TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/16 W159 2172870-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.01.2020
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Entscheidungsdatum

16.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W159 2172870-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren XXXX , Staatsangehöriger von Afghanistan gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.09.2017, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gem. §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 und 9, 46 und 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, gelangte am 07.10.2015 irregulär nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 08.10.2015 wurde er einer Erstbefragung durch die XXXX , unterzogen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass er wegen der schlechten Sicherheitslage Afghanistan vor ca. zwei Jahren habe verlassen müssen. Er habe in Afghanistan keine Möglichkeit gehabt zur Schule zu gehen und habe dort als Landwirt und im Iran als Schneider arbeiten müssen, wobei er immer Angst gehabt habe, wieder nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Sonst habe er keine Fluchtgründe.

Nach Zulassung zum Asylverfahren fand am 18.07.2017 eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, statt. Dabei wiederholte der Antragsteller seinen angegenen Namen und das angegebene Geburtsdatum XXXX (das im Übrigen nicht in Widerspruch zu der von der belangten Behörde veranlassten wissenschaftlichen Altersfeststellung steht) und gab an, dass er afghanischer Staatsbürger, Moslem/Sunnit und Angehöriger der tadschikischen Volksgruppe sei. Er habe mit seinen Eltern und Geschwistern im Dorf XXXX , in der Provinz Parwan in Afghanistan gelebt. Er habe eine ältere und eine jüngere Schwester, sowie einen jüngeren Bruder. In Afghanistan sei er lediglich zwei Jahre lang in die Schule gegangen. Im Iran habe er nicht weiter in die Schule gehen können. Im geringen Umfang habe er gelegentlich eine Abendschule besuchen können, aber dort nicht viel gelernt. Im Iran habe er Schneiderei gelernt, aber auch als Automechaniker gearbeitet. Im Iran habe er auch Handy-Reparaturen durchgeführt. In Österreich habe er eine Ausbildung als Tischler begonnen, dann habe er sich entschlossen, eine Ausbildung als Frisör zu beginnen, aber noch keine Antwort erhalten.

In Afghanistan habe er drei Onkel mütterlicherseits, einer lebe in XXXX und zwei in Parwan. Er habe auch mit seinen Verwandten und Familienangehörigen Kontakt, manchmal sogar täglich. Er habe in Österreich Atemprobleme bekommen und habe nur schwer einschlafen können. Nach medikamentöser Behandlung könne er wieder normal leben. Er habe aber nach wie vor Atembeschwerden und nehme dabei gelegentlich einen Spray. Einen Psychotherapie-Termin habe er mangels Dolmetscher nicht wahrgenommen. Drogen nehme er keine.

Die Fluchtgründe habe er bei der Erstbefragung richtig angegeben.

Neuerlich zu seinen Fluchtgründen gefragt, gab er an, dass es in Afghanistan keine Sicherheit gebe. Er sei sechs Jahre vor seinen Eltern alleine in den Iran gereist. Seine Eltern seien dann nachgekommen. Er habe im Iran hart gearbeitet und nebenbei die Abendschule besucht. Da er aber keine Dokumente gehabt habe, habe er keine Zukunft gesehen und beschlossen, nach Europa auszuwandern. Er möchte in Österreich lernen, studieren und arbeiten und sich eine Existenz aufbauen. Er bereite sich auf den Pflichtschulabschluss vor. Er habe bereits im Alter von neun Jahren Afghanistan verlassen, da sein Leben wegen der Taliban in Gefahr gewesen sei und habe er in Afghanistan auch keine Schule besuchen können. Deswegen habe sein Vater entschieden, dass er in den Iran gehen solle. Persönlich angegriffen sei er durch die Taliban nicht worden, aber es habe Krieg und Unsicherheit und Selbstmordattentäter gegeben. Sein Vater sei bei der Explosion eines Selbstmordattentäters von Splittern im Bauch getroffen worden und sei dann in den Iran gegangen, um dort medizinisch behandelt zu werden. Trotz Behandlung könne er nach wie vor nur leichte Arbeiten verrichten. Seine Familie sei ursprünglich finanziell nicht in der Lage gewesen, gemeinsam mit ihm in den Iran zu reisen und sei dann erst nachgekommen. Er habe einige Zeit bei seinem Onkel väterlicherseits gelebt, dann aber einen Job gefunden, wo er auch wohnen habe können. Zuerst habe er bei einem Schneider gearbeitet und dann bei einem Automechaniker. Er sei gemeinsam mit seinem Onkel aus dem Iran ausgereist und bis nach Österreich gelangt. Er habe jetzt aber nur mehr selten zu ihm Kontakt. Es seien ihm sowohl die Gesetze Österreichs, als auch die Gesetze des Korans wichtig. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil es dort Krieg und Gesetzeslosigkeit gebe und er keine Zukunft habe. Der Beschwerdeführer habe eine Tischlerlehre begonnen, aber konnte diese aufgrund psychischer Probleme nicht weiterführen. Dann habe er sich für eine Umschulung zum Frisör angemeldet und für die Nachholung des Pflichtschulabschlusses. Vorgelegt wurde ein Referenzschreiben des XXXX , sowie eine Bestätigung der XXXX dass weitere diagnostische und therapeutische Maßnahmen in Bezug auf eine psychotherapeutische Behandlung derzeit nicht erforderlich seien, sowie ein Entlassungsschein des XXXX , aus der sich als Diagnose akute paradoxe Reaktion auf Benzodiazepine, akute Belastungsreaktion und Verdacht auf grippalen Infekt ergibt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg vom 15.09.2017 Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, sowie unter Spruchteil IV. eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise eingeräumt.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebene Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Afghanistan getroffen. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das BFA davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer sunnitischer Moslem und Angehöriger der tadschikischen Volksgruppe sei, dass er seinerzeit in Parwan gelebt habe, aber nach wie vor Verwandte in Afghanistan habe und dass er aktuell weder in psychotherapeutischer noch in ärztlicher Behandlung sei und bemüht sei, sich in die österreichische Gesellschaft einzugliedern. Zu den Fluchtgründen wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sich immer wieder auf die allgemeine schwierige Sicherheitslage beziehe, jedoch selbst angebe, dass er hauptsächlich wegen schlechter Ausbildungsmöglichkeiten Afghanistan verlassen habe (und in der Folge auch den Iran), aber jedenfalls keiner persönlichen Gefährdung in Afghanistan ausgesetzt gewesen sei.

Rechtlich begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Fluchtgründe, welche taxativ in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgelistet seien, weder vorbringen noch glaubhaft machen habe können. In Spruchteil II. wurde insbesondere darauf verwiesen, dass dem Antragsteller eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen würde und zwar insbesondere in Kabul. Dem Beschwerdeführer drohe keinerlei Gefährdung, zumal er sein gesamtes Fluchtvorbringen auf die allgemeine Situation in Afghanistan beziehe und überdies über ein ausreichendes Familiennetz, Schulausbildung und vielfältiger Berufserfahrungen verfüge. Atem- und Schlafprobleme seien auch in Afghanistan behandelbar und würden insgesamt keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass dem Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohe, sodass ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen sei.

Die Voraussetzungen des § 57 AsylG würden auf den Antragsteller nicht zutreffen, der Antragsteller habe wohl einen Onkel im Bundesgebiet, führe aber mit diesem kein Familienleben. Im Übrigen sei er illegal eingereist und lebe ausschließlich von der öffentlichen Hand, mag er auch unbescholten sein. Die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers sei zu gering, um eine Rückkehrentscheidung für unzulässig zu erklären und ihm einen Aufenthaltstitel zu erteilen. Da im vorliegenden Fall auch keine Bedrohung im Sinne des § 50 FPG vorliege und einer Abschiebung nach Afghanistan auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sei eine solche als zulässig zu bezeichnen und wären auch keine Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragssteller, vertreten durch den XXXX , fristgerecht Beschwerde gegen alle Spruchpunkte. Darin wurde insbesondere vorgebracht, dass die Furcht des Beschwerdeführers vor den Taliban nachvollziehbar sei und er bei einer Rückkehr nach Afghanistan Gefahr laufe, zwangsweise von diesen rekrutiert zu werden. Die Furcht vor einer Rückkehr nach Afghanistan sei daher wohlbegründet, wobei auch auf Länderberichte, z.B. der Schweizerischen Flüchtlingshilfe auszugsweise wiedergegeben wurden.

Die Behörde habe es auch unterlassen, sich mit dem gesamten individuellen Vorbringen des Antragstellers (vor dem Hintergrund der Länderberichte) sich sachgerecht auseinanderzusetzen und diesbezüglich ein adäquates Ermittlungsverfahren durchzuführen, weil sich die bisherige Befragung vor der belangten Behörde als völlig unzureichend herausgestellt habe, sodass eine neuerliche Befragung (im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung) unerlässlich sei.

Die Länderberichte zur Heimatprovinz des Beschwerdeführers verdeutlichten, dass die Sicherheitslage dort alles andere als zufriedenstellend sei. Überdies würde seine Kernfamilie dort nicht mehr leben, sondern sich im Iran aufhalten und könnten daher nicht die erforderliche Unterstützung bieten, wobei diesbezüglich aus den UNHCR Richtlinien vom 19.04.2016 zitiert wurde. Die Behörde habe auch nicht die von UNHCR aufgestellten Kriterien für eine interne Schutzalternative geprüft, sodass dem Beschwerdeführer zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt hätte werden müssen und wurde schließlich auch die Aufhebung der ausgesprochenen Rückkehrentscheidung beantragt.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 29.10.2019 an, zu der sich die belangte Behörde wegen Nichtteilnahme entschuldigen ließ. Der Beschwerdeführer erschien in Begleitung einer Mitarbeiterin des XXXX . Er hielt sein bisheriges Vorgringen aufrecht und wollte nur korrigieren, dass bei der Erstbefragung falsch protokolliert worden sei, dass er zwei Jahre unterwegs gewesen sei, er sei nur einen Monat lang unterwegs gewesen. Er sei afghanischer Staatsbürger und habe auch eine Tazkira bei der Polizei abgegeben. Er sei Tadschike und sunnitischer Moslem und sei XXXX im Dorf XXXX in der Provinz Parwan geboren, das genaue Geburtsdatum wisse er nicht. Bis zum 7. oder 9. Lebensjahr habe er dort gelebt, dann sei er in den Iran gegangen und habe in Teheran gelebt und gearbeitte. Das letzte Mal sei er im Alter von 9 Jahren in Afghanistan gewesen, er sei nach seiner Übersiedlung in den Iran nicht mehr nach Afghanistan zurückgekehrt. In Afghanistan habe er zwei Jahre lang die Volksschule besucht, im Iran habe er keine Schule besuchen können, weil er dort illegal gewesen sei. Er habe aber am Abend mit anderen Flüchtlingen ca. zwei Stunden in einer Art Privatschule gelernt. Im Iran habe er schon als Kind gearbeitet und zwar als Mechaniker und als Näher. In Afghanistan habe er in der Landwirtschaft geholfen, sein Vater habe auch in der Landwirtschaft gearbeitet, aber keine eigenen Grundstücke besessen.

Seine Eltern würden mit seinen Geschwistern nunmehr in Teheran leben. Er habe zwei Schwestern und einen Bruder. Seine Mutter sei leider krank. Er habe seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr mit seinen Familienangehörigen. Seine Mutter leide unter Atemnot und Herzbeschwerden. Er sei weder verheiratet, noch verlobt.

Persönliche Probleme mit staatlichen Behörden in Afghanistan habe er keine gehabt, aber diese hätten auch niemandem geholfen. Er habe persönlich auch keine Probleme mit den Taliban gehabt, aber sie wären in ihr Dorf gekommen und hätten junge Männer mitgenommen und ihnen Schwierigkeiten bereitet. Es sei auch zu militärischen Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung gekommen. Es habe wohl keine Anschläge gegeben, aber einzelne Schießereien. Persönliche Probleme mit Privatpersonen habe er auch nicht gehabt, aber es sei immer wieder zu Diebstählen, Kindesentführungen und anderen Verbrechen gekommen. Aufgrund des Krieges und der unsicheren Lage in Afghanistan habe er sein Herkunftsland verlassen. Gefragt, warum er schon im Kindesalter alleine Afghanistan verlassen habe, gab er an, dass es zu viele Probleme gegeben habe und jeder eine Hoffnung habe. Er sei tatsächlich als Kind alleine von Parwan in den Iran gereist, habe aber dann zunächst bei seinem Onkel väterlicherseits gelebt, bis er eine Stelle gefunden habe, wo er Mechaniker lernen habe können. Das sei etwa im Alter von 11 Jahren gewesen. Er habe dort an der Arbeitsstelle auch geschlafen und gelebt. Weiters habe er auch als Näher im Iran gearbeitet und sich auch mit Mobiltelefonen beschäftigt. Das Leben im Iran sei nicht so gut wie in Österreich, aber besser noch als in Afghanistan gewesen. Eine Aufenthaltsberechtigung im Iran habe er keine gehabt. Einmal habe ihm die Polizei wegen der fehlenden Aufenthaltsberechtigung erwischt, aber da er noch so klein gewesen sei und sich sein Chef für ihn eingesetzt habe, habe ihn die Polizei wieder freigelassen.

Als er etwa 12 Jahre alt gewesen sei, sei seine Familie nachgekommen. Sein Vater sei von den Taliban angeschossen worden und er habe eine Niere verloren. Er habe dann gemeinsam mit seiner Familie im Iran gelebt, dies sei besser gewesen als alleine. Er sei dann Richtung Europa aufgebrochen, weil er 15 Jahre alt gewesen sei und keine Schule habe besuchen können. Drei Brüder seiner Mutter würden noch in Afghanistan leben, einer in XXXX und zwei in Parwan. Gefragt, ob er mit diesen in Kontakt sei, führte er aus "es gibt keine Möglichkeiten dort". Er sei auch mit sonst niemanden in Afghanistan in Kontakt. Bis vor einiger Zeit habe er ein- bis zweimal im Monat Kontakt gehabt. Dann sei er krank geworden und seine Mutter und er habe keinen Kopf mehr für Kontakte mit seiner Familie gehabt. Sein Vater habs als Schuster im Iran gearbeitet. Er habe keine schweren Arbeiten mehr verrichten können. Seine ältere Schwester habe schon geheiratet. Sein jüngerer Bruder und seine jüngere Schwester würden nicht arbeiten. Sein Vater könne ihn bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan nicht unterstützen.

Gefragt, ob er aktuelle gesundheitliche oder psychische Probleme habe, gab er an, dass ihm manchmal schwarz vor den Augen werde und wenn er an seine Mutter denke, gehe es ihm schlecht. Er habe manchmal Atembeschwerden und verwende einen Asthmaspray. Weitere organische Probleme habe er nicht. Er habe in Österreich in einer Tischlerei gearbeitet und dabei keine Maske getragen. Weiters habe er drei Monate lang in einem Frisiersalon gearbeitet. Als er einen negativen Bescheid bekommen habe, habe er aber dort nicht mehr arbeiten dürfen, auch mit einer Lehrstelle in einem Hotel sei nichts geworden. Er habe wohl Deutschkurse gemacht, aber keine Zeugnisse erhalten und auch versucht mit der Bevölkerung in Österreich sich zu unterhalten und dadurch Deutsch zu lernen. Außer in einer Tischlerei und in einem Frisiersalon habe er auch bei der Geminde gearbeitet. Manchmal laufe er ein bisschen. Als er am XXXX gelebt habe, habe er dort viele Freunde gehabt. Jetzt sei er in einem großen Quartier in XXXX untergebracht. Eine Freundin habe er nicht. Wenn er in Österreich bleiben dürfte, würde er gerne als Frisör oder Mechaniker arbeiten.

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan würde man ihm ein Gewehr in die Hand drücken und ihn in den Krieg schicken. Er meine damit sowohl die Polizei als auch die Taliban. Auf den Hinweis, dass er im wesentlichen gesund und arbeitsfähig sei, Schulausbildung und Berufsausbildung habe, ob er sich nicht in Herat oder Mazar-e Sharif niederlassen könne, gab er an, dass die Situation in Wahrheit im ganzen Land die Gleiche sei. Er habe viel in Österreich gelernt, aber in Afghanistan habe ihm niemand was beibringen wollen. Er habe auch Angst vor einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban gehabt. Er habe hier in Österreich vieles gelernt, aber in Afghanistan sei es nicht so einfach, wenn man etwas tun wolle. Auf die Frage, ob sein Onkel ihm im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützen könnte, sagte er "nein", er habe keine Kontakte zu seinem Onkel. Ein weiteres Vorbringen habe er nicht.

Verlesen wurde der Strafregisterauszug des Beschwerdeführers, indem keine Verurteilung aufscheint. Schließlich wurde den Verfahrensparteien das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan (soweit verfahrensrelevant) unter Setzung einer Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme zur Kenntnis gebracht, wobei auch innerhalb gleicher Frist weitere Dokumente zur Integration und zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vorgelegt werden konnten.

Nach Fristerstreckung legte der Beschwerdeführer (durch seine ausgewiesene Vertretung) drei Bestätigungen bezogen auf eine Psychotherapie im Jahre 2016 sowie eine Bestätigung über gemeinnützige Arbeit bei der Gemeinde XXXX vom 27.11.2019 vor. Ein weiteres Vorbringen zu dem eigens vorgehaltenen aktuellen Länderinformationsblatt wurde nicht erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der tadschikischen Volksgruppe und sunnitischer Moslem. Er wurde XXXX (das genaue Geburtsdatum ist nicht feststellbar) im Dorf XXXX in der Provinz Parwan geboren. Nachdem er zunächst dort aufgewachsen ist, übersiedelte er mit ca. 9 Jahren in den Iran. Er besuchte in Afghanistan zwei Jahre lang eine Volksschule und im Iran eine private Abendschule für afghanische Flüchtlinge. Schon als Kind half er in der Landwirtschaft und hat im Iran als Mechaniker und als Näher gearbeitet. Er hatte in Afghanistan weder persönlich Probleme mit staatlichen Behördenorganen, noch mit bewaffneten Gruppierungen wie den Taliban, noch mit Privatpersonen in Afghanistan. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers leben in Teheran, der Beschwerdeführer hat seinen eigenen Angaben zufolge jedoch keinen Kontakt mit ihnen. Der Beschwerdeführer hat drei Onkel mütterlicherseits in Afghanistan. Einer lebt in XXXX und zwei in Parwan, wobei er auch diesbezüglich behauptet, über keine Kontakte zu verfügen. Der Beschwerdeführer leidet unter keinen schwerwiegenden gesundheitlichen oder psychischen Problemen, seinen Behauptungen zufolge verwendet er jedoch regelmäßig einen Asthmaspray. Der Beschwerdeführer ist ledig und nicht verlobt. Er führt kein Familienleben in Österreich und ist unbescholten. Der Beschwerdeführer hat in Österreich in einer Tischlerei und in einem Frisiersalon gearbeitet, leistete jedoch in letzter Zeit nur mehr Freiwilligenarbeit für die Gemeinde XXXX . Er hat wohl Deutschkurse besucht, aber kein Deutschdiplom oder sonstige Qualifikationen in Österreich erworben. Er hat wohl österreichische Freunde, aber keine österreichische Freundin. Er gibt an, dass er in Östereich viel gelernt hat.

Zu Afghanistan wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

1. Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019):

Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf, Zugriff 11.9.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (15.4.2019):

Afghanistan: Innenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/afghanistan-node/-/204718, Zugriff 7.6.2019

* AAN - Afghanistan Analysts Network (17.5.2019): The Results of Afghanistan's 2018 Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga,

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2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))

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Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit

29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:

Tab. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))

 

2016

2017

2018

2019

Jänner

2111

2203

2588

2118

Februar

2225

2062

2377

1809

März

2157

2533

2626

2168

April

2310

2441

2894

2326

Mai

2734

2508

2802

2394

Juni

2345

2245

2164

2386

Juli

2398

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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