TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/21 W112 2120593-1

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Veröffentlicht am 21.11.2019
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Entscheidungsdatum

21.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §55

Spruch

W112 2120593-1/68E

Schriftliche Ausfertigung des am 15.07.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.12.2015, Zl. 830088100-1609763, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 50, 52 Abs. 2, 55 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt III. zu lauten hat:

"Ihnen wird gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen.

Es wird gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die RUSSISCHE FÖDERATION zulässig ist."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der RUSSISCHEN FÖDERATION und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 21.01.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.01.2013 gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, 2006 wegen der Zusammenarbeit mit Widerstandskämpfern verurteilt worden und 3,5 Jahre im Gefängnis in XXXX gewesen zu sein. 2010 sei er unter Setzung einer Auflage bis 2013 bedingt freigelassen worden; KADYROVCI wissen davon und verfolgen ihn. 2011 sei ein Bekannter des Beschwerdeführers spurlos verschwunden. Anfang XXXX 2013 sei der Beschwerdeführer von Männern in schwarzen Uniformen (KADYROVCI) abgeholt und in einem Keller geschlagen und gefoltert worden. Er sei für den Fall, dass er sich weigere mit ihnen zusammenzuarbeiten, mit dem Tod bedroht worden. Der Beschwerdeführer hätte für sie einen Bekannten finden und zu ihnen bringen sollen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin so schnell wie möglich sein Land verlassen. Die KADYROVCI würden ihn entweder einsperren oder umbringen.

3. Am 13.05.2013 stellten seine - seinen Angaben in der Erstbefragung zufolge - nach muslimischem Ritus angetraute Lebensgefährtin und seine Söhne Anträge auf internationalen Schutz in XXXX . Der Beschwerdeführer stimmte der Einleitung des Konsultationsverfahrens mit der Begründung, "dass seine Gattin und Kinder in XXXX leben" ausdrücklich zu. Am 31.05.2013 stellten diese jedoch Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

4. Ein vom Bundesasylamt eingeholtes neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 18.11.2013 ergab, dass der Beschwerdeführer an einer Anpassungsstörung, welche zu diesem Zeitpunkt in Remission war, litt. Er war zeitlich, örtlich, situativ und zur Person vollkommen orientiert und in der Lage schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen. Von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit war bei diesem Krankheitsbild nicht auszugehen, insbesondere zeigte sich die psychische Erkrankung in Remission. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht bestand im Falle einer Überstellung in die Russische Föderation nicht die reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte. Zur Behandlung der Anpassungsstörung kamen - unter Beachtung der Nebenwirkungen - alle gängigen antidepressiven Medikamente in Frage.

5. Der Beschwerdeführer wurde am 29.07.2015 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab der Beschwerdeführer an, dass er in TSCHETSCHENIEN in der Stadt XXXX geboren und dort aufgewachsen sei. Er sei Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und bekenne sich zum muslimischen Glauben.

Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass er im Jahr 2006 zu einer siebenjährigen Gefängnisstrafe wegen schwerer XXXX verurteilt worden sei. Nach dreieinhalb Jahren sei er bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren entlassen worden. Der Beschwerdeführer habe die Straftat jedoch nicht begangen, sondern es sei ihm eine Falle gestellt worden. Er habe für XXXX gearbeitet, der früher ein Mitarbeiter von KADYROV gewesen und dessen Feind geworden sei. KADYROV habe deshalb XXXX beseitigen wollen und der Beschwerdeführer, der für diesen gearbeitet habe, sei zwischen die Fronten geraten. So habe er von seinem Vorgesetzten [Anm. BVwG: wohl gemeint XXXX ] den Auftrag erhalten, einen LKW zu suchen. Als der Beschwerdeführer diesen gefunden habe, seien zwei schwer verletzte Personen neben dem LKW gelegen und der Beschwerdeführer am 12.04.2006 verhaftet worden. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis im März 2010 habe der Beschwerdeführer als Taxifahrer gearbeitet. Er sei noch in der Wohnung seiner Tante in XXXX gemeldet gewesen, habe aber bereits in XXXX gelebt. Seine Tante sei immer wieder von Leuten aufgesucht worden. Nach einem Monat haben diese Besuche geendet, weil die Männer verstanden haben, dass der Beschwerdeführer nicht mehr dort lebe. In der Nacht von 04. auf den XXXX 2013 sei der Beschwerdeführer dann von mehreren Mitarbeitern KADYROVS aus seiner Wohnung entführt und aufgefordert worden, Informationen, die er im Gefängnis erhalten habe, weiterzugeben. Da er sich geweigert habe, sei er in einem Keller gefoltert worden. Schließlich habe der Beschwerdeführer doch Informationen über einen Mann weitergegeben, zu dem er gebracht worden sei. Da er sich dort gut ausgekannt habe, sei ihm die Flucht gelungen.

In Österreich lebe der Beschwerdeführer mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen zusammen von der Grundversorgung. Er sei weder in einem Verein tätig noch gehe er einer Arbeit nach.

6. Das Bundesamt vernahm den Beschwerdeführer am 16.12.2015 neuerlich ein. Der Beschwerdeführer gab an, dass im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation noch immer Lebensgefahr bestehe. Er habe in der Einvernahme am 29.07.2015 bereits sämtliche Gründe, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, geschildert. Andere Gründe habe er nicht.

7. Das Bundesamt wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 28.12.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf seinen Herkunftsstaat RUSSISCHE FÖDERATION (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005. Unter einem erließ es gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Ihm wurde eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen nicht habe glaubhaft machen können. Ebenso drohe dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, da es sich beim Beschwerdeführer um einen arbeits- und selbsterhaltungsfähigen Mann mit abgeschlossener Grundschulbildung handle, psychische Erkrankungen in Russland behandelbar seien und er darüber hinaus auf Angehörige im Herkunftsstaat zurückgreifen könne. Die Rückkehrentscheidung greife nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers ein, da seine Familienangehörigen im selben Umfang wie er von aufenthaltsbeenden Maßnahmen betroffen seien. Der Beschwerdeführer habe auch keine besonders enge Beziehung zu anderen Verwandten in Österreich. Ebenso greife die Rückkehrentscheidung auch nicht in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Privatlebens ein. Er sei der deutschen Sprache nicht mächtig, übe keine regelmäßige, legale Beschäftigung aus und habe sich um eine solche auch nicht bemüht. Er lebe von der Grundversorgung. Auch sei der Beschwerdeführer weder Mitglied in einem Verein, noch in einer Organisation ehrenamtlich tätig. Die Bindung des Beschwerdeführers zum Herkunftsstaat sei wesentlich stärker als zu Österreich, da der Beschwerdeführer den Großteil seines Lebens in Russland verbracht habe, dort sozialisiert worden sei und die dortige Sprache spreche. Auch leben nahe Verwandte des Beschwerdeführers nach wie vor im Herkunftsland. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass es dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und focht den Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung in vollem Umfang an. Er beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und dem Beschwerdeführer Asyl gemäß § 3 AsylG 2005 gewähren; in eventu möge das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen und Spruchpunkt III. aufheben; zudem feststellen, dass die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig sei und daher feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005 vorliegen und dem Beschwerdeführer gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen sei; in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze beheben und zur Durchführung eines neuen Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen; jedenfalls möge das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchführen und das Verfahren des Beschwerdeführers im Familienverfahren mit seiner Lebensgefährtin und seinen minderjährigen Kindern führen sowie eine gemeinsame Entscheidung mit diesen im Familienverfahren erlassen.

Begründend führte die Beschwerde aus, dass die Behörde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt und den Beschwerdeführer nicht ausreichend detailliert befragt habe. Die belangte Behörde hätte Feststellungen dazu treffen müssen, dass der Beschwerdeführer für KADYROV gearbeitet habe. KADYROV und sein bester Freund, XXXX , haben sich voneinander abgewendet. Der Beschwerdeführer sei zusammen mit zwei Freunden von XXXX im Auftrag von KADYROV zu einer Adresse geschickt worden um nachzusehen, ob sich dort Drogen befinden. An der Adresse angekommen, sei der Beschwerdeführer von Maskierten festgenommen worden. Der Beschwerdeführer sei wegen schwerer XXXX (er soll Männer gequält und gefoltert haben) zu Unrecht verurteilt worden. XXXX , der ihn aus dem Gefängnis habe holen wollen, sei angeschossen und im Jahr 2009 schließlich ermordet worden. Im Gefängnis sei der Beschwerdeführer wegen seiner Informationen zur Mitarbeit aufgefordert worden. Nach der Freilassung haben regelmäßig Leute bei seiner Tante nach dem Beschwerdeführer gefragt, dieser sei mit seiner Familie jedoch in XXXX immer wieder umgezogen. Im XXXX 2013 sei der Beschwerdeführer dann von Anhängern KADYROVs mitgenommen, gefoltert und zur Mitarbeit aufgefordert worden.

Die belangte Behörde habe das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet, da es lediglich allgemein gehaltene Länderfeststellungen, die sich nicht auf die spezielle Situation des Beschwerdeführers beziehen, herangezogen habe. Aufgrund des unzureichenden Ermittlungsverfahrens habe das Bundesamt keine ganzheitliche Würdigung seines individuellen Vorbringens vorgenommen.

Dem Beschwerdeführer drohe aus politischen Gründen, da ihm wegen seiner Weigerung mit KADYROV zusammenzuarbeiten eine gegen diesen gerichtete politische Gesinnung unterstellt werde bzw. diese auch vorliege, weil der Beschwerdeführer dessen Praktiken nicht unterstütze. Dem Beschwerdeführer sei deshalb der Status des Asylberechtigten, jedenfalls jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Das Bundesamt habe die Verhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung nur unzureichend geprüft und von seinem Ermessen rechtswidrig Gebrauch gemacht, insbesondere sei das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Rückkehrentscheidung hätte für dauerhaft unzulässig erklärt werden müssen und es hätte ihm daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung von Amts wegen erteilt werden müssen.

9. Der Beschwerdeführer wurde am 30.07.2017 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes beim Lenken eines PKWs ohne erforderliche Lenkberechtigung auf der Rückfahrt von einem XXXX in XXXX betreten.

10. Das Landesgericht XXXX verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 09.11.2017 wegen des Verbrechens der XXXX zu einer Freiheitsstrafe von XXXX Monaten, wovon es XXXX Monate unter Setzung einer Probezeit von XXXX Jahren bedingt nachsah.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung unter Geltendmachung der Berufungspunkte nach § 464 Z 1 iVm § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO und § 464 Z 2 erster und zweiter Fall StPO. Das Oberlandesgerichts XXXX gab der Berufung des Beschwerdeführers wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld mit Urteil vom 14.02.2018 nicht Folge. Hingegen wurde in teilweiser Stattgebung seiner Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe die Freiheitsstrafe auf XXXX Monate herabgesetzt und gemäß § 43a Abs. 3 StGB der Teil von XXXX Monaten unter Setzung einer Probezeit von XXXX Jahren bedingt nachgesehen.

11. Das Bundesverwaltungsgericht forderte den Beschwerdeführer mit Parteiengehör vom 24.07.2018 auf, gravierende Veränderungen an seinem Gesundheitszustand bekanntzugeben sowie alle damit in Zusammenhang stehenden Beweismittel vollständig vorzulegen und Bescheinigungs- bzw. Beweismittel zu seinen Fluchtgründen und seiner Identität sowie Unterlagen und Dokumente betreffen seine aktuellen Lebensverhältnisse und familiären Beziehungen in Österreich zu übermitteln.

Mit Schreiben vom 09.08.2018 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er keine Verwandten in Österreich habe und seit 18.04.2016 mit einer österreichischen Staatsbürgerin, XXXX , zusammen sei. Unter einem legte er Dokumente betreffend seine Lebensumstände in Österreich sowie zu seinem Gesundheitszustand vor.

12. Das Bundesverwaltungsgericht forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28.11.2018 auf alle persönlichen Dokumente (Reisepass, Geburtsurkunde, usw.) im Original zur mündlichen Verhandlung mitzubringen.

13. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.12.2018 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch sowie im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers, einer Vertreterin des Bundesamtes und einer Vertrauensperson durch. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers

XXXX sowie seine ehemalige Lebensgefährtin XXXX nahmen als Zeuginnen an der Verhandlung teil.

Die Befragung des Beschwerdeführers gestaltete sich wie folgt:

"R: Ich entnehme dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), dass Sie XXXX , geb. XXXX in XXXX , Staatsangehörigkeit:

Russische Föderation, Volksgruppe: Tschetschene, moslemischer Glaube, traditionell verheiratet mit XXXX , sind. Ist das korrekt?

BF: Ja.

R: Laut Stellungnahme vom 09.08.2018 (OZ 18) sind Sie seit 18.04.2016 mit XXXX zusammen. Führen Sie beide Beziehungen parallel?

BF: Ich tue niemanden etwas Schlechtes, nein. Wir verstehen uns gut.

R: Sind Sie noch XXXX zusammen und verheiratet?

BF: Wir haben uns schon längst getrennt.

R: Sind Sie noch verheiratet?

BF: Nein, wir haben uns erst kennengelernt und noch nicht geheiratet.

R: Die Frage war, ob Sie mit XXXX noch verheiratet sind?

BF: Nein, wir leben schon lange nicht mehr zusammen.

R: Mit XXXX ist es Ihnen noch nicht gelungen zusammenziehen, habe ich das richtig verstanden?

BF: Nein.

R: Seit wann leben Sie mit ihr zusammen?

BF: Es ist schon das dritte Jahr, genau weiß ich es nicht.

R: Wie haben Sie sich von XXXX scheiden lassen?

BF: Ich habe mich nicht scheiden lassen, wir leben nicht mehr zusammen.

R: Sind Sie jetzt verheiratet mit ihr oder nicht?

BF: Wir waren nach muslimischen Ritus verheiratet, aber hier ist uns das Zusammenleben nicht gelungen.

R: geben Sie eine klare Antwort. Besteht die Ehe nach dem muslimischen Ritus noch?

BF: Nein.

R: Wann und wie haben Sie XXXX geheiratet?

BF: Zuhause, nach dem muslimischen Ritus. Das war Anfang 2004, da haben wir uns kennenglernt.

R: Nach Ihrer Ex-Frau haben Sie sich schon 2003 kennengelernt und geheiratet.

BF: Das war Ende 2003/Anfang 2004.

R: Wann und wie haben Sie sich von XXXX scheiden lassen?

BF: Das ist nach unseren Gebräuchen so. ich habe mich einfach scheiden lassen, das war es. Es ist uns nicht gelungen zusammenzuleben. Ich lebe schon das dritte Jahr in XXXX , dann haben wir uns scheiden lassen, weil uns das Zusammenleben nicht gelungen ist.

R: Leisten Sie XXXX Unterhalt?

BF: Nein.

R: Beschreiben Sie Ihre Beziehung zu XXXX aktuell!

BF: Normal, wir haben nur nicht geschafft zusammenzuleben.

R: Was heißt "Normal"?

BF: Ich helfe ihr so gut ich kann. Ich nehme auch die Kinder zu mir. Ich kümmere mich auch um die Kinder.

R: Was tun Sie konkret?

BF: Ich tue das, was alle Eltern tun.

R: Was heißt das?

BF: Ich gehe mit den Kindern in den Park, ich tue was sie wollen.

R: Tun Sie sonst noch etwas, um Ihre Ex-Frau zu unterstützen?

BF: Ich tue was ich kann. Wenn sie jemanden braucht, um auf das Kind aufzupassen, dann tue ich das auch.

R: Das Kind?

BF: Es sind zwei Kinder.

R: Laut ZMR waren Sie bis 14.03.2016 bei XXXX gemeldet, seit 12.02.2016 aber unbekannten Aufenthalts. Warum zogen Sie unabgemeldet aus?

BF: Als ich nach Österreich kam, habe ich mich gleich angemeldet.

R wiederholt die Frage.

BF: Ich bin dortgeblieben, meine Frau ist von dort ausgezogen. Dann bin ich auch übersiedelt und habe mich gleich angemeldet.

R: Gab es häusliche Gewalt (Hinweis auf Aussageverweigerungsrecht, falls häusliche Gewalt von Ihnen ausging)?

BF: Ich habe die Frage nicht verstanden.

R erläutert die Frage.

BF: Nein.

R: Wurde gegen Sie jemals eine Wegeweisung oder ein Betretungsverbot erlassen?

BF: Nein.

R: Wurden Sie jemals aus diesem Grund angezeigt? Gab es ein Strafverfahren?

BF: Nein.

R an BFV: Laut der Kinder- und Jugendhilfe der XXXX (OZ 18) wurde 30.01.2014-26.06.2014 eine Abklärung durchgeführt auf Grund einer Gefährdungsmeldung Ihres Vertragspartners, der XXXX . Was war die Ursache der Gefährdungsmeldung?

BFV: Ich kann das leider nicht beantworten, das ist nicht im Rahmen der XXXX passiert, sondern im Rahmen der Betreuung. Im Hinblick darauf findet kein Austausch mit der XXXX statt.

R: Wann und wie haben Sie XXXX kennengelernt?

BF: Hier in XXXX über Bekannte.

R: Wann sind Sie mit XXXX zusammengezogen?

BF: Genau weiß ich es nicht mehr. Fünf oder sechs Monate nachdem ich nach XXXX übersiedelt, da habe ich XXXX kennenglernt.

R wiederholt die Frage.

BF: Als wir uns kennenglernt haben, habe ich bei ihr gelebt. Ich habe hier in einer Privatwohnung gelebt und habe Hilfe von der XXXX bekommen.

R wiederholt die Frage noch einmal.

BF: Ich habe bei ihr gelebt und dann wieder drei oder vier Tage dort wo ich angemeldet war.

R: Laut ZMR meldeten Sie sich am 14.03.2016 am XXXX in XXXX an. Dieser Wohnsitz wurde am 14.04.2017 amtlich abgemeldet. Warum?

BF: Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung.

R: Warum haben Sie sich nicht gleich bei Ihrer Lebensgefährtin, in der XXXX gemeldet?

BF: Ich habe zuerst nicht gewusst, dass ich dort abgemeldet wurde.

R erläutert die Frage.

BF: Das wäre kein Problem bei ihr zu leben und mich bei ihr anzumelden, aber ich wollte das nicht, weil ich noch nicht arbeite.

R: Das verstehe ich nicht.

BF: Ich wollte mich nicht bei ihr anmelden und auf ihre Kosten leben.

R: Sie begründeten am 28.04.2017 eine Meldeadresse in der XXXX ; die dort Gemeldete XXXX gab an, dass es sich hierbei nur um eine Meldeadresse gehandelt hat und Sie dort nie gewohnt haben. Das stellt ein Vergehen nach dem Meldegesetz dar. Möchten Sie angeben, warum Sie das gemacht haben und sich nicht bei Ihrer Lebensgefährtin angemeldet haben?

BF: Es hätte mir niemand geholfen, wenn ich mich bei meiner Lebensgefährtin angemeldet hätte. XXXX hat ja ein Kind und ich wollte nicht auf Ihre Kosten leben.

R: Das heißt, Sie haben eine falsche Adresse begründet um die Grundversorgung zu kassieren?

RV: Aussageverweigerung.

R: Seit Juni 2018 sind Sie an der Adresse XXXX in XXXX gemeldet. Das ist ein Grundversorgungsquartier, stimmt das?

BF: Ja, das ist eine Pension. Dort lebe ich. Dort lebe ich drei bis vier Tage und dann wieder bei der anderen Adresse.

R: Sind Sie mit XXXX verheiratet?

BF: Ich wollte, aber wir sind nicht verheiratet.

R: Was weiß XXXX von Ihrem Aufenthaltsstatus?

BF: Alles weiß sie.

R: Wer kommt für den Lebensunterhalt auf?

BF: Mir hilft die Pension, wo ich lebe. Alle zwei Woche bekomme ich

XXXX €.

R: Alle zwei Wochen, das wäre erheblich über der Mindestsicherung?

BF: Ja, jedenfalls über 800 €.

R: Leisten Sie XXXX oder Ihrem Kind unterhalt?

BF: Nein, aber wenn ich Geld habe, dann kaufe ich Ihnen etwas, das heißt dem Kind.

R: Wer besorgt den Haushalt?

BF: XXXX . Sie hat früher gearbeitet, aber jetzt arbeitet sie nicht.

R: Warum?

BF: Weil es keine Arbeit gibt.

R: Ist XXXX krank oder pflegebedürftig?

BF: Nein.

R: Sie befanden sich 16.10.2017-14.02.2018 in Strafhaft. Wie lebten Sie in der Zeit die Beziehung?

BF: Wir haben eine gute Beziehung gehabt.

R wiederholt die Frage.

BF: Sie ist zu mir gekommen und wir standen auch in telefonischen Kontakt.

R: Das heißt, Ihre Freundin weiß auch von der Verurteilung?

BF: Ja. Ich bin unschuldig, ich weiß nicht wie das passieren konnte, ich habe alle Unterlagen. Es haben Leute vorm Gericht ausgesagt, die ich nicht kenne. Ich weiß nicht, ob Sie mir glauben oder nicht.

R: Sie wurden mit Urteil vom 09.11.2017 wegen XXXX mit XXXX Mittätern, wobei dem Opfer eine XXXX mit einer XXXX zugeführt wurde und ein Schuss abgegeben wurde, zu einer Freiheitsstrafe von XXXX Monaten verurteilt, wobei XXXX Monate auf eine Probezeit von XXXX Jahren bedingt nachgesehen wurden, da Sie bisher unbescholten waren. Mit Urteil vom 14.02.2018 wurde Ihre Berufung wegen Schuld abgewiesen und die Freiheitsstrafe auf XXXX Monate herabgesetzt, wovon XXXX Monate bedingt nachgesehen wurden. Dabei wurde die Tatbegehung in Gemeinschaft, die Verwirklichung beider Tatalternativen - XXXX - sowie der Eintritt der vom Tatbestand nicht verlangten XXXX beim XXXX erschwerend berücksichtigt, der bisher ordentliche Lebenswandel und dass es beim Versuch blieb mildernd berücksichtigt. Weiters wurde berücksichtigt, dass XXXX einen erheblichen sozialen Störwert aufweist. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Ich wollte sagen, dass das, was im Protokoll steht nicht vorgefallen ist.

R: Sogar das Berufungsgericht geht von Ihrer Täterschaft aus. Ihre Berufung wurde abgewiesen.

BF: Weil sich das Gericht auf die Unterlagen der Geschädigten berufen hat.

R: Haben Sie Kinder?

BF: Ja, der Erste heißt XXXX und der zweite XXXX .

R: Sie gaben in der Erstbefragung am 21.01.2013 an, der Vater von XXXX , XXXX Jahre alt, zu sein. Sie sind in der Geburtsurkunde von XXXX nicht als Vater eingetragen! Dessen Vatersname lautet XXXX ! Er ist nicht XXXX , sondern laut Geburtsurkunde am XXXX geboren. XXXX gibt an, das Kind sei nicht von Ihnen, sondern von ihrem ersten Ehemann! Was sagen Sie dazu?

BF: Ich habe es nicht verstanden.

R erläutert die Frage genauer.

BF: Die Mutter sagt das. Er ist zuhause geboren worden und ich habe ihn XXXX genannt. Ich bin dann geflüchtet und hierher gekommen. Ich weiß nicht was später war. Die Schwester hat dann geholfen...

RV: ich glaube hier liegt gerade eine Verwechslung vor.

R: Reden Sie jetzt von Ihrem älteren Sohn?

BF: Nein, vom jüngeren.

R: Was sagen Sie nun dazu, dass Sie laut der Mutter nicht der Vater sind?

BF: Ich war für ihn wie ein Vater.

R: Beschreiben Sie Ihre Beziehung zu XXXX aktuell!

BF: Gut.

R: Was heißt das?

BF: Ich bin wie eine Vater für ihn.

R: Was heißt das?

BF: Ich mache für ihn alles, was ich kann. Bis zum Ende meines Lebens.

R: Sie gaben in der Erstbefragung am 21.01.2013 auch an, der Vater von XXXX , XXXX Monate alt zu sein! Wo ist der?

BF: Vielleicht wollte ich XXXX Jahre alt sagen.

R: Sind Sie nun der Vater von einem XXXX , heute ca. XXXX Jahre alt?

BF: Ja, sicher.

R: Wo ist dieser Sohn?

BF: Hier.

R: Meinen Sie damit XXXX ?

BF: Ich habe ihn XXXX genannt, aber er wird hier XXXX genannt.

R: Laut Ihrer Einvernahme vom 29.07.2015 ist XXXX der Sohn Ihres Onkels XXXX !

BF: Wie?

R erläutert die Frage.

BF: Ich erkläre das: Mein Onkel wurde umgebracht, zuhause. Mein Onkel hatte einen Sohn, der ca. 22 Jahre alt wäre. Als er 18 war, ist er verstorben. Er hieß XXXX . Ich wollte meinen Sohn auch XXXX nennen, aber mir wurde gesagt, es sei nicht gut den Sohn nach einem Verstorbenen zu benennen.

R: Sie gaben in der Einvernahme vom 29.07.2015 an, der Vater von XXXX , geb. XXXX zu sein. Dieser ist laut Geburtsurkunde am XXXX geboren und der Sohn von XXXX , sein Vatersname ist XXXX . Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Ja, ich weiß nicht, wie es zuhause war. Ich weiß nur, dass sie von zuhause flüchten mussten. Ich weiß nicht, wie sie weggefahren sind. Ich habe dann erfahren, dass die Schwester geholfen hat.

R: Meine Frage ist nun, XXXX ist XXXX Jahre älter geworden und hat einen anderen Vater, wie kommt es dazu?

BF: Das sind die Dokumente vom Kind der Schwester, davon habe ich erst später erfahren.

R: Wann haben Sie davon erfahren?

BF: Nach der Familienzusammenführung, als man die Dokumente vorweisen musste.

R: ich kann mir nicht vorstellen, dass den Behörden nicht aufgefallen seien soll, dass statt einem XXXX Monate alten Säugling, ein XXXX Jahre altes Kind d sitzt. Gerade in diesem Alter merkt man den Altersunterscheid extrem.

BF: Die Schwester hat auch so einen Sohn, aber das ist nicht meine Schwester, sondern die Schwester meiner Frau. Sie mussten es so machen, ich weiß nicht wieso. XXXX hatte überhaupt keine Dokumente.

R: Beschreiben Sie Ihre Beziehung zu XXXX aktuell!

BF: Sehr gut.

R: Was heißt das?

BF: Sowie bei jedem Vater oder jeder Mutter, sogar besser.

R: Was heißt das?

BF: Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.

R erläutert die Frage.

BF: Ich hole ihn von der Schule ab, wenn es notwendig ist. Ich mache alles, was ich kann.

R: Haben Sie Beweismittel dafür, dass XXXX oder XXXX Ihre Söhne sind? Widrigenfalls geht das Gericht auf Grund der Geburtsurkunden davon aus, dass Sie nicht der Vater sind!

BF: Beweise habe ich nicht. Meine Kinder sind ja hier.

R: Ihre Kinder können schwer dazu aussagen, wer sie gezeugt hat.

RV: Eine genetische Abstammung spielt keine Rolle für ein Familienleben.

R: Wie sehen Sie das im Zusammenhang mit § 34 i.v.m § 2 Asylgesetz für das Familienverfahren?

RV: Beide Kinder sind während aufrechter traditionellen Ehe geboren worden und sind mit dem Wissen, dass der BF1 ihr Vater ist, aufgewachsen. Der BF1 ist daher jedenfalls Familienangehöriger.

R: In der russischen Föderation gilt die obligatorische Zivilehe. Auch eine Vaterschaftsvermutung führt daher nicht zur rechtlichen Vaterschaft des BF.

RV: Wir sind hier aber nicht in der russischen Föderation, sondern in Österreich.

R: Auch bei Anwendung des österreichischen Rechts im Wege des IPRG führt die obligatorische Zivilehe nicht zur Vaterschaftsvermutung und daher nicht zur rechtlichen Vaterschaft des BF.

RV: Der Familienangehörigenbegriff des Asylgesetzes ist jedenfalls in Verfassungskonformer Interpretation, dahingehend zu verstehend, dass nicht nur leibliche Kinder, sondern alle Kinder mit denen ein entsprechendes Familienleben geführt wurde bzw. wird, darunter fallen.

R: Sie waren 23.02.2018-27.06.2018 im Grundversorgungsquartier XXXX untergebracht - wie XXXX , XXXX und XXXX , die dort seit 28.07.2017 lebten. Haben Sie sie dort bereits vor Ihrer Festnahme am 17.10.2017 besucht, während Sie unbekannten Aufenthalts und in der XXXX nur gemeldet waren?

BF: Ja, das habe ich.

R: Gab es in dieser Zeit etwas Besonderes, im Monat Ihrer Verhaftung bzw. im Monat davor?

BF: Nein.

R: Waren die Kinder in der Zeit irgendwie verändert?

BF: Wie gewöhnlich, sie lieben mich. Ich helfe ihnen, wie ich kann.

R: Was können Sie zum Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs am damals XXXX jährigen XXXX als unmündigem Minderjährigen im September und am 05.10.2017 (orale und anale Vergewaltigung) angeben?

RV: Aussageverweigerung.

R: Wenn Ihnen eine Verhaltensveränderung bei so einen schweren Vorfall keine Verhaltensveränderung bei den Kindern auffällt, dann kann keine enge Verbindung bestehen.

BF: Ich wusste nicht, wie ich die Frage beantworten soll. Er hat sich schon verändert, er ist ruhiger geworden. Er will immer etwas mit mir machen, aber ich kann nichts machen, weil es keine Arbeit gibt.

R: Gibt es Beweismittel oder sonstige Unterlagen, zu Ihrem Privat- und Familienleben oder Ihrer Identität, Ihren Lebensumständen sowie Ihrem Gesundheitszustand, die Sie bislang im Verfahren nicht vorgelegt haben und heute vorlegen möchten?

BF legt vor:

Kursbesuchsbestätigung Alphabetisierung-Kurs

Bescheinigung über mögliche Arbeitsstelle von XXXX

R: Wie ist Ihr Gesundheitszustand? Benötigen Sie aktuell Medikamente oder Therapien?

BF: Ich bin in einem normalen Zustand. Ich wurde sehcs Monate lang behandelt, das war an der XXXX , jetzt bin ich gesund.

R: Und in der Russischen Föderation?

BF: Ja, weil ich im Gefängnis war und dort gefoltert wurde. Ich habe dort auch eine XXXX bekommen.

R: Wurden Sie nur im Gefängnis oder auch danach behandelt?

BF: Im Gefängnis.

R: Sie wurden aufgefordert alle Ihre Dokumente im Original abzugeben. Haben Sie auch Ihren Inlandsreisepass dabei?

BF: Ich habe den Pass in XXXX abgegeben.

R an BehV: Haben Sie ihn mit?

BehV: Nein. Laut EDV-System ist er nicht bei uns, er müsste noch bei der XXXX sein.

R fordert BehV den Pass umgehend im Original vorzulegen.

BehV: Ich werde mich darum kümmern.

R: Haben Sie Österreich seit Ihrer Asylantragstellung einmal verlassen?

BF: Nein.

R: Wo waren Sie 11.04.2013-03.05.2013? Da waren Sie unbekannten Aufenthalts!

BF: 2013? Zuerst habe ich in XXXX um Asyl angesucht, dann bin ich nach XXXX gebracht worden und dann bin ich nach XXXX übersiedelt.

R: Sie haben also Österreich seit Ihrer Einreise nicht verlassen?

BF: Nein.

R: Laut Akt der LPD XXXX wurden Sie am 02.07.2017 laut den Aussagen Ihrer Komplizen auf der Rückfahrt vom XXXX in XXXX betreten! Das ist nicht in Österreich. Wo waren Sie noch während Ihres Aufenthalts in Österreich?

BF: Ich wusste das nicht, ich bin mit nicht normalen Menschen in ein Auto eingestiegen. Wir waren bei einem Freund und haben etwas getrunken, sie wollten ins XXXX . Ich habe im Auto geschlafen und weiß nicht, wie ich hingekommen bin.

R belehrt über Aussageverweigerungsrecht, weil der BF am Steuer am Fahrzeug betreten wurde.

R belehrt über Aussagenverweigerungsrecht, da der BF ohne Führerschein fährt.

Im Rahmen der Rückübersetzung: Am Rückweg hat die Polizei mir gesagt, ich solle fahren, weil die anderen betrunken waren. Die Betrunken haben auch bestätigt, dass ich einen Führerschein habe.

BF: Zuhause habe ich schon einen Führerschein.

R: Haben Sie einen Führerschein in Österreich?

BF: Nein, zuhause habe ich einen.

R: Wie wollen Sie dann für eine XXXX arbeiten, wenn Sie keinen Führerschein haben?

BF: Als Helfer, ich kann z.B. einen Kühlschrank tragen.

R: Besitzen Sie außer dem asylrechtlichen Aufenthaltstitel in Österreich noch ein weiteres Aufenthaltsrecht?

BF: Wie meinen Sie?

R erläutert die Frage.

BF: Nein, wenn ich das hätte, dann hätte ich ein normales Leben führen könne.

R: Haben Sie in Österreich oder in anderen Staaten außerhalb Ihres Herkunftsstaates noch Verwandte?

BF: Nein.

R: Laut Ihrer Stellungnahme vom 09.08.2018 haben Sie keine Verwandten in Österreich, laut GVS-Auszug wollten Sie im APRIL 2014 zu Ihrem Cousin XXXX ziehen, oder zu Ihrem Cousin XXXX, im Juli 2014 zu Ihrer Schwester XXXX . Was sagen Sie dazu?

BF: Ja, es gibt schon Verwandte, aber mich hat meine Großmutter erzogen. Ich bin hierher gekommen und habe zufällig erfahren, dass sie hier sind.

R: Die Stellungnahem datiert aber vier Jahre nach dem Sie Ihre Verwandten hier getroffen haben.

BF: Es gibt schon Verwandte, aber sie haben mir weder noch etwas Guten, noch Etwas Schlechtes getan. Das sind weitschichtige Verwandte.

R: Ihre Schwester ist eine weitschichtige Verwandte?

BF: Das ist meine Cousine.

R: Warum geben Sie sie dann der Grundversorgungstelle als Ihre Schwester an?

BF: Sie ist auch ohne Vater aufgewachsen, wir sind gemeinsam aufgewachsen. Sie hat auf mich aufgepasst, sie ist älter.

R: Wie gestaltet sich der Kontakt diesen Verwandten?

BF: Es gibt keinen Kontakt, es ist Zufall, dass ich sie hier getroffen habe.

R: XXXX ist seit 2011 in Österreich. Er lebt in XXXX und hält sich auf Grund einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus in Österreich auf. Sein Asylantrag wurde abgewiesen. Er brachte keine auf Sie bezogenen Fluchtgründe vor. XXXX ist seit 2004 in Österreich. Er lebt in XXXX . Seinem Asylantrag wurde 2005 stattgegeben. XXXX war 2013 in Österreich, reiste nach XXXX weiter und hielt sich danach 2014-2015 in Österreich auf. Ihre Asylanträge wurden ab- und zurückgewiesen. Auch sie machte keine Verfolgung geltend, die mit Ihnen im Zusammenhang stand, sondern nur von ihrem Gatten abgeleiteter Verfolgung. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Ich habe nicht mit ihr zusammengelebt. Ich weiß nichts, über ihre Gründe. Ich habe eigene Probleme.

R: Laut der Einvernahme am 29.07.2015 haben Sie folgende Verwandte in der Russischen Föderation:

-

XXXX , Halbbruder, heute 21 Jahre alt, besuchte eine höhere technische Schule in XXXX

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XXXX , Schwester, heute 18 Jahre alt, besuchte eine höhere Schule

-

XXXX , Schwester, heute 13 Jahre alt, besuchte die Grundschule

Diese leben in XXXX im Heim XXXX , da Ihre Stiefmutter in der Gemeinde arbeitet und die Gemeinde der Familie eine Wohnung zur Verfügung stellt. Dies entspricht mit dem Zusatz, dass dort auch Ihr Vater lebt, auch den Aussagen von XXXX .

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Die Söhne XXXX und XXXX ihres 2003 getöteten Onkels XXXX , heute zwischen 21 und 23 Jahren alt, die mit Ihrer Mutter XXXX in XXXX leben, wo sie in einem Café arbeitet.

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Die Tanten XXXX und XXXX ; beide leben in XXXX , letztere ist Pensionistin, ihr Sohn starb in XXXX an einem Kunstfehler.

Stimmen diese Angaben?

BF: Ja, das stimmt.

R: Wie halten Sie Kontakt zu Ihren Verwandten in der Russischen Föderation?

BF: Ich habe keinen Kontakt. Als ich in Tschetschenien war, hatte ich mit niemanden Kontakt gehabt. Sie lebten in XXXX und ich in XXXX

.

R: Haben Sie in der russischen Föderation Freunde?

BF: Nein.

R: Laut Ihren Angaben in der Erstbefragung am 21.01.2013 leben Ihre Eltern XXXX und XXXX , damals 48 und 46 Jahre alt, in Tschetschenien. Laut der Einvernahme am 16.12.2015 ist Ihr Vater 1997 verstorben und in XXXX begraben! Laut der Aussage von XXXX am 28.07.2015 ist nicht Ihr Vater, sondern Ihre Mutter gestorben - und Sie sind bei Vater und Großmutter aufgewachsen. Das sind drei verschiedene Varianten. Was sagen Sie dazu?

BF: ich habe nicht gesagt, dass mein Vater gestorben ist, aber als ich ein Jahr alt war, haben sich meine Eltern von mir losgesagt. Ich bin dann bei meiner Großmutter aufgewachsen.

R: Leben Ihre Eltern jetzt? Ja oder Nein?

BF: Ja, aber ich habe keinen Kontakt zu ihnen und meine Geschwister sind nicht meine leiblichen Geschwister.

R: Wer ist dann in XXXX begraben?

BF: Das habe ich nie gesagt.

R: Das steht im Protokoll der BehV.

BF: Vielleicht war das der Vater der Schwester. Das war die Schwester, die da war, von der Sie heute gesprochen haben.

R: Also die Cousine?

BF: Ja, die Tochter der Tante.

R: Was ist mit dem Freund in XXXX , XXXX , bei dem Sie sich vor der Ausreise aufhielten? Wie heißt der? Wie ist der Kontakt?

BF: Er heißt XXXX , er hat mir immer geholfen. Mit dem Auto und so. Jetzt habe ich keinen Kontakt mehr, das war vor der Ausreise.

R: Was ist mit dem Freund in XXXX , bei dem Sie sich auch aufhielten? Wie heißt der? Wie ist der Kontakt?

BF: Er wurde umgebracht.

R: Wann?

BF: XXXX , ich weiß es nicht genau.

R: Was ist mit dem Freund, von dem Sie das Taxi gemietet haben? Wie heißt der? Wie ist der Kontakt?

BF: Er heißt XXXX , wir sind in der Kindheit gemeinsam aufgewachsen. Er hat mir immer geholfen.

R: Ist das derselbe XXXX , wie vorhin oder eine anderer?

BF: Der gleiche.

R: Haben Sie in Österreich enge Freunde? Wenn ja, wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihnen?

BF: Nein, ich habe hier keine Freunde. Ich habe XXXX und die Kinder.

R: Welche Sprachen sprechen Sie?

BF: Tschetschenisch und Russisch und "ein bisschen Niemiecki" (=Deutsch).

R: In welcher Sprache unterhalten Sie sich mit XXXX und dem Kind?

BF: Russisch.

R: Besuchen Sie in Österreich Deutschkurse oder Berufsqualifizierungsmaßnahmen?

BF: ich habe einen Alphabetisierung-Kurs abgeschlossen, zweimal schon.

R: Besucht oder auch abgeschlossen?

BF: Abgeschlossen.

R: Sonstige Bildungsmaßnahmen? Sie sind bereits über fünf Jahre aufhältig.

BF: Nein.

R: Welche Ausbildung haben Sie in der Russischen Föderation absolviert?

BF: Als ich damals die Schule besucht habe, gab es Krieg. Man musste die Bücher kaufen, man musste dem Lehrer Geld bezahlen. Meine Großmutter hat nur eine Pension bekommen, trotzdem hat sie mir die Möglichkeit gegeben, die Schule abzuschließen. Ich habe neun Klassen besucht.

R: Schildern Sie Ihren Lebenslauf bis zur Ausreise aus der Russischen Föderation ab dem Zeitpunkt, wo Sie XXXX kennengelernt haben! Wo und mit wem zusammen haben Sie wann gelebt und wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF: 2003 musste ich die Arbeit aufnehmen, damit man mich nicht umbringt. Die Verwandten haben bescheid gewusst.

R: Machen Sie konkrete Angaben.

BF (Mit Anleitung): Ich habe bis 2003 in XXXX bei meiner Großmutter gelebt. Ich habe dann Ende 2003 eine Arbeit gefunden, im Sicherheitsdienst des Präsidenten als Bewacher. Ich war Militärangehöriger. Das habe ich bis zum Jahr 2006 gemacht. Nach 2003 habe ich in XXXX gelebt. Dort hat es einen Stützpunkt gegeben, ich habe dort gelebt. Als XXXX und ich uns kennenglernt haben, haben wir dann zusammengelebt. Das war in XXXX , im Bezirk XXXX . Das war keine Wohnung, das war ein kleines Häuschen. 2004 haben wir begonnen dort zu leben, ca. drei Monate. Dann wurde der Stützpunkt verlegt und ich habe dann wieder bei der Großmutter gelebt, in XXXX . Das war bis zum Jahr 2006. Am Stützpunkt habe ich zwar gelebt, aber wenn ich frei hatte bin ich nachhause gefahren. Nach 2006 habe ich dort nicht mehr gelebt. 2006 wurde ich inhaftiert, ich war dann vier Jahre in Haft und wurde 2009 entlassen. Nach dem Gefängnis habe ich an verschiedenen Stellen in XXXX gelebt. Zuerst in XXXX , dann wieder im Bezirk XXXX bis zur Ausreise. Ich habe in keiner Eigentumswohnung gelebt, es war ein kleines Häuschen und gehörte der Ex-Schwiegermutter. Nach dem Gefängnis habe ich als Taxifahrer gearbeitet. Nach dem Gefängnisaufenthalt, habe ich nicht mehr mit ihr zusammengelebt. Damit meine ich, dass ich nach der Haftentlassung nicht wusste, wo sie lebt. In XXXX haben wir wieder zusammengelebt, ich weiß nicht mehr genau, ab wann, ca. vier oder fünf Monate vor der Ausreise haben wir wieder zusammengelebt. Als ich inhaftiert wurde, hat sie bei meiner Großmutter gelebt, aber als sie gestorben ist, hat sie im Bezirk XXXX gelebt, wo genau, weiß ich nicht.

R: Laut der Erstbefragung am 23.01.2013 waren Sie zuletzt Bauhilfsarbeiter, laut der psychiatrischen Begutachtung halfen Sie nach Ihrer Schulbildung Ihrer Großmutter und fingen danach als Bauhilfsarbeiter an. Gleichzeitig geben Sie aber an, dass Sie in einem Antiterrorzentrum tätig waren. Laut der Einvernahme am 29.07.2013 waren Sie zuletzt Taxifahrer. XXXX gab am 14.11.2013 an, dass Sie beim Militär gearbeitet haben und nach der Haft als Taxifahrer. Sie selbst gaben an, nie beim Militär gewesen zu sein. Können Sie das erklären?

BF: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich gesagt habe, dass ich nicht beim Militär war. Ich habe Fotos, die das beweisen können.

BF legt vor eine Reihe von Fotos von Männern in militärischer Bekleidung, teilweise unscharf.

R: Warum legen Sie die Fotos erst jetzt vor?

BF: Meine Aussagen entsprechen immer der Wahrheit, ich lüge nicht.

R wiederholt die Frage.

BF: Damals hatte ich die Fotos nicht, ich weiß es nicht.

R: Wie haben Sie die Fotos bekommen und wann?

BF: Ich weiß es nicht, ich habe sie schon lange.

R: Ordnen Sie den Zeitraum grob ein.

BF: Ich hatte ein Telefon, als ich nach Österreich kam und in dem hatte ich die Fotos gespeichert.

R: Dann sehe ich nicht, warum Sie gehindert gewesen sein sollten, diese Fotos dem BFA vorzulegen.

BF: Ich erinnere mich jetzt, dass ich diese Fotos am Handy vorgezeigt habe.

BehV: Ich kann mich an diese Fotos nicht erinnern.

R: Haben Sie Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder sonstige Verbrechen in Unif

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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