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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des F A in L, vertreten durch die Stieger Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Anton-Walser-Gasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. Oktober 2019, L504 2224517- 1/2E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, hält sich seit Mai 2002 in Österreich auf. Ihm waren wiederholt Aufenthaltstitel, zuletzt der Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU", erteilt worden; im Mai 2019 stellte er insoweit einen (bislang unerledigten) Verlängerungsantrag.
2 Mit Bescheid vom 18. September 2019 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 5 FPG eine Rückkehrentscheidung. Es stellte nach § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei, gewährte ihm gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab. Weiters erließ das BFA gemäß § 53 Abs. 1 und 3 Z 1 FPG gegen den Revisionswerber ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 30. Oktober 2019 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Begründend legte das BVwG dar, der Revisionswerber habe zwischen Jänner 2005 und November 2017 näher dargestellte Waffen unbefugt besessen und solche in der Folge gewerbsmäßig gegen Entgelt verschiedenen - zu ihrem Erwerb ebenfalls nicht befugten - Abnehmern verkauft und überlassen. Zwischen 30. Juni 2012 und 9. November 2017 habe er unbefugt wiederholt und gewerbsmäßig Schusswaffen der Kategorie B und Munition in der Schweiz erworben, sie nach Österreich eingeführt und in die Türkei verbracht. Entsprechende Tathandlungen habe er zwischen 1. Oktober 2011 und 9. November 2017 betreffend Schusswaffen der Kategorie B und Munition begangen, indem er diese in Deutschland erworben und nach Österreich eingeführt bzw. von Österreich nach Deutschland ausgeführt habe. In einem nicht feststellbaren Zeitpunkt habe er, wenn auch nur fahrlässig, Kriegsmaterial, nämlich eine vollautomatische Maschinenpistole, unbefugt besessen. Er habe dadurch die Verbrechen nach § 79 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 Z 1 Außenwirtschaftsgesetz (AußWG), Vergehen nach § 80 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 Z 1 AußWG sowie näher dargestellte Vergehen nach § 50 Abs. 1 Waffengesetz begangen. Deshalb sei über ihn mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 29. März 2019 eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt nachgesehen) verhängt worden.
Hieraus leitete das BVwG eine schwerwiegende vom Revisionswerber ausgehende Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 3 FPG ab. Er habe nämlich sein strafbares Verhalten bereits kurz nach der Einreise begonnen und aus Gewinnsucht viele Jahre lang, fast die gesamte Zeit seines Aufenthalts im Bundesgebiet, fortgesetzt. Mit involvierten Personen sei er äußerst konspirativ vorgegangen, habe seine Straftaten verschleiert und dafür gesorgt, diese weiterhin (wäre er nicht ausgeforscht worden) unbehelligt begehen zu können. Da er die Taten trotz überwiegender legaler Erwerbstätigkeit mehr als zwölf Jahre zur Erwirtschaftung von Nebeneinkünften wiederholt habe, erscheine die Gefahr groß, dass er diesen gewohnten Lebensstil fortsetzen und sein Einkommen dadurch neuerlich verbessern wolle. Die Rückkehrentscheidung sowie das Einreiseverbot, auch im Ausmaß von zehn Jahren, erwiesen sich somit als verhältnismäßig.
Der Revisionswerber spreche Deutsch und habe im Jahr 2002 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, mit der er drei (2003, 2005 und 2011 geborene) österreichische Kinder habe. Die Ehe sei allerdings im Jahr 2015 geschieden worden, die Kinder lebten bei ihrer Mutter. Die Beziehung zu seinen Kindern sei zerrüttet gewesen, habe sich in der Folge aber wieder gebessert.
Aufgrund einer im Jahr 2013 erfolgten Anzeige wegen Körperverletzung durch die (damalige) Ehegattin sei gegen den Revisionswerber am 6. Juli 2013 gemäß § 38a SPG ein sicherheitspolizeiliches Betretungsverbot verhängt worden. Im Jahr 2018 sei gegen den Revisionswerber ein Waffenverbot erlassen worden.
Hieraus folgerte das BVwG, dass das öffentliche Interesse (insbesondere an der Verhinderung weiterer Straftaten wie der genannten) an der Außerlandesbringung des Revisionswerbers seine privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen. Mit der Möglichkeit einer Reintegration in seinem Heimatstaat, der Türkei, wo er aufgewachsen sei, eine Berufsausbildung und Berufspraxis erworben habe, die Landessprache auf muttersprachlichem Niveau beherrsche, die Eltern und weitere Verwandte lebten und er sich zumindest einmal im Jahr zu Urlaubszwecken aufgehalten habe, sei zu erwarten. Kontakte zu den Angehörigen in Österreich könnten mittels moderner Kommunikationsmittel oder durch Besuche aufrechterhalten werden. 5 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Revision erweist sich als unzulässig.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG). 7 Insoweit wendet sich der Revisionswerber gegen die vom BVwG angestellte Gefährdungsprognose sowie die Interessenabwägung, wobei er insbesondere auf die lange Dauer seines Aufenthalts in Österreich, die Berufstätigkeit und aufrechte Kontakte zu seinen drei minderjährigen Kindern verweist.
8 Dem ist zu entgegnen, dass es sich sowohl bei der Gefährdungsprognose als auch bei der Interessenabwägung um einzelfallbezogene Beurteilungen handelt, die grundsätzlich nicht revisibel sind, wenn diese Beurteilungen auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und auf vertretbare Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurden (vgl. etwa VwGH 7.3.2019, Ra 2019/21/0017, Rn. 13).
9 Unter Berücksichtigung der zum Teil jahrelangen Fortsetzung der beschriebenen Vergehen und Verbrechen, was das in der Revision hervorgehobene Vorliegen einer einzigen gerichtlichen Verurteilung relativiert, sowie des auch in der Vergangenheit eingeschränkten Kontakts des Revisionswerbers zu seinen bei ihrer Mutter lebenden Kindern, ist die Vertretbarkeit der vom BVwG (auf Basis der in Rn. 4 dargestellten Gesichtspunkte) vorgenommenen Beurteilung sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung zu bejahen.
10 Insgesamt wird in der Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt, sodass sie sich als unzulässig erweist. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 4. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210391.L00Im RIS seit
05.05.2020Zuletzt aktualisiert am
05.05.2020