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82/03 Ärzte, sonstiges SanitätspersonalNorm
B-VG Art10 Abs1 Z12Leitsatz
Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des ÄrzteG 1998 betreffend die Übertragung der Zuständigkeit zur Zurücknahme oder Einschränkung der Anerkennung als Ausbildungsstätte auf die Österreichische Ärztekammer mangels Zustimmung der beteiligten Länder; Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr für Angelegenheiten im übertragenen Wirkungsbereich mangels gesetzlicher GrundlageRechtssatz
Aufhebung näher bezeichneter Wortfolgen im ersten sowie im letzten Satz des §10 Abs8 ÄrzteG 1998, idF BGBl I 25/2017, in §13b Z2 und in §117c Abs1 Z1 ÄrzteG 1998, idF BGBl I 82/2014 als verfassungswidrig. Feststellung, dass eine Zeichenfolge in §117c Abs2 Z1 ÄrzteG 1998, idF BGBl I 82/2014 sowie die Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr für Angelegenheiten im übertragenen Wirkungsbereich (BearbeitungsgebührenV 2014 - übertragener Wirkungsbereich) idF 1. Novelle, im Hinblick auf diese Zeichenfolge in §1, in §4 und im Anhang der Verordnung in Punkt 3. gesetzwidrig war. Im Übrigen Einstellung des Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit näher bezeichneter Bestimmungen des ÄrzteG 1998 über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte sowie das Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der BearbeitungsgebührenV 2014 - übertragener Wirkungsbereich idF 1. Novelle, da die Bestimmungen nicht präjudiziell sind und auch nicht in einem Regelungszusammenhang stehen.
Art102 B-VG ist auf die Übertragung von Aufgaben staatlicher Verwaltung auf Selbstverwaltungskörper anwendbar. Die Bestimmungen über die Anerkennung bzw Zurücknahme oder Einschränkung der Anerkennung als Ausbildungsstätte sind auf den Kompetenztatbestand "Gesundheitswesen" des Art10 Abs1 Z12 B-VG gestützt. Angelegenheiten des "Gesundheitswesens" sind nicht in Art102 Abs2 B-VG angeführt. Diese sind - da hier auch keine sonstige verfassungsgesetzliche Ermächtigung vorliegt - nicht in unmittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen, sondern in mittelbarer Bundesverwaltung.
Gemäß Art102 Abs1 B-VG können in Angelegenheiten, die nicht in Art102 Abs2 B-VG genannt sind, auch Bundesbehörden mit der Vollziehung in Weisungsunterworfenheit unter den Landeshauptmann betraut werden. Allerdings dürfen Bundesgesetze, die eine solche Zuständigkeitsübertragung vornehmen, nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden.
Nach Art102 Abs4 B-VG darf die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als die in Art102 Abs2 B-VG bezeichneten Angelegenheiten - für die auch sonst keine besondere verfassungsrechtliche Anordnung besteht - nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen. Art102 Abs4 B-VG stellt jedoch nicht auf die Errichtung von Behörden in Angelegenheiten, die nicht in Art102 Abs2 B-VG oder einer besonderen Verfassungsbestimmung genannt sind, sondern auf die Begründung der Zuständigkeit von Bundesbehörden ab.
Als eine solche Bundesbehörde wird gemäß §117c Abs1 Z1 ÄrzteG 1998 die Österreichische Ärztekammer tätig, die gemäß §195f Abs1 ÄrzteG 1998 in Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches - und um eine solche Zuständigkeit handelt es sich hier - ausnahmslos an die Weisungen des Bundesministers für Gesundheit gebunden ist. Ebenso obliegt der Österreichischen Ärztekammer gemäß §117c Abs2 Z1 ÄrzteG 1998 die Erlassung von Verordnungen über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr gemäß §13b ÄrzteG 1998 unter anderem für die Angelegenheit des §10 ÄrzteG 1998. Auch in diesem Fall besteht gemäß §195f Abs1 ÄrzteG 1998 eine Weisungsbindung an den Bundesminister für Gesundheit.
Da zur Übertragung der Aufgabe der Durchführung von Verfahren betreffend ärztliche Ausbildungsstätten gemäß §10 Abs8 ÄrzteG 1998 an die Österreichische Ärztekammer sowie zur Erlassung von Verordnungen gemäß §13b Z2 ÄrzteG 1998 eine Zustimmung der Länder gemäß Art102 Abs4 B-VG nicht erfolgte, ist dies verfassungswidrig.
Keine gesetzliche Grundlage der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr für Angelegenheiten im übertragenen Wirkungsbereich im Hinblick auf die Angelegenheiten des §10 ÄrzteG 1998:
Da die präjudizielle Fassung der Verordnung jedoch mit der 2. Novelle der Österreichischen Ärztekammer mit Nr 2/2019, novelliert wurde, ist bloß auszusprechen, dass die Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr für Angelegenheiten im übertragenen Wirkungsbereich (Bearbeitungsgebührenverordnung 2014 - übertragener Wirkungsbereich) idF 1. Novelle, im Hinblick auf die Zeichenfolge "10," in §1, die Zeichenfolge ", 10" in §4 und der Anhang der Verordnung im Hinblick auf die Zeichenfolge "§10 und" in Punkt 3. gesetzwidrig war.
(Anlassfall E4643/2018, E v 10.03.2020, Abweisung der Beschwerde).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Ärzte, Ärztekammer, Bundesverwaltung mittelbare, Kompetenz Bund - Länder Gesundheitswesen, Wirkungsbereich übertragener, AusbildungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:G157.2019Zuletzt aktualisiert am
25.08.2021