TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/5 W274 2198031-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2020
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Entscheidungsdatum

05.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §29 Abs5

Spruch

W274 2198031-1/17E

Gekürzte Ausfertigung gemäß § 29 Abs 5 VwGVG

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. 26.3.1980, iranischer Staatsbürger, XXXX , 1030 Wien, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 8.5.2018, Zl. 1100934600, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetztes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (BF) kam mit dem großen Flüchtlingsstrom Anfang 2016 über die "Balkanroute" ohne gültige Einreisepapiere nach Österreich und beantragte am 05.01.2016 vor der PI Heiligenkreuz (Burgenland) internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, dass er an Yogasitzungen teilgenommen habe, bei der auch ein paar christliche Freunde gewesen seien. Jemand habe alles aufgenommen und der Polizei die Namen der Teilnehmer weitergegeben. Viele Freunde seien festgenommen worden.

Vor dem BFA gab der BF am 05.03.2018 im Wesentlichen an, er habe im Iran Yogastunden organisiert, dazu habe er auch einen früheren armenischen Freund namens Artin eingeladen, der ihm über das Christentum erzählt habe. Vor Yogasitzungen sei auch über das Christentum gesprochen worden. Einer der Yogamitglieder habe daraufhin den BF bedroht und dieser Mitarbeiter sei mit der Geheimpolizei zur Yogaveranstaltung gegangen. Der BF sei zu diesem Termin nicht dort gewesen. Der BF habe davon erfahren und seine Flucht vorbereitet. Die Yogagruppe sei geschlossen worden.

Er sei sodann in Österreich rasch zur Baptistengemeinde "Adonai" gekommen, dort im August 2016 getauft worden und innerlich konvertiert. Er habe auch an Demonstrationen teilgenommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.05.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung in den Iran für zulässig erklärt und eine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt. Begründend wurde im Wesentlichen davon ausgegangen, dass eine Scheinkonversion vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen "mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften und des Inhalts mit dem primären Antrag, dem BF Asyl zu gewähren.

Nach Vorlage ergänzender Urkunden erfolgte am 17.2.2020 eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, in der der BF und die Zeugin XXXX vernommen wurden.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:

Aufgrund der Ergebnisse der Verhandlung im Zusammenhalt mit dem bisherigen Akteninhalt und dem LIB in der aktuellen Fassung steht folgender Sachverhalt fest.

Der BF ist am 26.03.1980 in eine persisch muslimische Familie in Teheran geboren. Er studierte Informatik und war zunächst als Fischzüchter und dann als Bautechniker selbständig tätig. Etwa seit 2012 war der BF selbständig beschäftigt, Toilettenpapier und Taschentücher maschinell in einem kleinen Betrieb mit etwa vier Mitarbeitern zu erzeugen.

Er entfaltete keine besonderen religiösen Aktivitäten, aber betete. Er lernte eine spezielle Yogarichtung, Sahaij, kennen und besuchte eine derartige Gruppe. Mit anderen Mitgliedern dieser Gruppe veranstaltete er in diesem Zusammenhang Treffen in Teheran.

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF im Zuge dieser Treffen Kontakt zu einem früheren Mitschüler erlangte, durch diesen vom Christentum begeistert wurde und es in diesem Zusammenhang zu einem "Verrat" eines Gruppenmitglieds kam, in Folge dessen der BF innerhalb von 2 Tagen aus dem Iran floh.

Nach einer einmonatigen Reise nach Österreich war der BF zunächst im Ferry Dusika Stadion aufhältig und schon seit 2016 im Heim Edberg. Nach einem Besuch einer deutschsprachigen Kirche in Österreich im Jänner 2016 wurde er durch einen Freund auf die mit einer Farsi Übersetzung ausgestattete Adonaigemeinde aufmerksam und besuchte diese seit Jänner 2016. Von Februar 2016 weg bis August besuchte er einen Taufkurs und wurde am 27.08.2016 in der Adonaigemeinde Leberstraße getauft. Er nimmt ohne Unterbrechung nunmehr seit vier Jahren an den dortigen Gottesdienst teil und integrierte sich soweit in die Gemeinde, dass er maßgeblich an der dortigen Musikgruppe mitwirkt und seit einiger Zeit sich mit zwei anderen Gemeindemitgliedern um die Finanzen kümmert. Er lernte das Keyboard- und Bassgitarre Spiel und komponierte einige rhythmische Lieder für den Gottesdienst. Speziell ein Lied wurde in der Gemeinde ein Erfolg, bei einem Wettbewerb unter Farsigemeinden prämiert und bei dem Wettbewerb in einer anderen Gemeinde aufgeführt. Der BF begleitet eine christliche Hausgemeinschaft im Iran über soziale Medien und soll ab Februar einen Hauskreis der Adonaigemeinde leiten.

Glaubhaft ist, dass der BF zwischenzeitlich soweit äußerlich und innerlich vom Christentum vereinnahmt ist, dass er auch unter geänderten Verhältnissen, wie einer Rückkehr in den Iran, das Bedürfnis hätte, diesen Glauben innerlich und äußerlich auszuüben.

Der BF ist in Österreich unbescholten. Aktuell ist ein Gewerbe für einfache Reinigungstätigkeiten angemeldet. Der BF ist noch in der Grundversorgung und ledig. Er lebt in keiner Lebensgemeinschaft. Er hat B1 absolviert und B2 nicht bestanden.

Beweiswürdigung:

Die wesentlichen biographischen Angaben des BF sind glaubwürdig und teilweise urkundlich bzw. mit Fotos belegt. Die Angaben zur Yogagruppe erscheinen insofern glaubwürdig, weil es sich um eine spezielle Yogagruppe handelt und der BF diesbezüglich informiert wirkte (der RI nahm diesbezüglich in per Internet verfügbare Informationen Einsicht).

Nicht glaubhaft war die Fluchtgeschichte im engeren Sinne, weil sich insbesondere wesentliche Wiedersprüche zu den Angaben im Rahmen der Erstbefragung ergaben (Verhaftung vieler Gruppenmitglieder, Schilderung eines anderen Veranstaltungsortes vor Gericht als vor dem BFA).

Die äußeren Umstände betreffend die Zugehörigkeit zur Adonaigemeinde wurden vor BFA und Gericht gleichlautend geschildert und stehen im Einklang mit zahlreichen schriftlichen Eingaben von Exponenten und Mitgliedern der Adonaigemeinde. Betreffend die Kompositionstätigkeit wurden sowohl ein Liedmanuskript als auch deren Verwendung im Internet nachvollziehbar dargetan. Das schon bisher belegte Glaubenswissen zeigte sich auch bei der Befragung vor Gericht. Insbesondere die Darstellung des Matthäus-Evangeliums über die Arbeiter im Weinberg, nach dem der BF gefragt wurde, war auffallend ausführlich und richtig. Der BF konnte auch eine nachvollziehbare Motivation angeben, weshalb für ihn diese Bibelstelle wichtig ist. Das Gericht geht davon aus, dass eine Verantwortung in der Finanzverantwortung nur Gemeindemitgliedern übertragen wird, die ein hohes Vertrauen genießen. Dass der BF diese Aufgaben ausübt, ist glaubwürdig, weil er dazu spezifische und informierte Angaben machte.

Das BFA ging im Bescheid davon aus, dass das Wissen des BF über den christlichen Glauben nicht unbeachtlich sei, aber er dennoch den Anschein erwecke, er sei Christ geworden, um nicht in sein Heimatland zurückkehren zu müssen (Bescheid S 58). Eine nähere Begründung, weshalb es sich nur um eine Scheinkonversion handle, ist diesem Absatz nicht zu entnehmen. Offenbar wird dies daraus abgeleitet, dass sonstige Angaben nicht glaubhaft erschienen.

Vor dem Hintergrund des persönlichen Eindruckes vor Gericht und der vierjährigen ununterbrochenen glaubwürdigen Aktivität bei der Adonaigemeinde sowie des Umstandes, dass keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind, die dem entgegen stehen, erscheint jedenfalls zum nunmehrigen Zeitpunkt eine derartige innere Konversion als glaubhaft.

Rechtlich folgt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH zu Konversion allgemein und zum Iran im Besonderen ist vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen aufgrund dieser inneren Konversion als Christ ein Nachfluchtgrund verwirklicht, weshalb im Ergebnis der Beschwerde Erfolg und dem BF Asyl zukommt.

Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass zur inneren

Konversion insbesondere im Zusammenhang mit Iran gesicherte Rechtsprechung vorliegt und im Wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen waren.

Eine Ausfertigung des Erkenntnisses wurde innerhalb der Frist des § 29 Abs 4 VwGVG nicht beantragt. Die Ausfertigung konnte daher gemäß § 29 Abs 5 VwGVG in gekürzter Form erfolgen.

Schlagworte

Asylberechtigter, Asylgewährung, Flüchtlingseigenschaft, gekürzte
Ausfertigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W274.2198031.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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