TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/9 W136 2220466-1

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Veröffentlicht am 09.10.2019
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Entscheidungsdatum

09.10.2019

Norm

BDG 1979 §123 Abs2
BDG 1979 §43 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
StGB §15
StGB §295
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W 136 2220466-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch RA Dr. Thomas PRAXMARER, 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 19/I, gegen den Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vom 15.05.2019, GZ 103 Ds 3/19d-5, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem im Spruch genannten Beschluss leitete die belangte Behörde gemäß § 123 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden kurz BF) wegen des Verdachtes ein, er habe während eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen seinen Sohn in dessen Wohnung versucht, einen gesuchten Laptop zu unterdrücken, um zu verhindern, dass dieser ausgewertet werden kann, indem er den Laptop am Dachboden des Wohnhauses versteckte und gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten wahrheitswidrig angab, dass ein zuvor übergebener defekter Laptop das aktuelle Gerät sei und sein Sohn über kein weiteres Gerät verfüge.

Begründend wurde ausgeführt, dass sich der dargelegte Verdacht aus dem an die Staatsanwaltschaft Innsbruck erstatteten Abschlussbricht der Polizeiinspektion XXXX vom 25.09.2018 ergäbe. Das gegen den BF geführte Strafverfahren wegen des Vergehens der versuchten Unterdrückung eines Beweismittels nach §§ 15 Abs. 1 und 295 StGB sei mit Beschluss des BG XXXX am 10.04.2019 nach Zahlung einer Geldbuße in der Höhe von € 700.- eingestellt worden.

Mit Blick auf die tatverdachtsmäßige gegen das Rechtsgut der Rechtspflege gerichtete vorsätzliche Delinquenz sei anzunehmen, dass Dritte negative Rückschlüsse auf die rechtmäßige und sachliche Aufgabenerfüllung des BF ziehen könnten, weshalb der Verdacht einer Pflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 vorläge.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF rechtzeitig Beschwerde und führte aus, dass der Beschwerdeführer nach dem maßgeblichen Sachverhalt, der zu einer diversionellen Erledigung geführt habe, im Falle einer rechtlichen Beurteilung straffrei gemäß § 299 Abs. 3 StGB geblieben wäre. Wenn der Beschwerdeführer nach dem StGB nicht zu bestrafen wäre, läge jedenfalls auch ein Einstellungsgrund nach § 118 Abs. 1 Z1, Z 2 zweiter Halbsatz und Z 4 BDG 1979 vor. Der BF wolle den Vorwurf nicht kleinreden, jedoch sei zu berücksichtigen, dass § 43 Abs. 2 BDG 1979 nur in äußerst krassen Fällen in das außerdienstliche Verhalten eingreife. Es könne nicht außer Acht gelassen werden, dass hier offensichtlich ein Vater versuche, seinen Sohn zu schützen. Eine Bestrafung sei auch vor dem Hintergrund, dass der BF disziplinär seit über 30 Jahren unbescholten qualitativ hochwertig seinen Dienst versehen habe, nicht erforderlich.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einstellung des Disziplinarverfahrens, in eventu Zurückverweisung an die belangte Behörde.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt Verfahrensakt wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 21.06.2019 dem BVwG (eingelangt am 26.06.2019) vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt) und Beweiswürdigung:

1.1. Zur Person des BF:

Der am XXXX geborene BF steht als Rechtspfleger des BG XXXX in einem öffentlich - rechtlichen Dienstverhältnis.

1.2. Zu der im Verdachtsbereich angelasteten Dienstpflichtverletzung:

Der der angelasteten Dienstpflichtverletzung zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus der Aktenlage und wird vom BF nicht bestritten.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

Im gegenständlichen Fall wurde vom BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Ungeachtet dessen wurde vom Bundesverwaltungsgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Gegenstand gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides notwendige Sachverhalt problemlos den Akten zu entnehmen war und einer weiteren Klärung in einer Verhandlung nicht bedurfte. Insbesondere war im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen, ob der BF tatsächlich Dienstpflichtverletzungen begangen hat, sondern ob hinreichende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorliegen. Art 6 Abs. 1 EMRK steht im derzeitigen Verfahrensstadium dem Entfall einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen, da nur die Frage der Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu klären war und zivile Rechte im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK mit der gegenständlichen Entscheidung nicht verändert oder gestaltet werden (VwGH vom 16.09.2010 Zl. 2007/09/0141). Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) kommt im gegenständlichen Fall mangels Vorliegens eines unionsrechtlichen Sachverhaltes nicht zur Anwendung (VwGH vom 09.09.2014, Zl. Ra 2014/09/0017).

Zu Spruchpunkt A):

1. Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 i.d.F BGBl. I Nr. 58/2019 (BDG 1979) maßgeblich:

§ 118. (1) Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn

1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,

2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,

3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder

4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.

........

§ 123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.

(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Einleitungsbeschluss der oder dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben."

2. Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Rechtslage des BDG 1979 und des LDG 1984 in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (Hinweis E 9.9.1997, 95/09/0243, sowie E 16.9.1998, 96/09/0320), ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verfahren auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen (VwGH vom 18.12.2012, Zl. 2011/09/0124).

Die Begründung des Einleitungsbeschlusses ist auf die Zusammenfassung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die Darlegung der für die getroffene Entscheidung im jeweiligen Gegenstand maßgeblichen Gründe beschränkt; beim Einleitungsbeschluss geht es um die Frage, ob in Bezug auf einen konkret umschriebenen Sachverhalt ein hinreichender Verdacht für das Vorliegen einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung gegeben ist, oder ob allenfalls (offenkundige) Gründe für die sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (VwGH vom 01.07.1998, Zl. 97/09/0095 mit Hinweis auf E 25.6.1992, 91/09/0190).

Nur offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 BDG 1979 stehen der Einleitung des Disziplinarverfahrens entgegen (VwGH vom 25.06.1992, Zl. 92/09/0056).

3. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:

Dem Beschwerdevorbringen, dass der BF bei einer strafrechtlichen Beurteilung der gegenständlichen Anlastung straffrei nach § 299 Abs. 3 StGB (Begünstigung eines Angehörigen) geblieben wäre, kommt schon allein deswegen keine Berechtigung zu, weil der im Akt befindlichen Strafantrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 01.02.2019 gegen den BF wegen des Vergehens der versuchten Unterdrückung eines Beweismittels und nicht wegen Begünstigung eingebracht wurde.

Zum Beschwerdevorbringen, dass die belangte Behörde wegen Vorliegens von Einstellungsgründen nach § 118 BDG 1979 einen Nichteinleitungsbeschluss zu fassen gehabt hätte, wird auf die diesbezüglich zutreffenden Ausführungen im bekämpften Bescheid (Seite 4) verwiesen, wonach zur konkreten Anlastung ein Vorgehen nach § 118 BDG deswegen nicht in Betracht kommt, weil im gegenständlichen Fall einem Rechtspfleger eine vorsätzlich Delinquenz gerade gegen das Rechtsgut der Rechtspflege angelastet wird, weshalb von geringer Schuld nicht gesprochen werden kann.

Insoweit vorgebracht wird, dass eine Bestrafung des BF im Hinblick auf seine jahrelangen ausgezeichneten Dienstleistungen nicht geboten erscheint, reicht der Hinweis, dass die Frage der Strafzumessung nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Die in der Beschwerdeschrift getätigten Ausführungen sind daher zusammengefasst nicht geeignet, den Verdacht der schuldhaften Begehung konkret umschriebener Dienstpflichtverletzungen auszuräumen. Der von der belangten Behörde verfügte Einleitungsbeschluss betreffend Vorliegen von Dienstpflichtverletzungen im Verdachtsbereich ist daher zu Recht erfolgt, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die maßgebliche Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Fassung eines Einleitungsbeschlusses nach § 123 Abs. 2 BDG 1979 wurde in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mehrfach behandelt. Die gegenständliche Entscheidung weicht von dieser nicht ab. Auf die unter Spruchpunkt A zitierte Judikatur wird verwiesen.

Schlagworte

Beweismittelunterdrückung, Dienstbezug, Dienstpflichtverletzung,
Einleitung Disziplinarverfahren, Einleitungsbeschluss,
Gerichtsbarkeit, Rechtspfleger, Verdachtsgründe, versuchte Straftat,
Vertrauensschädigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W136.2220466.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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