TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/6 I413 2215494-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.03.2020
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Entscheidungsdatum

06.03.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

I413 2215494-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Heike MORODER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Vorarlberg (SMS) vom 14.01.2019, Zl. 24725106400024, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.09.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 07.11.2018, eingelangt am 09.11.2018, einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) und beantragte zugleich die Ausstellung eines Behindertenpasses bzw die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel".

2. Die belangte Behörde zog dem amtlichen Sachverständigen XXXX dem Verfahren bei. Dieser kam in seinem Gutachten vom 20.12.2018 zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Cervikobrachialgie rechts bei zervikaler Stenose C5/6, Foramenstenose C5/6 und C6/7. Z.n. antieriorer Diskektomie und Cage Fusion und Implantation C5/6

2

Angst und depressive Störung gemischt, Z.n. passagerer Psychose mit nächtlicher Halluzinose mit Insomie, psychiatrische Behandlung, mehrfache psychoaktive medikation, soziale Beeinträchtigung

3

Gonarthrose rechts

Stellungnahme im Vergleich zum Vorgutachten Im Vergleich zum Vorgutachten besteht ein Zustand nach Diskektomie und Cage Fusion im Bereich C5 C6 mit resultierender geringgradiger motorische und sensibler Einschränkungen im Bereich des rechten Arms

X

Dauerzustand

.

Nachuntersuchung -

1 Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Die Patientin weist ein ungestörtes Gangbild auf. Nach eigenen Angaben ist eine Gehstrecke von 15-30 min ohne Probleme zu bewältigen. Auch von Seiten der vorliegenden orthopädischen Befunde bestehen keine Hinweise auf neurologische Einschränkungen von Seiten der Wirbelsäule die auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit hinweisen würden. Das Kniegelenk ist gut belastbar, die Beweglichkeit nur endlagig minimal eingeschränkt. Die von der Patientin vorgebrachten Schmerzen in den Sprunggelenken, die sie auch als überwiegenden Grund für die Schmerzen beim Gegen angibt, sind nicht verifiziert, es liegen keine radiologischen Unterlagen vor. Die Patientin hat allerdings einen Termin zur neurologischen Begutachtung. Eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher VM daher nicht gegeben. [...]"

3. Mit Bescheid vom 24.01.2019, OB: 24725106400024, wies die belangte Behörde den am 09.11.2018 eingelangten Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 20.02.2019 (eingelangt am 25.02.2019).

5. Mit Schreiben vom 05.03.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

6. Das Bundesverwaltungsgericht zog den amtlichen Sachverständigen

XXXX dem Verfahren bei, der am 08.08.2019 ein Gutachten erstattete, in dem er zusammengefasst zu folgendem Ergebnis gelangte: "1. Die Beschwerdeführerin beschreibt in ihrer Beschwerde, dass die Schmerzen noch unerträglicher geworden seien. Liegen hierfür objektivierbare Indizien vor? Hindern die geschilderten Schmerzen die Beschwerdeführerin daran, eine kurze Wegstrecke zurücklegen zu können oder sicher in einem öffentlichen Transportmittel befördert werden zu können, dieses zu be- oder entsteigen und, wenn ja, warum? Bei der Untersuchung im Dezember 2018 wurde die Patientin entgegen ihren Angaben von mir ausgiebig befragt und untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass bei Zustand nach Anteriorer Diskektomie und Cage-Fusion(ACDF) C5/6 keine neurologischen Ausfälle im Bereich der unteren Extremitäten festgestellt werden können. Diese Angabe stimmt auch mit dem Entlassungsbefund des Landeskrankenhauses Feldkirch, Abteilung für Neurochirurgie, überein bei dem postoperativ ein normales Gangbild, normale Muskeleigenreflexe und normale Sensibilität und Motorik der unteren Extremitäten festgestellt worden sind. Nach ihren eigenen Angaben kann sie 15-30 min spazieren gehen. Damit wird die geforderte Gehstrecke von 300-400 m ohne Pause deutlich überschritten. Ob bei der damaligen Untersuchung bereits der komplette Arztbrief vorgelegen ist, kann ich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Entscheidend für die Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist jedoch der aktuelle Zustand des Patienten und die Beurteilung der erforderlichen Gehstrecke. Diese war nach Angaben der Patientin damals zumindest vorhanden. Die brennenden Schmerzen in den Füßen können verschiedene Ursachen haben. In seiner Stellungnahme vom Jänner 2019 bezieht sich XXXX überwiegend auf diese Schmerzsymptomatik. Er stellt fest, dass durch zentrale oder periphere Nervenschädigungen das Gehvermögen derartig beeinträchtigt sein könnte, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt werden könnte. Allerdings legt er sich hier nicht fest, er verlangt ausdrücklich eine neurologische objektivierte Feststellung, ob eine solche Nervenschädigung vorliegen könnte. Bisher hat die Patientin keinen entsprechenden Befund vorgelegt. Darüber hinaus ist in keinem Arztbrief oder Gutachten eine Polyneuropathie, die diese Symptome erklären würde, festgestellt worden. Schmerzen ausschließlich im Bereich der Sprunggelenkt bds. sind keine typischen Symptome werde für die periphere, noch eine zentrale Polyneuropahtie. Typische polyneuropathische Schmerzen sind üblicherweise nicht bewegungsabhängig, sondern treten in Ruhe und bei Bewegung auf. Vielfach treten sie auch nachts auf. Keines dieser typischen Symptome wird von der Patientin angegeben. Allenfalls möglich erscheint auch ein chronisches Schmerzsyndrom als Ursache der geschilderten Beschwerden. Ein solches wird jedoch weder von XXXX oder XXXX in Erwägung gezogen. 2. Trifft es zu, dass die Fußbeschwerden zugenommen haben? Welche Beschwerden sind damit gemeint? Hindern die geschilderten Fußbeschwerden die Beschwerdeführerin daran, eine kurze Wegstrecke zurücklegen zu können oder sicher in einem öffentlichen Transportmittel befördert werden zu können, dieses zu be- und entsteigen und, wenn ja, warum? Ob die Beschwerden seit der Operation oder der Vorbegutachtung zugenommen haben, kann hier nicht beantwortet werden. Weder im Vorgutachten (XXXX) noch im postoperativen Befund sind die geschilderten Symptome beschrieben und beurteilt worden. Auch bei der Begutachtung im Dezember 2018 konnten keine Anzeichen einer Polyneuropathie der unteren Extremitäten festgestellt werden. Die Patientin beschreibt lediglich ein Brennen im Unterschenkel und Schmerzen in beiden Knöcheln. Wie bereits oben beschrieben, liegen allerdings diesbezüglich keinerlei objektivierte Untersuchungsergebnisse vor. Nach Angaben der Patientin kann sie 15-30 min gehen. Auch bei langsamem Gehen kann von einer Wegstrecke von mindestens 500 m bis 1 km in diesem Zeitraum ausgegangen werden. Somit ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke oder der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gegeben. 3. Besteht aufgrund der geschilderten Schmerzen ein Anhaltspunkt darauf, dass die Psyche der Beschwerdeführerin beeinträchtigt war? Hindert eine allenfalls feststellbare Beeinträchtigung der Psyche die Beschwerdeführerin daran, eine kurze Wegstrecke zurücklegen zu können oder sicher in einem öffentlichen Transportmittle befördert werden zu können, dieses zu be- und entsteigen und, wenn ja, warum? Die Patientin leidet an einer gemischten Angst und depressiven Störung, es besteht zudem ein Z.n. passageren Psychose F23. Die psychische Situation hat sich gegenüber den Vorbefunden nicht verschlechtert, laut Aussage ihres behandelnden Psychiaters habe sie sich stabilisiert. Aus psychischen Gründen ist damit die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ebenfalls gegeben. Ad 3. Zusammenfassung und abschließende Stellungnahme 1. Aus den vorliegenden Befunden, Arztbriefen und Vorgutachten ergeben sich keine Hinweise auf eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. 2. Die erforderliche Gehstrecke beträgt mehr als 300-400 m. 3. Es liegen keine psychischen Gründe vor, die das Be- und Einsteigen oder das sichere Transportieren in einem öffentlichen Verkehrsmittel verhindern würde. 4. Die angeführten Beschwerden, die die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichen würden, können verschiedene Ursachen haben. Durch die bestehenden Erkrankungen und durchgeführten Behandlungen sind sie nicht erklärbar. [...]"

7. Dieses Gutachten übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien zur Kenntnis und räumte ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme dazu ein. Es langten keine Stellungnahmen ein.

8. Am 17.09.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, in der das Gutachten von XXXX erörtert und die Beschwerdeführerin als Partei einvernommen und zu ihren Leiden und Funktionseinschränkungen befragt wurde. Die Beschwerdeführerin legte hierbei einen weiteren Befund vor und führte aus an Polyneuropathie zu leiden. Das Bundesverwaltungsgericht beschloss in dieser Verhandlung, dieses Leiden durch einen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Neurologie abklären zu lassen.

9. Das Bundesverwaltungsgericht zog den amtlichen Sachverständigen

XXXX dem Verfahren bei, der am 28.12.2019 ein Gutachten erstattete, in dem er zusammengefasst betreffend die Frage, ob sich die festgestellten Leiden oder Funktionseinschränkungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel zulassen und warum, wie folgt beantwortete: Die festgestellten Leiden (Kniegelenksarthrose rechts, Migräne und Medikamenten-Übergebrauchskopfschmerz [chronisches Schmerzsyndrom, leichte Verlaufsform]) sind nicht derart ausgeprägt, dass die Beschwerdeführerin nicht eine kurze Wegstrecke (von einigen 100 Metern) zurücklegen könnte, und dass ein sicheres Ein- und Aussteigen sowie ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich wären.

10. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dieses Gutachten den Parteien mit Schreiben vom 08.01.2020 und räumte diesen die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen ein. Es langten keine Stellungnahmen beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der in Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt. Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen.

Die Beschwerdeführerin ist türkische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz in Bludesch.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende voraussichtlich länger als sechs Monate andauernde Funktionseinschränkungen: (1) Cervikobrachialgie rechts bei zervikaler Stenose C5/6, Foramenstenose C5/6 und C6/7. Z.n. anteriorer Diskektomieund Cage Fusion und Implatation C5/6, (2) Angst und depressive Störung gemischt, Z.n. passagerer Psychose mit nächtlicher Halluzinose mit Insomie, psychiatrischer Behandlung, mehrfacher psychoaktiver Medikation, sozialer Beeinträchtigung, (3) Gonarthrose rechts sowie

(4) chronischem Schmerzsyndrom (Migräne und Medikamenten-Übergebrauchskopfschmerz).

Die Beschwerdeführerin ist in der Lage, ohne Pause eine Strecke von 500 m bis 1 km zurückzulegen.

Es bestehen keine Leiden, Gebrechen oder Funktionseinschränkungen bei der Beschwerdeführerin, die sie am Ein- oder Aussteigen oder am sicheren Transport in einem öffentlichen Transportmittel hindern.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung des Verfahrensgangs basiert auf dem Verwaltungsakt und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und ist unstrittig.

Die Feststellungen zur Person und zum Wohnsitz der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben im Antrag vom 07.11.2018 sowie aus ihren glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17.09.2019.

Die Feststellungen zu den Leiden und Funktionseinschränkungen basieren auf den schlüssigen Gutachten von XXXX vom 20.12.2018 und vom 08.08.2019, sowie von XXXX vom 28.12.2019. Beide Amtssachverständige sind ausgewiesene Vertreter ihres Faches. Ihre gutachterlichen Feststellungen basieren jeweils auf einem präzise aufgenommen, alle vorgelegten Befunde und anderen Unterlagen ausdrücklich aufnehmenden Befund, aus welchem sich die jeweiligen Schlussfolgerungen ableiten lassen. Diese sind auch überzeugend und nachvollziehbar begründet. Dass die Beschwerdeführerin an keiner Polyneuropathie leidet, ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar aus den Gutachten vom 08.08.2019 und vom 28.12.2019. Es fehlen alle Befunde, die für ein solches Leiden sprächen. Daher war dieses Leiden auch nicht in den Feststellungen aufzunehmen.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin eine Stecke von ca 500 m bis 1 km in einem zurücklegen kann, basiert auf ihrer Aussage, wie weit sie spazieren könne, und dem hierauf verweisenden Gutachten von XXXX vom 08.08.2019. Auch der Amtssachverständige XXXX vermochte aus neurologischer Sicht keine Hinweise aufzuzeigen, die auf ein Unvermögen der Beschwerdeführerin, eine solche Strecke zurücklegen zu können, hindeuten würde. Auch der persönliche Eindruck im Rahmen der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführer verbietet es, an der gutachterlichen Feststellung im Gutachten vom 08.08.2019 zu zweifeln, weil die Beschwerdeführerin keinen unsicheren Eindruck erweckte und ohne Gehhilfe und ohne sichtliches Gebrechen sich fortbewegen konnte.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin sicher ein öffentliches Verkehrsmittel be- und entsteigen und sicher in einem solchen transportiert werden kann, ergibt sich aus den schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen XXXX vom 08.08.2019 und des Amtssachverständigen XXXX vom 28.12.2019 sowie aufgrund des in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin, einer kräftigen Frau mittleren Alters, gewonnenen persönlichen Eindruck. Die Beschwerdeführerin kann sich gut und ohne anzuhalten fortbewegen. Es bestehen auch keine psychischen Beeinträchtigungen, die die Beschwerdeführerin an einem Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel hinderten (Gutachten XXXX vom 28.12.2019).

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs 3 und 4 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch Senat zu erfolgen. Bei solchen Senatsentscheidungen hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessensvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder fachkundigen Laienrichter haben für die jeweiligen Agenten die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechtes) aufzuweisen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn (1) ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder (2) sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder (3) sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder (4) für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder (5) sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl Nr 22/1970, angehören.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs 2 BBG).

Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 Abs 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl III Nr 495/2013, ist auf Antrag eines Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nach dieser Vorschrift insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs 2 Z 1 lit b oder d vorliegen.

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, jeweils mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, ergibt sich aus den nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten der amtlichen Sachverständigen XXXX und XXXX, dass im Fall der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen. Es war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die gegenständliche, einen Einzelfall betreffende Entscheidung ist daher nicht reversibel, weil keine Rechtsfrage von Bedeutung hervorgekommen ist und sich das Erkenntnis auf die nicht als uneinheitlich zu qualifizierende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützt.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2215494.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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