zum BVergG 2018 führten als Beispiel für eine Unzumutbarkeit der Bearbeitung überhaupt nur die Unleserlichkeit des Angebotes an (EBRV 69 BlgNR 26. GP S 154).
Wie bereits ausgeführt, sei die Verhältnismäßigkeit (von Auftraggeberentscheidungen) ein wesentlicher Grundsatz des Vergabeverfahrens. So habe der EuGH bereits mehrfach entschieden, dass selbst vom Gesetz oder Ausschreibungsbestimmungen abgewichen werden könne (müsse), wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dies gebiete (zB für ein Absehen vom Ausschluss infolge Unverhältnismäßigkeit: EuGH, 14.12.2016, C-171/15 Connexxion Taxi Services).
Im hier gegenständlichen Fall sei aufgrund der Auftragslage am Markt und des hohen Aufwands der Verfahrensteilnahme bei funktionalen Vorgaben davon auszugehen, dass es nur wenige Bewerber bzw. Bieter gebe.
Würde die AG die ASt nunmehr wegen eines Mangels ausscheiden bzw. den Mangel als unbehebbar qualifizieren, so würde damit der Wettbewerb im gegenständlichen
Vergabeverfahren massiv beeinträchtigt. Damit würde ein Ausscheiden der Antragstellerin aber sowohl dem Wettbewerbsgrundsatz als auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechen.
In diesem Sinne habe der EuGH sogar schon explizit ausgesprochen, dass die
Anforderungen an Angebote bzw. an Bieter im Einzelfall durchaus auch gesenkt werden könnten, wenn dies erforderlich sei, um (weiterhin) hinreichenden Wettbewerb sicherzustellen. In dem dort entscheidungserheblichen Sachverhalt habe der EuGH ausgesprochen, dass die "erwähnte Anforderung […] jedoch gesenkt werden [kann], um in einem Verhandlungsverfahren einen angemessenen Wettbewerb, wie ihn Art. 54 Abs. 3 der Richtlinie 2004/17 verlangt, zu gewährleisten" (EuGH 24.5.2016, C-396/14 Hojgaard/Züblin RdN 41).
Angesichts der aktuellen Marktlage gehe die ASt folglich davon aus, dass ein
Ausscheiden ihres Angebotes unverhältnismäßig wäre und im Widerspruch zum
Wettbewerbsgrundsatz stehen würde. Aus Gründen des Wettbewerbs sei daher die
weitere Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren geboten.
In einer „ergänzenden Replik“ vom 17.03.2020 hat die ASt im Wesentlichen vorgebracht, dass sich aus Punkt 1.18.1 des Informationsteils 1A keine eindeutige Verpflichtung der Bieter ergebe ("anhalten" werde im Duden als "[durch wiederholte Hinweise] zu etwas anleiten, erziehen" definiert), da nicht eindeutige Festlegungen grundsätzlich zu Lasten des Auftraggebers auszulegen seien (§ 915 ABGB; für viele BVwG 19.6.2019, W139 2208701-2).
Auch aus der Tabelle in Punkt 0.2 des Ausfüllteiles 2A ergebe sich keine Verpflichtung zur Vorlage eines vom Bieter zu erstellenden konstruktiven Leistungsverzeichnisses. Schließlich sei es an dieser Stelle dem Bieter überlassen, auszuwählen, ob ein solches angeschlossen werde oder nicht (würde keines angeschlossen, so wäre das entsprechende Feld einfach nicht anzukreuzen gewesen).
Zwischen dem "ausgepreisten GU-Leistungsverzeichnis" (das eben ein konstruktives
Leistungsverzeichnis sei und vom Bieter zu vervollständigen bzw. zu erstellen gewesen sei) und dem vom Bieter zu erstellenden konstruktiven Leistungsverzeichnis" bestehe im Kontext der gegenständlichen Ausschreibung kein Unterschied.
Den Angebotsunterlagen beigelegt sei nämlich (unter anderem) ein Dokument mit der Bezeichnung "***" gewesen. Auch bei diesem Dokument handle es sich – entgegen der Verwendung des Wortes "funktional" im Dateinamen – eindeutig um ein konstruktives Leistungsverzeichnis / eine konstruktive Leistungsbeschreibung. Dies ergebe sich schon daraus, dass in diesem Dokument die zu erbringende Leistung eindeutig und vollständig beschrieben sei. Dabei handle es sich um das entscheidende Kriterium einer konstruktiven Leistungsbeschreibung (§ 103 Abs. 2 BVergG). Bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung hingegen wären ausschließlich Leistungs- und Funktionsanforderungen (ohne nähere Angaben über die Qualität, Quantität, Konstruktionsart etc.) festzulegen gewesen (vgl § 103 Abs. 3 BVergG; siehe auch Kropik, Die Beschreibung von Bauleistungen: konstruktiv vs funktional,
ZVB 2006/84).
Außerdem sei das den Angebotsunterlagen beiliegende Leistungsverzeichnis in
Obergruppen gegliedert. Dabei handle es sich ebenfalls um einen eindeutigen Hinweis auf das Vorliegen eines konstruktiven Leistungsverzeichnisses (vgl Punkt 6.3 der ÖNORM A 2063 im Vergleich zu deren Punkt 4.3). Auch die Tatsache, dass die AG "wesentliche Positionen" definiert habe (vgl. Punkt 6.12.1 der ÖNORM A 2063), zeige, dass es sich um ein (konstruktives) Leistungsverzeichnis handeln müsse. Auch in der Literatur (vgl. Beilage ./5) würden sich Beispiele für konstruktive
Leistungsbeschreibungen (Leistungsverzeichnisse), die mit dem vorliegenden
Leistungsverzeichnis so gut wie ident seien, finden.
Wie aus dem zitierten Auszug ersichtlich, habe die AG im den
Angebotsunterlagen beiliegenden Leistungsverzeichnis außerdem konkrete
Einheitspreise abgefragt (wie z.B. ein Stück einer AP-Dose). Auch an anderen Stellen des Leistungsverzeichnisses würden sich Positionen finden, in denen explizit Einheitspreise anzubieten gewesen seien (z.B. auf Seite 275 [1 m³ Magerbeton] oder auch auf Seite 278 [1 kg Bewehrung Stabstahl]).
Dass es sich um ein konstruktives Leistungsverzeichnis handle, würde auch durch die Stellungnahme des Herrn D (allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für unter anderem Hochbau und Architektur) bestätigt (Beilage ./6).
Die ASt habe das den Angebotsunterlagen beiliegende konstruktive
Leistungsverzeichnis entsprechend den Vorgaben erstellt und vollständig ausgepreist. Wie von § 128 Abs. 2 BVergG gefordert, enthalte das von der ASt erstellte konstruktive Leistungsverzeichnis auch Mengen- und Preisangaben für alle Teile der beschriebenen Leistung. Damit liege – in Erfüllung der Anforderungen der gesetzlichen Bestimmungen sowie der Ausschreibungsunterlagen – das ausgepreiste GU-Leistungsverzeichnis und damit auch zwingend ein vom Bieter erstelltes konstruktives Leistungsverzeichnis vor. Weshalb die AG in Punkt 0.2 des Ausfüllteils 2A sozusagen "doppelt" festgelegt habe, dass das beiliegende Leistungsverzeichnis auszupreisen und abzugeben sei, sei für die ASt nicht nachvollziehbar, aus rechtlicher Sicht aber auch irrelevant. Entscheidend sei, dass das von der ASt abgegebene Leistungsverzeichnis entgegen dem Vorbringen der AG ein konstruktives Leistungsverzeichnis iSv § 128 Abs. 2 BVergG darstelle.
Hätte die AG ein Leistungsverzeichnis auf Einheitspreisebene gewünscht, so
hätte sie dies eben explizit festlegen müssen. Aus den bestandfesten
Angebotsunterlagen (und ebenso wenig aus dem BVergG) lasse sich eine solche Forderung aber nicht ableiten. Im Übrigen sei es der ASt sogar ausdrücklich
untersagt gewesen, das den Angebotsunterlagen beiliegende Leistungsverzeichnis zu ergänzen (etwa durch eine detaillierte Aufgliederung auf Einheitspreisebene). In Punkt 0.1 des Ausfüllteils 2A finde sich nämlich die Festlegung, dass für ein ausschreibungskonformes Angebot "der vorgegebene Text der Ausschreibungsunterlagen weder geändert noch ergänzt werden" dürfe. Eine "Erweiterung" des Leistungsverzeichnisses – wie es der AG offenbar nunmehr vorschwebe – sei daher aus rechtlicher Sicht gar nicht zulässig gewesen. Auch aus diesen Gründen könne es der ASt nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie nicht bereits mit dem Erstangebot ein Leistungsverzeichnis auf Einheitspreisebene abgegeben habe.
Mit der Abgabe des Leistungsverzeichnisses habe die ASt damit sowohl das
geforderte "ausgepreiste GU-Leistungsverzeichnis" als auch das "vom Bieter zu
erstellende konstruktive Leistungsverzeichnis" vorgelegt. Das Ausscheiden des
Angebots der ASt sei daher rechtswidrig.
Die Replik und die ergänzende Replik der ASt wurden der AG jeweils mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt.
Mit Schriftsatz vom 20.03.2020 hat die AG u.a. Folgendes dazu vorgebracht:
„1. Zur „Einschlägigkeit“ der angeführten Rechtsprechung
Bei der Replik vom 11.03.2020 handelt es sich aus Sicht der Auftraggeberin im Wesentlichenum „rein“ rechtliche Ausführungen. ‚Zum mehrfach erhobenen Vorwurf, die von der Auftraggeberin angeführte Rechtsprechung sei nicht einschlägig, seien folgende Klarstellungen gestattet, um allfälligen Missverständnissen vorzubeugen:
? Natürlich ist kein den einzelnen Entscheidungen zugrundeliegender Sachverhalt vollumfänglich mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar, Dies ist auch völlig irrelevant, Entscheidend ist vielmehr, dass die einzelnen angeführten Entscheidungen Antworten zu einzelnen konkret zu klärenden Rechtsfragen beinhalten. Dabei sind die Parallelen - zumindest aus Sieht der Auftraggeberin - teils verblüffend. Nur weil zB einer Entscheidung ein offenes Verfahren zugrunde gelegen ist, belegt dies nicht (alleine) die mangelnde Einschlägigkeit angesichts der konkreten Durchführung eines Verhandlungsverfahrens.
? Die Entscheidung LVwG NÖ 01.02.2018, LVwG-VG-16/002-2017, ist deshalb angeführt worden, weil sich diese zurückgehend auf BVA 07.09.2004,11N-65/04-12‚ in eine lange Kette ständiger Rechtsprechung einfügt, wonach in einem Verhandlungsverfahren bereits das Erstangebot vollumfänglich den für die konkrete Stufe vorgegebenen Ausschreibungsinhalten zu entsprechen hat. Mit einem nachfolgenden ausschreibungskonformen Zweitangebot kann dieser Ausschreibungswiderspruch/Angebotsmangel nicht wettgemacht werden. Die Auftraggeberin hat (a) bestimmte Angebotsinhalte gefordert und (b) in Punkt 1.6 des Kapitels A - Ausschreibungsunterlagen - Informationsteil 1A unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, die eingelangten
(Erst-)Angebote formal und inhaltlich zu prüfen. Ausdrücklich wird in betreffender Ausschreibungspassage die Durchführung einer vertieften
Angebotsprüfung angekündigt, die jedoch durch die Angebotslegung der
Antragstellerin verunmöglicht worden ist.
? Die Entscheidung LVwG NÖ 07.11.2019, LVwG-VG-6/002-2019, ist insofern einschlägig, als bereits das Fehlen von geforderten K4-Blättern als unbehebbarer Mangel eingestuft wird. Umso mehr hat dies für das weitgehende Fehlen von Mengenangaben in einem Leistungsverzeichnis, obwohl dies ausdrücklich gefordert worden ist, zu gelten. Angesichts des Umstands, dass Angebote in einem Verhandlungsverfahren immer den
Ausschreibungsvorgaben der jeweiligen Angebotsstufe zu entsprechen haben, ist es unerheblich, dass der besagten Entscheidung ein offenes Verfahren zugrunde gelegen ist.
? In der Replik vom 11.03.2020 verweist die Antragstellerin zudem auf EuGH 24.05.2016, Rs 0396/14, Hojgaard/Züblin. Demnach können Anforderungen gesenkt werden, um in einem Verhandlungsverfahren einen angemessenen Wettbewerb zu gewährleisten. Die Antragstellerin verschweigt jedoch, dass sich diese Aussage auf das Einladen von Bewerbern zur zweiten Stufe und das nachträgliche „Auseinanderbrechen“ einer Bewerbergemeinschaft bezieht. Wenn das verbleibende Bewerbergemeinschaftsmitglied die Mindesteignungsanforderungen erfüllt, kann es nach Ansicht des EuGH im
Verfahren belassen werden, wenn andernfalls kein hinreichender Wettbewerb
gewährleistet wäre. Keinesfalls lässt sich damit aber das „Zudrücken eines Auges“ rechtfertigen, wenn ein Erstangebot den Mindestvorgaben der Ausschreibung nicht entspricht. Dies würde dem Gleichheitsgebot diametral zuwiderlaufen.
2. Zum geforderten „konstruktiven Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG“
a. Klarstellend (und wiederholend) werden die betreffenden Festlegungen der Ausschreibung wie folgt dargestellt:
? Punkt 1.6.1 Kapitel A - Ausschreibungsunterlagen - lnformationsteil1A halt zur ersten Verfahrensstufe fest, dass „die eingelangten Angebote [. . .j formal und inhaltlich geprüft [werden]. Der Auftraggeber behält sich das Recht vor, in die Kalkulation des Bieters Einsicht zu nehmen bzw. entsprechende Kalkulationsunterlagen nachzufordern.“ Dies belegt - entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin - dass die Auftraggeberin bestandsfest beabsichtigt hat, die Erstangebote einer eingehenden Prüfung auch in preislicher Hinsicht zu unterziehen Dies hat die Antragstellerin, in dem sie die Ausschreibungsvorgaben missachtet hat, verhindert.
? Punkt1.7.5 Kapitel A - Ausschreibungsunterlagen - Informationsteil 1A ist zu Folgendes zu entnehmen: „Der Auftraggeber macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass nur rechtzeitig eingelangte, vollständig ausgefüllte, mit allen Nachweisen versehene und die Formerfordernisse erfüllende Angebote bewertet werden.“ Dieser Vorgabe entspricht das Erstangebot der Antragstellerin nicht. Es ist nicht klar, warum die Antragstellerin glaubt, die Auftraggeberin würde sich - entgegen der Rechtsprechung - nicht an ihre Ausschreibungsvorgaben gebunden erachten.
? Punkt 1.18.1 Kapitel A 2 Ausschreibungsunterlagen - lnformationsteil 1A ist zu entnehmen; „dass der Bieter [...] sein Angebot vollständig und sorgfältig zu erstellen [hat], in diesem Sinn ist der Bieter angehalten im Sinne des §128 Abs 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu stellen, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst.“ §128 Abs 2 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) enthält bei funktionaler
Leistungsbeschreibung folgende korrespondierende Festlegung: „Das Angebot hat grundsätzlich ein vom Bieter zu erstellendes Leistungsverzeichnis mit Mengen – und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung zu umfassen. Diesem sind erforderlichenfalls Pläne und sonstige Unterlagen gemäß § 104 Abs. 2 samt eingehender Erläuterung des Leistungsverzeichnisses beizufügen.“ Der Begriff „Leistungsverzeichnis“ findet sich im BVergG 2018 ua auch in § 105. Daraus ergibt sich bei Verwendung der identen Bezeichnung wie in § 128 BVergG 2018, was unter einem Leistungsverzeichnis zu verstehen ist.
? In Punkt 0.2 Kapitel A - Ausschreibungsunterlagen - Ausfüllteil 2A findet sich eine Checkliste im Hinblick auf die vorzulegenden Angebotsbestandteile. Ausdrücklich wird gefordert, dass der Bieter im Hinblick auf die beigeschlossenen Unterlagen ein „Ankreuzen“ vorzunehmen hat. Insgesamt werden elf (11) Dokumente in der besagten Checkliste angeführt. Bei drei (3) von diesen Dokumenten besteht eine alternative Möglichkeit des Ankreuzens mit „JA“ oder „NEIN“. Bei den übrigen acht (8) Dokumenten besteht nur die Möglichkeit der Kenntlichmachung mit „JA“. Dazu zählen ua die Dokumente „Ausgepreistes GU-leistungsverzeichnis in .pdf und onlv“, „K3 Blatt inkl. Bekanntgabe GU-Zuschlag“ und „Vom Bieter zu erstellendes konstruktives
Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG“.
b. Das Erstangebot der Antragstellerin stellt sich in den entscheidungserheblichen Bereichen wie folgt dar:
? Punkt o2 Kapitel A - Ausschreibungsunterlagen - Ausfüllteil 2A ist dergestalt ausgefüllt worden, dass bei allen Dokumenten, die alternativlos ein „JA“ vorgesehen haben, die betreffende Spalte angekreuzt worden ist. Somit ist zu verstehen gegeben werden, dass dem Erstangebot ein „Ausgepreistes GU-Leistungsverzeichnis in .pdf und onlv“, ein „K3 Blatt inkl. Bekanntgabe GU-Zuschlag“ und ein „Vom Bieter zu erstellendes konstruktives Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG“ beiliegt.