Entscheidungsdatum
07.02.2020Norm
BBG §40Spruch
G304 2223101-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 02.08.2019, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 07.05.2019 brachte der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Beilagen ein.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 27.06.2019 wird aufgrund der am 12.06.2019 durchgeführten Begutachtung des BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
degenerative Wirbelsäulenveränderungen unterer RSW bei Vorwölbungen L4/L5/S1, Spondylolyse- und listhese L5/S1 und unveränderten Funktionseinschränkungen
02.01.02
30
2
degenerative Kniegelenksabnützungen links oberer RSW bei rezidivierenden Schmerzen bei Belastung
02.05.18
20
3
nicht insulinpflichtige Zuckerkrankheit mittlerer RSW bei guter Einstellung unter Polytherapie
09.02.01
20
4
Bluthochdruck Fixer RSW bei wechselhaft guter Einstellung unter Therapie
05.01.02
20
5
Degenerative Schulterbeschwerden geringen Grades rechts Fixer RSW bei Elevationseinschränkung geringen Grades und Schmerzen
02.06.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:
"Der Gesamt-GdB beträgt 30 v.H., der Grad der führenden GS1 wird durch die GS2, GS3, GS4 und GS5 um gemeinsam keine Stufe angehoben, da durch die Summe der Beschwerden keine weitere Leidensbeeinflussung besteht."
Folgende "Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten" wurde ausgeführt:
"Seit dem VGA neu beurteilt eine inzipiente Kniegelenksarthrose mit einem GdB von 20, sowie ein Hypertonus mit einem GdB von 20, die restlichen Einschränkungen ohne signifikante Veränderung."
Es wurde hinsichtlich der festgestellten Gesundheitsschädigungen von einem "Dauerzustand" ausgegangen.
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.08.2019 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und festgestellt, dass der Grad der Behinderung 30 % betrage.
Begründend wurde ausgeführt, im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden, nach diesem Gutachten betrage der Grad der Behinderung 30 v. H. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem beiliegenden Sachverständigengutachten vom 26.07.2019 zu entnehmen.
Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe, seien die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben, weshalb der Antrag des BF abzuweisen sei.
4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Der BF ersuchte unter Verweis auf gesundheitliche Beeinträchtigungen um positive Erledigung seiner Angelegenheit und gab an, sein Behinderungsgrad betrage sicherlich zumindest 50 v.H.
5. Am 03.09.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.
6. Mit Schreiben des BVwG vom 03.10.2019, Zahl: G304 2223101-1/3Z, wurde
Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, aufgefordert, ein medizinisches Sachverständigengutachten auf Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen, und dieses binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Verfügung dem BVwG zu übermitteln.
Mit weiterem Schreiben vom 03.10.2019, Zahl: G304 2223101-1/3Z, wurde
der BF aufgefordert, sich am 06.11.2019 um 15:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.
7. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 06.11.2019 wird nach durchgeführter Begutachtung des BF am 06.11.2019 im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Degenerative Wirbelsäulenabnützung mit Schwerpunkt Halswirbelsäule als auch Lendenwirbelsäule Oberer RSW bei Vorwölbung L4/5, L5/S1, Spondylose- und Listhese L5/S1 (Gleitwirbel) sowie Schwindelsymptomatik
02.01.02
40
2
Degenerative Kniegelenksabnützungen links ohne Bewegungsminderung Oberer RSW bei rezidivierenden Schmerzen bei Belastung.
02.05.18
20
3
Diabetes mit Tablettentherapie bei Übergewicht Nicht insulinpflichtiger Diabetes Mittlerer RSW bei guter Einstellung unter Polytherapie
09.02.01
20
4
Bluthochdruck bei Übergewicht Fixer RSW bei wechselhaft guter Einstellung unter Therapie
05.01.02
20
5
Mögliche degenerative Schulterabnützung rechts ohne schwerwiegende Funktionseinschränkung in 1. Linie von der Halswirbelsäule ausgehend. Fixer RSW bei Elevationseinschränkungen geringen Grades und Schmerzen
02.06.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:
"Die führende GS 1 wird durch die weiteren GS nicht angehoben, da keine nachhaltige negative Leidenserhöhung durch Wechselwirkung besteht."
Es wurde keine erhebliche Funktionseinschränkung festgestellt und folgende "Stellungnahme" abgegeben:
"Aufgrund der heutigen Untersuchung steht im Vordergrund die Abnützung der Wirbelsäule, wobei im Gegensatz zum Vorgutachten nicht nur die Lendenwirbelsäule, sondern auch die Halswirbelsäule betroffen ist und entsprechend Schmerzen in den rechten Arm ausstrahlend objektiviert werden können und möglicherweise die Schwindelsymptomatik von der Wirbelsäule ausgehend ist. Daher ist meinerseits eine Erhöhung der GS1 (Wirbelsäulenproblematik) auf 40 von 100 vorzuschlagen. Die weiteren Leiden unverändert zum Vorgutachten teilwiese wohlwollend eingeschätzt, sodass insgesamt eine Gesamtbehinderung von 40 von 100 meinerseits vorzuschlagen ist, da die weiteren Leiden keine nachhaltige negative Wechselwirkung zur führenden GS1 haben."
8. Mit Verfügung des BVwG vom 15.11.2019, Zahl: G304 2223101-1/5Z, dem BF zugestellt am 26.11.2019, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten seitens des BVwG übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung dazu Stellung dazu zu nehmen.
9. Bis dato langte beim BVwG keine Stellungnahme dazu ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Hauptwohnsitz in Österreich.
1.2. Sein Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v. H.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Die Feststellung zur österreichischen Staatsbürgerschaft und zum Hauptwohnsitz des BF in Österreich beruhen auf dem Akteninhalt in Zusammenschau mit einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
2.3. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden: VwGH) muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zu Grund gelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
2.4. Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Dr. XXXX vom 06.11.2019 schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf. In diesem Gutachten wird auf die Art und Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass die mit 40 v.H. eingeschätzte führende Gesundheitsschädigung GS1 "Degenerative Wirbelsäulenabnützung mit Schwerpunkt Halswirbelsäule als auch Lendenwirbelsäule" durch die weiteren Gesundheitsschädigungen GS2 - GS5 (die mit 20 v.H. eingeschätzte GS2 "Degenerative Kniegelenksabnützung links ohne Bewegungsminderung", die mit 20 v.H. eingeschätzte GS3 "Diabetes mit Tablettentherapie
bei Übergewicht", die mit 20 v.H. eingeschätzte GS4 "Bluthochdruck
bei Übergewicht" und die mit 10 v.H. eingeschätzte GS5 "Mögliche degenerative Schulterabnützung rechts ohne schwerwiegende Funktionseinschränkung in 1. Linie von der Halswirbelsäule ausgehend") nicht angehoben wird, "da keine nachhaltige negative Leidenserhöhung durch Wechselwirkung besteht".
Zur gutachterlichen Beurteilung, dass der Gesamtbehinderungsgrad des BF 40 v.H. betrage, wurde im Rahmen des Parteiengehörs keine Einwendung erhoben.
Das Sachverständigengutachten wird folglich der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des BVwG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - im Folgenden: BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - im Folgenden: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2. Zu Spruchteil A)
3.2.1. Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderungen in den Voraussetzungen zu erwarten sind.
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird. (§ 45 Abs. 2 BBG)
3.2.2. Es wird im gegenständlichen Fall dem im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG eingeholten Sachverständigengutachten vom 06.11.2019, welches als schlüssig und nachvollziehbar gewertet wird, gefolgt und von einem Gesamtgrad der Behinderung des BF von 40 v. H. ausgegangen.
Die Beschwerde war folglich daher spruchgemäß abzuweisen.
3.2.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurde der Gesamtgrad der Behinderung des BF unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen nach Begutachtung des BF unter Berücksichtigung der aktenmäßigen Befunde festgesetzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens vom 06.11.2019, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2223101.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.04.2020