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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z2Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ro 2019/21/0009Ro 2019/21/0010Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision 1. der L H, 2. des R K, und
3. des N K, alle in G und alle vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Steyrergasse 103/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. April 2019, bezüglich der genannten Revisionswerber mit den Zlen. W125 2162481- 2/10E (ad 1.), W125 2162484-2/9E (ad 2.) sowie W125 2162483- 2/9E (ad 3.), und betreffend Nichterteilung von Aufenthaltstiteln nach § 57 AsylG 2005 sowie Anordnungen zur Außerlandesbringung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es die genannten Revisionswerber betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Erstrevisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Die 1984 geborene Erstrevisionswerberin ist armenische Staatsangehörige und gelangte erstmals 1999 (mit ihren Eltern) nach Österreich.
2 Zwei Asylerstreckungsanträge blieben erfolglos, sodass die Erstrevisionswerberin im Februar 2003 wieder nach Armenien zurückkehrte. Dort wurde am 13. März 2003 ihr ältester Sohn, der Zweitrevisionswerber, geboren. Mit diesem reiste sie spätestens Anfang 2007 wieder nach Österreich ein, wo dann am 13. September 2008 ein weiterer Sohn, der Drittrevisionswerber, zur Welt kam. Auch der Zweit- und der Drittrevisionswerber sind armenische Staatsangehörige; mit derem Vater, gleichfalls ein armenischer Staatsangehöriger, ist die Erstrevisionswerberin kirchlich verheiratet.
3 Anträge aller drei Revisionswerber auf internationalen Schutz blieben erfolglos, letztlich wurden sie nach der Aktenlage im August 2010 nach Armenien abgeschoben.
4 Spätestens zu Jahresbeginn 2017 begaben sich die Revisionswerber wieder nach Österreich und stellten hier erneut Anträge auf internationalen Schutz. Diese Anträge wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheiden je vom 5. Juni 2017 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück; für die Prüfung der Anträge sei gemäß Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-VO - die Revisionswerber befanden sich im Besitz von bis 24. Mai 2017 gültigen spanischen Visa - Spanien zuständig. Unter einem ordnete das BFA jeweils gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung der Revisionswerber an und sprach überdies aus, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Spanien zulässig sei.
5 Mit Erkenntnis vom 7. Juli 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobenen Beschwerden als unbegründet ab. Mehrfache Versuche, die Revisionswerber nach Spanien zu überstellen, scheiterten allerdings in der Folge. 6 Aus Anlass einer Festnahme der Erstrevisionswerberin am 23. November 2018 wurde bei dieser ein am 5. Februar 2018 ausgestellter und bis 31. Jänner 2021 gültiger polnischer Aufenthaltstitel vorgefunden. Im Hinblick darauf ersuchte das BFA die polnischen Behörden um Aufnahme der drei Revisionswerber (sowie eines weiteren, am 20. September 2018 in Graz geborenen Kindes der Erstrevisionswerberin), dem die polnischen Behörden letztlich zustimmten.
7 Mit Bescheiden je vom 9. Jänner 2019 sprach das BFA sodann bezüglich der drei gegenständlichen Revisionswerber jeweils aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde und dass gegen sie gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet werde; "demzufolge" sei gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Polen zulässig. Mit weiterem Bescheid vom 9. Jänner 2019 wies das BFA außerdem den inzwischen gestellten Antrag des im September 2018 geborenen dritten Kindes der Erstrevisionswerberin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und ordnete gemäß § 61 Abs. 1 FPG auch dessen Außerlandesbringung - nach Polen - an.
8 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 17. April 2019 wies das BVwG die gegen diese vier Bescheide vom 9. Jänner 2019 erhobene Beschwerde - bezüglich der drei hier behandelten Revisionswerber gemäß § 57 AsylG 2005 und § 61 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 2 FPG - als unbegründet ab.
9 Das BVwG begründete diese Entscheidung, die erwähnten drei Revisionswerber betreffend, im Wesentlichen damit, dass die vormals bestehende Zuständigkeit Spaniens zur Prüfung ihrer Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art. 19 Abs. 1 der Dublin III-VO durch die Erteilung eines polnischen Aufenthaltstitels an die Erstrevisionswerberin am 5. Februar 2018 auf Polen übergegangen sei, was zufolge Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO auf ihre minderjährigen Kinder durchschlage. Es merkte "der Vollständigkeit halber" weiter an, dass "die Überstellungsfrist" noch nicht abgelaufen sei, wobei es sich zunächst auf Art. 24 Dublin III-VO (erkennbar auf dessen Abs. 2 zweiter Unterabsatz) bezog und ausführte, dass das BFA erst im Rahmen der Festnahme vom 23. November 2018 von dem für die Erstrevisionswerberin ausgestellten polnischen Aufenthaltstitel erfahren habe, sodass es ihm erst ab diesem Zeitpunkt möglich gewesen sei, den inzwischen eingetretenen Zuständigkeitsübergang auf Polen geltend zu machen. Die Überstellungsfrist im Sinne von Art. 29 Dublin III-VO sei jedenfalls noch offen, möge auch die auf 18 Monate verlängerte seinerzeitige Überstellungsfrist im Hinblick auf das erste Konsultationsverfahren (mit Spanien) bereits abgelaufen sein.
10 Die polnische Zuständigkeit sei, so das BVwG dann der Sache nach, durch Erlassung von Anordnungen zur Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 2 FPG umzusetzen. Dazu führte das BVwG näher - im Folgenden wörtlich - aus:
"Mag zwar § 61 Abs. 1 Z 2 FPG seinem Wortlaut nach nur dann zu greifen scheinen, wenn 'in einem anderen Mitgliedstaat' bereits ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde 'und dieser Mitgliedstaat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist', so ergibt sich jedoch ..., dass der Gesetzgeber ohne Zweifel die Absicht hatte, in erster Linie von der Dublin-Verordnung erfasste Fälle zu effektuieren, die mangels Antragstellung in Österreich nicht schon unter § 61 Abs. 1 Z 1 FPG zu subsumieren sind.
Im Übrigen ist auch auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes ... zu verweisen, worin § 17 Abs. 1 BFA-VG unionsrechtskonform dahin ausgelegt wurde, dass der in einem anderen Mitgliedstaat gestellte Asylantrag auch als in Österreich gestellt anzusehen sei, wenn sich die Republik Österreich im Hinblick auf die ihr nach der Dublin-Verordnung zukommende Zuständigkeit zur (Wieder-)Aufnahme des Fremden bereit erklärt hat. Vice versa ist auch in den vorliegenden Fällen davon auszugehen, dass es im Hinblick auf den Wortlaut von § 61 Abs. 1 Z 2 FPG keines nochmaligen Schutzersuchens in Polen bedarf, da Polen mit Ausstellung des Aufenthaltstitels auch die Verpflichtung übernommen hat, die in Österreich gestellten Asylanträge der erstbis dritt(revisionswerbenden) Parteien, für die vormals Spanien zuständig gewesen war ..., nunmehr selbst (anstatt Spaniens) zu prüfen."
11 Eine Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG sei jeweils gegeben, da durch eine Abschiebung keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt werde und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorlägen. 12 Eine Revision gegen sein Erkenntnis erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zur Klärung der Frage zulässig, ob zwecks Effektuierung der praktischen Wirksamkeit der in Art. 19 Abs. 1 Dublin III-VO begründeten Zuständigkeit Polens § 61 Abs. 1 Z 2 FPG wie vom BVwG dargelegt zu interpretieren sei. Allenfalls könnte auch unionsrechtlich nicht klar sein, ob die "entwickelte Sichtweise" zutreffend sei, dass die im Jahr 2017 in Österreich gestellten Anträge, für die Spanien zuständig gewesen sei, nun in die Zuständigkeit Polens fielen und diese Zuständigkeit im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens nach Art. 24 Dublin III-VO geltend zu machen sei.
13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision (erhoben auch von dem im September 2018 geborenen dritten Kind der Erstrevisionswerberin gegen die damit erfolgte Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz; insoweit wird zu Ro 2019/18/0004 entschieden werden), über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - und Vorlage der Akten durch das BVwG (§ 30a Abs. 4 bis 6 VwGG) erwogen hat:
14 Die Revision ist im Sinn der dargestellten Zulässigkeitsausführungen des BVwG, denen sich die Revisionswerber im Ergebnis erkennbar anschließen, zulässig; sie ist auch berechtigt.
15 Für die Lösung des vorliegenden Falles sind einerseits § 5 AsylG 2005 und andererseits § 61 FPG maßgeblich. Diese Vorschriften (§ 5 AsylG 2005 idF des FNG und § 61 FPG idF BGBl. I Nr. 24/2016) lauten wie folgt:
16 § 5 AsylG 2005:
"Zuständigkeit eines anderen Staates
(1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."
17 § 61 FPG:
"Anordnung zur Außerlandesbringung
(1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. er in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dieser Mitgliedstaat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
18 Die zitierten Vorschriften stehen, wie sich schon aus den wechselseitigen Bezugnahmen ergibt, in einem engen normativen Zusammenhang (vgl. auch § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, wonach die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 5 AsylG 2005 mit einer - die Verbringung in einen anderen "Mitgliedstaat" ermöglichenden - Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden ist) und sollen insbesondere der Effektuierung des "Dublin-Systems" (nunmehr regelmäßig der Dublin III-VO) dienen (so ausdrücklich zu § 61 FPG schon VwGH 24.3.2015, Ra 2015/21/0004, VwSlg. 19086 A, Punkt 1. der Entscheidungsgründe). In diesem Sinn erfasst die Z 1 des ersten Absatzes von § 61 FPG - v.a. - jene Fälle, in denen wegen "Zuständigkeit eines anderen Staates", in den in der Folge eine Überstellung stattfinden soll, die Zurückweisung eines in Österreich gestellten Antrages auf internationalen Schutz nach § 5 AsylG 2005 zu ergehen hat, während sich die Z 2 auf Konstellationen bezieht, in denen eine derartige Antragstellung in Österreich unterblieben ist, gleichwohl jedoch eine Überstellung des Drittstaatsangehörigen (insbesondere) "auf Grund der Dublin-Verordnung" in Betracht kommt (so ebenfalls VwGH 24.3.2015, Ra 2015/21/0004, VwSlg. 19086 A).
19 Fälle, in denen wie hier in Österreich Anträge auf internationalen Schutz gestellt wurden, unterliegen einerseits § 5 AsylG 2005 und andererseits § 61 Abs. 1 Z 1 FPG. Diese Vorschriften sind insoweit aufeinander abgestimmt, als § 5 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 2005 anordnet, dass mit der Zurückweisungsentscheidung auch festzustellen ist, welcher Staat zuständig ist. An diese Feststellung knüpft § 61 Abs. 1 Z 1 FPG an, denn es kann kein Zweifel bestehen, dass sich die in Verbindung mit § 5 AsylG 2005 ergehende Anordnung zur Außerlandesbringung auf eben jenen für zuständig befundenen Staat zu beziehen hat; insoweit wird auch der in § 61 Abs. 2 FPG genannte "Zielstaat", in den auf Basis der Anordnung zur Außerlandesbringung eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen zulässig ist, fixiert.
20 Angesichts dieses Zusammenspiels zwischen § 5 AsylG 2005 einerseits und § 61 Abs. 1 Z 1 FPG andererseits wird also die Zielrichtung einer Anordnung zur Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 1 FPG durch die Feststellung nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 2005 vorgegeben. Die Festlegung eines von dieser Feststellung abweichenden anderen "Zielstaates", sei es durch unmittelbare Bezugnahme im Rahmen der Anordnung zur Außerlandesbringung selbst oder (wie im vorliegenden Fall) durch Anführung jenes Staates, in den die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei, kommt damit nicht in Betracht und würde einen nicht auflösbaren Widerspruch im Verhältnis zu der besagten Feststellung zur Folge haben.
21 Dieser Widerspruch besteht auch dann, wenn die Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 5 AsylG 2005 und eine Anordnung zur Außerlandesbringung - was das Gesetz aber ohnehin nicht vorsieht - nicht miteinander verbunden sind, sondern getrennt ergehen. Das entzieht dann einer Vorgangsweise, wie sie im vorliegenden Fall zu beurteilen ist (isolierte Anordnung zur Außerlandesbringung nach § 61 FPG in Bezug auf einen von der Feststellung nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 2005 abweichenden Staat in Verbindung mit einem Abspruch nach § 57 AsylG 2005), jedenfalls den Boden.
22 Sowohl das BFA als auch das BVwG sind freilich davon ausgegangen, die Erlassung der gegenständlichen Anordnungen zur Außerlandesbringung könne auf § 61 Abs. 1 Z 2 FPG gestützt werden. Das kommt allerdings einem Ausblenden der in Österreich gestellten Anträge auf internationalen Schutz gleich bzw. berücksichtigt - anders gewendet - nicht, dass diese Variante der Anordnung zur Außerlandesbringung, wie schon ausgeführt (siehe oben Rn. 18), nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn es keinen inländischen Antrag auf internationalen Schutz gibt. In Richtung des erwähnten "Ausblendens" gehen die oben wörtlich wiedergegebenen Überlegungen des BVwG (siehe Rn. 10), wonach der Gesetzgeber ohne Zweifel die Absicht gehabt habe, in erster Linie von der Dublin-Verordnung erfasste Fälle zu effektuieren, "die mangels Antragstellung in Österreich" nicht schon unter § 61 Abs. 1 Z 1 FPG zu subsumieren seien. Dass freilich demgegenüber von den Revisionswerbern Anträge in Österreich gestellt wurden, die durch ihre in Rechtskraft erwachsene Zurückweisung (Erkenntnis des BVwG vom 7. Juli 2017) nicht obsolet geworden sind, erkennt das BVwG dann aber letztlich selbst, wenn es weiter ausführt, im Hinblick auf "die in Österreich gestellten Asylanträge" bedürfe es aus unionsrechtlichem Blickwinkel "keines nochmaligen Schutzersuchens in Polen". Zu diesen Überlegungen ist im Übrigen noch anzumerken, dass Folgewirkungen der Antragstellung in Österreich nicht dazu führen können, das für die Heranziehung von § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erforderliche Tatbestandsmerkmal "er (der Drittstaatsangehörige) in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat" zu substituieren. Auch mangels einer Antragstellung in Polen kommt daher die Anwendbarkeit von § 61 Abs. 1 Z 2 FPG nicht in Betracht.
23 Das somit insgesamt erzielte Ergebnis (Rechtswidrigkeit der gegen die drei Revisionswerber ergangenen Anordnungen zur Außerlandesbringung) bedeutet indes entgegen der offenbar vom BVwG noch vertretenen Ansicht nicht, es hätte in einer Konstellation, wie sie hier vorliegt, dem "Dublin-System" nicht Genüge getan werden können. Es hätte lediglich einer Beseitigung der seinerzeitigen Entscheidung nach § 5 AsylG 2005 (samt Anordnung zur Außerlandesbringung) durch das BFA bedurft (vergleichbar jenen Fällen, in denen es wegen Fristablaufs nicht mehr zu einer Überstellung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat kommen kann; siehe dazu grundlegend VwGH 19.6.2008, 2007/21/0509, Punkte 4.2. und 6.1. der Entscheidungsgründe, und daran anknüpfend VwGH 16.5.2019, Ra 2018/21/0173, Rn. 14), um dergestalt den Weg für eine Entscheidung nach § 5 AsylG 2005 samt (neuer) Anordnung zur Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 1 FPG freizumachen. 24 Ob für eine Überstellung der Revisionswerber nach Polen - im Sinn der Annahme des BVwG - die Regeln des Wiederaufnahmeverfahrens zur Anwendung zu kommen hatten und ob die im gegebenen Zusammenhang maßgeblichen Fristen der Dublin III-VO beachtet wurden, bedarf hier keiner näheren Erörterung. Das angefochtene Erkenntnis war nämlich, soweit es die hier behandelten Revisionswerber betrifft, schon aus den zuvor angestellten Erwägungen mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Es war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
25 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Da die Revisionswerber ein Erkenntnis gemeinsam in einer Revision angefochten haben, ist der Aufwandersatz gemäß § 53 Abs. 1 VwGG so zu beurteilen, wie wenn die Revision nur von der in der Revision erstangeführten Revisionswerberin eingebracht worden wäre. Das dieser Bestimmung nicht Rechnung tragende Mehrbegehren war ebenso abzuweisen wie - in Anbetracht der bewilligten Verfahrenshilfe - das Begehren auf Ersatz der Gebühr nach § 24a Z 1 VwGG. Wien, am 4. März 2020
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideBesondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019210008.J00Im RIS seit
12.05.2020Zuletzt aktualisiert am
12.05.2020