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60/04 Arbeitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litcLeitsatz
Unzulässigkeit der Individualanträge gesetzlich anerkannter Kirchen auf Aufhebung des Karfreitags als gesetzlichen Feiertag mangels unmittelbarer Betroffenheit; keine Betroffenheit der Rechtssphäre von Kirchen durch arbeits(zeit)rechtliche Regelungen hinsichtlich der Inanspruchnahme eines persönlichen Feiertags zur Religionsausübung durch KirchenangehörigeRechtssatz
Zurückweisung des Hauptantrags auf Aufhebung jener Bestimmungen, auf Grund derer die Aufhebung des Karfreitages als gesetzlicher Feiertag sowie die Einführung des "persönlichen Feiertages" bewirkt werden. In ihrem Hauptantrag fechten die antragstellenden Kirchen überwiegend nicht die als verfassungswidrig gerügten Vorschriften im Arbeitsruhegesetz, Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, Landarbeitsgesetz 1984, Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 sowie im Vertragsbedienstetengesetz 1948 an, sondern allein die entsprechenden Novellierungsanordnungen in den näher bezeichneten Bundesgesetzblättern. Ein solches Vorgehen ist nach der Judikatur des VfGH allerdings nur zulässig, wenn eine Bestimmung durch eine Novelle aufgehoben worden ist und sich das Bedenken gegen diese Aufhebung richtet, die behauptete Verfassungswidrigkeit auf anderem Wege also nicht beseitigt werden kann. Vor diesem Hintergrund kann der Hauptantrag der antragstellenden Kirchen somit nur in jenem Umfang zulässig sein, in dem er sich auf jene Novellierungsanordnungen bezieht, mit denen die bis zum Ablauf des 21.03.2019 geltenden Karfreitagsregelungen aufgehoben wurden. Im Übrigen ist der Hauptantrag schon auf Grund der Anfechtung (bloßer) Novellierungsanordnungen unzulässig.
Vom - mit den Art1 Z2, Art2 Z1 sowie Art5 Z1 des Bundesgesetzes, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz geändert werden, bewirkten - Entfall der bis zum Ablauf des 21.03.2019 geltenden Feiertagsregelung hinsichtlich des Karfreitages sind die antragstellenden Kirchen allerdings in ihrer Rechtssphäre nicht unmittelbar betroffen:
Die angefochtenen Bestimmungen betreffen die antragstellenden Kirchen nicht in ihrer Rechtssphäre. Arbeits(zeit)rechtliche Regelungen, die zur Folge haben, dass die Angehörigen einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft ihrer Religionsausübung außerhalb von Sonn- und gesetzlichen Feiertagen nur unter Inanspruchnahme von Urlaub nachkommen können, betreffen nicht unmittelbar die Rechtssphäre der Kirchen.
Im Übrigen ist weder aus Art9 EMRK noch aus Art15 StGG - und der sich daraus ergebenden grundsätzlichen Schutzpflicht des Staates zur Sicherung der inneren Angelegenheiten der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften - eine staatliche Pflicht zur Einführung oder Beibehaltung eines (konkreten) gesetzlichen Feiertages abzuleiten, woraus sich eine etwaige unmittelbare rechtliche Betroffenheit der antragstellenden Kirchen ableiten ließe.
Die ursprüngliche, historische Begründung eines Teiles der gesetzlichen Feiertage mit religiösen Zielen aus einer Zeit, in der das B-VG nicht gegolten hat, vermag keine Rechtssphäre der antragstellenden Kirchen zu schaffen. Der VfGH hat im Zusammenhang mit dem Ladenschlussrecht festgehalten, dass der gesellschaftliche Wandel "nichts am öffentlichen Interesse an der weitgehenden Synchronisation mit dem Grundsatz der Wochenendruhe geändert" hat. In allen europäischen Gesellschaften gebe es einen Ruhetag in der Woche, möge dieser aus religiösen Gründen, aus Gründen der Erholung für die arbeitende Bevölkerung oder aus anderen sozial- und familienpolitischen Gründen angeordnet sein und möge die Ruhe in unterschiedlichem Maße eingehalten werden. Für die Feiertagsruhe gilt Analoges. Auch hier gilt, dass Feiertage heute überwiegend profane Ziele der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung verfolgen, mag die konkrete Auswahl der Feiertage auch ursprünglich religiös begründet gewesen sein. Diese Ziele sollen allen Menschen - unbeschadet einer religiösen Bindung - zu Teil werden können.
Dass die antragstellenden Kirchen darüber hinaus vom Entfall der bis zum Ablauf des 21.03.2019 geltenden Feiertagsregelung hinsichtlich des Karfreitages in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberinnen in ihrer Rechtssphäre unmittelbar betroffen wären, kann der Begründung des Antrages nicht entnommen werden. Im Übrigen hat der Entfall der Feiertagsregelung hinsichtlich des Karfreitages für die antragstellenden Kirchen in ihrer Funktion als Arbeitgeberinnen rein arbeitsrechtlich betrachtet zur Folge, dass deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an diesem Tag zur Dienstleistung verpflichtet sind und auf einen Urlaubstag zurückgreifen müssen, um frei zu haben.
Sowohl in ihrem ersten wie auch in ihrem zweiten Eventualantrag wenden sich die antragstellenden Kirchen - der Sache nach - lediglich gegen Wortfolgen in Bestimmungen, die den "persönlichen Feiertag" betreffen. Da zur Beseitigung der konkreten Verfassungswidrigkeit aus Sicht der antragstellenden Kirchen aber jedenfalls auch die Anfechtung jener Bestimmungen, mit denen die bis zum Ablauf des 21.03.2019 geltende Feiertagsregelung hinsichtlich des Karfreitages aufgehoben wird, notwendig wäre, erweist sich der Anfechtungsumfang sowohl des ersten wie auch des zweiten Eventualantrages als zu eng gewählt.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Religionsgesellschaften, Staatskirchenrecht, Religionsfreiheit, VfGH / Präjudizialität, VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:G228.2019Zuletzt aktualisiert am
25.08.2021