TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/13 W118 2223606-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.01.2020
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Entscheidungsdatum

13.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W118 2223606-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. ECKHARDT über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gesetzlich vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.08.2019, Zl. 1231643501-190536192, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Eltern und fünf Brüder der nunmehrigen Beschwerdeführerin reisten gemeinsam in die Republik Österreich ein und stellten am 22.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Vater der Beschwerdeführerin begründete seine Antragstellung mit einem innerfamiliären Grundstücksstreit und einer daraus resultierenden Ermordung seines Vaters. Auch ihm sei "immer öfters massiv" gedroht worden und habe er sich daher veranlasst gesehen, Afghanistan mit seiner Familie zu verlassen.

Die Mutter der Beschwerdeführerin stützte ihr Fluchtvorbringen ebenfalls auf den genannten innerfamiliären Grundstücksstreit und gab an, dass das Leben ihrer Familie in Gefahr gewesen sei.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der Eltern sowie der drei minderjährigen Brüder der Beschwerdeführerin jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigter in Bezug auf Afghanistan abgewiesen und Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden nicht erteilt. Gegen die genannten Familienangehörigen der Beschwerdeführerin wurde jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung beträgt.

Mit Bescheiden vom 22.03.2018 bzw. 24.03.2018 wurden auch die Anträge auf internationalen Schutz der bereits volljährigen Brüder der Beschwerdeführerin zur Gänze abgewiesen und wurde jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen.

3. Gegen den Bescheid vom 20.03.2018 wurde mit einem gemeinsamen Schriftsatz das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht und unter anderem Folgendes ausgeführt: "Sowohl die Ehefrau, als auch die fünf gemeinsamen Söhne beziehen ihren Fluchtgrund auf die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers."

4. Im Rahmen der am 07.02.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte die Mutter der Beschwerdeführerin (erstmals) vor, dass der Cousin ihres Mannes sie vergewaltigt und sie in der Folge versucht habe, sich umzubringen. Auch sei sie von der Familie ihres Mannes extrem schlecht behandelt worden.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.03.2019, Zlen. W264 2193510-1/7E, W264 2193499-1/8E, W264 2193505-1/6E, W264 2193516-1/6E und W264 2193515-1/6E, wurde die oben angeführte Beschwerde der Eltern und der drei minderjährigen Brüder der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Hiegegen wurde beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde eingebracht.

6. Mit Datum vom 27.05.2019 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Geburt der Beschwerdeführerin angezeigt.

Mit Schreiben vom selben Tag bestätigte das Bundesamt, dass damit hinsichtlich der in Österreich nachgeborenen Beschwerdeführerin gemäß § 17a AsylG 2005 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden sei.

7. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.07.2019, GZ W264 2193507-1/15E, und vom 13.11.2019, GZ W265 2193503-1/7E, wurden auch die Beschwerden der volljährigen Brüder der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Auch gegen diese Entscheidungen wurde Revision bzw. Beschwerde eingebracht.

8. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 16.07.2019, Zl. E 1545-1549/2019-11, wurde dem Antrag, der Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.03.2019 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 85 Abs. 2 und 4 VfGG Folge gegeben.

9. Am 20.08.2019 wurde die gesetzliche Vertreterin der Beschwerdeführerin insbesondere zu den Fluchtgründen, dem Gesundheitszustand und der Lebenssituation der Beschwerdeführerin in Österreich befragt. Die Mutter der Beschwerdeführerin gab nach erfolgter Manuduktion an, dass sie für ihre Tochter einen "Antrag auf ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG stelle". Ihr Kind werde in Afghanistan nicht verfolgt und habe keine eigenen Fluchtgründe.

10. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag der minderjährigen Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die gesetzliche Vertretung für die Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe angegeben habe und die Anträge auf internationalen Schutz der Familienangehörigen abgewiesen worden seien. Auch eine Schutzgewährung im Familienverfahren komme daher nicht in Betracht. Die Eltern der Beschwerdeführerin würden aus Kabul stammen und sei davon auszugehen, dass diese dort den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin bestreiten könnten und sie nicht in eine ausweglose Lage geraten würde. Betreffend die Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass kein Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin vorliegen würde, da sie erst seit kurzer Zeit Angehörige des Familienverbandes sei und die Angehörigen sich ebenfalls im laufenden Asylverfahren befinden würden und damit unsicheren Aufenthalts im Bundesgebiet seien.

11. Hiegegen wurde innerhalb offener Frist Rechtsmittel erhoben. In der Begründung wurde insbesondere auf die vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgebrachten Fluchtgründe der Mutter der Beschwerdeführerin hingewiesen, die in Afghanistan Opfer sexueller Gewalt geworden sei. Weiters wurde festgehalten, dass das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin festgestellt habe, dass eine Rückkehr nach Kabul nicht zumutbar sei und der Entscheidung eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat zugrunde gelegt habe.

12. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 20.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

13. Mit Beschluss vom 23.09.2019, Zl. E 1545-1549/2019-16, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerden der Eltern und der minderjährigen Geschwister der Beschwerdeführerin ab. In der Begründung wurde insbesondere ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit der Frage der Gefährdung der beschwerdeführenden Partei in ihren Rechten auseinandergesetzt und könne unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiege.

Über nachträglichen Antrag wurde die Beschwerde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 05.11.2019 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt, in die Gerichtsakten der Beschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen sowie insbesondere in folgende

Länderberichte: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29.06.2018, aktualisiert mit 04.06.2019; EASO,

Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.08.2018 (deutsche Übersetzung) und ACCORD,

Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018, 07.12.2018.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren. Sie ist die Tochter von XXXX , die ihr Herkunftsland Afghanistan verlassen haben und im Jahr 2015 zusammen mit fünf Brüdern der Beschwerdeführerin in Österreich eingereist sind, wo sie am 22.10.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht haben. Die minderjährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Afghanistan und der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig. Ihre Eltern bekennen sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Mit Datum vom 27.05.2019 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Geburt der Beschwerdeführerin angezeigt.

Sie leidet unter keinen wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und lebt als Säugling in entsprechendem Abhängigkeitsverhältnis mit ihren Eltern und ihren minderjährigen Geschwistern im gemeinsamen Haushalt. Über die Bindung zu ihren Eltern und Brüdern hinaus verfügt sie in Österreich über keine nahen Familienangehörigen oder sonstige enge Bindungen. Die beschwerdeführende Partei bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Ihre Familienangehörigen sind nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und hatten - ebenso wie die Beschwerdeführerin selbst - nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich.

Die Mutter und Schwestern des Vaters der Beschwerdeführerin leben in Pakistan; die Eltern, Geschwister, Onkel und Tanten der Mutter der Beschwerdeführerin leben in Kabul. Die Mutter der Beschwerdeführerin hatte zumindest während ihres Aufenthaltes im Iran (vor der Einreise in Österreich) noch Kontakt zu einem ihrer Brüder in Kabul.

1.2. Zu den Verfahren der Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerden der Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin gegen die sie betreffenden Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2018, 22.03.2018 bzw. 24.03.2018 wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.03.2019, 05.07.2019 bzw. 13.11.2019 als unbegründet abgewiesen. Gegenüber allen in Österreich aufhältigen Angehörigen der Beschwerdeführerin sind damit rechtskräftige Rückkehrentscheidungen erlassen.

Das Bundesverwaltungsgericht verneinte in der Begründung seiner Entscheidung vom 20.03.2018 betreffend die Eltern und minderjährigen Brüder der Beschwerdeführerin das Bestehen einer Verfolgungsgefahr und ging bei den aus Kabul stammenden Beschwerdeführern unter Zugrundelegung der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 nicht von einer Rückkehr nach Kabul, sondern von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat aus. Weiters wurde in der Entscheidung davon ausgegangen, dass es dem Vater der Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr nach Afghanistan durchaus möglich und zumutbar ist, mit seiner bisherigen Berufserfahrung ein für den Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften und/oder mit Hilfe eines sozialen Netzwerks seiner Familie in Afghanistan, mit Hilfe des Netzwerkes aus Volksgruppenangehörigen oder mit Hilfe der Programme für Rückkehrer vor Ort eine Arbeitsstelle zu finden bzw. - der Vater der Beschwerdeführerin verfügt laut seiner Angabe über 22-jährige Erfahrung als Geschäftsmann - ein drittes Mal ein Geschäft zu eröffnen. Im Hinblick auf die Schulbildung des Vaters der Beschwerdeführerin in Zusammenschau mit seiner Arbeitserfahrung als Geschäftsmann über einen Zeitraum von 22 Jahren wurde ferner davon ausgegangen, dass es ihm möglich sein wird, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie allenfalls mit Hilfstätigkeiten zu bestreiten und so das Fortkommen zu sichern. Für den Fall einer Rückkehr der Familie der Beschwerdeführerin nach Afghanistan wurde auch das reale Risiko einer Verletzung ihrer Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK oder der Zusatzprotokolle Nr. 6 und Nr. 13 verneint.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom vom 23.09.2019, Zl. E 1545-1549/2019-16, wurde die Behandlung der Beschwerden der Eltern und der minderjährigen Geschwister der Beschwerdeführerin abgelehnt, da sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage der Gefährdung der beschwerdeführenden Partei in ihren Rechten auseinandergesetzt habe und unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden könne, wenn es aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiege.

1.3. Zum Fluchtvorbringen und zur Rückkehrsituation:

Für die Beschwerdeführerin wurden im Verfahren keine eigenen individuellen Fluchtgründe oder Gefährdungsbefürchtungen im Falle einer Rückkehr vorgebracht. Als ihre gesetzliche Vertreterin erklärte die Mutter der Beschwerdeführerin bei der Einvernahme am 20.08.2019, dass es sich beim Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin um einen "Antrag auf ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG" handle und der Antrag sich auf das Asylverfahren der Mutter beziehen soll.

Der Beschwerdeführerin droht aufgrund ihrer Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit weder Gewalt noch Diskriminierung von erheblicher Intensität. Weiters haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland bzw. der Aufenthalt in Österreich zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

Die Beschwerdeführerin hat bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine sonstige konkret gegen ihre Person gerichtete Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen zu erwarten.

Bei einer Rückkehr im Rahmen ihres Familienverbandes in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif würde die Beschwerdeführerin von ihren Eltern versorgt werden und ihre Existenz wäre gesichert. Allenfalls könnten die Eltern der Beschwerdeführerin auch den Kontakt zu ihren Verwandten in Afghanistan und Pakistan wiederherstellen und zusätzliche Unterstützung bei der Existenzgründung erlangen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit drohen.

1.4. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

In Afghanistan leben laut Schätzungen aus dem Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 % Pashtunen, rund 30 % Tadschiken, ca. 10 % Hazara, 9 % Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie machen etwa 30 % der afghanischen Gesellschaft aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten:

In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25 % in der Afghan National Army und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Die Situation der Kinder in Afghanistan hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult - etwa 40 % davon sind Mädchen. Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Den geringsten Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika) (AA 5.2018). Landesweit gehen in den meisten Regionen Mädchen und Buben in der Volksschule in gemischten Klassen zur Schule; erst in der Mittel- und Oberstufe werden sie getrennt. Der Schulbesuch ist in Afghanistan bis zur Unterstufe der Sekundarbildung Pflicht (die Grundschule dauert sechs Jahre und die Unterstufe der Sekundarbildung drei Jahre). Das Gesetz sieht kostenlose Schulbildung bis zum Hochschulniveau vor. Aufgrund von Unsicherheit, konservativen Einstellungen und Armut haben dennoch Millionen schulpflichtiger Kinder keinen Zugang zu Bildung - insbesondere in den südlichen und südwestlichen Provinzen. Manchmal fehlen auch Schulen in der Nähe des Wohnortes. Auch sind in von den Taliban kontrollierten Gegenden gewalttätige Übergriffe auf Schulkinder, insbesondere Mädchen, ein weiterer Hinderungsgrund beim Schulbesuch. Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können. Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Das Curriculum für angehende Lehrer beinhaltet immerhin Handreichungen zur Vermeidung eines gewaltsamen Umgangs mit Schülern. Einer Befragung in drei Städten zufolge (Jalalabad, Kabul und Torkham), berichteten Kinder von physischer Gewalt - auch der Großteil der befragten Eltern gab an, physische Gewalt als Disziplinierungsmethode anzuwenden. Eltern mit höherem Bildungsabschluss und qualifizierterem Beruf wendeten weniger Gewalt an, um ihre Kinder zu disziplinieren.

Die afghanische Hauptstadt Kabul hat etwa 4,6 Millionen Einwohner und ist über den Flughafen gut zu erreichen. Die Lage in Kabul ist noch als hinreichend sicher und stabil zu bezeichnen, wenngleich es immer wieder zu Anschlägen mit zahlreichen Opfern kommt. Diese Anschläge ereignen sich allerdings oft im Nahbereich von staatlichen bzw. ausländischen Einrichtungen oder NGOs. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 wurden von UNAMA 993 zivile Opfer (321 Tote und 672 Verletzte) in der Provinz Kabul dokumentiert.

Die nordafghanische Provinz Balkh ist von hoher strategischer Bedeutung und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e Khumri und ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut, es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen.

Herat ist eine wirtschaftlich relativ gut entwickelte Provinz im Westen des Landes und ist über einen internationalen Flughafen in der Provinzhauptstadt gut erreichbar. Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren in abgelegenen Distrikten aufgrund von Aktivitäten der Taliban verschlechtert, insbesondere in der Stadt Herat ist die Lage aber vergleichsweise friedlich.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft - wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung - auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.

Nahrungsmittel, grundlegende Gesundheitsversorgung und Zugang zu Trinkwasser sind in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif grundsätzlich verfügbar. Die humanitäre Situation in Afghanistan hat sich durch eine schwere Dürre - insbesondere die Regionen im Norden und Westen des Landes - weiter verschärft, die Preise für Weizen und Brot blieben dennoch vergleichsweise stabil. Zudem werden von der Dürre betroffene Menschen von nationaler und internationaler Seite insbesondere mit Nahrungsmitteln und Bargeld sowie auch hinsichtlich der Versorgung mit sauberem Trinkwasser unterstützt. Durch eine verstärkte Landflucht wurde zusätzlich auch die Wohnraumbeschaffung und Arbeitssuche erschwert. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Daneben gibt es eine Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan im Rahmen des Programms "Assisted Voluntary Return and Reintegration". IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten und bei der Ankunft in Kabul sowie Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerbern Unterstützung nach der Ankunft im Land - auch hinsichtlich einer ersten Unterkunftnahme. In den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind Unterkünfte grundsätzlich verfügbar, aufgrund der hohen Mietkosten für (reguläre) Wohnungen und Häuser - insbesondere in der Stadt Kabul - lebt ein großer Teil der Bevölkerung aber in informellen Siedlungen bzw. gibt es auch die Möglichkeit, nur ein Zimmer zu mieten oder in Teehäusern (chai khana) zu übernachten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zur Geburt, Abstammung, Staatsangehörigkeit und ethnischen Zugehörigkeit sowie zum Gesundheitszustand und Familien- bzw. Privatleben der minderjährigen Beschwerdeführerin beruhen auf den diesbezüglich plausiblen Angaben ihrer gesetzlichen Vertreterin, den Angaben der Eltern der Beschwerdeführerin in ihren Asylverfahren, der vorgelegten Geburtsurkunde und einer Abfrage des Zentralen Melderegisters. Die Feststellungen zu Einreise und Aufenthalt der Familienangehörigen der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Inhalt der jeweiligen Verwaltungsakten. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung geht aus einem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem (GVS) hervor.

Auch die Feststellungen zu den Verwandten der Beschwerdeführerin in Afghanistan und Pakistan beruhen auf den Angaben der Eltern der Beschwerdeführerin, soweit diese dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.03.2019 zugrunde gelegt wurden.

2.2. Zu den Verfahren der Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zu den Verfahren der Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht beruhen auf dem Inhalt der jeweiligen Verwaltungs- bzw. Gerichtsakten. Die Asylanträge ihrer Verwandten wurden zur Gänze abgewiesen und rechtskräftige Rückkehrentscheidungen wurden erlassen.

2.3. Zum Fluchtvorbringen und zur Rückkehrsituation:

Die gesetzliche Vertreterin der Beschwerdeführerin wollte für diese lediglich einen Antrag gemäß § 34 AsylG 2005 auf Gewährung desselben Schutzumfanges wie ihre Familienangehörigen stellen. Eigene Fluchtgründe wurden vor dem Bundesamt nicht vorgebracht, vielmehr wurde ausdrücklich angegeben: "Mein Kind hat keine eigenen Fluchtgründe, ich bin mit meinem Gatten und meinen Kindern aus Afghanistan weg weil wir ein sicheres Leben führen möchten." Auch in der Beschwerde wurde im Wesentlichen lediglich auf Fluchtgründe der Mutter der Beschwerdeführerin Bezug genommen, ohne eine konkrete Gefährdung der Beschwerdeführerin selbst darzulegen.

Über die Fluchtgründe der Mutter und der in Österreich aufhältigen Geschwister der Beschwerdeführerin wurde mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.03.2019, 05.07.2019 und 13.11.2019 rechtskräftig abgesprochen. Mangels einer individuellen, nicht von Fluchtgründen der Verwandten abgeleiteten Bedrohung sind daher keine konkreten Hinweise auf eine Bedrohung der Beschwerdeführerin hervorgekommen - jedenfalls sofern diese im Rahmen ihres Familienverbandes nach Afghanistan "zurückkehrt" und sich mit ihrer Familie in einer afghanischen Großstadt wie etwa Herat oder Mazar-e Sharif niederlässt.

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ihrer Asylantragstellung sowie aufgrund ihres Aufenthaltes in Österreich beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde auch kein Vorbringen zu konkret drohenden Diskriminierungen oder Übergriffen erstattet. Konkrete Anhaltpunkte für eine individuelle Bedrohung der Beschwerdeführerin sind auch sonst nicht hervorgekommen.

Die Situation der Beschwerdeführerin im Falle einer "Rückkehr" nach Afghanistan im Familienverband und einer Neuansiedlung in Städten Herat oder Mazar-e Sharif ergibt sich insbesondere aus dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.03.2019 und dem Inhalt der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Gerichtsakten sowie den aktuellen Länderfeststellungen.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem vom Bundesamt dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet - sowie ergänzend dem von der beschwerdeführenden Partei mit der Beschwerde ins Verfahren eingebrachten EASO-Bericht "Country Guidance: Afghanistan" vom Juni 2018 (vgl. auch den Folgebericht aus dem Juni 2019).

Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der Entscheidung der belangten Behörde mit Bescheid vom 20.08.2019 - bzw. auch seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend die Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin vom 15.03.2019 - und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, den EASO-Bericht "Country Guidance: Afghanistan" vom Juni 2019, den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 02.09.2019 und das ecoi.net-Themendossier "Überblick über die Sicherheitslage in Afghanistan" vom 02.10.2019) versichert hat.

Die beschwerdeführende Partei ist den Länderfeststellungen des Bundesamtes - vor dem Hintergrund einer hier gegenständlichen Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Herat oder Mazar-e Sharif im Rahmen ihres Familienverbandes - nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten und hat im Wesentlichen aus den auch hier vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegten Länderberichten zitiert.

Hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif stützen sich die getroffenen Feststellungen neben dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation insbesondere auf die EASO-Leitlinien vom Juni 2018 (vgl. auch in diesem Zusammenhang den Folgebericht vom Juni 2019), denen etwa bezüglich der Stadt Herat Folgendes zu entnehmen ist (hinsichtlich der im Wesentlichen gleichlautenden Ausführungen betreffend die Provinz Balkh - einschließlich der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif): "For Herat city, it can be concluded that indiscriminate violence is taking place at such a low level, that in general there is no real risk for a civilian to be personally affected by reason of indiscriminate violence."

Sowohl für die Stadt Herat als auch für Mazar-e Sharif geht EASO hinsichtlich "single able-bodied adult men" von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus.

Die Beurteilung des EASO ist mit dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in Einklang zu bringen und auch UNHCR hat in den Richtlinien vom 30.08.2018 den EASO-Bericht vom Juni 2018 herangezogen; soweit UNHCR darauf hingewiesen hat, dass EASO zu der Einschätzung gekommen sei, dass "in der Provinz Kabul, einschließlich der Hauptstadt, willkürliche Gewalt herrscht", ist festzuhalten, dass EASO in unmittelbarem Zusammenhang mit der von UNHCR zitierten Aussage zur Sicherheitslage in Kabul näher ausführt, dass eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie bestehen kann, wenn der Antragsteller aufgrund seiner persönlichen Umstände konkret betroffen ist. Hinsichtlich der Würdigung der EASO-Leitlinien ist weiters festzuhalten, dass in Art. 8 Abs. 2 der Statusrichtlinie hinsichtlich der für die Prüfung der Situation im Herkunftsstaat des Antragstellers einzuholenden Informationen aus relevanten Quellen gleichermaßen auf Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) wie auch des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) verwiesen wird. Den Berichten mit Herkunftsländerinformationen (Country of Origin Information - COI) des EASO, die nach den Grundsätzen der Neutralität und Objektivität erstellt werden und darüber hinaus qualitätssichernden Verfahren unterliegen (vgl. EASO, Methodik für das Erstellen von COI-Berichten des EASO, Juli 2012, S. 6; vgl. auch

Artikel 4 lit. a und b der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 vom 19.05.2010), wird daher seitens des erkennenden Gerichts ein ebenso hoher Beweiswert wie den Richtlinien des UNHCR beigemessen, zumal auch das Unionsrecht der vom EASO herausgegebenen "Country Guidance" - vergleichbar Informationen des UNHCR - eine besondere Bedeutung zumisst (VwGH 28.08.2019, Ra 2018/14/0308). Im Übrigen ist festzuhalten, dass es sich bei der Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative um eine rechtliche Beurteilung handelt und auch in den UNHCR-Richtlinien nicht davon ausgegangen wird, dass eine interne Schutzalternative in Kabul keinesfalls bestehe, sondern dass diese "grundsätzlich" nicht verfügbar sei (vgl. hiezu auch VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Im Hinblick auf die auch der Beschwerde relevierten Auswirkungen der insbesondere im Jahr 2018 auch die Provinzen Herat und Balkh betreffenden Dürre auf die dortige Versorgungslage (vgl. auch UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018) ist den vorliegenden Länderberichten nicht zu entnehmen, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in den Provinzhauptstädten Mazar-e Sharif und Herat nicht als zumindest grundlegend gesichert anzusehen wäre, zumal die von der Dürre betroffenen Menschen von nationaler und internationaler Seite insbesondere mit Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser unterstützt werden bzw. die Nahrungsmittelpreise - insbesondere die Preise für Getreide und Brot - relativ stabil geblieben sind (vgl. auch ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan "Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif" vom 12.10.2018 sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 VwGVG).

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A)

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).

3.2.2. Für die Beschwerdeführerin wurde im vorliegenden Fall mit Datum vom 27.05.2019 eine Geburtsurkunde übermittelt. Da es sich bei der Beschwerdeführerin um ein drittstaatszugehöriges, in Österreich nachgeborenes Kind einer Fremden handelt, die sich nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und deren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet ist (§ 46a FPG), gilt gemäß § 17a AsylG 2005 mit Einlangen der Anzeige über die Geburt beim Bundesamt der Antrag auf internationalen Schutz für das Kind als gestellt und eingebracht, zumal der Beschwerdeführerin auch kein sonstiges Aufenthaltsrecht zukommt.

Im Rahmen der Einvernahme am 20.08.2019 wurde im Wesentlichen lediglich ein "Antrag auf ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG" gestellt (vgl. hiezu unten Pkt. II.3.4.), Fluchtgründe, die die Beschwerdeführerin selbst betreffen wurden nicht substantiiert vorgebracht. Soweit eine Gefährdung der minderjährigen Beschwerdeführerin aufgrund der von ihrer Mutter vorgebrachten Fluchtgründe behauptet wurde, ist festzuhalten, dass über deren Antrag auf internationalen Schutz - ebenso wie über die Anträge auf internationalen Schutz ihres Vaters und ihrer fünf Brüder - bereits rechtskräftig abgesprochen wurde und im Übrigen keine konkreten Anhaltspunkte für eine Bedrohung der nur wenige Monate alten Beschwerdeführerin hervorgekommen sind. Auch in der Rechtsmittelschrift wird im Rahmen des Beschwerdepunktes "Zur Verneinung jeglicher Asylrelevanz" im Ergebnis nur versucht, eine neuerliche Überprüfung des Antrages der Mutter der Beschwerdeführerin zu erreichen. Eine der minderjährigen Beschwerdeführerin selbst drohende Verfolgung wird nicht substantiiert behauptet.

Da sich sohin weder aus dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine Verfolgung der Beschwerdeführerin ergeben haben, ist kein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar.

Darüber hinaus ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 auch dann abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (vgl. die unten stehen Ausführungen zu § 8 Abs. 3 AsylG 2005).

3.2.3. Der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde daher zu Recht abgewiesen.

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

3.3.1 Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention beinhalten die Abschaffung der Todesstrafe.

§ 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, verwies auf § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (im Folgenden: FrG) wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übertragen werden kann - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber (Beschwerdeführer) betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliegt. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 30.06.2005, 2002/20/0205, mwN). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).

Unter Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Asylwerber das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 17.07.2008, 2007/21/0366). Diese Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).

Es bedarf im Rahmen einer Einzelfallprüfung einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz - bezogen auf den Einzelfall - nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036; 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, jeweils mit mwN).

Nach einer Amtsrevision hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, darauf hingewiesen, dass weder in den UNHCR-Richtlinien vom April 2016 noch in den dazu ergangenen Anmerkungen vom Dezember 2016 die Rede von einem "gesicherten" Zugang zu den genannten Kriterien ist und völlig offen bleibt, worin ein solcher besteht oder von wem ein solcher erteilt werden könnte. Weiters mag es zutreffen, dass alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt sowie finanzieller Unterstützung in Kabul (anfangs) mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert seien. Jedoch entsprechen die konkret auf die Person des Mitbeteiligten (im entsprechenden VwGH-Verfahren) bezogenen Feststellungen den von UNHCR geforderten "bestimmten Umständen", nach denen es alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität möglich sei, auch ohne Unterstützung durch die Familie in urbaner Umgebung zu leben.

Gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, widerspricht es der Statusrichtlinie, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Art. 3 EMRK gestützt sind. Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, ist (im Sinne der bisherigen Non-refoulement-Prüfung) ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht. Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der dargelegten Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Art. 3 Statusrichtlinie entgegen der Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt.

Mit Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006, hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Damit würde der Statusrichtlinie zu Unrecht eine ihr im gegebenen Zusammenhang nicht zukommende unmittelbare Wirkung zugeschrieben. Der Verwaltungsgerichtshof halte daher an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann.

3.3.2. Im Fall der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den Feststellungen zu ihrer persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses bei der Rückverbringung in ihren Herkunftsstaat Afghanistan. Nach den Ergebnissen des Verfahrens ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat weder Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Asylgründe droht noch, dass sie im Falle ihrer Rückkehr einer realen Gefahr im Sinne von Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre, die eine Zuerkennung subsidiären Schutzes notwendig machen würde. Denn auch unabhängig vom individuellen Vorbringen der Beschwerdeführerin sind keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die ihr im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 AsylG 2005 darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid gg. das Vereinigte Königreich und Henao gg. die Niederlande, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 133699/03).

Auch ist die allgemeine Situation in Afghanistan nicht dergestalt, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers eine ernsthafte Bedrohung für die durch Artikel 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; EGMR Husseini gg. Schweden vom 13.10.2011, Beschwerdenummer 10611/09, Ziffer 84, sowie das Erkenntnis des EGMR, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Artikel 3 EMRK verstoße würde: EGMR A.G.R. gg. die Niederlande, 12.01.2016, 13.442/08 - dazu Bezug habend VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134; sowie jüngst - seine bisherige Rechtsprechung fortsetzend - EGMR 11.7.2017, E.P. und A.R. gg. Niederlande, Nr. 43538/11 und 63104/11; EGMR 05.11.2019, A.A. gg. die Schweiz, Nr. 32218/17; so etwa auch in inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 11. Senat, 11.04.2018, A 11 S 1729/17).

Da die Eltern und Geschwister der minderjährigen Beschwerdeführerin mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.03.2019, 05.07.2019 und 13.11.2019 auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder Mazar-e Sharif verwiesen wurden, wird nunmehr - abweichend von der Beurteilung des Bundesamtes, das von einer Rückkehr nach Kabul ausging - auch für die Beschwerdeführerin, deren Rückkehr nur im Familienverband in Betracht kommt, eine Neuansiedlung in Herat oder Mazar-e Sharif geprüft:

Die Zumutbarkeit des Aufenthaltes in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen. Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kan

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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