Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2019, Zl. W195 2215777- 1/25E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: A H, vertreten durch MMag.a Marion Battisti, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, Burggraben 4/4), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 2. April 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. 2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 6. Februar 2019 wurde dieser Antrag vollinhaltlich abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung des Mitbeteiligten nach Bangladesch zulässig sei, sowie eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.). 3 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) behob den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Beschluss vom 2. Dezember 2019 und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück (Spruchpunkt A). Die Revision erklärte das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
4 Begründend führte das BVwG aus, die Echtheit der vorliegenden Unterlagen des Mitbeteiligten könne nicht verifiziert werden. Dies sei nur durch einen Vergleich des Inhalts der Unterlagen mit den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort möglich. Das BFA habe daher mittels Auftrag an einen "Vertrauensanwalt" (private Person, die das Vertrauen der österreichischen Vertretungsbehörden genießt) vor Ort festzustellen, welche der vorgelegten Unterlagen echten Inhaltes seien und von welcher Stelle diese ausgestellt worden seien. Zudem seien Recherchen vor Ort erforderlich, um den Wahrheitsgehalt des Vorbringens des Mitbeteiligten beurteilen zu können.
5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das angefochtene Erkenntnis widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Zurückverweisungsbeschlüssen nach § 28 Abs. 3 VwGVG (Verweis unter anderem auf VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063). Die in dieser Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen erfülle der angefochtene Beschluss nicht, sodass er von der genannten Rechtsprechung abweiche.
6 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurück-, in eventu die Abweisung der Revision.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs
ist in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (vgl. grundlegend VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063). 10 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 2.9.2019, Ra 2019/01/0086, mwN).
11 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. abermals VwGH 2.9.2019, Ra 2019/01/0086, mwN).
12 Das BVwG hat dem BFA mit dem angefochtenen Beschluss lediglich aufgetragen, einen Vertrauensanwalt im Herkunftsstaat mit Erhebungen zur Echtheit einzelner Urkunden zu beauftragen und weitere - vom BVwG nicht näher präzisierte - Ermittlungen zum Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten zu tätigen.
13 Das BVwG ist allerdings selbst ermächtigt, die österreichische Vertretungsbehörde um Amtshilfe zu ersuchen (vgl. zu derartigen Ermittlungen im Rahmen der Amtshilfe VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100-0101, mwN).
14 Fallbezogen können weder krasse oder gravierende Ermittlungslücken im Zusammenhang mit dem behördlichen Verfahren erkannt, noch kann konstatiert werden, dass eine Ergänzung des bereits festgestellten Sachverhalts durch das BFA anstelle des BVwG im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, zumal auch ein neuerlicher Rechtszug gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung eröffnet werden würde.
15 Demnach fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung, weshalb das BVwG dennoch vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ausgehen konnte.
16 Der angefochtene Beschluss war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 17 Kosten waren schon deshalb nicht zuzusprechen, weil der Mitbeteiligte gemäß § 47 Abs. 3 VwGG nur im Fall der Abweisung der Revision Anspruch auf Aufwandersatz hätte (vgl. VwGH 30.10.2019, Ra 2019/01/0181).
Wien, am 4. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010010.L00Im RIS seit
29.04.2020Zuletzt aktualisiert am
29.04.2020