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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §55Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der J S in W, vertreten durch die Rohregger Scheibner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 17/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. Oktober 2019, W119 2130395- 1/11E, betreffend insbesondere Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine philippinische Staatsangehörige, reiste unter Verwendung eines vom 30. März bis zum 27. Juni 2008 gültigen Schengen-Visums in das Bundesgebiet ein. Sie ist seither, ohne über Aufenthaltstitel zu verfügen, in Österreich verblieben, wo sie sich erstmals am 31. Oktober 2014 polizeilich anmeldete. 2 Mit Eingabe vom 15. März 2016 beantragte sie - anwaltlich vertreten - die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.
3 Mit Bescheid vom 14. Juni 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag gemäß § 55 AsylG 2005 ab. Es erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG, stellte nach § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG auf die Philippinen zulässig sei, und bestimmte gemäß § 55 FPG eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für ihre freiwillige Ausreise. Weiters erließ das BFA gemäß § 53 Abs. 1 und 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot.
4 Mit dem angefochtenen, nach mündlicher Verhandlung vom 30. September 2019 erlassenen Erkenntnis vom 28. Oktober 2019 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der von der Revisionswerberin gegen den genannten Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde insoweit statt, als es die in diesem erfolgte Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes ersatzlos behob. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend verwies das BVwG vor allem auf den unangemeldeten unrechtmäßigen Verbleib der Revisionswerberin in Österreich zwischen 2008 und Oktober 2014. Auch sei die Revisionswerberin mangels Beschäftigungsbewilligung nie einer legalen Berufstätigkeit nachgegangen. Zwei ihrer Schwestern, die über Aufenthaltstitel verfügten, lebten in Österreich. Die Revisionswerberin werde von einer Schwester unterstützt, sodass zu dieser neben familiären Kontakten auch ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Darüber hinaus verfüge die Revisionswerberin über eine Wohnrechtsvereinbarung sowie einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag als Reinigungskraft mit einem monatlichen Einkommen von EUR 1.500,-- brutto. Sie sei Mitglied in einem Verein "Philippine Federation Salzburg" und verfüge über Sozialkontakte sowie "ein freundschaftliches Netzwerk" zu österreichischen Staatsbürgern. Auch sei sie strafrechtlich unbescholten. Zwar habe sie ein Sprachdiplom auf dem Niveau A2 erworben, in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG habe sie jedoch lediglich bruchstückhafte Deutschkenntnisse erkennen lassen und somit nicht mit entsprechenden Kenntnissen überzeugen können.
Mit der Möglichkeit einer Reintegration im Heimatstaat, wo sie eine Ausbildung zur Hebamme und Zahnarzthelferin absolviert habe und berufstätig gewesen sei, sowie wo ihre Eltern und eine Schwester lebten, sei zu rechnen. Unter Berücksichtigung der jahrelangen Verletzung melderechtlicher Vorschriften und dem daraus folgenden Fehlen einer Erreichbarkeit für die Fremdenbehörde, obgleich ihr aus der Beziehung zu ihren Schwestern fremdenrechtliche Bestimmungen bekannt sein müssten, sowie des geringen Grades der im Bundesgebiet erlangten Integration erweise sich die Aufenthaltsbeendigung ungeachtet des mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes noch als verhältnismäßig. Soziale Anknüpfungspunkte in Österreich könnten nach einer Ausreise etwa über briefliche, telefonische oder elektronische Kontakte aufrechterhalten werden.
6 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision erweist sich als unzulässig.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision nur zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
8 In dieser Hinsicht macht die Revisionswerberin vor allem geltend, das BVwG habe keine stichhältige Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK vorgenommen. Das trifft jedoch nicht zu, weil die vom BVwG im Rahmen einer Gesamtbetrachtung angestellten Erwägungen (laut Rn. 5) ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wurden. Dass das BVwG dabei zu dem Ergebnis gelangte, die privaten Interessen der Revisionswerberin an einem Verbleib in Österreich würden nicht schwerer wiegen als die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung, ist angesichts ihrer letztlich nicht sehr stark ausgeprägten Integration in Österreich jedenfalls vertretbar. Das gilt auch vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden regelmäßig von einem Überwiegen seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist, denn diese Judikatur wird aufgrund des für die Behörden unbekannten Aufenthalts der Revisionswerberin infolge Verletzung melderechtlicher Vorschriften bis zum Oktober 2014 nicht schlagend (vgl. dazu etwa VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rn. 13, und VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0077, Rn. 9, jeweils mwN).
9 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang unterstellt, zu VwGH 31.1.2013, 2012/23/0006, wäre ein "fast deckungsgleicher Fall" abweichend entschieden worden, ist dem zu entgegnen, dass dieser Entscheidung ein rund 15-jähriger Aufenthalt einer in Österreich eine Lebensgemeinschaft führenden Fremden zu Grunde gelegen war, und vor allem, dass der hier zutreffende und für den Ausgang des Verfahrens wesentliche Vorwurf einer Missachtung melderechtlicher Vorschriften dort fallbezogen als nicht tragfähig gewertet wurde.
10 Als aktenwidrig rügt die Revisionswerberin die Annahme des BVwG, dass auf den Philippinen ihre Eltern leben. Richtigerweise sei ihre Mutter bereits verstorben; lediglich ihr Vater und eine Schwester hielten sich auf den Philippinen auf.
Dem ist zu entgegnen, dass die erwähnte Feststellung des BVwG der eigenen Aussage der Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2019 (Seite 9) folgt, wo sie darlegte, sie könnte nach einer Rückkehr auf die Philippinen bei ihren Eltern und bei ihrer Schwester wohnen. Wenn sie selbst an anderer Stelle auch von einem Ableben ihrer Mutter gesprochen hatte, wird dadurch, dass das BVwG ihrer letzten Aussage folgte, jedenfalls keine Aktenwidrigkeit begründet. Darüber hinaus fehlt der erwähnten Feststellung auch die Relevanz für den Ausgang des Verfahrens.
11 Soweit die Revision schließlich ins Treffen führt, die Revisionswerberin wäre bereits zu einem früheren Zeitpunkt gutgläubig von ihrer polizeilichen Meldung ausgegangen, ist sie ebenfalls auf ihre eigene Aussage vom 30. September 2019 (Seite 6) zu verweisen, in der sie darlegte, sie habe dies lediglich "gehofft und gedacht".
12 Insgesamt gelingt es der Revision somit nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.
Wien, am 4. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210386.L00Im RIS seit
05.05.2020Zuletzt aktualisiert am
05.05.2020