TE Vwgh Erkenntnis 2020/3/3 Ra 2019/01/0446

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Veröffentlicht am 03.03.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art135 Abs2
B-VG Art135 Abs3
B-VG Art83 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z2

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/01/0447

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revisionen 1. des D A, und

2. der D A, beide vertreten durch Mag.a Julia Kolda, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 95/1/4, gegen das am 11. März 2019 verkündete und am 17. Mai 2019 ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, Zlen. 1.) L518 2163890- 1/33E und 2.) L518 2191122-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerbern jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Vorgeschichte

1 Die Revisionswerber sind türkische Staatsangehörige. Der Erstrevisionswerber ist der Vater der minderjährigen Zweitrevisionswerberin und besitzt darüber hinaus auch die syrische Staatsangehörigkeit.

2 Die Revisionswerber erhoben gegen die mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21. Juni 2017 (Erstrevisionswerber) bzw. 21. Februar 2018 (Zweitrevisionswerberin) erfolgte Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz samt darauf aufbauenden Absprüchen jeweils Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

3 Die Beschwerden langten beim BVwG am 11. Juli 2017 (Erstrevisionswerber) bzw. am 3. April 2018 (Zweitrevisionswerberin) ein.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden die Beschwerden der Revisionswerber als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Dagegen erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. September 2019, E 1358-1359/2019-9, ablehnte und die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 24. Oktober 2019, E 1358-1359/2019-11, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Gegen das angeführte Erkenntnis des BVwG richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zulässigkeit

6 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Entscheidung durch einen nach der Geschäftseinteilung eines Verwaltungsgerichtes nicht zuständigen (Einzel-)Richter im Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Aufhebung der Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes führt (vgl. etwa VwGH 28.11.2019, Ra 2018/19/0397, mwN).

7 Vorliegend bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit unter anderem vor, der erkennende Einzelrichter des BVwG sei wegen eines Verstoßes gegen die Geschäftsverteilung unzuständig gewesen. Er sei nach der Geschäftsverteilung des BVwG für das Jahr 2017 für Asylangelegenheiten der Zuweisungsgruppe "AFR-W3", in welche die Beschwerden der Revisionswerber aufgrund der Doppelstaatsbürgerschaft des Erstrevisionswerbers fallen würden, nicht zuständig gewesen.

8 Die Revision ist zulässig und begründet.

Zum Erstrevisionswerber

9 Als maßgeblich erweist sich im vorliegenden Fall die (bei Einlangen der Beschwerde des Erstrevisionswerbers am 11. Juli 2017 geltende) Geschäftsverteilung des BVwG für das Jahr 2017 in der Fassung vom 10. Juli 2017 (GV BVwG 2017; vgl. VwGH 14.12.2018, Ra 2018/01/0184, mwN, wonach die jeweilige Geschäftsverteilung des BVwG bei Einlangen der Beschwerde beim BVwG maßgeblich ist).

10 Gemäß § 21 GV BVwG 2017 ergeben sich die "für die Zuweisung der Rechtssachen vorgesehenen Rechtsbereiche und Zuweisungsgruppen sowie die in den einzelnen Zuweisungsgruppen zusammengefassten Rechtsgebiete und Rechtsgrundlagen (Rechtsvorschriften)" aus der Anlage 1 der GV BVwG 2017.

11 Nach der Anlage 1 wird bei der Bestimmung der Zuweisungsgruppen im Rechtsbereich "Asyl- und Fremdenrecht" auf den Herkunftsstaat der jeweiligen Beschwerdeführer vor dem BVwG abgestellt.

12 Herkunftsstaat ist jener Staat (iSd § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005), von dem (wie vorliegend relevant) das BFA im angefochtenen Bescheid ausgeht. Kommen zwei oder mehr Staaten als Herkunftsstaaten in Frage, so entscheidet gemäß § 2 Z 5 zweiter Satz GV BVwG 2017 die alphabetische Reihenfolge der betreffenden Staatennamen.

13 Gegenständlich ging das BFA davon aus, dass der Erstrevisionswerber die syrische und die türkische Staatsangehörigkeit habe.

14 Daher fällt die Beschwerde des Erstrevisionswerbers - nach der alphabethischen Reihenfolge der Herkunftsstaaten - in die Zuweisungsgruppe "AFR-W3" ("Asyl- und Fremdrecht Syrien").

15 Für diese Zuweisungsgruppe ist die Gerichtsabteilung L518 und somit der vorliegende erkennende Einzelrichter nach der Anlage 1 nicht zuständig.

16 Der im Vorverfahren gemäß § 41 letzter Satz VwGG ergangenen Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes, zur Frage der Zuständigkeit des erkennenden Einzelrichters Stellung zu nehmen und die zur Beurteilung der Zuständigkeit erforderlichen Unterlagen vorzulegen, kam das BVwG nicht nach, sondern es wurde seitens des erkennenden Richtern von der Erstattung einer Stellungnahme Abstand genommen. Es bestehen somit auch keine anderen für die Zuständigkeit maßgeblichen Anhaltspunkte.

17 Der erkennende Einzelrichter war daher für die Entscheidung über die Beschwerde des Erstrevisionswerbers nicht zuständig.

Zur Zweitrevisionswerberin

18 Gemäß § 24 Abs. 3 Z 2 (der bei Einlangen der Beschwerde der Zweitrevisionswerberin maßgeblichen) Geschäftsverteilung des BVwG für das Jahr 2018 in der Fassung vom 19. März 2018 (GV BVwG 2018) liegt eine Annexsache (Annexität) unter anderem vor, wenn sich eine Rechtssache nach dem AsylG 2005 auf ein Familienmitglied einer Person bezieht, auf die sich ein anderes anhängiges Verfahren nach dem AsylG 2005 bezieht (Bezugsperson). Familienmitglieder in diesem Sinne sind unter anderem die Nachkommen der Bezugsperson (lit. b).

19 Aufgrund der vorliegenden Annexität der Rechtssache der Zweitrevisionswerberin zum Verfahren des Erstrevisionswerbers erfolgte zwar (offenkundig) die Zuteilung zur selben Gerichtsabteilung, bei welcher die Beschwerde des Erstrevisionswerbers bereits anhängig war.

20 Infolge der Unzuständigkeit des erkennenden Einzelrichters für die Entscheidung über die Beschwerde des Erstrevisionswerbers war er auch für die Entscheidung über die Beschwerde der Zweitrevisionswerberin nicht zuständig.

Ergebnis

21 Aus diesen Erwägungen war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.

22 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 52 Abs. 1 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010446.L00

Im RIS seit

29.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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