TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/3 W103 1253646-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2020
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Entscheidungsdatum

03.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W103 1253646-4/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.10.2019, Zahl 741768809-190822550, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, ist Muslim, reiste am 01.09.2004 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

Seinen Antrag begründete der BF in einer Einvernahme beim Bundesasylamt am 06.12.2006 im Wesentlichen damit, dass er in Tschetschenien bei einer russischen Polizeieinheit gearbeitet, diese jedoch nach sechs Monaten verlassen habe, da es zu gefährlich gewesen sei. Nachdem er dort aufgehört habe zu arbeiten, sei er eines Nachts im Frühjahr 2002 entführt, misshandelt und in ein Erdloch gesetzt worden. Er habe nur durch Zufall überlebt. In weiterer Folge sei er von der Polizei einvernommen worden, die ihn verdächtigt habe, in der Nähe von Panzerfahrzeugen Sprengsätze versteckt zu haben. Der BF sei, nachdem er den Verdacht ausräumen habe können, freigelassen worden. Bei zahlreichen Straßenkontrollen habe er aber immer Angst gehabt, da bei dem beschriebenen Vorfall seine Personaldaten aufgenommen worden seien und er immer nervös gewesen sei. Er sei jedoch seither nie mehr festgenommen worden. Er habe aber ständig Angst gehabt und habe im Juni 2004 das Herkunftsland verlassen. Er verspüre immer noch Angst, wenn er daran denke, dass er wieder in Tschetschenien sein müsste.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.02.2007, Zl. 04 17.688-BAS, wurde dem Asylantrag des BF gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl I 1997/76 idF BGBl I 101/2003, stattgegeben und ihm Asyl gewährt und gemäß § 12 leg.cit. festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Dazu wurde festgestellt, dass der BF Staatsangehöriger von Russland sei und einen unter § 7 AsylG zu subsumierenden Sachverhalt vorgebracht habe, dem keine Ergebnisse des amtswegigen Ermittlungsverfahrens entgegenstehen, sodass dieser als Feststellung dem vorliegenden Verfahren zugrunde gelegt werden könne. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesasylamt aufgrund des amtswegigen Ermittlungsverfahrens zur Ansicht gelange, dass alle Voraussetzungen zur Asylgewährung vorliegen. Da dem Antrag auf Asylgewährung vollinhaltlich Rechnung getragen werde, könne gemäß § 58 Abs. 2 AVG eine nähere Begründung entfallen.

Der Bescheid wurde dem BF am 20.02.2007 zugestellt und wurde rechtskräftig.

1.2. Der BF wurde im Bundesgebiet wiederholt wegen Straftaten rechtskräftig gerichtlich verurteilt.

Erstmals wurde der BF mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom Oktober 2010 wegen des Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz gemäß § 27 Abs. 1/1 (2. Fall) SMG und wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat rechtskräftig verurteilt, wobei die Vollstreckung bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren nachgesehen wurde.

Der Verurteilung lag u.a. zugrunde, dass der BF im März 2010 eine Person am Körper verletzte, indem er diese mit mehreren Faustschlägen verletzte, wodurch diese eine Gehirnerschütterung, eine Rissquetschwunde an der Unterlippe rechts, Abschürfungen am Kopf, eine Prellung der linken Schulter sowie eine Zerrung der Halswirbelsäule erlitt.

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom Jänner 2011 wurde der BF wegen des Vergehens des Diebstahls gemäß §§ 15, 127 bedingt zu einer Freiheitsstrafe von 10 Wochen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom selben Tag wurde die Probezeit hinsichtlich seiner ersten Verurteilung auf 5 Jahre verlängert.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom April 2011 wurde der BF wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch gemäß §§ 127 und 129 Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten rechtskräftig verurteilt. Der BF wurde am 23.11.2011 bedingt unter Verhängung einer Probezeit von 3 Jahren und der Anordnung von Bewährungshilfe aus der Freiheitsstrafe entlassen.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom April 2012 wurde der BF wegen des Vergehens des Diebstahls und der Sachbeschädigung gemäß §§ 15, 127 und 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom Juli 2012 wurde der BF wegen des Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz gemäß §§ 15, 27 Abs. 1 Z 1

8. Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom Juli 2013 wurde der BF wegen des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom April 2014 wurde der BF wegen des Vergehens des Diebstahls und der Körperverletzung sowie schweren Körperverletzung gemäß §§ 15, 127, 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag u.a. zugrunde, dass der BF im September 2013 einer Person mehrere Faustschläge versetzte, wodurch diese eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine offene Lidverletzung mit Tränenwegsabriss im inneren Lidwinkel des linken Unterlides erlitten habe.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom Juli 2014 wurde der BF wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls gemäß §§ 127, 130 1. Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren rechtskräftig verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Juni 2014 in Geschäften Waren an sich genommen und damit den Kassabereich passiert hat, sowie im Mai und Juni 2014 versucht hat, Waren wegzunehmen, wobei er beobachtet und nach der Kassa angehalten wurde. Als "mildernd" wurden das reumütige Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und trotz teilweiser Vollendung kein Schaden aufgrund der Sicherstellung entstanden ist, als "erschwerend" wurden 5 einschlägige Vorstrafen, der rasche Rückfall nach der letzten Verurteilung im Wissen, dass eine offene Strafhaft besteht, sowie das Vorliegen der Voraussetzung nach § 39 StGB sowie die Tatwiederholung gewertet.

Laut Urteil ist es dem BF bei jeder Tat darauf angekommen, sich durch wiederkehrende Begehung dieser Straftaten eine fortlaufende, beträchtliche Einnahme zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes über zumindest einige Wochen zu verschaffen. Die Taten standen nicht im Zusammenhang mit der Beschaffung von Suchtmitteln, ein diversionelles Vorgehen kam aufgrund der Vorstrafenbelastung nicht in Betracht.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 19.06.2016, Zl. 741.768.809, wurde der dem BF mit Bescheid vom 06.02.2007 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde dem BF unter Spruchpunkt II. der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG nicht zuerkannt. Gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG wurde gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Die Aberkennung wurde im Wesentlichen mit den strafrechtlichen Verurteilungen des BF begründet, und dazu weiter festgestellt, dass somit ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 vorliegen würde, da es sich bei den vom BF verübten Delikten im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zweifellos um als besonders schwer einzustufende Delikte handle, wobei die Zukunftsprognose jedenfalls negativ ausfalle.

Einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.07.2017, Zl. W182 1253646-2/4E, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesamt keine nachvollziehbare Subsumption des festgestellten Sachverhaltes unter einer der in Art. 1 Abschnitt C der GFK genannten Voraussetzungen vorgenommen habe und die tragenden Begründungselemente sich im bekämpften Bescheid als unklar und kaum nachvollziehbar erwiesen haben. Im Ergebnis habe das Bundesamt hinsichtlich der getroffenen Feststellungen und Begründung offenbar das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 angenommen, wobei die Straftaten des BF ungeachtet der hohen Rückfälligkeit für sich genommen weder objektiv noch subjektiv als besonders schwere Verbrechen im Sinne der der höchstgerichtlichen Judikatur zu werten seien. Hinsichtlich der Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 habe das Bundesamt, das nicht einmal eine Einvernahme des BF durchgeführt habe, keine aussagekräftigen Ermittlungen angestellt, weshalb diesbezüglich von besonders gravierenden Ermittlungssäumnissen der Behörde im Sinne von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG auszugehen gewesen sei. Da dem bekämpften Bescheid kein Antrag einer Partei zugrunde liege und angesichts der krassen Ermittlungssäumnisse im Hinblick auf § 7 Abs. 2 AsylG auch keine Grundlage für eine geeignete Prognose hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ermittelt worden sei, sei die Entscheidung ersatzlos zu beheben gewesen. Ungeachtet dessen wurde das Bundesamt angewiesen, im Hinblick auf § 7 Abs. 2 AsylG 2005 auf der Grundlage des ursprünglichen Vorbringens des BF, das zur Asylgewährung geführt habe, unter Einbeziehung relevanter Länderinformationen im Wege einer Einvernahme des BF zu prüfen, ob eine entsprechende Wahrscheinlichkeit im Sinne des zweiten Halbsatzes nach § 7 Abs. 2 AsylG 2005 bestehe.

2. Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichts vom November 2018 wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß §§ 15, 83 Abs. 1 StGB, der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB, des Diebstahles gemäß §§ 15, 127 StGB sowie des Verbrechens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 4 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 4 Jahren rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag u.a. zugrunde, dass der BF im September 2018 eine Person am Körper zu verletzen versucht hat, indem er mit seiner Hand auf deren Kopf geschlagen hat, am Folgetag derselben Person, nachdem er deren Wohnungstür durch Fußtritte beschädigt hat, dadurch eine schwere Körperverletzung herbeizuführen versucht hat, indem er ihr mit einem Klappmesser von Hinten einen Stich ins Gesäß versetzt hat, wodurch diese eine 3 cm lange und 5 cm tiefe klaffende Stichwunde am Gesäß erlitten hat. Zudem hat er im Jänner 2018 versucht, in einer Geschäftsfiliale Waren im Gesamtwert von über € 300 zu stehlen. Zur Person des BF wurde u.a. ausgeführt, dass er geschieden ist, Sorgepflichten für vier Kinder hat, kein Vermögen hat und zuletzt ohne Beschäftigung gewesen ist sowie Einkommen aus der Sozialhilfe bezogen hat. Er hat elf Klassen Allgemeinschule in Russland besucht. Das Gericht wertete als erschwerend die sieben einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von drei Vergehen mit einem Verbrechen, den raschen Rückfall im Hinblick auf den Vorwurf des Diebstahles, die Begehung von Straftaten in Kenntnis eines laufenden Strafverfahrens sowie das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB, als mildernd das reumütige Geständnis, sowie dass es überwiegend beim Versuch geblieben ist. Aufgrund der Gefährlichkeit des BF in Bezug auf sein durch sieben einschlägige Vorstrafen getrübtes Vorleben, war auch im Hinblick auf die Schwere der Tathandlung eine empfindliche Freiheitsstrafe zu verhängen, um den BF das Unrecht seiner Taten eindrucksvoll vor Augen führen zu können sowie auch der Begehung weiterer solcher strafbaren Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

3. In einer Einvernahme beim Bundesamt am 12.11.2018 erklärte der BF auf die Frage, ob ihm sein Asylstatus im Zusammenhang mit dem Tschetschenienkrieg zuerkannt worden sei, dass er sich daran nicht mehr erinnern könne. Befragt, warum er in Österreich um Asyl angesucht habe bzw. was seine Fluchtgründe gewesen seien, gab er an, dass es viele Gründe gegeben habe und er sich nicht an alles erinnern könne. Die Frage, was passieren würde, wenn er nach Russland abgeschoben werden, beantwortete er dahingehend, dass er es nichts wisse und daher nichts sagen könne. Im Herkunftsland würden sich noch Onkel, Tanten Cousins und Cousinen aufhalten, er habe jedoch keinen Kontakt mehr. Der BF sei gesund, geschieden und alleinstehend. In Österreich würden seine Mutter, seine Schwestern, seine Ex-Frau sowie vier minderjährige Kinder leben. Die Obsorge hinsichtlich seiner Kinder sei ihm nicht entzogen worden, er dürfe seine Kinder sehen und besuchen, sie würden allerdings bei der Kindesmutter wohnen. Er habe sie vor der Haft regelmäßig gesehen, das letzte Mal sei dies vor ca. 2 Monaten gewesen. Auf Vorhalt, dass er laut Versicherungsdatenauszug in Österreich (zumindest in den letzten fünf Jahren) nie gearbeitet habe, erklärte der BF lediglich, dass es ihm nicht gelungen sei. Vor der Inhaftierung habe er Mindestsicherung bezogen. Er habe keine Freunde in Österreich. Der BF war nicht in der Lage, die Einvernahme in Deutsch durchzuführen, sondern bedurfte der Beiziehung eines Dolmetschers der russischen Sprache. Dem BF wurden aktuelle Länderfeststellungen zur Situation im Herkunftsland zu Kenntnis gebracht und ihm dazu die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme binnen 2 Wochen eingeräumt, wovon kein Gebrauch gemacht wurde.

4.1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.01.2019 erkannte das Bundesamt dem BF den mit Bescheid vom 16.02.2007, Zl. 04 17.688-BAS, zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte das Bundesamt dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG idgF wurde gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

4.2. Darin wurde u.a. festgestellt, dass die Identität des BF feststehe, er russischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der Tschetschenen angehöre und moslemischen Glaubens sei. Er beherrsche die tschetschenische sowie die russische Sprache auf ausgezeichnetem Niveau. Er leide an keinen lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankungen und sei arbeitsfähig. Dem BF sei der Status des Asylberechtigten aufgrund der Kriegssituation in Tschetschenien zum Zeitpunkt der Ausreise zuerkannt worden. Er sei niemals politisch tätig gewesen. Auch sei er niemals aufgrund der Tradition der Blutrache gefährdet gewesen. Er sei einmal über Nacht angehalten und misshandelt worden. Die Lage in seinem Herkunftsstaat habe sich seit Zuerkennung des Status des Asylberechtigten maßgeblich und nachhaltig geändert. Er müsse nicht befürchten, Opfer etwaiger gegen ihn persönlich gerichteter Verfolgungshandlungen zu werden. Darüber hinaus sei er mehrmals von österreichischen Strafgerichten verurteilt worden, weshalb ihm die Ablaufhemmung nach § 7 Abs 3 AsylG 2005 nicht zukomme. Der BF sei in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen und sei in die russische bzw. tschetschenische Gesellschaft integriert. Er verfüge über Angehörige zweiten und entfernteren Grades in der Russischen Föderation. Ihm drohe im Falle einer Rückkehr nicht im gesamten russischen Staatsgebiet, in eine aussichtslose Lage zu geraten, oder hinsichtlich seines Rechts auf Leben oder körperliche Unversehrtheit verletzt zu werden, auch drohe ihm im russischen Staatsgebiet weder Folter, noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Er sei keinen Verfolgungshandlungen seitens der russischen Behörden oder Dritter ausgesetzt. Die Wiedereinreise in die Russische Föderation könne gefahrlos erfolgen. Der BF sei seit dem Jahr 2004 in Österreich aufhältig. Seine Ex-Frau sowie seine vier Kinder seien in Österreich aufhältig. Er sei seit mehreren Jahren geschieden und zumindest seit 2012 verfüge er über keinen gemeinsamen Haushalt. Er sei in Österreich neun Mal gerichtlich vorbestraft. Daneben sei er auch von Verwaltungsbehörden bestraft worden und sei ihm der Führerschein entzogen worden. Er gehe keiner bezahlten Erwerbstätigkeit nach. Er verfüge nur über marginale Kenntnisse der deutschen Sprache. Er habe keinen österreichischen Freundeskreis. Eine nennenswerte Integration in die österreichische Gesellschaft sei für die erkennende Behörde nicht ersichtlich, seine familiären bzw. privaten Interessen haben hinter jenen der Öffentlichkeit zurückzutreten. Eine Fortsetzung seines Aufenthalts stelle eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 31.05.2019 unter der GZ: W182 1253646-3/5E als unbegründet abgewiesen. Das verhängte Einreiseverbot wurde jedoch auf 10 Jahre herabgesetzt.

5. Folgeantrag nach § 68 AVG:

5.1. Am 01.08.2019 brachte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein, zu dem er am 12.08.2019 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Er gab an, dass er schon längere Zeit in Österreich wäre und seine geschiedene Frau sowie seine Kinder hier leben würden. Sie hätten keine russischen Papiere mehr und Ihre Mutter würde sich auch in Österreich befinden, welche er nicht alleine lassen wollen. Alle nahen Verwandten wären in Österreich.

Am 23.08.2019 wurde dem BF die Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG ausgefolgt, dass beabsichtigt sei, seinem Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahmen vom 12.09.2019 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll:

" (...)

LA: Die Dolmetscherin wurde durch mündlich verkündeten Bescheid für die Sprache Tschetschenisch bestellt und beeidet, sind Sie dieser Sprache mächtig und damit einverstanden, in dieser Sprache einvernommen zu werden?

VP: Ja.

LA: Verstehen Sie die Dolmetscherin?

VP: Ja.

LA: Haben Sie einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten in Ihrem Asylverfahren?

VP: Nein.

LA: Hat die Rechtsberatung schon stattgefunden?

VP: Die Rechtsberatung war vor der Einvernahme.

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

VP: Nein.

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP: Ja.

LA: Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und keinesfalls an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet oder öffentlich gemacht werden. Weiters werden Sie darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren bilden und dass diesen Angaben in der Erstaufnahmestelle verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt. Falsche Angaben Ihre Identität bzw. Nationalität betreffend können verwaltungsstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Täuschungen über die Identität, die Nationalität oder über die Echtheit von Dokumenten können zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führen. Über die Rechtsfolgen und der im allgemeinen nicht möglichen Einbringung neuer Tatsachen in dem Fall, dass Ihrem Ersuchen um Gewährung von internationalem Schutz vom Bundesamt nicht nachgekommen wird (Neuerungsverbot) werden Sie hiermit ebenfalls hingewiesen.

Sie sind weiters verpflichtet, bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen und an diesen mitzuwirken, der Behörde Ihren Aufenthaltsort, Ihre Anschrift und deren allfällige Änderungen sofort bekanntzugeben, sich längstens binnen drei Tagen bei der Meldebehörde anzumelden.

Wenn Sie diesen Mitwirkungspflichten aus von Ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht nachkommen können, so teilen Sie dies der Behörde unverzüglich mit.

LA: Haben Sie diese Informationen verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?

VP: Ja.

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP: Ich habe zwar eine russische Dolmetscherin gehabt und habe alles so gut, wie möglich berichtet. Ich hätte noch weitere Ergänzungen zu meinem Asylantrag. Nachgefragt: Ich habe einen negativen Bescheid und die Information, dass ich aus Österreich ausgewiesen werde bekommen. Ich habe Angst nach Hause zu fahren und Angst um mein Leben. Ich habe große Angst und habe sogar versucht, mir das Leben zu nehmen.

Anmerkung: Die Partei zeigt Wunden auf dem Arm und auf dem Bein.

Ich habe alle Dokumente hier verloren. Ich habe in Österreich auch eine Familie und meine Mutter lebt auch in Österreich. Alle meine nahe stehenden Personen leben in Österreich. Ich möchte nicht zurück. Ich habe keinen Beruf und auch keine Ausbildung. Ich habe hier in Österreich Kurse besucht und absolviert und auch gearbeitet. Ich kann mich in Tschetschenien auch nicht vor der Polizei rechtfertigen, warum ich in Österreich war und warum ich nach Hause gekommen bin. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Meine Familie ist in Österreich, die werden mir fehlen und ich habe in der Russischen Föderation nicht zu tun.

LA: Sind Sie gesund?

VP: Ich war früher drogensüchtig und bin das jetzt nicht mehr. Ich bin sonst gesund.

LA: Sind die Angaben, die Sie im Rahmen der Erstbefragung im 2. Verfahren gemacht haben richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

VP: Ich habe keine Dokumente. Es war alles die Wahrheit, was ich bei der Polizei ausgesagt habe. Ich habe überhaupt keine Dokumente.

LA: Welchen Fluchtgrund haben Sie jetzt in Ihrem 2. Verfahren?

VP: Nichts mehr. Ich kann momentan nichts mehr sagen.

LA: Sind Sie verheiratet?

VP: ich bin geschieden.

LA: Haben Sie Kinder?

VP: Ja ich habe 4 Kinder. Nachgefragt: Sie leben in Wien.

Nachgefragt Alter: 15, 14, 11 und 10 Jahre.

LA: Sind Sie in Österreich Mitglied in Vereinen oder Organisationen?

VP: Ich habe Termine bei Neustart gehabt.

LA: Haben Sie in Österreich Kurse oder Ausbildungen absolviert?

VP: Ich habe Deutschkurse gemacht. Das war im Jahr 2009

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland Familienangehörige oder Verwandte?

VP: Ich habe dort weitschichtige Verwandte. Ich habe kein Haus und keine Wohnung. Nachgefragt: mütterlicherseits und väterlicherseits weitschichtige Verwandte.

LA: Haben Sie noch Kontakt in Ihr Heimatland?

VP: Nein, habe ich nicht.

LA: Wann sind Sie erstmals in Österreich eingereist?

VP: 2006

LA: Sind Sie seither durchgehend in Österreich aufhältig?

VP: Ja.

LA: Ihnen wurde der Status des Asylberechtigten aberkannt. Sie verfügen über kein Aufenthaltsrecht für Österreich. Sie haben eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes gem. §29 AsylG 2005 übernommen, in welcher Ihnen mitgeteilt wurde, dass, seitens des Bundesamtes die Absicht besteht, Ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Sie haben nunmehr Gelegenheit, zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes Stellung zu beziehen. Möchten Sie eine Stellungnahme abgeben?

VP: Ich möchte nicht nach Hause. Ich habe keine Dokumente. Die erste Einvernahme ist nicht in diesem Akt? Warum bekomme ich wieder dieselben Fragen gestellt?

Anmerkung: Die Partei wird darüber aufgeklärt, dass es sich aufgrund der neuerlichen Antragstellung um das Parteiengehör handelt.

Ich werde alle Fragen beantworten.

LA: wollen Sie noch etwas angeben: Nein. Warum kann ich nicht in Österreich bleiben?

Anmerkung: Die Partei wird über die Aberkennung im Vorverfahren aufgeklärt.

Anmerkung: Der RB wird die Möglichkeit eingeräumt, Fragen anzuregen oder eine Stellungnahme, wovon kein Gebrauch gemacht wird.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie ausreichend Gelegenheit alles zum Verfahren vorzubringen oder haben Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Ich bin nicht einverstanden mit diesem Bescheid und möchte nicht nach Hause zurückkehren. Ich habe keine Dokumente und habe meine Familie in Österreich. Warum fragen Sie mich immer dasselbe? Sie haben mich das schon einmal gefragt.

Anmerkung: Sie haben auch die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr, dabei werden Sie vom Verein Menschenrechte Österreichs unterstützt.

Wollen Sie dazu etwas sagen?

VP: Wenn mich dieser Verein unterstützt, darf ich dann selber ausreisen. Ich fahre nicht nach Hause. Ich habe gesagt, dass ich Selbstmord mach. Ich will nicht zurück. Ich habe keinen Fernseher in der Zelle. Alle haben einen Fernseher in der Zelle nur ich nicht. Vielleicht mögen Sie mich hier nicht.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt:

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Nein.

Ergänzungen: Ich kenne nichts in Tschetschenien und ich kenne auch keine Leute dort. Ich kenne dort überhaupt keine Leute. Das ist nicht so wichtig. Ich habe dort keine Familie und keine Freunde und daher keine Verbindung zu diesem Land.

LA: Haben Sie den Dolmetscherin einwandfrei verstanden?

VP: Ja.

Anmerkung: Die Verfahrenspartei wird über den weiteren Verlauf des Verfahrens aufgeklärt.

LA: Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und die erfolgte Rückübersetzung!

VP: Ja.

(...)

5.2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.10.2019 wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 01.08.2019 sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch jenes des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.).

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, der Beschwerdeführer habe im neuerlichen Asylverfahren keine glaubwürdigen weiteren asylrelevanten Gründe vorgebracht und es habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben. Die seine Person betreffende allgemeine Lage im Herkunftsstaat habe sich seit Rechtskraft seines vorangegangenen Aberkennungsverfahrens nicht geändert. Der Beschwerdeführer habe sich im nunmehrigen Verfahren neuerlich auf die bereits im Vorverfahren angegebenen Probleme berufen. Da er sein Vorbringen im gegenständlichen Asylverfahren auf ein bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen gestützt hätte, könne kein neuer Sachverhalt vorliegen. Da weder in der maßgeblichen Sachlage, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vorneherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, steht die Rechtskraft des Erkenntnisses vom 31.05.2019, GZ: W182 1253646-3/5E (betreffend Aberkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 7 Abs. 1 Z 2 u § 8 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 dem neuerlichen Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten iSd § 3 AsylG, als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 AsylG entgegen, weswegen das Bundesamt zu seiner Zurückweisung verpflichtet sei.

Da dem BF gegenüber eine vorherige, mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung noch aufrecht sei, sei eine neuerliche Rückkehrentscheidung nicht zu erlassen (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 und 13.02.2018, Ra 2017/18/0332).

Der BF sei somit zur unverzüglichen Ausreise weiterhin verpflichtet.

Der angeführte Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 29.10..2019 in der JA Stein zugestellt.

5.3. Durch die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation wurde mit Eingabe vom 11.11.2019 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde im vollen Umfang eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, für den Fall einer Abschiebung würde sich der BF in eine aussichtslose Lage geraten, da er sich dort nicht mehr zurecht finden würde und keine Dokumente besitze. Der Eingriff in sein Privat und Familienleben sei nicht zulässig und nicht ausreichend geprüft worden. Er befürchte weiterhin Verfolgung, da er früher für eine russische Polizeieinheit gearbeitet habe.

5.4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten am 13.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.02.2007, Zl. 04 17.688-BAS, wurde dem Asylantrag des BF gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl I 1997/76 idF BGBl I 101/2003, stattgegeben und ihm Asyl gewährt und gemäß § 12 leg.cit. festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Dazu wurde festgestellt, dass der BF Staatsangehöriger von Russland sei und einen unter § 7 AsylG zu subsumierenden Sachverhalt vorgebracht habe, dem keine Ergebnisse des amtswegigen Ermittlungsverfahrens entgegenstehen, sodass dieser als Feststellung dem vorliegenden Verfahren zugrunde gelegt werden könne. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesasylamt aufgrund des amtswegigen Ermittlungsverfahrens zur Ansicht gelange, dass alle Voraussetzungen zur Asylgewährung vorliegen. Da dem Antrag auf Asylgewährung vollinhaltlich Rechnung getragen werde, könne gemäß § 58 Abs. 2 AVG eine nähere Begründung entfallen.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 19.06.2016, Zl. 741.768.809, wurde der dem BF mit Bescheid vom 06.02.2007 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde dem BF unter Spruchpunkt II. der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG nicht zuerkannt. Gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG wurde gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Die Aberkennung wurde im Wesentlichen mit den strafrechtlichen Verurteilungen des BF begründet, und dazu weiter festgestellt, dass somit ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 vorliegen würde, da es sich bei den vom BF verübten Delikten im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zweifellos um als besonders schwer einzustufende Delikte handle, wobei die Zukunftsprognose jedenfalls negativ ausfalle.

Einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.07.2017, Zl. W182 1253646-2/4E, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesamt keine nachvollziehbare Subsumption des festgestellten Sachverhaltes unter einer der in Art. 1 Abschnitt C der GFK genannten Voraussetzungen vorgenommen habe und die tragenden Begründungselemente sich im bekämpften Bescheid als unklar und kaum nachvollziehbar erwiesen haben. Im Ergebnis habe das Bundesamt hinsichtlich der getroffenen Feststellungen und Begründung offenbar das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 angenommen, wobei die Straftaten des BF ungeachtet der hohen Rückfälligkeit für sich genommen weder objektiv noch subjektiv als besonders schwere Verbrechen im Sinne der der höchstgerichtlichen Judikatur zu werten seien. Hinsichtlich der Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 habe das Bundesamt, das nicht einmal eine Einvernahme des BF durchgeführt habe, keine aussagekräftigen Ermittlungen angestellt, weshalb diesbezüglich von besonders gravierenden Ermittlungssäumnissen der Behörde im Sinne von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG auszugehen gewesen sei. Da dem bekämpften Bescheid kein Antrag einer Partei zugrunde liege und angesichts der krassen Ermittlungssäumnisse im Hinblick auf § 7 Abs. 2 AsylG auch keine Grundlage für eine geeignete Prognose hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ermittelt worden sei, sei die Entscheidung ersatzlos zu beheben gewesen. Ungeachtet dessen wurde das Bundesamt angewiesen, im Hinblick auf § 7 Abs. 2 AsylG 2005 auf der Grundlage des ursprünglichen Vorbringens des BF, das zur Asylgewährung geführt habe, unter Einbeziehung relevanter Länderinformationen im Wege einer Einvernahme des BF zu prüfen, ob eine entsprechende Wahrscheinlichkeit im Sinne des zweiten Halbsatzes nach § 7 Abs. 2 AsylG 2005 bestehe.

1.4 Mit Bescheid vom 24.01.2019 erkannte das Bundesamt dem BF den mit Bescheid vom 16.02.2007, Zl. 04 17.688-BAS, zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte das Bundesamt dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG idgF wurde gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

1.5. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 31.05.2019 unter der GZ: W182 1253646-3/5E als unbegründet abgewiesen. Das verhängte Einreiseverbot wurde jedoch auf 10 Jahre herabgesetzt.

1.6. Am 01.08.2019 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zu dessen Begründung brachte der Beschwerdeführer weder neue Fluchtgründe, noch neue Beweismittel oder eine Änderung der Lage im Herkunftsstaat oder eine sonstige Änderung der privaten Verhältnisse im Vergleich zu dem rechtskräftig abgeschlossenen Asylaberkennungsverfahren vom 31.05.2019 vor. Der Beschwerdeführer gab an bzgl. seiner Ausreisegründe sei keine Änderung eingetreten, er wolle bei seinen Kindern und der geschiedenen Ehefrau, sowie der Mutter in Österreich bleiben

1.7. Eine wesentliche Änderung der den Beschwerdeführer betreffenden asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat oder eine wesentliche Änderung in sonstigen in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegenen Umständen kann nicht festgestellt werden.

1.8. Eine maßgebliche Änderung des Gesundheitszustandes der beschwerdeführenden Partei seit der rechtskräftigen Entscheidung in ihrem letzten inhaltlichen Asylverfahren wurde nicht behauptet und kann nicht festgestellt werden.

1.9. Da dem BF gegenüber eine vorherige, mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung noch aufrecht ist, war eine neuerliche Rückkehrentscheidung nicht zu erlassen(vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 und 13.02.2018, Ra 2017/18/0332).

1.10. Der Beschwerdeführer weist die folgenden strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

Erstmals wurde der BF mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom Oktober 2010 wegen des Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz gemäß § 27 Abs. 1/1 (2. Fall) SMG und wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat rechtskräftig verurteilt, wobei die Vollstreckung bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren nachgesehen wurde.

Der Verurteilung lag u.a. zugrunde, dass der BF im März 2010 eine Person am Körper verletzte, indem er diese mit mehreren Faustschlägen verletzte, wodurch diese eine Gehirnerschütterung, eine Rissquetschwunde an der Unterlippe rechts, Abschürfungen am Kopf, eine Prellung der linken Schulter sowie eine Zerrung der Halswirbelsäule erlitt.

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom Jänner 2011 wurde der BF wegen des Vergehens des Diebstahls gemäß §§ 15, 127 bedingt zu einer Freiheitsstrafe von 10 Wochen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom selben Tag wurde die Probezeit hinsichtlich seiner ersten Verurteilung auf 5 Jahre verlängert.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom April 2011 wurde der BF wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch gemäß §§ 127 und 129 Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten rechtskräftig verurteilt. Der BF wurde am 23.11.2011 bedingt unter Verhängung einer Probezeit von 3 Jahren und der Anordnung von Bewährungshilfe aus der Freiheitsstrafe entlassen.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom April 2012 wurde der BF wegen des Vergehens des Diebstahls und der Sachbeschädigung gemäß §§ 15, 127 und 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom Juli 2012 wurde der BF wegen des Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz gemäß §§ 15, 27 Abs. 1 Z 1

8. Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom Juli 2013 wurde der BF wegen des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom April 2014 wurde der BF wegen des Vergehens des Diebstahls und der Körperverletzung sowie schweren Körperverletzung gemäß §§ 15, 127, 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag u.a. zugrunde, dass der BF im September 2013 einer Person mehrere Faustschläge versetzte, wodurch diese eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine offene Lidverletzung mit Tränenwegsabriss im inneren Lidwinkel des linken Unterlides erlitten habe.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom Juli 2014 wurde der BF wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls gemäß §§ 127, 130 1. Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren rechtskräftig verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Juni 2014 in Geschäften Waren an sich genommen und damit den Kassabereich passiert hat, sowie im Mai und Juni 2014 versucht hat, Waren wegzunehmen, wobei er beobachtet und nach der Kassa angehalten wurde. Als "mildernd" wurden das reumütige Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und trotz teilweiser Vollendung kein Schaden aufgrund der Sicherstellung entstanden ist, als "erschwerend" wurden 5 einschlägige Vorstrafen, der rasche Rückfall nach der letzten Verurteilung im Wissen, dass eine offene Strafhaft besteht, sowie das Vorliegen der Voraussetzung nach § 39 StGB sowie die Tatwiederholung gewertet.

Laut Urteil ist es dem BF bei jeder Tat darauf angekommen, sich durch wiederkehrende Begehung dieser Straftaten eine fortlaufende, beträchtliche Einnahme zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes über zumindest einige Wochen zu verschaffen. Die Taten standen nicht im Zusammenhang mit der Beschaffung von Suchtmitteln, ein diversionelles Vorgehen kam aufgrund der Vorstrafenbelastung nicht in Betracht.

Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichts vom November 2018 wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß §§ 15, 83 Abs. 1 StGB, der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB, des Diebstahles gemäß §§ 15, 127 StGB sowie des Verbrechens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 4 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 4 Jahren rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag u.a. zugrunde, dass der BF im September 2018 eine Person am Körper zu verletzen versucht hat, indem er mit seiner Hand auf deren Kopf geschlagen hat, am Folgetag derselben Person, nachdem er deren Wohnungstür durch Fußtritte beschädigt hat, dadurch eine schwere Körperverletzung herbeizuführen versucht hat, indem er ihr mit einem Klappmesser von Hinten einen Stich ins Gesäß versetzt hat, wodurch diese eine 3 cm lange und 5 cm tiefe klaffende Stichwunde am Gesäß erlitten hat. Zudem hat er im Jänner 2018 versucht, in einer Geschäftsfiliale Waren im Gesamtwert von über € 300 zu stehlen. Zur Person des BF wurde u.a. ausgeführt, dass er geschieden ist, Sorgepflichten für vier Kinder hat, kein Vermögen hat und zuletzt ohne Beschäftigung gewesen ist sowie Einkommen aus der Sozialhilfe bezogen hat. Er hat elf Klassen Allgemeinschule in Russland besucht. Das Gericht wertete als erschwerend die sieben einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von drei Vergehen mit einem Verbrechen, den raschen Rückfall im Hinblick auf den Vorwurf des Diebstahles, die Begehung von Straftaten in Kenntnis eines laufenden Strafverfahrens sowie das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB, als mildernd das reumütige Geständnis, sowie dass es überwiegend beim Versuch geblieben ist. Aufgrund der Gefährlichkeit des BF in Bezug auf sein durch sieben einschlägige Vorstrafen getrübtes Vorleben, war auch im Hinblick auf die Schwere der Tathandlung eine empfindliche Freiheitsstrafe zu verhängen, um den BF das Unrecht seiner Taten eindrucksvoll vor Augen führen zu können sowie auch der Begehung weiterer solcher strafbaren Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

1.11. Zur Situation in der Russischen Föderation wird auf die Feststellungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche sich im Wesentlichen mit jenen im hg. Erkenntnis decken und aus welchen sich auszugsweise Folgendes ergibt:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (CIA 29.7.2019, vgl. GIZ 8.2019c). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 8.2019a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie (GIZ 8.2019a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018, vgl. FH 4.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018, vgl. FH 4.2.2019). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderationsrat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht auf der Basis von Parteilisten gewählt. Es gibt eine Sieben-Prozent-Klausel. Wichtige Parteien sind: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Gerechtes Russland (Spravedlivaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern , die die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), linkszentristisch, mit 85.000 Mitgliedern; die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 5.2019a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (339 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (40 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (AA 14.2.2019b). Die sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht in Frage und übt nur moderate Kritik am Kreml (SWP 11.2018). Die Nicht-Systemopposition unterstützt zwar die parlamentarische Demokratie als Organisationsform der Politik, nimmt aber nicht an Wahlen teil, da ihnen die Teilnahme wegen der restriktiven Regeln oder vermeintlicher Formalfehler versagt wird (Dekoder 24.5.2016).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international umstrittenen Annexion der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 8.2019a, vgl. AA 14.2.2019b). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 8.2019a).

Es wurden acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ("exekutive Machtvertikale") deutlich (GIZ 8.2019a).

Bei den Regionalwahlen am 8.9.2019 in Russland hat die Regierungspartei Einiges Russland laut Angaben der Wahlleitung in den meisten Regionen ihre Mehrheit verteidigt. Im umkämpften Moskauer Stadtrat verlor sie allerdings viele Mandate (Zeit Online 9.9.2019). Hier stellt die Partei künftig nur noch 25 von 45 Vertretern, zuvor waren es 38. Die Kommunisten, die bisher fünf Stadträte stellten, bekommen 13 Sitze. Die liberale Jabloko-Partei bekommt vier und die linksgerichtete Partei Gerechtes Russland drei Sitze (ORF 18.9.2019). Die beiden letzten waren bisher nicht im Moskauer Stadtrat vertreten. Zuvor sind zahlreiche Oppositionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden, was zu Protesten geführt hat (Zeit Online 9.9.2019), bei denen mehr als 1000 Demonstranten festgenommen wurden (Kleine Zeitung 28.7.2019). Viele von den Oppositionskandidaten haben zu einer "smarten Abstimmung" aufgerufen. Die Bürgerinnen sollten alles wählen - nur nicht die Kandidaten der Regierungspartei. Bei den für die russische Regierung besonders wichtigen Gouverneurswahlen gewannen die Kandidaten der Regierungspartei überall. Umfragen hatten der Partei wegen der Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Lage im Land teils massive Verluste vorhergesagt (Zeit Online 9.9.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (14.2.2019b): Russische Föderation - Außen- und Europapolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederation/201534, Zugriff 6.8.2019

-

CIA - Central Intelligence Agency (29.7.2019): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 6.8.2019

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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