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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AsylG 2005 §28 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 2019, W105 2224267- 1/9E, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: A A), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 24. September 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Folgeantrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.), erteilte dem Mitbeteiligten keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.), stellte weiters fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.), erließ ein zweijähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.), und trug dem Mitbeteiligten auf, in einem angeführten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII.). 2 Einer dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG statt und behob den bekämpften Bescheid in den Spruchpunkten I. bis VII.. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
3 Begründend führte das BVwG aus, dem Mitbeteiligten sei entgegen § 49 Abs. 2 BFA-VG im gesamten Verlauf des Zulassungsverfahrens kein Rechtsberater beigestellt worden. Zudem habe das BFA es abweichend von § 29 Abs. 4 AsylG 2005 unterlassen, den Mitbeteiligten und den Rechtsberater innerhalb einer 24 Stunden nicht unterschreitenden Frist zu einer Einvernahme zur Wahrung seines Parteiengehörs zu laden, sodass auch dadurch keine Sanierung der Verletzung der Anwesenheitspflicht des Rechtsberaters im Zulassungsverfahren habe eintreten können. Die Behörde habe dem Mitbeteiligten auch keine Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 ausgefolgt. Da nicht auszuschließen sei, dass bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften ein anderes Verfahren möglich gewesen wäre, sei der angefochtene Bescheid gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG aufzuheben.
4 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die geltend macht, dass eine Behebung des verwaltungsbehördlichen Bescheides gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG schon deshalb unzulässig gewesen sei, weil diese Norm nur bis zur Zulassung des Verfahrens Anwendung finde (Hinweis auf VwGH 5.10.2016, Ra 2016/19/0208). Im gegenständlichen Fall sei das Verfahren aber schon mit Ausfolgung der Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 an den Mitbeteiligten am 27. August 2019 zugelassen worden. Das BVwG hätte bei Ermittlungsmängeln daher eine Zurückverweisung an das BFA nur auf § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG stützen können. Auch insofern weiche das BVwG aber von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab, weil es lediglich Verfahrensmängel in den Raum stelle, ohne darzulegen, welche konkreten Sachverhaltsfeststellunge n im Bescheid gefehlt hätten. Überdies habe der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt, dass eine Sanierung der unterbliebenen Beiziehung eines Rechtsberaters im Wege einer Behebung des Bescheides nach § 21 Abs. 3 BFA-VG nicht möglich sei, weil das Verfahren dadurch jedenfalls zugelassen wäre und ein Rechtsberater im zugelassenen Verfahren nicht beizuziehen sei (Hinweis auf VwGH 25.4.2017, Ra 2016/18/0234). Dasselbe gelte auch für den behaupteten Verfahrensmangel der unterlassenen Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005, die ebenfalls nur im Zulassungsverfahren zu erfolgen habe.
5 Der Mitbeteiligte hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Die Revision ist zulässig und begründet.
7 Gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 5. Oktober 2016, Ra 2016/19/0208, ausgesprochen, dass eine rechtsrichtige Anwendung des § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG nach seinem insoweit unmissverständlichen Wortlaut das Vorliegen einer "Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren" voraussetzt.
9 Im vorliegenden Fall wurden die Verfahren über den Folgeantrag des Mitbeteiligten nach der Aktenlage am 27. August 2019 (also vor Erlassung des verwaltungsbehördlichen Bescheides) durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 im Sinne des § 28 Abs. 1 AsylG 2005 zugelassen. Der Bescheid des BFA vom 24. September 2019 erging daher nicht (mehr) in einem Zulassungsverfahren und es lag daher fallbezogen auch keine Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren vor.
10 Indem das BVwG ungeachtet dessen die Bestimmung des § 21 Abs. 3 BFA-VG zur Anwendung brachte, hat es die Rechtslage verkannt und die angefochtene Entscheidung schon aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. in diesem Sinne etwa auch VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0198, Rn. 13 und 14). 11 Zu Recht verweist die Amtsrevision überdies auf das hg. Erkenntnis vom 25. April 2017, Ra 2016/18/0234, in dem mit näherer Begründung erkannt wurde, dass der Mangel der unterlassenen Beigebung eines Rechtsberaters im Zulassungsverfahren in einem vor dem BFA - nach Aufhebung gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG - fortzusetzenden Verfahren gar nicht saniert werden könnte, weshalb das Vorliegen des Verfahrensmangels die Stattgebung der Beschwerde und Aufhebung des Bescheides gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG auch aus diesem Grund nicht rechtfertigte. Eine Sanierung des Verstoßes war vielmehr dadurch möglich, dass dem Mitbeteiligten im Beschwerdeverfahren Unterstützung durch einen Rechtsberater beigestellt wurde (vgl. insbesondere Rn. 15 und 16 im zitierten hg. Erkenntnis).
12 Nichts anderes gilt, wie die Amtsrevision zutreffend ausführt, für eine unterbliebene Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005, die das Gesetz (nur) im Zulassungsverfahren vorsieht. 13 Der angefochtene Beschluss war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Wien, am 3. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180001.L00Im RIS seit
16.04.2020Zuletzt aktualisiert am
16.04.2020