TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/20 W265 2221595-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2020
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Entscheidungsdatum

20.02.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W265 2221595-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von Mohammad XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 10.04.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 02.07.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses. Zuletzt wurde bei ihm mit Sachverständigengutachten vom 11.05.2011 ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt.

Am 27.11.2018 beantragte der Beschwerdeführer beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass sowie die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) und legte dabei einen medizinischen Befund vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 28.02.2019 basierenden orthopädischen Gutachten vom 23.03.2019 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese:

Letzte Begutachtung im Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen am 11.05.2011,

Ges GdB 50% (Rechtsbetonte Tetraparese nach Diskusoperation C4/C5 1993,

Fortbewegung ohne Hilfsmittel möglich 50 %, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 20 %)

Zwischenanamnese seit 2011:

keine Operation, kein stationärer Aufenthalt, Rehabilitationsaufenthalt zuletzt in Baumgarten 01-02/2019

cervikale Myelopathie in Höhe HWK 4 nach Trauma (Autodrom-Unfall 1985), Z.n ventraler Spondylodese C4/C5 (1993)

02.01.2017 Knöchelbruch links, konservative Therapie (Weber B)

Derzeitige Beschwerden:

"Seit 2011 ist das Gehen schlechter geworden, habe Schmerzen und Gleichgewichtsstörungen, stürze immer wieder, habe mir daher das rechte Sprunggelenk gebrochen und die Schulter ausgerenkt. Der Außenknöchelbruch links wurde konservativ behandelt. Gefühlsstörungen rechten Hand, alle Finger sind wie taub. Spüre die Zehen nicht, habe ständig in der Lendenwirbelsäule Schmerzen. Schmerzen habe ich auch in der linken Schulter bei bestimmten Bewegungen und in der Nacht, die Beweglichkeit ist eingeschränkt. Im linken Sprunggelenk habe ich manchmal Schmerzen.

Gehe mit 2 Krücken, teilweise mit einer Krücke, hergekommen bin ich mit der Gattin mit dem Auto."

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: 0

Allergie: 0

Nikotin: 0

laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX

Sozialanamnese:

Verheiratet, eine Tochter, lebt in Wohnung im 2. Stockwerk mit Lift.

Berufsanamnese: Elektrotechniker bei Philips bis 2003, BUP

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befund KH Speising, Wirbelsäulenzentrum 2018-11-23 (cervikale Myelopathie HWK 4 mit progredienter Gangstörung Z.n venraler Spondylodese C4/5 (1993- AKH) Spinalstenose C4/5 Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei sonstigen Krankheiten der Zervikobrachialsyndrom rechts breitbasige Dlscusprotrusionen C3-C7 Foraminalstenosen hochgradig C3/4 rechts; mäßig C5/6 und C6/7 bds Osteochondrose zervikal

Spondylarthrose zervikal Lumboischialgle bds Osteochondrose lumbal Spondylarthrose lumbal Osteoporose.

Lumboischialgie bds, mit Schmerzmaximum links gluteal

cervikale Myelopathie in Höhe HWK 4 nach Trauma (1985), ein Z.n. Spondylodese C4/C5 (1993) mit seither progredienter Gangbildverschlechterung und rezidivierenden Stürzen, insgesamt ist die Gehstrecke einerseits durch das beeinträchtigte Gangbild sowie auch der Schmerzen auf max. 100 m beschränkt und dadurch die Mobilität des Patienten hochgradig beeinträchtigt. Neu hinzukommende Beschwerden im Sinne einer Zervikobrachialgie rechts mit motorischer Schwäche sowie Sensibilitätsstörungen, besonders im Bereich der Finger.

neurologisches Konsil eingeholt. Zusammenfassend ergeben sich Pyramidenbahnzeichen an allen vier Extremitäten wie vorbekannt bei Myelopathie auf Höhe HWK4, außerdem Hinweise auf eine periphere Schädigung mit P.m. im Bereich der Radix C7 und C8 rechts, geringer C6 betreffend, welche ursächlich für die Beschwerden der rechten Extremität gemacht wird. Bezüglich des Gangbildes wird vor allem die distal an der rechten unteren Extremität Inversion/Supination, die das Gehen unsicher macht als behindernd beschrieben, sodass eine Botox-Therapie mit dem Patienten besprochen wurde)

Befund Unfallkrankenhaus Meidling 02.01.2017 (Fract.mall.lat.sin.non rec. (Weber B))

Nachgereichte Befunde:

MRT linke Schulter 25.2.2019 (bei Zustand nach Luxation Hill-Sachs-Delle, Partialruptur der Supraspinatussehne, subtotaler nahezu kompletter Abriss des Musculus subscapularis, lange Bizepssehne nicht mehr abgrenzbar, kein Nachweis einer Labrumläsion)

Entlassungsbericht RZ Baumgarten 14. 2. 2019 (cervicale Myelopathie C4 nach Unfall, ventrale Spondylodese C4/C5 1973 Spinalkanalstenose C4/C5, rechtsbetonter spastische Tetraparese, Osteoporose, Zustand nach Schulterluxation links 12/2018.

Distal betonte Parese beide oberen und unteren Extremitäten, jeweils KG 3-4)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Gut, 63a

Ernährungszustand:

BMI 25,4

Größe: 166 cm Gewicht: 70 kg Blutdruck: 120/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird im Bereich der Finger als gestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Schulter links: geringgradig Druckschmerzen Bewegungsschmerzen, Außenrotation eingeschränkt, keine Impingement Symptomatik

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern rechts frei, links S0/90, S0/120, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich.

Grob- und Spitzgriff sind durchführbar, Opponensfunktion KG 5 links, KG 4 rechts. Der Faustschluss ist beidseits fast komplett, links besser als rechts, Fingerspreizen beidseits unauffällig, Tonus geringgradig gesteigert, Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind rechts uneingeschränkt, links endlagig eingeschränkt durchführbar.

Kraft: rechts proximal KG 4+, distal KG 4, links proximal KG 5, distal KG 4 -

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits angedeutet durchführbar.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist nicht möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Muskelverhältnisse: Bandmaß Oberschenkel rechts 44 cm, links 48 cm, Unterschenkel rechts 36,5 cm, links 38,5 cm.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird im Bereich der Zehen als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Sprunggelenk links: unauffällig

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Geringgradig Spastik im Bereich beider unterer Extremitäten

Kraft: Hüftbeugen rechts KG 3, links KG 4, Kniestrecken und Kniebeugen beidseits KG 5, Vorfußheben beidseits KG 4, Vorfußsenken beidseits KG 4+

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte

Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann. Geringgradig Druckschmerz im Bereich der LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: F 20/0/20, R 60/0/60, Kinn/Jugulum Abstand 3/12

BWS/LWS: FBA: nicht durchgeführt, Rotation und Seitneigen jeweils 20°

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe allseits gesteigert auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit 2 Unterarmstützkrücken, das Gangbild ist mit Anhalten leicht ataktisch, Barfußgang mit Anhalten verlangsamt und leicht ataktisch, Schrittlänge geringgradig verkürzt und etwas breitspurig, Richtungswechsel mit Anhalten sicher möglich

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt, Pullover anziehen selbständig möglich. Feinmotorik beim Ausziehen und Anziehen unauffällig.

Status Psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Rechtsbetonte Tetraparese bei cervikaler Myelopathie

2

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Spondylodese C4/C5

3

Posttraumatische Funktionseinschränkung geringen Grades linke Schulter

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Hinzukommen von Leiden 3, sonst keine relevante Änderung

[x] Dauerzustand

...

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Dem Antragsteller ist es trotz vorliegender geringgradig ausgeprägter Tetraparese möglich, Wegstrecken von zumindest 300-400m, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, ohne erhebliche Erschwernis zurückzulegen. Die behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von 2 Unterarmstützkrücken zum Zurücklegen kurzer Wegstrecken ist durch festgestellte Funktionseinschränkungen und dokumentierte Leiden nicht ausreichend begründbar. Eine ausreichende Trittsicherheit ist mit Schuhen gegeben, das sichere Ein- und Aussteigen nicht erheblich erschwert. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend, es liegt kein Hinweis für relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

..."

Mit Schreiben vom 25.03.2019 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Mit E-Mail vom 01.04.2019 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab, in welcher er ausführte, im Gutachten seien einige Punkte unrichtig festgehalten worden. Anders als im Gutachten vermerkt sei er von seiner Gattin begleitet worden, ohne der er den Termin aufgrund seines Zustandes nicht hätte wahrnehmen können. Es sei nicht richtig, dass seit 2011 kein stationärer Aufenthalt stattgefunden habe. Er sei in den Jahren 2012, 2015 und 2018 auf Rehabilitation bzw. in stationärer Behandlung gewesen. In dem nach dem zweiwöchigen stationären Aufenthalt 2018 erstellten Befund sei festgehalten, dass die Mobilität des Beschwerdeführers hochgradig beeinträchtigt sei und sich seine zumutbare Gehstrecke auf maximal 100 Meter beschränke. Dies widerspreche dem Gutachten, in welchem ausgeführt werde, dass keine Beeinträchtigungen vorliegen würden, die seine Mobilität erheblich einschränkten und dass er Wegstrecken von 300 bis 400 Metern ohne erhebliche Erschwernis zurücklegen könne. Der Zustand des Beschwerdeführers habe sich seit 2011 erheblich verschlechtert, insbesondere in den letzten drei bis vier Jahren. Ohne Gehhilfen oder Begleitung könne er das Haus nicht mehr verlassen. ER habe seit mehr als fünf Jahren kein öffentliches Verkehrsmittel mehr benützt. Er sei in den letzten Jahren aufgrund seiner Gangprobleme immer wieder gestürzt und habe sich dadurch zahlreiche Verletzungen zugezogen. Aus Angst vor weiteren Stürzen verwende er Gehhilfen. Die Gattin des Beschwerdeführers bringe ihn zum vor der Tür stehenden Auto, lasse ihn möglichst nahe vor den zu erreichenden Zielen aussteigen und suche im Anschluss einen Parkplatz, der Beschwerdeführer selbst besitze keinen Führerschein. Dem Beschwerdeführer sei im Februar 2019 aufgrund der massiven Verschlechterung seines Zustandes von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) die Pflegestufe 2 zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer schloss der Stellungnahme ein Konvolut an Befunden und den genannten Bescheid der PVA an.

Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers und der vorgelegten Befunde ersuchte die belangte Behörde die bereits befasste Sachverständige und Fachärztin für Orthopädie um eine Stellungnahme. In der auf der Aktenlage basierenden ergänzenden Stellungnahme vom 09.04.2018 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"...

AW erklärt sich mit dem Ergebnis der Begutachtung vom nicht einverstanden und bringt in der Stellungnahme vom 29.3.2019 vor, dass besonders in den letzten 3 bis 4 Jahren eine Verschlechterung aufgetreten sei, sodass er ohne Gehhilfen oder Begleitung das Haus nicht mehr verlassen kann. Ein öffentliches Verkehrsmittel habe er seit mehr als 5 Jahren nicht mehr benützt. Durch diese Verschlechterung sei er in den letzten Jahren immer wieder gestürzt und habe sich Verletzungen zugezogen.

Befunde:

Bescheid Pflegegeld 11.3.2019 (Stufe 2)

MRT der linken Schulter 25.02.2019 (Zuweisungsdiagnose: Zustand nach Schulterluxation mit Reposition.

Bei Zustand nach Luxation findet sich eine Hill-Sachs-Delle loco typico. Partialruptur der Supraspinatussehne mit Retraktion; Ansatztendinose des Musculus infraspinatus.

Subtotaler, nahezu kompletter Abriss des Musculus subscapularis. Die lange Bizepssehne im arkuären Abschnitt nicht mehr abgrenzbar. Kein Nachweis einer eindeutigen Labrumläsion. Mäßige AC-Arthrose.)

Stellungnahme:

Maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der EVO sind objektivierbare Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde.

Die bei der Begutachtung am festgestellten Defizite im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates wurden in der Beurteilung hinsichtlich Einstufung nach der EVO und hinsichtlich beantragter Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in vollem Umfang berücksichtigt, wobei jedoch durch die objektivierbare Funktionsminderung, insbesondere im Bereich der unteren Extremitäten, eine hochgradige Einschränkung der Gehstrecke, wie o.a., gerade eben nicht begründet werden konnte.

Der vorgelegte Befund steht nicht in Widerspruch zu getroffener Einstufung, eine hochgradige Funktionseinschränkung der linken Schulter ist nicht dokumentiert. Befunde, die neue Tatsachen, noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden oder eine maßgebliche Verschlimmerung belegen könnten, wurden nicht vorgelegt. Die vorgebrachten Argumente beinhalten keine neuen Erkenntnisse, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten, sodass daran festgehalten wird."

Mit angefochtenem Bescheid vom 10.04.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. In der Begründung des Bescheides werden im Wesentlichen die Ausführungen des eingeholten Sachverständigengutachtens vom 23.03.2019, welches als schlüssig erachtet werde, wiedergegeben. Dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Die Einwände des Beschwerdeführers seien nicht geeignet gewesen, zu einer Änderung des Ergebnisses zu führen. Mit dem Bescheid wurden dem Beschwerdeführer das ärztliche Sachverständigengutachten und die ergänzende Stellungnahme der Gutachterin übermittelt. Weiters wurde im Bescheid angemerkt, dass über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht abgesprochen werde, da laut Entscheidung der belangten Behörde die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorlägen.

Mit E-Mail vom 21.05.2019 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dabei brachte er vor, seine gesundheitlichen Einschränkungen seien schwerwiegender als von der belangten Behörde festgestellt und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihm nicht mehr möglich. Er leide unter einer massiven Gangataxie und könne nur unter starken Schmerzen und mit einer Unterarmstützkrücke maximal 100 Meter gehen. Aufgrund seiner gesundheitlichen Verschlechterung sei es insbesondere in den letzten Monaten zu mehrfachen Stürzen, zuletzt mit traumatischer Luxation der linken Schulter und Roatatorenmanschettenruptur gekommen, weswegen er demnächst auch operiert werden müsse. Weitere umfassende medizinische Gründe seien dem der Beschwerde angeschlossenen Ambulanzbrief vom 08.05.2019 zu entnehmen.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde sowie den der Beschwerde beigelegten Ambulanzbrief der bereits befassten Fachärztin für Orthopädie vor.

Die Sachverständige führte in ihrer auf der Aktenlage basierenden Stellungnahme vom 01.07.2019 Folgendes aus:

"...

AW erklärt sich mit dem Ergebnis der Begutachtung vom 29.3.2019 nicht einverstanden und bringt in einer weiteren Stellungnahme vom 20.5.2019 vor, dass er unter einer massiven Gangataxie und starken Schmerzen leide und mit einer Unterarmstützkrücke maximal 100 m gehen könne. Es sei in letzter Zeit zu einer Verschlimmerung mit mehrfachen Stürzen, zuletzt traumatischer Luxation der linken Schulter und Rotatorenmanschettenruptur, gekommen, eine Operation sei geplant.

Befunde:

Befund Krankenhaus Speising 8.5.2019 (cervicale Myelopathie, progrediente ataktische Gangstörung bei Zustand nach ventraler Spondylodese C4/C5. Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Pat. äußerst beschwerlich und mit erheblicher Sturzgefahr behaftet. Ausgeprägte Cervicobrachialgie v.a. re. mit Schwäche und Ungeschicklichkeit)

Stellungnahme:

Eine maßgebliche Verschlimmerung konnte durch den Befund Krankenhaus Speising 8.5.2019 nicht belegt werden. Es wird zwar eine ataktische Gangstörung beschrieben, ein ausführlicher orthopädischer bzw. neurologischer Status ist nicht angeschlossen, sodass anhand dieses Befundes die Feststellung einer Verschlimmerung nicht getroffen werden kann.

Eine hochgradige Gangstörung liegt nicht vor, siehe Gangbildbeschreibung im eigenen Status vom 28. 2. 2019.

Eine hochgradige Funktionseinschränkung im Bereich der oberen Extremitäten, vor allem im Bereich der linken Schulter bei Zustand nach Luxation und Teilruptur der Supraspinatussehne ist nicht dokumentiert.

Anhand vorgelegter Befunde konnte eine maßgebliche Verschlimmerung, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert, nicht bewiesen werden, sodass an getroffener Beurteilung festgehalten wird."

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 02.07.2019 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 10.04.2019, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen worden war, abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung würden nicht vorliegen.

Mit E-Mail vom 19.07.2019 stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG. Darin wiederholte er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und verwies zudem auf ein neurologisches Konsil vom 11.07.2019, in welchem aus neurologischer Sicht eine massive Gangbeeinträchtigung und ein massiv erhöhtes Sturzrisiko bestehe und die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus Sicht des behandelnden Neurologen ohne Inkaufnahme eines massiv erhöhten Sturzrisikos nicht zumutbar sei. Dem Vorlageantrag wurde ein Konvolut an medizinischen Befunden angeschlossen.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 23.07.2019 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.

Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers und der vorgelegten medizinischen Befunde ersuchte das Bundesverwaltungsgericht um Erstellung eines Sachverständigengutachtens. In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.11.2019 basierenden Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom selben Tag wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Anamnese: Begleitung Ehefrau (Pass).

Es besteht ein Zustand nach Schleudertrauma der Halswirbelsäule 1984, C4/5 OP 1993, es besteht eine beinbetonte Tetraparese bei cervikaler Myelopathie, bisher 5 Rehabaufenthalte dzt im Rehab Baumgarten

Nervenärztliche Betreuung: keine

Subjektive derzeitige Beschwerden: Gangstörung, Sturzgefahr

Sozialanamnese: lebt verheiratet, pensioniert, Pflegestufe 2

Medikamente (neurologisch/ psychiatrisch): Novalgin , Neurontin 300mg

Neurostatus:

Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten Pronieren und Absinken re > li, Feinmotorik re > li gestört

Die Muskeleigenreflexe sind rechtsbetont übermittellebhaft auslösbar, die Koordination ist re > li etwas gestört, an den unteren Extremitäten besteht eine e betonte Paraparese

Fersen/ Zehenspitzen/ Einbeinstand bds.frei nicht möglich die Muskeleigenreflexe sind re betont übermittellebhaft auslösbar.

Die Koordination ist deutlich ataktisch die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten pos. Die Sensibilität wird ab C4 als gestört angegeben Das Gangbild ist hochgradig eingeschränkt, kann mühsam mit 2 Krücken gehen, braucht für längere Strecken einen Rollstuhl

1.) Diagnosen:

1. rechtsbetonte Tetraparese bei cervikaler Myelopathie

2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Spondylolisthese C4/5

3. Posttraumatische Funktionseinschränkung geringes Grades li Schulter

2.) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Ja, es liegt eine deutliche sensomotorische Einschränkung der UE mit einer hochgradigen ataktischen Gangstörung vor.

3.) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Aus nervenärztlicher Sicht: Nein

4.) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen vor?

Nein

5.) Ausführliche Stellungnahme zu den Einwendungen des Beschwerdeführers Abl. 76-77 und den vorgelegten Befunden Abl. 78-100

Abl.76-77: Es liegt eine deutliche beinbetonte Tetraparese vor bei einer cervikalen Myelopathie, die Gehstrecke ist stark verkürzt.

Abl.78-100: Es liegt eine deutliche beinbetonte Tetraparese vor bei einer cervikalen Myelopathie, die Gehstrecke ist stark verkürzt.

6.) Stellungnahme zu allf. von den angefochtenen Gutachten Abl. 23-28 und Stellungnahmen Abl. 57-58 und 68-69 abweichenden

Beurteilungen.Abl.23-28:

Änderung der Beurteilung: Es liegen folgende Funktionseinschränkungen aus nervenärztlicher Sicht vor, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (300-400m), das Ein- und Aussteigen bei den üblichen Niveauunterschieden ohne fremde Hilfe oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel erheblich erschweren: beinbetonte Tetraparese mit deutlicher Beeinträchtigung des Geh Und Stehvermögens

Abl.57-58: Die Problematik i li Schultergelenk kann aus meinem Fachgebiet nicht beurteilt werden

Abl.68-69: Im Vergleich zum Befund vom 28.2.19 Verschlechterung der Gangstörung bei cervikaler Myelopathie

7.) Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Dauerzustand

8.) Wurden im Rahmen der nunmehrigen Begutachtung weitere Befunde vorgelegt, welche der Neuerungsbeschränkung unterliegen? Nein"

Mit Schreiben vom 25.11.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde das genannte Gutachten vom 12.11.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesen die Möglichkeit ein, innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Beide Parteien gaben keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.

Er stellte am 27.11.2018 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.04.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ab.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 02.07.2019 wies die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom 10.04.2019 eingebrachte Beschwerde ab.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-

rechtsbetonte Tetraparese bei cervikaler Myelopathie

-

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Sponylolisthese C4/5

-

Posttraumatische Funktionseinschränkung geringen Grades li Schulter

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer nicht zumutbar.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß und wechselseitigen Leidensbeeinflussung sowie der Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie vom 12.11.2019 zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründet sich auf das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 12.11.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag.

Das Gutachten ist aus fachlicher Sicht schlüssig und nachvollziehbar. Es wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen. Der Sachverständige führt dabei aus, dass im Vergleich zum seitens der belangten Behörde eingeholten orthopädischen Vorgutachten vom 25.03.2019 und den Stellungnahmen vom 09.04.2019 und 01.07.2019 eine Verschlechterung der Gangstörung bei cervikaler Myelopathie stattgefunden hat.

Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Metern, das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel sind aufgrund der beinbetonten Tetraparese mit deutlicher Beeinträchtigung des Geh- und Stehvermögens erheblich erschwert.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass sind damit erfüllt.

Weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde gaben eine Stellungnahme zum eingeholten Sachverständigengutachten ab.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruhenden Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 12.11.2019 und wird dieses in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

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§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

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erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

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Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-

Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-

hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

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schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-

nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-

anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

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schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-

fortgeschrittene

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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