TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/20 W265 2226687-1

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Veröffentlicht am 20.02.2020
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Entscheidungsdatum

20.02.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W265 2226687-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 21.11.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer war ab 29.06.2010 Inhaber eines Behindertenpasses. Zuletzt wurde mit Bescheid des Bundessozialamtes (nunmehr: Sozialministeriumservice; im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) vom 01.07.2011 der Grad der Behinderung von 70 v. H. festgesetzt. Der Behindertenpass wurde aufgrund der Besserung des Prostataleidens nach Ablauf der Heilungsbewährung bis 31.01.2016 befristet.

Am 16.11.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass bei der belangten Behörde. Er schloss dem Antrag keine aktuellen medizinischen Befunde an.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Chirurgie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.11.2018 basierenden Gutachten vom 05.01.2019 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese:

St.p. N. Prostata 2010 mit Implantation von insgesamt 52 Seeds, SMZ Ost

Abnützungserscheinungen in der Wirbelsäule und im rechten Kniegelenk

Instabilität linkes oberes Sprunggelenk

Fehlsichtigkeit

Schwerhörigkeit

Depression

Derzeitige Beschwerden:

Von Seiten der Prostata weiterhin Beschwerden im Sinne einer nächtlichen Unruhe durch die Seeds. Er spürt diese bei jedem Harndrang. Regelmäßige Kontrollen im Donauspital sind weiterhin vorgesehen. Generell hätte er einen imperativen Harndrang, er verwendet auch Einlagen. Der PSA Wert sei soweit in Ordnung. Mit der Brille komme er soweit gut zurecht, die Schwerhörigkeit hätte sich nicht verändert. Eine Depression bestehe weiterhin, jedoch möchte er diesbezüglich keine Medikamente.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Aglandin bei Bedarf

Sozialanamnese:

in Pension, war Landesbeamter, ledig, keine Kinder

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

keine aktuellen Befinde vorliegend

Ärztliches Sachverständigengutachten XXXX vom 08.06.2011: GdB 70%

Entlassungsbericht SMZ Ost, Urologie vom 25.08.2019 - 27.08.2010: N. prostatae

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Guter AZ

Ernährungszustand:

Guter EZ

Größe: 178 cm Gewicht: 93 kg Blutdruck: 130/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput: unauffällig

Collum: unauffällig

Thorax: unauffällig

Mammae: unauffällig

Cor: HA rein, rhythmisch, normofrequent

Pulmo: VA bds, Basen frei

Abdomen: weich, kein Druckschmerz, Leber unter dem Rippenbogen

Schultergelenke: Kontur regelrecht, vorhalten und seitlich bds. bis 140 Grad, keine Funktionseinschränkung

Ellenbogen: frei beweglich, keine Funktionseinschränkung

Handgelenke: frei beweglich, keine Funktionseinschränkung

Fingergelenke: frei beweglich, Faustschluss bds. möglich, Pinzettengriff bds. möglich

Wirbelsäule: im Lot, keine Klopfdolenz, ISG bds. frei, FBA 10 cm, KJA 0 cm, Schober 10/14, Lasegue bds. negativ

Hüftgelenke: bds. in S 0 - 0 - 140, frei beweglich, keine Funktionseinschränkung

Kniegelenke: bds. in S 0 - 0 - 150, frei beweglich, keine Funktionseinschränkung

Sprunggelenke: bds. in S 40 - 0 - 60, frei beweglich, keine Funktionseinschränkung

Haut: unauffällig

Neurologisch: grob neurologisch unauffällig

Zehengang: möglich

Fersengang: möglich

Gesamtmobilität - Gangbild:

Trägt Konfektionsschuhe, Gangbild frei und flüssig, symmetrisches Armpendeln, An - und Auskleiden alleine möglich

Status Psychicus:

allseits orientiert, Gedankengang geordnet, nachvollziehbar, Antrieb normal, Stimmung normal, Affekt stabil, Mnestik unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Zustand nach bösartiger Neubildung der Vorsteherdrüse (ED 02/2010) eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da regelmäßige Kontrollen weiterhin notwendig sind

13.01.02

20

 

Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

-

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Abnützungserscheinungen in der Wirbelsäule und im rechten Kniegelenk, Instabilität linkes oberes Sprunggelenk, Fehlsichtigkeit und Schwerhörigkeit werden bei fehlenden aktuellen Befunden nicht eingeschätzt

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Leiden 1 nach Ablauf der Heilungsbewährung um 4 Stufen reduziert

Leiden 2 - 6: diesbezüglich keine aktuellen Befunde vorliegend, werden nicht übernommen, keine Aussage über Beschwerden bzw. Verlauf möglich

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Der Gesamtgrad der Behinderung wird um 5 Stufen reduziert

[x] Dauerzustand

..."

Am 26.11.2018 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis), der auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.

Mit Schreiben vom 09.01.2019 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Der Beschwerdeführer nahm am 31.01.2019 Akteneinsicht bei der belangten Behörde.

Mit E-Mail vom 01.04.2019 ersuchte der Beschwerdeführer um Fristerstreckung bis 30.04.2019 zur Vorlage von medizinischen Befunden. Die bei ihm oftmalig auftretenden Stürze und daraus resultierenden Verletzungen hätten die Einholung der Befunde erheblich erschwert.

In der Folge ersuchte der Beschwerdeführer um weitere Fristerstreckung bis 31.07.2019, da erst am 18.07.2019 eine MRT-Untersuchung durchgeführt werden könne.

Mit E-Mail vom 02.08.2019 teilte der Beschwerdeführer mit, der MRT-Befund könne erst nach dem Urlaub der vom Beschwerdeführer konsultierten Ärzte vorgelegt werden, weshalb er um nochmalige Fristerstreckung bis 31.08.2019 ersuche. Er schloss einen Ärztlichen Befundbericht eines Facharztes für Neurologie vom 25.04.2019 an, in welchem eine Behandlung wegen Kopfschmerzen und einer Schwindelsymptomatik beschrieben werde, die derzeit neurologisch nicht eindeutig zuordenbar sei, weshalb eine MRT-Untersuchung des Kopfes geplant sei.

Mit E-Mail vom 03.09.2019 ersuchte der Beschwerdeführer nach einem Telefongespräch mit der Chefärztin des Ärztlichen Dienstes der belangten Behörde um einen Vorsprachetermin bei dieser, wegen dem er sich noch einmal Ende September melden wolle. Er werde dann sämtliche vorhandenen Befunde und Unterlagen vorgelegen, um seine derzeit äußerst schlechte gesundheitliche Situation dokumentieren und besprechen zu können. Weiters ersuche er um Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens aus dem Jahr 2011 und um Bescheiderstellung erst nach dem beabsichtigten Besprechungstermin.

Mit E-Mail vom 14.11.2019 teilte der Beschwerdeführerin der Chefärztin des Ärztlichen Dienstes der belangten Behörde mit, dass sich bei ihm nach einem plötzlichen und völlig unerwarteten Sturz durch die Tür seines Wohnzimmers erhebliche gesundheitliche Probleme ergeben hätten. Vor allen aufgrund der damit verbundenen Schmerzen könne er den für den heutigen Tag zugesagten Vorsprachetermin nicht einhalten.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.11.2019 stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle, weshalb der Antrag vom 29.12.2017 abzuweisen sei. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Anmerkend wurde weiters mitgeteilt, dass über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses und die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorlägen. Mit dem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer das ärztliche Sachverständigengutachten übermittelt.

Mit E-Mail vom 13.12.2019 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche, als Berufung bezeichnete Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte er im Wesentlichen vor, es sei - zuletzt für den 14.11.2019 - ein Vorsprachetermin mit der Chefärztin des Ärztlichen Dienstes vereinbart worden, da das durchgeführte ärztliche Begutachtungsverfahren als nicht ausriechend anzusehen sei. Durch einen am 12.11.2019 erlittenen Sturz und den damit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen habe der genannte Termin nicht eingehalten werden können. Nach oftmaligen telefonischen Versuchen habe am 21.11.2019 mit der Chefärztin des Ärztlichen Dienstes ein weiterer Vorsprachetermin für den 04.12.2019 vereinbart werden können. Inzwischen sei jedoch der angefochtene Bescheid erlassen worden, obwohl der Beschwerdeführer ersucht habe, mit der Erstellung des Bescheides bis nach dem beabsichtigten Besprechungstermin zu warten. Der Beschwerde wurden keine medizinischen Befunde angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer war Inhaber eines Behindertenpasses bis 31.01.2016 befristeten Behindertenpasses. Zuletzt wurde der Grad der Behinderung mit Bescheid vom 01.07.2011 mit 70 v.H. festgestellt.

Am 16.11.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung beim Sozialministeriumservice.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

1. Zustand nach bösartiger Neubildung der Vorsteherdrüse (ED 02/2010)

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Chirurgie vom 05.01.2019 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 20 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zum Behindertenpass und dem im Jahr 2011 festgestellten Grad der Behinderung basiert auf dem Akteninhalt.

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem Akt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Chirurgie vom 05.01.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.11.2018.

Darin wird auf die Art des Leidens des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entspricht der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung. Die Gesundheitsschädigung wurde nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Im Vergleich zum Vorgutachten vom 18.06.2011 verbesserte sich der Grad der Behinderung des Prostataleidens nach Ablauf der Heilungsbewährung um vier Stufen von zuvor 60 v.H. auf nunmehr 20 v. H. Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Antragsstellung keine aktuellen Befunde vor, weshalb eine Beurteilung über die im Jahr 2011 festgestellten und eingestuften Funktionseinschränkungen (hochgradige Kurzsichtigkeit bds., Schwachsichtigkeit links mit alternierendem Schielen, Sehverminderung rechts auf 2/3, links auf 1/10; Schwerhörigkeit beidseitig; Depression; chronische Instabilität oberes Sprunggelenk nach Bandverletzung; beginnende Abnützungserscheinung der Wirbelsäule, des rechten Kniegelenks, des rechten Ellenbogens und beider Hände) bzw. deren Verlauf seit der letzten Begutachtung nicht möglich ist. Aus diesem Grund ergibt sich seit dem Vorgutachten vom 18.06.2011 eine Herabsetzung des Gesamtgrades der Behinderung von 70 v.H. auf 20 v.H.

Mit E-Mail vom 02.08.2019 teilte der Beschwerdeführer erstmals mit, an Schwindel zu leiden und legte einen neurologischen Befundbericht vom 25.04.2019 vor. Darin wird eine Kopfschmerz- und Schwindelsymptomatik beschrieben, die jedoch neurologisch nicht eindeutig zuordenbar sei, weshalb eine MRT-Untersuchung des Kopfes geplant sei. Der Beschwerdeführer gab seitens der belangten Behörde bzw. der Chefärztin des dortigen Ärztlichen Dienstes an, dass die diesbezügliche MRT-Untersuchung am 18.07.2019 durchgeführt werde, legte jedoch bis zur Bescheiderlassung am 21.11.2019 keinen entsprechenden Befund vor. Mangels diagnostiziertem Leiden und Objektivierbarkeit kann daher kein Grad der Behinderung der Schwindelsymptomatik bestimmt werden.

Dem Beschwerdeführer wurde das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens mit Schreiben vom 09.01.2019 mitgeteilt und ihm die Möglichkeit gegeben, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens eine Stellungnahme einzubringen und, wenn möglich, entsprechende Beweismittel vorzulegen. Sollte bis zum Ende der Frist keine Stellungnahme eingelangt sein, werde auf Grund des bisherigen Ermittlungsverfahrens entschieden werden. Der Beschwerdeführer ersuchte in der Folge mehrmals um Fristerstreckung, welche ihm die belangte Behörde gewährte. Am 03.09.2019, somit acht Monate nach Erhalt des Parteiengehörs, erbat er Beschwerdeführer einen Vorsprachetermin bei der Chefärztin des Ärztlichen Dienstes, in dem er sämtliche vorhandenen Befunde vorlegen und mit ihr besprechen wolle. Seitens der Chefärztin bzw. der belangten Behörde wurde der Vorsprache, welche schlussendlich für 14.11.2019 vereinbart wurde, zugestimmt. Der Beschwerdeführer teilte am 14.11.2019 jedoch mit, dass er aufgrund eines Sturzes durch seine Wohnzimmertüre an Schmerzen leide, die die Wahrnehmung des Termins unmöglich erscheinen lassen würden. Zehneinhalb Monate nach Versendung des Parteiengehörs erließ die belangte Behörde am 21.11.2019 den angefochtenen Bescheid.

Insoweit in der Beschwerde nun vorgebracht wird, dass der Vorsprachetermin bei der Chefärztin des Ärztlichen Dienstes auf 04.12.2019 verschoben worden sei, die belangte Behörde diesen jedoch nicht abgewartet habe, sondern den Bescheid davor erstellt habe, obwohl der Beschwerdeführer ersucht hatte, dies erst nach dem Besprechungstermin zu tun, ist auf die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers hinzuweisen. Ihm wurde seitens der belangten Behörde die Möglichkeit gegeben, zum ärztlichen Sachverständigengutachten vom 05.01.2019 Stellung zu nehmen und in der Folge mehrere Ansuchen auf Fristerstreckung gewährt, außerdem wurde dem Ersuchen um einen Vorsprachetermin bei der Chefärztin des Ärztlichen Dienstes am 14.11.2019 zugestimmt. Auch wenn der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers aufgrund eines Sturzes die Wahrnehmung des Termins verunmöglichte, so hätte der Beschwerdeführer sowohl bei Antragsstellung als auch während der über zehn Monate nach Erhalt des Parteiengehörs die Möglichkeit gehabt, aktuelle medizinische Befunde vorzulegen bzw. eine schriftliche Stellungnahme zum Sachverständigengutachten abzugeben.

Er trat jedoch weder dem eingeholten Sachverständigengutachten mit einer schriftlichen Stellungnahme entgegen noch legte er während des gesamten Verfahrens aktuelle medizinische Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Der Beschwerdeführer ist dem vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 05.01.2019. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 05.01.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.11.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 20 v.H. beträgt. Die Funktionseinschränkung wurde im Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Der Beschwerdeführer ist diesem medizinischen Sachverständigengutachten, wie bereits erwähnt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2226687.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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