TE Vwgh Beschluss 2020/3/4 Ra 2020/21/0035

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Veröffentlicht am 04.03.2020
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Index

25/02 Strafvollzug
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
FrPolG 2005 §52 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
StVG §126 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A T E in L, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Dezember 2019, I422 2225870-1/5E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt befristetem Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der 1986 geborene Revisionswerber, ein nigerianischer Staatsangehöriger, kam Ende November 2012 mit einem Visum nach Österreich. Er verfügte durchgehend über Aufenthaltstitel, und zwar zunächst vom 29. November 2012 bis 29. November 2017 als Studierender und nach seiner Heirat mit einer österreichischen Staatsbürgerin ab 30. November 2017 (befristet bis 30. November 2020) als Familienangehöriger. Diese Ehe wurde mittlerweile geschieden.

2 Der Revisionswerber wurde straffällig und deshalb mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. August 2018 wegen des als Beitragstäter begangenen Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall sowie Abs. 4 Z 3 SMG und wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster, zweiter und dritter Fall sowie Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt, die er unter Anrechnung der Untersuchungshaft seit 5. März 2018 - der Aktenlage zufolge - aktuell noch in der Justizanstalt Linz verbüßt. 3 Dem Urteil liegt zugrunde, dass der Revisionswerber zugesagt habe, einen Teil eines nach Österreich zu schmuggelnden Suchtgiftes zur Verteilung zu übernehmen, und dadurch zur vorschriftswidrigen Aus- und Einfuhr von Suchtgift in einem das 25- fache der Grenzmenge überschreitenden Ausmaß - Transport von insgesamt mehr als 2.000 Gramm Kokain (207 Bodypacks) und etwa 100 Gramm Heroin (10 Bodypacks) von Amsterdam nach Linz Anfang März 2018 - beigetragen habe. Des Weiteren habe er insgesamt etwa 1.075 Gramm Kokain (109 Bodypacks) und etwa 100 Gramm Heroin (10 Bodypacks) am 4. März 2018 zur Verteilung (Weiterveräußerung) erworben, besessen und teilweise (von Linz nach Wien) befördert. Bei der Strafbemessung wertete das Strafgericht die Sicherstellung des Suchtgiftes, die reumütige geständige Verantwortung und den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd, erschwerend hingegen das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und die mehr als 80-fache Überschreitung der Grenzmenge.

4 Im Hinblick auf diese Straftaten erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 4. Oktober 2019 gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein mit sechs Jahren befristetes Einreiseverbot. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das BFA noch fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria zulässig sei.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. Dezember 2019 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG noch aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 Unter diesem Gesichtspunkt bemängelt der Revisionswerber der Sache nach die vom BVwG gemäß § 53 Abs. 3 FPG getroffene Gefährdungsprognose (Vorliegen einer "schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit") und die nach § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung und rügt diesbezüglich die Unterlassung der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

9 Dieser Einwand führt allerdings nicht zur Zulässigkeit der Revision, weil es unter Bedachtnahme auf die vom Revisionswerber begangenen Straftaten auch unter Einbeziehung der für ihn sprechenden Umstände vertretbar war, dass das BVwG in der vorliegenden Konstellation im Ergebnis von einem "eindeutigen Fall", und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung, ausging. Demzufolge durfte das BVwG im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 7 BFA-VG (vgl. dazu etwa die Nachweise in VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0275, Rn. 13) ausnahmsweise von der in der Beschwerde ausdrücklich beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen.

10 In der Revision wird zwar besonders betont, dass sich der Revisionswerber seit Jänner 2019 im gelockerten Vollzug befinde und ihm sodann als "Freigänger" von Juli bis Oktober 2019 außerhalb der Justizanstalt eine Berufstätigkeit und danach die Fortsetzung seines Studiums ermöglicht worden sei.

11 Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt klargestellt, dass sich aus dem Status eines Strafhäftlings als "Freigänger" keine maßgebliche Minderung der sich aus dem strafbaren Verhalten ergebenden Gefährdung ableiten lässt. Es ist nämlich ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (siehe zum Ganzen etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0118, Rn. 12, mwN).

12 Von einer solchen nachdrücklichen Manifestierung der Gefährlichkeit durfte das BVwG der Sache nach angesichts der hier gegebenen qualifizierenden Umstände bei den vom Revisionswerber begangenen Suchtgiftdelikten im vorliegenden Fall ausgehen, sodass es jedenfalls nicht deren bereits eingetretenen Wegfall annehmen musste, zumal sich der Revisionswerber im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung auch noch in Strafhaft befand. Demzufolge kommt den ins Treffen geführten Umständen - entgegen der Meinung in der Revision - auch bei der Interessenabwägung keine maßgebliche Bedeutung zu.

13 In Bezug auf diese Abwägung wird in der Revision dann noch geltend gemacht, der Revisionswerber führe seit Jänner 2019 (im Rahmen der Freigänge) eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die er bereits seit 2015 kenne. Auch zu deren Tochter im Alter von zweieinhalb Jahren bestehe bereits ein Naheverhältnis. Dazu verwies das BVwG aber zu Recht relativierend darauf, dass die Genannten - mag dies auch auf die Haft zurückzuführen sein - bisher noch nie in einem gemeinsamen Haushalt zusammengelebt hätten und die Beziehung auch erst im Jänner 2019 eingegangen worden sei. Im Übrigen steht dem daraus ableitbaren Interesse an einem Verbleib in Österreich das im vorliegenden Fall besonders große öffentliche Interesse an der Unterbindung von (grenzüberschreitendem) Suchtgiftschmuggel und Suchtgifthandel entgegen (vgl. VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0081, Rn. 11; siehe auch VwGH 19.3.2013, 2011/21/0152, Punkt 2.2. der Entscheidungsgründe, mwN), sodass auch die in der Revision überdies noch relevierten bisherigen Studienerfolge und die durch mehrere "Empfehlungsschreiben" belegten sozialen Kontakte nicht zu einem anderen Ergebnis führen können. Im Übrigen ist aber auch die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes nicht zu beanstanden. 14 Der Revision gelingt es somit nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 4. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210035.L00

Im RIS seit

12.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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